Protokoll der Sitzung vom 15.03.2018

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Mit der Forderung nach verpflichtenden Kursen sollen die Kosten für Unterrichtsmaterialien nicht mehr vom Schulträger, sondern vom Land getragen werden. Dazu gehören neben den üblichen Sanitätsmaterialien auch die Übungspuppen für die Herz-Lungen-Wiederbelebung einschließlich der Verschleißteile.

Die Kollegin Oldenburg hatte schon mal Anfragen in der Richtung gestellt und diese sind entsprechend auch beantwortet worden, dass knapp 90 Prozent der Schulen die Übungspuppen behalten haben. Andernfalls entstünden den Schulträgern erhebliche Mehrkosten, die zulasten dringlicherer Aufgaben der Schulen gingen. Diese Kosten würden sich dann weiter erhöhen, wenn, wie von Experten gefordert, regelmäßige, möglichst jährliche Wiederholungen des Trainings zur Auffrischung und Verfestigung des Lerneffekts durchgeführt würden.

Eine Aufnahme in die Lehrpläne, wie von der Fraktion der BMV gefordert, ist nicht nötig, wenn es sich um ein reines Wiederbelebungstraining handelt, da dieses zum Beispiel im Rahmen der Behandlung des Herzkreislaufs im Fach Biologie der Klasse 7 bereits durchgeführt werden kann. Für weitere Erste-Hilfe-Maßnahmen dürften sich allenfalls durch Straffung beziehungsweise Streichungen im Lehrplan an anderer Stelle geeignete Zeitpunkte finden, oder es wird, wie auf die freiwillige Kooperation hingewiesen, im Rahmen der Ganztagsbetreuung auf freiwilliger Basis fortgeführt.

Zweifellos – das ist richtig – könnte eine größere Verbreitung von Reanimationsfähigkeiten so manchem das Leben retten, aber wer möchte schon in einer Situation, in der es um Leben und Tod geht, von einem Kind behandelt werden?

(Zuruf von Bernhard Wildt, BMV)

Das ist im Zweifel manchmal besser, als wenn gar keiner da ist. Allerdings ist der Einsatz 13-jähriger Kinder zu lebensrettenden Maßnahmen in jedem Fall nur als letztes Mittel zu betrachten, wenn kein anderer Erste-Hilfekundiger Erwachsener zur Stelle ist. Im Übrigen schreibt uns das Gesetz zwingend vor, ob wir an Erste-HilfeKursen teilgenommen haben oder nicht, dass wir alle Ersthelfer sind.

(Bernhard Wildt, BMV: Kinder sollen nur die Angst verlieren, darum geht es.)

Ja, die Angst, darauf komme ich noch zu sprechen.

Es geht um den geeigneten Zeitrahmen. Zumindest könnten Erste-Hilfe-Kurse für Kinder dazu beitragen, dass die Teilnehmer schon früh die Scheu vor einer Ersthilfe überwinden könnten. Da haben wir den Punkt.

Herr Wildt, Sie haben es angesprochen in mehreren Interviews, dass dieses Konzept in Bayern bereits seit geraumer Zeit verbindlich geregelt sei. So ist allerdings klarzustellen, dass die Ausbildung zum Juniorhelfer in Bayern in der Grundschule erfolgt, und zwar auf entsprechend kindgerechtem Niveau und keineswegs flächendeckend, also auch nicht mit Ihrem angestrebten Modell vergleichbar ist. Ebenso fehlt ein stringenter wissenschaftlicher Beweis, dass die von Ihnen angeführte Korrelation zwischen höherer Erste-Hilfe-Bereitschaft in Skandinavien mit der Einführung entsprechender Kurse in dortigen Schulen tatsächlich eine Ursache-WirkungBeziehung eingeht oder anderweitig zu erklären sei.

(Zuruf von Bernhard Wildt, BMV)

Um die Motivation der Schüler zur aufmerksamen Teilnahme am obligatorischen Erste-Hilfe-Kurs zu steigern, wäre es ratsam, wenn damit bereits die für den Führerschein nötige Erste-Hilfe-Ausbildung abgegolten wäre. Das lässt sich aber, den Ausführungen entsprechend, nicht einfach so umsetzen.

Wir haben ja nachher diesen Dringlichkeitsantrag, den wir heute noch behandeln, dass wir das Alter für das begleitete Fahren auf 16 heruntersetzen wollen. Damit wären Ihren Zahlen zufolge knapp 80 Prozent der Beteiligten schon mit einer soliden Erste-Hilfe-Ausbildung im Rahmen der Fahrschulverordnung, der Fahrschulausbildung …

(Bernhard Wildt, BMV: Das ist ja nicht verpflichtend.)

(Bernhard Wildt, BMV: Das ist ja nicht verpflichtend, dann mit 16 die Fahrerlaubnis zu machen.)

Das machen aber circa 80 Prozent. Das machen eine ganze Menge.

(Bernhard Wildt, BMV: Mit 17, ja. Ich hab ja Kinder, die machen das auch.)

Wie gesagt, dann sollte der Kurs aber nicht schon in der 7. Klasse, wie im Projekt „Retten macht Schule“ vorgesehen, sondern erst ab der 9. Klasse durchgeführt werden, wenn es sich um diesen erweiterten Rahmen handelt.

(Zuruf von Bernhard Wildt, BMV)

Bereits jetzt existieren umfangreiche gesetzliche Bestimmungen beziehungsweise Verordnungen, um Erste Hilfe in den meisten Fällen abzusichern, und da sind wir bei dem Punkt der Wiederholung. Wenn Sie einmal Ihre Erste-Hilfe-Ausbildung im Rahmen der Führerscheinausbildung, der Fahrschulausbildung absolviert haben, müssen Sie das nie wieder unter Beweis stellen, ob Sie das können oder auch nicht.

(Zuruf von Bernhard Wildt, BMV)

Es ist die übliche Verknüpfung von Erste-Hilfe-Kursen mit dem Erwerb des Führerscheins et cetera. Solche Kurse aufzufrischen und zu absolvieren, ein Auffrischungstraining, ist, wie gesagt, nicht vorgesehen, und insofern ist es schwierig.

Nach Abwägung aller Vor- und Nachteile Ihres Antrages stellen wir fest, dass der von der Kultusministerkonferenz übernommene Grundgedanke durchaus erwähnenswert ist, und wir würden einer Überweisung des Antrages in die Ausschüsse zustimmen. Andernfalls würden wir uns enthalten. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau von Allwörden.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Freizeit, bei einem Strandspaziergang, in öffentlichen Verkehrsmitteln, im Urlaub, während der Arbeit oder zu Hause – in oftmals harmlos erscheinenden Situationen, die wir alle schon hundertmal im Alltag erlebt haben, kann es innerhalb kürzester Zeit dazu kommen, dass ein uns vertrauter oder nicht vertrauter Mensch schnellstmöglich medizinische Hilfe benötigt. In solch einem Moment sind dann vor allem ruhige Nerven, professionelle ärztliche Hilfe, aber auch eigenes Ersthelferwissen überlebenswichtig. Wenn medizinische Laien zum Beispiel mit der Herzdruckmassage beginnen, bevor ein Rettungswagen an Ort und Stelle ist, kann die Überlebenschance bei einem Herzkreislaufstillstand signifikant erhöht werden. Erste Hilfe zu beherrschen, ist daher wichtig.

Der Antrag Ihrer Fraktion, sehr geehrter Herr Wildt, passt daher gut in die Diskussionen, die in anderen Bundesländern zwischen Ärzten, Verbänden und Bildungsträgern in jüngster Zeit verstärkt geführt werden. Nach Einschätzung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung könnten in Deutschland 10.000 Leben mehr gerettet werden, sofern sich das Zusammenspiel aus Ersthelfern und Profis verbessern würde. Das nenne ich eine beachtliche Zahl. Es ist sicher kein positives Aushängeschild, dass nur in rund 20 Prozent aller Notfälle Wiederbelebungsmaßnahmen an der Unfallstelle in Deutschland eingeleitet wurden, bevor die Rettungskräfte eintrafen.

Das Statistische Bundesamt geht von jährlich 280.000 Herzinfarkten in Deutschland aus, auf die unverzüglich reagiert werden muss. Erste Hilfe kann dabei Leben retten. Und seien wir doch mal ehrlich: Wie viele Jahre liegt bei Ihnen, bei uns der letzte Erste-Hilfe-Kurs zurück? Es ist kein Wunder, dass bei vielen Unfallbeteiligten die Angst überwiegt, etwas Falsches zu tun, und sie daher die Ersthilfe unterlassen, was verheerende Konsequenzen nach sich zieht, nämlich erstens einen toten Menschen, wenn es schlecht läuft, und zweitens eine Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung. Um das Selbstvertrauen und das Wissen darüber, was in einem Ausnahmefall zu tun ist, zu erhöhen, spielen Erste-Hilfe-Kurse daher eine entscheidende Rolle. Wiederbelebungskompetenz sollte nach Ansicht vieler Experten bereits in den Schulen im Rahmen des Unterrichts vermittelt werden.

2014 hatte die Kultusministerkonferenz bereits den Ländern empfohlen, dass ab der 7. Klasse zwei Unterrichtsstunden pro Jahr Erste-Hilfe-Kompetenzen unterrichtet werden sollen durch ebenfalls geschulte Lehrkräfte. Wir müssen jedoch feststellen, dass bislang nur wenige Länder dieser Empfehlung gefolgt sind.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Wichtig ist, dass wir nicht gefolgt sind.)

Nordrhein-Westfalen, seit Juni 2017 durch Christdemokraten und freie Demokraten regiert,

(Tilo Gundlack, SPD: Die Helden!)

hat diesen Gedanken bereits in den Koalitionsvertrag aufgenommen und politisch umgesetzt. Auf Seite 96 der dortigen Koalitionsvereinbarung heißt es, mit Erlaubnis zitiere ich: „Durch die Unterrichtung an allen Schulen in Nordrhein-Westfalen wollen wir die Bereitschaft zur Ersten Hilfe und Wiederbelebung von Anfang an fördern.“ Ende Januar 2018 hat das NRW-Schulministerium nun einen neuen Erlass herausgegeben, wonach an Schulen mit mehr als 20 Lehrkräften bis zu 20 Prozent des Kollegiums eine Ersthelferausbildung absolvieren sollen.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Das ist erst mal ein Schwachsinn!)

Auch werden für die Schülerinnen und Schüler im Rahmen oder in Ergänzung des Unterrichts Erste-Hilfe-Kurse angeboten, falls eine Beschulung durch Rettungsdienstorganisationen im Unterricht nicht möglich ist, in Form von Freiwilligenkursen. Des Weiteren wird in NRW das Modellprojekt „Laienreanimation an Schulen“ seit diesem Schuljahr ab der 7. Klasse durchgeführt, um auch hier

durch die Wiederbelebungskompetenz zu stärken. Wir hörten bereits davon.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies und auch andere Beispiele aus anderen Bundesländern verdeutlichen, dass eine Grundausbildung in Erster Hilfe an Schulen den Unterrichtsgegenstand sinnvoll ergänzen kann, um junge Menschen fit für Notfallsituationen zu machen. Und ich sage Ihnen ganz offen, einen ähnlichen Weg wünsche ich mir auch für Mecklenburg-Vorpommern.

Die seit 2015 in Kraft befindliche Verwaltungsvorschrift „Unfallverhütung und Sicherheit in Schulen“ des Bildungsministeriums stellt …

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Die ist im Januar 2018 erneuert worden.)

(Peter Ritter, DIE LINKE: Simone, du weißt zu viel.)

… einleitend fest, dass Unfallverhütung und Sicherheitserziehung allgemeine und ganzheitliche Aufgaben der Schule sind. Auch hat die Schule demnach mit geeigneten Mitteln Unfälle von Beschäftigten, Schülerinnen und Schülern zu verhüten und für eine wirksame Erste Hilfe zu sorgen, zu der sich Lehrkräfte fortbilden lassen können.

Nach meiner festen Überzeugung wäre es allerdings erstrebenswert, wenn auch Schülerinnen und Schüler ab der 7. Klasse verstärkt an Erste-Hilfe-Kursen teilnehmen. Es ist dahingestellt, ob dies mit einer Erweiterung der bevorstehenden Verwaltungsvorschrift möglich ist oder hier ein neuer verwaltungsrechtlicher Weg eingeschlagen werden müsste. In jedem Fall sollte es in unserem gemeinsamen Interesse sein, Ersthelferkompetenzen von Schülerinnen und Schüler, die das Wissen dann ja nicht nur in der Schule anwenden, zu fördern.

Gegen den Antrag der BMV-Fraktion – da zitiere ich meinen Fraktionsvorsitzenden gern – kann man daher erst mal nichts haben. Auch wäre es denkbar, dass das Land an bewährte Kooperationsformen mit Rettungsdienstorganisationen anknüpft, die bereits auf Landkreisebene an einigen Schulen durchgeführt werden, zum Beispiel durch das DRK, und das auch schon zu 50 Prozent der Schulen landesweit. Möglich wäre es außerdem, dass die Schulen Mittel aus dem Zusatzbudget für ganztägige Lernangebote dafür einsetzen, Kooperationsvereinbarungen im Erste-Hilfe-Bereich zu schließen.

Inhaltlich unterstütze ich den ersten Punkt des Antrages der BMV-Fraktion vollumfänglich. Schüler sollten bereits in der Schule eine Erste-Hilfe-Ausbildung erhalten. Nummer zwei des Antrages hingegen sollte zunächst genauer geprüft werden, ob entsprechende Kurse im Rahmen freiwilliger Zusatzkurse angeboten werden sollten oder ob wir tatsächlich eine verpflichtende Beschulung in den Lernplänen benötigen.

Die Ausführungen von Ihnen, Herr Wildt, finden wir schlüssig und daher halten wir eine Überweisung in den zuständigen Ausschuss für richtig, wichtig und notwendig. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und BMV)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Frau Oldenburg.