Protokoll der Sitzung vom 14.03.2018

Sehr geehrte Damen und Herren, die neue Regierung hat ihr Herz für Kommissionen entdeckt. Kommissionen findet die neue Regierung ganz, ganz toll,

(Peter Ritter, DIE LINKE: 219a, zum Beispiel.)

wenn sie zum Beispiel eine Pflegemindestlohnkommission, eine Rentenkommission, eine Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung gründet. Auch die Expertenkommission zu Rechtsfolgen der Digitalisierung wird von ihnen genauso ins Leben gerufen wie die Fluglärmkommission, die Baukostensenkungskommission,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Die wollen alle was zu tun haben.)

die Enquetekommission zur nachhaltigen Baulandmobilisierung und Bodenpolitik. Diese Kommissionen sollen jetzt also das Ruder rumreißen

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

und vielleicht ist ja die Anzahl der Kommissionen tatsächlich das Neue in diesem Koalitionsvertrag. Wir haben jedenfalls keinen Aufbruch erlebt, weder einen alten noch neuen. Wir erlebten Wortbruch statt Aufbruch,

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

statt Dynamik erlebten wir Stagnation.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Jochen Schulte, SPD: Das ist doch allertiefste Mottenkiste.)

Und welchen Zusammenhalt meinen Sie überhaupt? Den Zusammenhalt, den Sie einmütig gezeigt haben, als es um Posten, um Machterhalt und um Einfluss ging?

(Beifall vonseiten der Fraktionen der AfD und DIE LINKE)

Oder den Zusammenhalt innerhalb der SPD, als sie Martin Schulz ganz einmütig in die Wüste geschickt hat oder Sigmar Gabriel rauskickte?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Aber das mit 100 Prozent!)

Sehr geehrte Damen und Herren, was bringt nun dieser neue Vertrag für einen Aufbruch, für eine Dynamik für den Osten, speziell für Mecklenburg-Vorpommern? Ich nehme das Ende mal vorweg: nicht viel.

(Vincent Kokert, CDU: Das ist ja schon fast ein Lob, Frau Oldenburg.)

In unserem Bundesland wird die Arbeit der Menschen weiterhin weniger wert sein als in Schleswig-Holstein. Gerade die SPD hat resigniert und nimmt einfach in Kauf, dass es weiterhin keinen gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit geben wird.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Auch ist es die SPD, die darüber hinwegsieht, dass Millionen Rentnerinnen und Rentner in die Röhre gucken, weil die SPD einfach zu schwach ist, endlich die Rentenanpassung umzusetzen. 28 Jahre nach der Wiederverei

nigung gibt es für den Rentner in Wismar immer noch weniger Rente als für den Rentner in Wiesbaden.

Bringen denn wenigstens die Neuregelungen zur sachgrundlosen Befristung etwas für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Mecklenburg-Vorpommern? Nein, auch nicht, denn diese gelten nur für Unternehmen mit mehr als 75 Beschäftigten. 2,5 Prozent der Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern haben 75 Beschäftigte und mehr, 97,5 Prozent der Unternehmen haben weniger Beschäftigte.

(Jochen Schulte, SPD: Und das ist aus Ihrer Sicht also ein Grund dafür, gar nichts zu machen?)

Das Gleiche gilt auch für den neu eingeführten Rechtsanspruch auf befristete Teilzeit,

(Jochen Schulte, SPD: Wenn wir nicht das Himmelreich bekommen, dann machen wir also gar nichts?)

um dann die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser in den Griff zu bekommen. Und diese Regelung gilt für Betriebe mit 45 Beschäftigten und mehr. Das ist nicht einmal die Hälfte in Mecklenburg-Vorpommern, das heißt, mehr als die Hälfte der Beschäftigten guckt auch bei dieser Regelung in die Röhre.

Und was wollen Sie eigentlich unternehmen, um das Kardinalproblem der Gesellschaft zu lösen? Was wollen Union und SPD tun, um die wachsende soziale Ungerechtigkeit, um die hohe Kinder- und Altersarmut zu bekämpfen? Was wollen Sie tun, damit die soziale Herkunft eines Kindes nicht mehr über Schule und Berufsausbildung entscheidet? Bei weit über 40 Kommissionen, die hier gegründet werden, schafft es diese Koalition nicht einmal, eine Kommission zur Bekämpfung der Armut ins Leben zu rufen. Das ist einfach nur schäbig und das ist armselig!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Von beiden ist es ja hier heute genannt worden, von Herrn Kokert und von Herrn Krüger, die Entlastung durch den Soli. Ich möchte jetzt mal ein bisschen Wasser in Ihren Soli-Wein kippen,

(Vincent Kokert, CDU: Gerne.)

denn bereits jetzt hat ein Alleinstehender mit einem Bruttogehalt von circa 1.500 Euro keinen Soli gezahlt.

(Vincent Kokert, CDU: Ja, das wissen wir.)

Und eine vierköpfige Familie – zwei Erwachsene, zwei Kinder – mit einem Einkommen von ein bisschen mehr als 4.000 Euro brutto

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

hat bisher auch keinen einzigen Cent Soli gezahlt.

(Vincent Kokert, CDU: Und was wollen Sie uns damit sagen?)

Dass der Regierung eben nicht daran gelegen ist, die Kleinen und die Mittleren zu entlasten,

(Vincent Kokert, CDU: Was ist mit dem Kindergeld, Frau Oldenburg?)

sondern dass es hauptsächlich darum geht, dass immer noch die Reichen begünstigt werden,

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Vincent Kokert, CDU: Was ist mit dem Kindergeld?)

indem sie eben auch nicht für die Mitfinanzierung des Gemeinwohls herangezogen werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Diese neue Regierungspolitik ist nicht gut für Mecklenburg-Vorpommern, denn es braucht mehr als den Drang nach Posten, als den Kampf um den Machterhalt

(Vincent Kokert, CDU: Das geht jetzt wieder an die SPD, nehme ich an.)

und als die Angst vor politischer Bedeutungslosigkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der BMV der Fraktionsvorsitzende Herr Wildt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Landtagsabgeordnete! Wir haben nunmehr einiges gehört – das Klopfen auf die eigene Schulter, aber auch bösartige Polemik. Deshalb möchte ich den Titel unserer Aktuellen Stunde noch mal in Erinnerung rufen: „Neue Bundesregierung: stabile Verhältnisse – wichtig für Mecklenburg-Vorpommern“.

Wie neu ist die Regierung tatsächlich? Formal ist es eine neugewählte Regierung, das ist richtig. Genauso richtig ist aber auch, dass es wieder die gleichen Parteien – CDU, SPD und CSU – sind, die eine Koalitionsvereinbarung geschlossen haben. Die Regierungschefin ist seit zwölf Jahren unverändert und viele Kabinettsmitglieder sind seit Langem in der Regierung tätig. Der Koalitionsvertrag schließlich ist zwar neu, aber hier hat die Wochenzeitung „Die Zeit“ sehr treffend formuliert: „Die wichtigsten Dinge der letzten Legislaturperiode standen nicht im Koalitionsvertrag. Der Versuch, möglichst viele Vorhaben in einem sehr umfangreichen Vertrag zu regeln, lässt eher befürchten, dass das gegenseitige Vertrauen nur gering ist.“

Insbesondere die SPD hat versucht, sich möglichst viele Zugeständnisse schriftlich geben zu lassen. Vor der Bundestagswahl wurde mehrfach geäußert, dass die Gemeinsamkeiten aufgebraucht seien. Mir würde die nüchterne, aber aufrichtige Aussage besser gefallen, dass es eben die staatsbürgerliche Verantwortung von politischen Parteien ist, wenigstens eine Regierungsbildung zu versuchen, bevor als letzte Möglichkeit die vorgezogenen Neuwahlen in Betracht kommen.

(Vincent Kokert, CDU: Da sind wir einer Meinung, Herr Wildt.)

Nun soll diese Regierung nach Ihrer Meinung, Herr Kokert, stabil sein. In meinen Augen ist diese Hoffnung Ihrerseits recht kühn. Kurz nachdem die neue Regierung