Protokoll der Sitzung vom 15.03.2018

Das will ich jetzt auch nicht vertiefen.

(Vincent Kokert, CDU: Das habe ich gestern gesehen. Das kann man auch vergessen.)

Alles klar! Ich will nur zeigen, es gibt eine Widersprüchlichkeit zwischen dem, was Sie programmatisch wollen, und dem, was Sie jetzt hier in Gang setzen. Also Sie wollen was zur Sicherheit.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD – Vincent Kokert, CDU: Ihr lest ja nicht mal eure eigenen Programme!)

Ja, also Reizthema Sicherheit werden wir dann noch mal haben.

Noch mal: Sicherheit,

(Torsten Renz, CDU: Keine konkreten Zahlen!)

Justiz, Außenpolitik …

Einen Moment, Herr Koplin!

Ich glaube, die Abgeordneten haben Ihren dezenten Hinweis nicht verstanden, dass wir uns jetzt mit anderen Themen befassen und dass wir uns darauf konzentrieren sollen. Ich weise jetzt noch mal darauf hin und dann können Sie versuchen, das Thema weiter zu beackern.

Danke, Frau Präsidentin, dass Sie Ihre Autorität nutzen,

(Torsten Renz, CDU: Keine Kommentierung, Herr Kollege!)

um hier wieder Konzentration auf das Thema zu bringen.

(Torsten Renz, CDU: Keine Kommentierung!)

Ich wiederhole nicht noch mal, was Sie alles programmatisch wollen, aber Wirtschaftsförderung durch den Staat steht in Ihrer Programmatik nicht drin. Also Sie müssen erst mal für sich Ihr Selbstverständnis klären, was wollen Sie über die Art und Weise „Wir sind jetzt die Retter der Kleinst- und Kleinunternehmen“ hinaus. Dazu bedarf es mehr als dieses Antrages. Wir müssen schauen, wie ist die Situation, wie stellt sie sich gerade in jüngerer Zeit dar und wo sind die Stellschrauben, bei denen es zu handeln gilt.

Ich sage Ihnen einen Punkt, der für DIE LINKE ganz wichtig ist, wo wir handeln wollen und müssen, weil es 2014 da eine Zäsur gegeben hat. Also wir haben Schülerfirmen im Land gehabt, die bei dem Konzept 2014 „Übergang Schule und Beruf“, die in dem Zuge Förderung verloren haben. Das bedauern wir sehr. Gerade Schülerfirmen zu unterstützen und an der Stelle etwas zu machen, wäre wichtig, Herr Minister – oder es sind ja mehrere Ministerien, die da angesprochen sind. Das sollte hier auch in Betracht kommen.

Wir empfehlen Ihnen sehr, dass Sie darüber nachdenken, Ihren Antrag in den Ausschuss zu geben, dass man vertiefend darüber nachdenkt, sagt, wie wirksam sind die Instrumente, die wir jetzt haben, was kann man machen, ohne mit der Kreditwirtschaft in einen Wettlauf zu treten, denn es ist nicht originäre Aufgabe des Staates, mit den Banken zu konkurrieren, wer die besseren Konditionen hat, sondern wir wollen flankieren, wir wollen etwas machen für die Entwicklung dieses Landes, für die Wirtschaftsentwicklung, für die Überwindung von Langzeitarbeitslosigkeit, und würden dann entsprechend darüber nachdenken können, welche Mittel dazu probat sind.

Herr Koplin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Professor Dr. Weber?

Wenn ich die beantworten kann.

Bitte schön.

Die können Sie sicher beantworten.

Sie hatten eben gesagt, dass es nach dem Programm der AfD eigentlich nicht unsere Leitlinie ist, mit der Pri

vatwirtschaft in Konflikt oder in Konkurrenz zu treten. Jetzt haben Sie gesagt, Sie treten mit dem, was Sie wollen, dabei in Konkurrenz oder man muss überlegen, dass man damit einen zweiten Arbeitsmarkt eröffnet, einen öffentlichen, wenn man solche Darlehen macht. Jetzt frage ich Sie: Das ist doch genau das, was die Linksfraktion eigentlich möchte, einen staatlich geförderten Arbeitsmarkt für sonst schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose und so weiter. Warum sind Sie jetzt plötzlich so skeptisch?

Also wir sind skeptisch hinsichtlich dessen, was Sie vorgetragen haben und welchen Weg Sie beschreiten wollen, weil Ihnen fehlt jegliche Analyse. Und ich habe auf die Widersprüche hingewiesen, die Sie zwischen Ihrer Programmatik und dem, was Sie hier praktisch anbieten, haben. Wir haben uns schon immer für einen sozialen Arbeitsmarkt eingesetzt. Da ist das, was hier in Rede steht, nur ein kleiner Baustein. Sozialer Arbeitsmarkt ist mehr. Wir wollen selbstverständlich Langzeitarbeitslosigkeit überwinden, dazu haben wir auch ein Programm entwickelt, das wir hier im Zuge der Haushaltsberatungen unterbreitet haben. Das würde das Land 8 Millionen Euro kosten und mehrere Tausend Arbeitsplätze schaffen.

Das haben wir alles dargelegt. Insofern unterscheiden wir uns auch in dieser Frage deutlich. Also wir sind skeptisch, was das betrifft. Das mag wohl sein, aber wir plädieren dafür, dass Sie noch mal darüber nachdenken, das gegebenenfalls im Ausschuss zu behandeln.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Und nun?)

Ja, das war das, was ich sagen wollte für die Linksfraktion, und ich bedanke mich recht herzlich.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Ja, also ganz offensichtlich funktioniert das mit den Zwischenfragen nicht. Wir sollten vielleicht gucken, ob wir das Ganze nur als Fragen bezeichnen.

Auf alle Fälle hat jetzt ums Wort gebeten für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Schulte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Ich hatte nicht damit gerechnet, als dieser Tagesordnungspunkt auf die Tagesordnung gesetzt wurde, dass das jetzt einen Parforceritt gibt durch Entwicklungshilfepolitik für die Dritte Welt, die Situation von Mikrodarlehen dort, im Verhältnis auch oder vor dem Hintergrund einer möglicherweise nicht existierenden oder funktionierenden Bankenlandschaft. Ich habe auch nicht damit gerechnet, dass wir hier über den sozialen Arbeitsmarkt im Zusammenhang mit Existenzgründerdarlehen reden, aber ich meine, das kann man natürlich alles machen. Ob das mit dem Antrag etwas zu tun hat, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das will ich mal dahingestellt sein lassen.

Sehr geehrter Herr Kollege Koplin, ich fange mal mit Ihnen an, weil Sie die Frage aufgeworfen haben, warum ist denn überhaupt die Zahl der in Anspruch genommenen Mikrodarlehen hier über das LFI in den Jahren – Sie haben den Zeitraum bis 2012 genannt – rückläufig gewesen. Herr Kollege Koplin, das ist ja eigentlich nicht verwunderlich, dass das rückläufig ist. Im Endeffekt hat

diese Entwicklung zwei Ursachen, die parallel oder zumindest teilweise zeitlich parallel gelaufen sind. Wir haben einfach in der Vergangenheit eine verstärkte Inanspruchnahme dieser Mikrodarlehen gehabt, weil Bürgerinnen und Bürger aus diesem Land mit diesen Mikrodarlehen versucht haben, häufig auch erfolgreich versucht haben, den Weg aus der eigenen privaten Arbeitslosigkeit in eine selbstständige Beschäftigung zu finden.

Nun bin ich der Letzte in diesem Haus, allein aufgrund meiner eigenen Vita, der etwas dagegen hat, wenn man sich selbstständig macht – ich finde, das ist eine lobenswerte Entscheidung –, nur ist es natürlich so gewesen, dass durchaus bei diesen, die das versucht haben, die dieses Wagnis auf sich genommen haben, der eine oder andere dabei gewesen ist, der das möglicherweise aufgrund einer Alternativlosigkeit im Arbeitsmarkt getan hat. Das muss man einfach mal so zur Kenntnis nehmen. Das ist auch eine berechtigte Motivation, aber das führt dazu, dass sich eine Anzahl derjenigen, die auf dem regulären Arbeitsmarkt möglicherweise wieder Chancen auf eine Beschäftigung für sich selber sehen, dann eine andere Entscheidung treffen und sich nicht mehr selbstständig machen möchten. Auch das ist eine legitime Entscheidung, und das führt dazu, dass entsprechende Darlehensangebote, egal, ob das jetzt das Mikrodarlehen ist, es gibt ja auch noch andere Angebote der öffentlichen Hand, ob die in Anspruch genommen werden oder nicht.

Und der zweite Punkt, Herr Kollege Koplin, Sie haben ihn in gewisser Weise selber schon angesprochen, ist eine veränderte Situation auf dem Bankenmarkt, auch was die Möglichkeit angeht, zinsgünstige Darlehen in Anspruch zu nehmen. Natürlich kriegen Sie, auch wenn der EZBZins momentan bei null Prozent liegt, von einer privaten Bank im Regelfall auch bei einer Existenzgründung keinen Kredit, kein Darlehen mit einem Zinssatz von null Prozent,

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

aber Sie kriegen ihn auf jeden Fall günstiger als noch vor 10 oder vor 15 Jahren. Und auch da muss man ganz deutlich sagen, es ist für jemanden, der in die Existenzgründung geht, durchaus eine Überlegung, ob er möglicherweise mit einer privaten Bank eine Finanzierung macht, selbst wenn die vielleicht ein oder zwei Prozentpunkte höher ist als eine öffentliche Finanzierungsmaßnahme, aber es kann durchaus seine Gründe haben, dass man sagt, ich will eben nicht öffentliche Kreditinstrumente in Anspruch nehmen. Das ist durchaus nicht unüblich, und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, auch das führt natürlich zu einer veränderten Situation.

In dem Zusammenhang, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen – und jetzt komme ich zu dem Antrag der AfDFraktion –, in dem Zusammenhang muss man sich natürlich fragen: Wofür sind denn überhaupt entsprechende öffentlich-rechtlich abgesicherte oder finanzierte Kredite, wie in diesem Fall Mikrodarlehen für Existenzgründungen, da? Und wenn Sie sich die entsprechenden Richtlinienmerkblätter, hier zum Beispiel zum Mikrodarlehen, angucken, dann ist es natürlich dafür da, dass eine Finanzierungslücke zwischen der privatwirtschaftlich finanzierten, also über die Banden finanzierten Kreditaufnahme für eine Existenzgründung und dem nicht dadurch abgesicherten Betrag geschlossen werden soll.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, deswegen wird ja insbesondere bei den Ziffern 1.3 und 2.3, die Sie auch in Ihrem Antrag angesprochen haben, wo die Obergrenze von 20.000 auf 25.000 Euro erhöht werden soll, deutlich gemacht, dass Sie diese Finanzierung dort nur bekommen, wenn sie eine Kofinanzierung ist zu einer privatwirtschaftlich durch eine Bank oder ein öffentlichrechtliches Kreditinstitut erfolgte Finanzierung, sodass auch da schon deutlich wird, dass wir auf der einen Seite natürlich hier nicht darüber reden können und reden sollten, dass grundsätzlich die öffentliche Hand die entsprechende Kreditwirtschaft ersetzt, sondern dass wir tatsächlich darüber reden müssen, in welchem Umfang denn überhaupt eine öffentlich-rechtliche Finanzierung, zum Beispiel durch Mikrodarlehen, notwendig ist.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, man kann über alles Mögliche nachdenken, das will ich Ihnen jetzt gar nicht mal in Abrede stellen. Natürlich kann man darüber reden, ob die Beträge aufgrund von Zeitablauf von 10.000 auf 15.000 Euro erhöht werden sollen, und man kann auch darüber nachdenken, ob die Maximalförderung erhöht werden soll. Nur, jetzt spreche ich mal aus der eigenen Erfahrung von jemandem, der so etwas auch in Anspruch genommen hat, auch wenn es sehr, sehr lange her ist. Es sind keine Mikrodarlehen gewesen, aber es sind damals eher P-Darlehen und KfW-Kredite gewesen, die ich bei meiner Existenzgründung in Anspruch genommen habe. Und ich sage Ihnen das ganz offen: Was entscheidend ist für die Existenzgründung, ist nicht die Frage, ob ich einen öffentlich-rechtlich finanzierten Kredit mit einem Zinssatz von sieben Prozent – oder fünf Prozent momentan – in Anspruch nehmen kann oder ob ich auf der anderen Seite einen privatwirtschaftlich vergebenen Kredit, zum Beispiel über eine Bank, mit vielleicht zwei Prozent mehr in Anspruch nehmen kann, sondern die grundsätzliche Frage bei einer Existenzgründung ist, wie sind die sonstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Tätigkeit, die ich entfalten will.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn wir uns darüber Gedanken machen, wie wir Existenzgründung in diesem Land, auch – nicht nur, aber auch – vor dem Hintergrund, was Herr Minister Glawe eben gesagt hat, Frage von Ausgründungen aus Universitäten, von Startups in neuen Technologiebereichen, wenn wir uns darüber Gedanken machen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dann ist nicht die Frage der Veränderung der Zinskonditionen und der Betragskonditionen bei Mikrodarlehen das Entscheidende, sondern die Frage ist tatsächlich, wie wir das Geld, das uns zur Verfügung steht, dort einsetzen, um zum Beispiel mehr Leute dazu zu motivieren, in diesen Bereichen unternehmerisch tätig zu werden. Das ist das Entscheidende!

(Christoph Grimm, AfD: Günstiger.)

Und das ist nicht, Herr Kollege Grimm, das ist nicht eine Frage der Günstigkeit der Zinskonditionen, sondern das eine Frage der Entwicklung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Ich sage es mal ganz offen: Wenn Sie am Ende des Tages,

(Zuruf von Christoph Grimm, AfD)

am Ende des Geschäftsjahres eines Unternehmens sagen können, ich war wirtschaftlich erfolgreich, wie sich das auch immer vielleicht im ersten, zweiten, dritten Jahr Ihrer Existenzgründung darstellt – also Sie wollen ja

davon leben, auch in der Perspektive –, dann ist für Sie nicht die Frage, ob Sie ein halbes Prozent mehr Zinsen zahlen müssen, weil das können Sie, wenn Sie Gewinn machen, meistens ohnehin sogar steuerminimierend einsetzen. Für Sie ist im Endeffekt die Frage, wie kommt es dazu, dass Sie zum Beispiel Kunden generieren können. Das ist viel wichtiger, weil wenn Sie tatsächlich Einnahmen haben, dann können Sie auch erst Ihre Ausgaben bedienen. Wenn Sie keine Einnahmen haben, das wissen Sie ja aus Ihrer anwaltlichen Tätigkeit wahrscheinlich auch, können Sie versuchen, die Ausgaben noch weiter runterzusetzen, aber wenn kein Geld reinkommt, ist jeder Cent, der rausfließt, einer zu viel.

Deswegen ist eigentlich die Frage, die wir uns stellen müssen – auch an Sie gerichtet, Herr Kollege Koplin –, wie können wir die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für diejenigen, die sich selbstständig machen wollen, so verbessern, dass die erfolgreich arbeiten. Da ist die Zinssituation gar nicht das Entscheidende.

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, deswegen lassen Sie mich an dem Punkt dann auch abschließen. Wenn wir darüber diskutieren, lassen Sie uns doch bitte nicht darüber diskutieren, wie wir möglicherweise Geld in ein System reingeben, um einen halben Prozentpunkt billiger zu sein als eine Bank oder vielleicht statt 12 Monate tilgungsfrei 18 Monate tilgungsfrei zu machen – weil wir haben ja hier 12 Monate Tilgungsfreiheit im Moment bei diesen Mikrodarlehen –, sondern dann lassen Sie uns dieses Geld, das wir dort haben, weil es sind ESF-Mittel, die wir dafür benutzen, lassen Sie uns dieses Geld, das wir dafür haben, tatsächlich sinnvollerweise zum Beispiel für Coaching-Maßnahmen von jungen Unternehmerinnen oder auch von Älteren – es gibt auch ältere Leute, die sich selbstständig machen – benutzen. Die meisten Leute, und das sage ich jetzt auch aus der Erfahrung desjenigen heraus, der viel mit Unternehmen zu tun hat, die meisten Leute scheitern nicht an der Kreditbelastung, die sie haben, sondern die meisten Leute scheitern daran, dass sie zum Beispiel nicht in der Lage sind, eine vernünftige Rechnungslegung und Buchhaltung in ihrem Unternehmen aufzubauen. Und wenn man da ansetzt und zum Beispiel Leute coacht, ihnen sagt, wie man im Bereich Marketing vielleicht erfolgreicher sein kann, ist das für eine Unternehmensgründung und für eine Unternehmensentwicklung sicherlich produktiver als ein halbes Prozent Zinsersparnis oder zwei Jahre längere Kreditlaufzeit. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Torsten Renz, CDU – Dr. Ralph Weber, AfD: Das zeigt wieder, dass Sozialdemokraten nicht mit Geld umgehen können. – Jochen Schulte, SPD: Ich bin immer noch selbstständig.)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der BMV

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)