Herr Förster, ich mache Sie darauf aufmerksam, ich habe Sie gewähren lassen, aber zum Antrag haben Sie eigentlich nicht gesprochen.
Nein, Sie haben eine Grundsatzdiskussion über Gleichberechtigung hier vom Zaun gebrochen. Da ich das jetzt schon mehrfach beobachtet habe, behalte ich mir vor, Sie nächstens zu unterbrechen und das nicht mehr zuzulassen.
(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Dann rufen wir das Verfassungsgericht an. – Heiterkeit bei Andreas Butzki, SPD – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Landtag! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist wieder bezeichnend, zuerst sprechen die Männer zu einem die Frauen betreffenden Thema und dann werden sie noch im ersten Satz auf ihre Klamotten reduziert. Das, Herr Ritter, war voll daneben.
(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Er hat das Zitat gebracht! Er hat zitiert, Frau Friemann-Jennert! Er hat zitiert! – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)
Uns verbindet, dass wir mehr Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft, in der Politik oder der öffentlichen Verwaltung haben wollen. Auch hier im Landtag wäre es zu begrüßen, wenn sich der Frauenanteil von aktuell nur 25 Prozent weiter erhöht.
(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Und wenn eine nur zwei Frauen hat? – Peter Ritter, DIE LINKE: Jaja, klar.)
Unabhängig vom französischen Verfassungsziel, sollte es irgendwo ein paritätisch besetztes Parlament geben, wird es uns die Linksfraktion sicher als Paradebeispiel vorstellen.
Auf weibliche Sichtweisen und Potenziale können und wollen wir ganz bestimmt nicht verzichten. Es ist richtig, dass wir nach 100 Jahren Frauenwahlrecht und hier im Land mit dem mittlerweile vierten Umsetzungsbericht der Gleichstellungskonzeption des Landes in vielen gesellschaftlichen Bereichen erfreuliche Fortschritte erzielt haben. Auch sehe ich mit Freude, dass sich die tradierten Rollenbilder – in der jüngeren Generation gerne als „Generation Y“ betitelt – grundlegend wandeln und die Gleichberechtigung in der Partnerschaft deutlich selbstverständlicher betrachtet wird, und das ist gut so.
Offensichtlich ist aber ebenfalls, dass Frauen in vielen Ländern der Welt, dieses Recht nicht genießen, in patriarchalischen Verhältnissen leben und kein freies und selbstbestimmtes Leben führen. Das kann uns nicht egal sein. Auch in unserem Kontext müssen wir erkennen, dass noch immer teils gravierende Unterschiede in der Gleichstellung zwischen Männern und Frauen bestehen. Unser Ziel muss es daher sein, Gleichstellung als integralen Politikbestandteil zu begreifen und hierfür auf eine gesellschaftliche Sensibilität hinzuwirken.
Aber, liebe Kollegen von der Linksfraktion, uns trennt der Weg, wie wir den Frauenanteil in den Landes- und Kommunalparlamenten, auf die der Antrag abzielt, erhöhen. In der zeithistorischen Entwicklung des 19. und 20. Jahrhunderts bildet das Wahlrecht in unserer pluralistischen Demokratie im engeren Sinne die Basis für ein liberales Demokratieverständnis, aus welchem die politische Führung eines Landes hervorgeht. An die 100 Jahre Frauenwahlrecht wurde in diesem Hause am 05.03. mit einer wirklich guten Veranstaltung erinnert.
In der modernen Demokratietheorie lassen sich zwei zentrale Wesensmerkmale herausstellen, die, wie ich finde, passgenau Ihren Antrag berühren. Auf der einen Seite stehen die Ihnen bekannten Wahlrechtsgrundsätze aus Artikel 38 unseres Grundgesetzes, wonach die Abgeordneten „in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl“ gewählt werden, auf der anderen Seite befindet sich die verfassungsrechtlich gebotene Gewährleistung von Meinungs-, Presse-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit.
Verfassungspolitisch formuliert: Der politische Wettbewerb um politische Mandate von den miteinander in Konkurrenz stehenden Parteien bildet ein weiteres Element des liberalen Parteien- und Verfassungsstaates. Es ist mehr als fraglich, unter welchen Bedingungen eine geschlechterparitätische Besetzung des Landtages diesen Aspekt überhaupt gewährleisten kann. Verfassungsrechtlich sehe ich hier keinen Spielraum, mehr noch, Ihr Vorschlag ist ein unhaltbarer Eingriff in das Landes- und Kommunalwahlrecht,
(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Beispielhaft, von wem Sie jetzt hier Beifall bekommen.)
das von Ihrem offenbar nur begrenzt vorhandenen Demokratieverständnis zeugt. Der Zweck rechtfertigt nicht die Mittel, sehr geehrte Linksfraktion.
Demokratie lebt vom Wettbewerb und dem Ringen um mehrheitsfähige Lösungen. Diese in Deutschland mühevoll errungene Erkenntnis sollten wir nicht durch eine starre und demokratiehemmende Besetzung des Landesparlamentes und der Kommunalparlamente aufgeben.
Das seit mehr als 70 Jahren bestehende Wahlrechtsystem in Bund und Ländern hat sich nicht nur nach meiner Ansicht bewährt und darf keineswegs einer zwar gut gemeinten, aber dennoch fahrlässigen Gleichstellungspolitik geopfert werden.
Ihr Vorschlag stößt zudem an Grenzen, wenn Sie sich einmal die praktische Umsetzung ansehen. Unser Wahlrecht hat sich auch deshalb so bewährt, weil wir selbst auf Landesebene die regionale Ebene durch die Erststimme hier im Landtag abbilden. Wie stellen Sie sich das vor, dass wir die einzelnen Wahlkreise, aus denen die Direktmandate gebildet werden, geschlechterparitätisch aufstellen?
Möchten Sie Ihren Kreisverbänden restriktiv vorschreiben, wen sie aufstellen dürfen, damit eine krampfhafte Geschlechterparität gewahrt bleibt? Wo bleibt da der innerparteiliche Wettbewerb,