Protokoll der Sitzung vom 15.03.2018

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Frau Oldenburg.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe zuerst überlegt, ob ich bei dem Antrag der Fraktion Bürger für MecklenburgVorpommern dem Antrag durch Druckverband und stabile Seitenlage ein bisschen mehr Leben einhauchen kann. Das hätte dann aber den Antragstext vollkommen geändert und das geht ja nicht. Das liegt aber nicht an Ihren Forderungen, sondern das liegt an dem halbherzigen, wenn es überhaupt reicht, Handeln der Bildungsministerin.

(Marc Reinhardt, CDU: Siehste!)

Wir haben hier wirklich verschiedene Dinge, da bringen Sie ein bisschen was durcheinander, aber das ist vollkommen egal. Das dann aufzuräumen und in die richtige Richtung zu bringen, können wir aus Sicht meiner Fraktion wirklich sehr gern im Bildungsausschuss machen,

(Beifall Bernhard Wildt, BMV)

denn die Zielrichtung Ihres Antrages ist vollkommen nachvollziehbar und auch richtig. Wir müssten über die Inhalte reden, dass wir da mal gucken, was man unter anderem Schülern zumuten kann, was schon da ist und was nicht.

Auf alle Fälle brauchen wir zwei Sachen. Das Erste ist, dass Schülerinnen und Schüler an weiterführenden Schulen lebensrettende Maßnahmen verbindlich erlernen. Einen kompletten Erste-Hilfe-Lehrgang lehnen wir auch ab, aber wir sind sehr für die lebensrettenden Maßnahmen.

(Zurufe von Andreas Butzki, SPD, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Zweitens brauchen alle Lehrkräfte in Mecklenburg-Vorpommern endlich die kostenlose Ausbildung zur Ersthelferin beziehungsweise zum Ersthelfer.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Wir haben diese beiden Sachen. Wir müssen einmal etwas mit den Schülerinnen und Schülern machen und einmal mit den Lehrerinnen und Lehrern. Dazu ist heute noch gar nichts gekommen, außer, dass hier vorgelesen wurde, und dafür können Sie ja nichts. Sie ist jetzt nicht da. Dafür kann die Ministerin nichts. Sie hat nur vorgelesen, was da mit den Lehrerinnen und Lehrern ist. Sie haben es falsch verortet im Lehrplan.

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Das ist ziemlich egal, wichtig ist aber, dass sie fortgebildet werden, denn wer jetzt glaubt, dass Lehrerinnen und Lehrer in Mecklenburg-Vorpommern verbindlich zu Ersthelfern fortgebildet werden, der irrt sich. Das passiert überhaupt nicht.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Hier agiert die Landesregierung aus meiner Sicht ganz unverständlich, denn nur die Lehrkräfte, die in „gefährlichen Fächern“ unterrichten, das sind also Biologie, Sport, Hauswirtschaft und Chemie, dürfen fortgebildet werden.

Frau Oldenburg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Dr. Manthei?

Bitte schön.

Einen Moment, ich schalte noch das Mikro zu.

Vielen Dank.

Ich habe nur eine Verständnisfrage. Habe ich Sie gerade richtig verstanden, dass Sie sagten, Sie sind für die lebensrettenden Sofortmaßnahmen in weiterführenden Schulen, aber alles andere nicht? Habe ich das richtig verstanden?

Ich habe gesagt, für die lebensrettenden Maßnahmen sind wir, aber nicht für einen kompletten Erste-Hilfe-Lehrgang, sondern die Erlernung von lebensrettenden Maßnahmen, die schon mal an den Schulen üblich war durch die Björn Steiger Stiftung – dazu komme ich gleich noch mal – möchten wir gern wieder da haben, wo sie mal war.

Also dürfen nur Lehrerinnen und Lehrer in gefährlichen Fächern hier fortgebildet werden und nicht alle. Es geht nicht darum, dass an unseren Schulen alle Lehrerinnen und Lehrer fortgebildet werden, die allen Schülerinnen und Schülern helfen, sondern nur einige wenige, und die können dann auch nur einigen wenigen Schülern helfen. Wenn sich Lehrkräfte zusätzlich fortbilden lassen wollen, müssen sie das bezahlen. Sie müssen dafür bezahlen, obwohl sie das in ihrer Tätigkeit, in ihrem Beruf tun, es geht nicht um die Freizeit. Derartige Streiche haben nicht einmal die Schildbürger geschafft.

Da stelle ich mir mal als Lehrerin, als Schulleiterin folgende Szene vor, man hat es nicht selten: Es kommt ein Kind mit einer Platzwunde. Da sage ich, es tut mir leid, ich bin Deutsch- und Geschichtslehrerin, ich kann jetzt nicht helfen, wir warten mal, bis Sport-Bio vorbeikommt. Das ist dann die Realität, wenn es so weitergeht wie bisher. Vorgelesen wurde aus den Worten von Frau Hesse, dass das vorbildlich ist, die Zustände, die wir an den Schulen haben. Also wenn das vorbildlich ist, möchte ich nicht wissen, was nicht vorbildlich ist.

Und jetzt möchte ich mal aus diesem Erlass zitieren, den Sie auch schon genannt haben, Frau Hoffmeister, was für mich ein Ding der Unmöglichkeit ist: „Die Anzahl und Ausbildung der benannten Beschäftigten muss in einem angemessenen Verhältnis zur Zahl der Gesamtbeschäftigten und zu den bestehenden besonderen Gefahren in der Schule stehen. … Bei 2 bis 20 anwesenden Beschäftigten ist das eine Ersthelferin oder ein Ersthelfer, bei mehr als 20 Beschäftigten müssen … fünf Prozent als Ersthelferin oder Ersthelfer ausgebildet sein.“ Und jetzt kommts: „Bei der Berechnung der Anzahl der Ersthelferinnen und Ersthelfer werden die Schülerinnen und Schüler nicht als anwesende Versicherte gezählt.“ Ende des Zitats.

An einer Schule geht es also nicht darum, wie viel Schüler sind da, denen geholfen werden muss, sondern wie viel Lehrer da arbeiten, wo vielleicht einer mal umkippt. Da

müssen doch wirklich bei der Fortbildung die Schülerinnen und Schüler mit einbezogen werden, denn darum geht es ja. Wenn ich diese fünf Prozent habe, das habe ich mal durchgerechnet, brauche ich 39 Kolleginnen und Kollegen und erst der 40. ist dann das fünfte Prozent. Bei 40 Kollegen habe ich zwei Ersthelfer. Habe ich 40 Kollegen und eine Schule mit 500 bis 600 Schülern, heißt das, ich habe dann zwei Ersthelferinnen beziehungsweise Ersthelfer bei 600 Schülern. Da weiß ich nicht, wo das vorbildlich sein kann.

Deswegen müssen wir das unbedingt ändern, das muss wirklich dringend beraten werden, denn es geht ja auch weiter in diesem Erlass, den ich jetzt nochmals zitieren möchte: „Die Beurteilung erfolgt anhand verschiedener Kriterien“, also ob eine Lehrkraft kostenlos fortgebildet werden kann. „Ausschlaggebend ist im Wesentlichen die Fachrichtung, die die … Lehrkraft überwiegend zu unterrichten hat. … Das Argument, dass jede Lehrkraft im Rahmen …“,

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU)

Ich habe es nicht verlernt!

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

„… dass jede Lehrkraft im Rahmen der Unterrichts- bzw. Pausenaufsicht und bei Klassenfahrten mit einer Notfallsituation konfrontiert werden kann, fließt ebenfalls in die Beurteilung ein, erlaubt alleine jedoch keine sachgerechte Unterscheidung, ob die beantragte Aus- bzw. Fortbildungsmaßnahme im jeweiligen Einzelfall … erforderlich ist, um eine wirksame ,Erste Hilfe‘ sicherzustellen.“

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Peter Ritter, DIE LINKE: Aber sie hören nicht!)

Das müssen Sie sich mal vorstellen! Es wird überprüft, ob eine Lehrerin/ein Lehrer, der mit Hunderten Schülern täglich zu tun hat, überhaupt in der Ersten Hilfe ausgebildet sein muss, der muss das noch beweisen. Das ist doch überhaupt nicht richtig. Wir fordern als Linksfraktion eine verpflichtende kostenlose Ausbildung für alle Lehrerinnen und Lehrer als Ersthelfer,

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

egal, in welchem Fach sie unterrichten!

(Marc Reinhardt, CDU: Ich würde mal fragen: Wer ist „alle“?)

Sehr geehrte Damen und Herren, auch in dem sogenannten Wiederbelebungsunterricht, in dem – und jetzt komme ich noch mal, Herr Manthei, zu Ihrer Frage – die Schülerinnen und Schüler zum Beispiel die Herz-LungenMassage erlernt haben, waren wir an unseren Schulen schon mal wesentlich weiter, als wir es jetzt sind. Auch deshalb lohnt es sich, über den Antrag der Fraktion Bürger für Mecklenburg-Vorpommern nachzudenken.

Was ist denn geschehen mit unserem Bundesland, das an dem Projekt der Björn Steiger Stiftung teilgenommen hat, wo alle weiterführenden Schulen über Klassensätze von Übungspuppen verfügt haben, einem Projekt, bei dem – da möchte ich Sie auch noch mal berichtigen –

54.000 Schülerinnen und Schüler mal wussten, wie es geht, denn die sind inzwischen raus aus der Schule? Dieses Projekt ist ja beendet und das werfe ich der Landesregierung vor, sich hinzustellen und zu gucken, dass dieses Projekt eine begrenzte Laufzeit hat und alles Positive, was wir wirklich als Vorreiter gehabt haben, den Bach runtergeht.

(Bernhard Wildt, BMV: Richtig!)

Das ist wirklich fahrlässiges Verhalten. Passiert irgendetwas, ist das Gejammer groß, aber ich würde gern auf das Jammern verzichten.

(Torsten Renz, CDU: Wann war das Projekt beendet?)

Ich möchte gern, dass alle Schülerinnen und Schüler wieder am Wiederbelebungsunterricht in Klasse 7 teilnehmen können, so, wie wir es hatten. Es ist kein Unding.

(Torsten Renz, CDU: Wann wurde das abgeschafft?)

2015 wurde das Projekt von der Björn Steiger Stiftung noch mal um ein Jahr verlängert, und wenn man sich das anguckt, Herr Wildt hat es gesagt, wieso es überhaupt dazu kam: Die Björn Steiger Stiftung hat das gemacht, weil der Sohn, Björn Steiger, gestorben ist, da über eine Stunde keine Hilfsmaßnahmen erfolgten. Da machten sich die Eltern dieses damals neunjährigen Jungen auf die Strümpfe und sagten, wir geben diesen Ländern Geld, wir finanzieren das, damit so etwas nicht wieder passiert, was unserem Kind passiert ist. Das sollten wir doch aufnehmen! Da können wir doch als Land nicht sagen, es ist jetzt vorbei, 2016 ist Schicht im Schacht. Ich verlange von der Landesregierung, dass das wieder eingeführt wird!

Für uns ist es ganz wichtig, dass Kinder ausgebildet werden, natürlich immer, was wir gesagt haben, altersgerecht.

(Bernhard Wildt, BMV: Richtig!)

Mich erschreckt auch wirklich, dass man das so laufen lässt. Ich habe zwei Kleine Anfragen dazu im Januar des letzten Jahres gestellt. Die Antworten sind erschreckend. Ich fasse das zusammen: Das Bildungsministerium weiß nicht, welche Schulen noch über diese Klassensätze verfügen. Das Bildungsministerium weiß nicht, wer die Verschleißteile finanziert, das müssten eben die Schulträger machen. Das Bildungsministerium hat keinen Überblick, an welchen Schulen überhaupt noch der Wiederbelebungsunterricht in welcher Klassenstufe durchgeführt wird. Obwohl die Kultusministerkonferenz den Wiederbelebungsunterricht allen Ländern empfohlen hat, sieht unsere Landesregierung mit dem großen Pfund, mit dem wir wuchern könnten durch die Björn Steiger Stiftung, überhaupt keine Notwendigkeit, hier etwas zu machen.

Ich zitiere dazu aus der Drucksache 7/264, einer Antwort auf meine Kleine Anfrage: „Alle Schulen, die über einen Klassensatz Übungspuppen und eine ausgebildete Lehrkraft verfügen, können das Modul ,Wiederbelebung‘ fortführen. Die Entscheidung trifft die Schule und die zuständige Lehrkraft aufgrund ihrer vorhandenen Rah

menbedingungen und Bedarfe selbstständig und eigenverantwortlich.“ Wenn ihr also Lust habt, liebe Schulen, dann macht, wenn nicht, ist das nicht so schlimm.