Protokoll der Sitzung vom 26.04.2018

Trotzdem sage ich, die Reisefreiheit und die grenzenlose Freiheit innerhalb der Europäischen Union sind so wichtig, denn ich rechne damit, dass Sie gleich mit dieser Frage kommen, dass sie nicht wieder neue Nationalgrenzen in Europa aufbauen wird.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Rainer Albrecht, SPD)

Vielen Dank.

Meine Damen und Herren, vielleicht ein letzter Punkt. Ich glaube, wenn andere Länder innerhalb der Europäischen Union auf Deutschland sehen und manchmal so hören, wie wir hier diskutieren, dass Deutschland der größte Nettoeinzahler in die Europäische Union ist, wissen Sie, wir sind auch der Staat, der am meisten dabei gewonnen hat. Wenn wir diesen Nationalismus in Frankreich gehabt hätten, als die DDR quasi zerfallen ist – erinnern Sie sich mal, wie unsere Städte aussahen! Wissen Sie, wo die größte Aufbauleistung herkommt? Die größte Aufbauleistung kam vom versammelten Geld der Europäischen Union. Das war doch nicht nur deutsches Nationalgeld. Das ist doch einfach Quatsch, was Sie da erzählen! Das war französisches Geld, das war britisches Geld,

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

das waren Mitglieder der Europäischen Union, die in großer Solidarität in dieser Ausnahmesituation gesagt haben, selbstverständlich helfen wir Deutschland, selbstverständlich wird das ehemalige Gebiet der DDR mithilfe der Europäischen Union aufgebaut

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

und zu einem heute wunderschönen Teil der Bundesrepublik Deutschland gemacht. Warum Sie das immer schlechtreden, meine Damen und Herren, hat sich mir bis heute noch nicht erschlossen. Ich kann das nur damit als Gleichheitszeichen verbinden, dass Sie immer wieder

versuchen, die Europäische Union damit zu verbinden, dass die aus Ihrer Sicht völlig ungezügelte Migration nach Europa stattfindet. Aber deshalb dieses gesamte Zukunftsprojekt Europa einfach in die Ecke zu stellen

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

und zu sagen, wir lehnen das eigentlich komplett ab und wir brauchen wieder einen neuen Nationalismus in Europa, das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

und werde das auch an jedem Punkt, wo ich dazu Gelegenheit habe, immer wieder für meine Fraktion und für meine Partei zurückweisen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, ich schließe die Aussprache.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 18: Beratung des Antrages der Fraktion der BMV – Verfassungsschutz ist Demokratieschutz: Einrichtung eines Landesamtes für Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 7/2005.

Antrag der Fraktion der BMV Verfassungsschutz ist Demokratieschutz: Einrichtung eines Landesamtes für Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 7/2005 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion der BMV der Fraktionsvorsitzende Herr Wildt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste und Mitbürger! Die Fraktion Bürger für Mecklenburg-Vorpommern beantragt die Einrichtung eines Landesamtes für Verfassungsschutz und damit eine organisatorische Änderung, da der Verfassungsschutz bisher als Abteilung des Innenministeriums geführt wird.

Ich vermute, dass es vielen Bürgern so geht wie mir bis vor Kurzem, denn ich wusste eigentlich nicht viel über den Verfassungsschutz und es hat mich, ehrlich gesagt, auch nicht besonders interessiert. Das muss ich zugeben. Dann passierten aber zwei Dinge, die mich dazu gebracht haben, mich mit diesem Thema zu beschäftigen. Daraus entstand letztlich dieser Antrag.

Zum Ersten wurde ich von Pressejournalisten vor einigen Wochen und seitdem mehrfach gefragt, was ich von einer möglichen Überwachung der AfD durch den Verfassungsschutz halte.

(Zurufe vonseiten der Fraktion der AfD: Oh! Oh! – Jens-Holger Schneider, AfD: Oh, jetzt! Jetzt kommts.)

Jetzt kommt es, ja. Ich habe geantwortet, dass sich aus meiner Sicht Politiker anderer Parteien dazu nicht äußern sollten, sondern die Verfassungsschutzbehörde solle unabhängig nach klaren und allgemeingültigen Kriterien

entscheiden, die nicht nur für die AfD, sondern zum Beispiel auch für alle anderen Parteien gelten müssten.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

In diesem Zusammenhang habe ich mich erstmals mit der Stellung des Verfassungsschutzes beschäftigt und festgestellt, dass der Verfassungsschutz in einigen Bundesländern als eigenes Landesamt organisiert ist, genauer genommen in sieben, und in anderen Bundesländern als Abteilung des Innenministeriums geführt wird, in neun. Lassen Sie mich vorwegsagen, dass selbstverständlich beide Möglichkeiten rechtlich nicht zu beanstanden sind, beides ist möglich. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile.

Zum Zweiten haben wir heute die Einrichtung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses NSU beschlossen. Das war in der Vorbereitung für mich ebenfalls ein Anlass, mich mit ähnlichen Untersuchungsausschüssen im Bund und in den Ländern, also in anderen Landtagen zu beschäftigen und mit dem Thema Verfassungsschutz generell. Wir rufen uns in Erinnerung:

Erstens. Die im Jahr 2012 eingeleitete Reform des Bundesverfassungsschutzes erfolgte unter dem Eindruck der 2011 aufgedeckten Taten des NSU und der Ergebnisse der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus, BLKR.

Zweitens. Eine Auflösung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, wie sie DIE LINKE in diesem Zusammenhang forderte, würde der Demokratie ein wichtiges Mittel zu seiner Verteidigung gegen ihre Feinde aus der Hand nehmen.

(Beifall Dr. Matthias Manthei, BMV)

Denn gerade die folgenden – drittens –, die folgenden Untersuchungsausschüsse zum NSU deckten Unterstützernetzwerke des Terrortrios unbekannten Ausmaßes auf.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Dagegen hilft ein Landesamt?)

Viertens wurde aber auch eine Reihe an skandalösen Defiziten und Rechtsverstößen der Verfassungsschutzorgane aufgedeckt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Dagegen hilft ein Landesamt?)

Ja. Dazu kommen wir gleich.

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

Es ist auf jeden Fall mal ein guter Anlass, über den Verfassungsschutz zu debattieren.

Fünftens wurde dann auch eine Reform des Verfassungsschutzes von Bündnis 90/DIE GRÜNEN gefordert unter der Losung für eine Zäsur und einen Neustart in der deutschen Sicherheitsarchitektur. Das ist die Bundestagsdrucksache 18/5415 vom 01.07.2015, ein Antrag der GRÜNEN, insbesondere auf der Seite 2.

Ich darf im Hinblick auf den Gesetzgebungsbedarf für einen auf die Aufgaben der Zukunft ausgerichteten Verfassungsschutz auch auf die Empfehlungen der Sachverständigen des 2. Untersuchungsausschusses des

Bundestages verweisen, das ist die Bundestagsdrucksache 17/14600 auf den Seiten 819 ff. Diese heben hervor, dass der Verfassungsschutz in der Gegenwart und Zukunft nicht mehr allein ein Nachrichtendienst wie in den Zeiten des Kalten Krieges sein kann. Ich zitiere aus dem Bericht, Seite 819, Zitatanfang: „In seine Zuständigkeit falle auch die gesellschaftliche Analyse von die freiheitlichdemokratische Grundordnung gefährdenden Bestrebungen, die Aufklärung darüber sowie der Wissenstransfer. Der Verfassungsschutz müsse deshalb auch die Öffentlichkeitsfunktion als seine Aufgabe sehen.“ Das ist auf der Seite 819. Mir kommt es insbesondere auf das Thema Öffentlichkeitsfunktion an. Zitatende. Ach so, war schon vorher.

Der Umbau der Sicherheitsarchitektur ist aber nicht nur aus den vorgenannten Gründen unabdingbar. Die gestiegene Komplexität und Mehrdimensionalität extremistischer, demokratiefeindlicher Bestrebungen erfordern unabdingbar eine neue Struktur. Wir dürfen zugleich die organisierte Kriminalität nicht aus den Augen verlieren. Seit 1994 ist es auch Gegenstand des bayerischen Verfassungsschutzes. Wie Sie wissen, schaue ich immer besonders gerne nach Bayern, weil sie doch in vielen Dingen schon zukunftsweisende Ideen verfolgen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ach so?! Mit dem neuen Polizeigesetz zum Beispiel?!)

Im Hinblick auf die Internationalisierung und die Internetkriminalität werden von den Sachverständigen für eine Aufklärung bereits im Vorfeld effektive Informationsbefugnisse, vor allen Dingen im Bereich des Internets, gefordert. Diese erkannten Erfordernisse flossen in das Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vom 17.11.2015 ein. Der notwendige Umbau der Sicherheitsarchitektur kann nach unserer Ansicht am besten in der Bildung eines eigenständigen Landesamtes für Verfassungsschutz gelingen, denn das ist zugleich auch ein Auftakt, verlorenes Vertrauen der Bevölkerung in den Verfassungsschutz wiederzugewinnen. Dafür sprechen aus unserer Sicht vor allen Dingen folgende Gründe:

Erstens die politische Unabhängigkeit. Dazu möchte ich anführen, dass das Landesamt für Verfassungsschutz im Saarland gerade in eine Abteilung des dortigen Innenministeriums überführt wurde. Die Begründung für diese Maßnahme war unter anderem, dass eine Abteilung politisch leichter zu führen sei als ein eigenes Landesamt. Im Umkehrschluss gilt also, ein eigenes Landesamt ist unabhängiger. Maßnahmen einer Verfassungsschutzbehörde finden eine größere Akzeptanz, wenn ihnen keine tagespolitische Absicht unterstellt werden kann. Deshalb ist eine größere Unabhängigkeit sinnvoll, die auch nach außen ganz deutlich dargestellt werden muss.

Zweitens eine konsequente und sichtbare Durchsetzung des Trennungsprinzips von Verfassungsschutz und Polizeistaatsschutz auf der anderen Seite. Ich denke, uns allen ist bewusst, aus welchen historischen Gründen in der Bundesrepublik die Polizei und der Verfassungsschutz getrennt voneinander arbeiten.

(Vizepräsidentin Dr. Mignon Schwenke übernimmt den Vorsitz.)

Sie werden sicherlich gleich sagen, Herr Caffier, das ist auch heute schon so. Natürlich ist das auch heute schon

so, aber man macht das eben noch mal deutlicher, wenn der Verfassungsschutz in einem eigenen Landesamt organisiert ist.

Drittens effektivere Strukturen in der Aufbau- und Ablauforganisation. Das ist sicherlich ein Punkt, der relativ weit auslegbar ist. Was ist effektiver? Was kann man verbessern? Man kann auch in den Abteilungen etwas verbessern. Wir sind der Meinung, in einer eigenen Landesbehörde wäre zugleich der Startschuss gegeben, um noch mal über die Ablauf- und Aufbauorganisation nachzudenken. Insbesondere brauchen wir eine schnellere Reaktion auf aktuelle Erfordernisse und schnellere Entscheidungsfindungen für erforderliche Maßnahmen.

Ganz wichtig ist dann der Punkt Nummer vier: effektivere Präventionsarbeit und Aufklärung der Öffentlichkeit. Der Verfassungsschutz arbeitet aus Sicht der Öffentlichkeit viel zu sehr im Hintergrund. Man nimmt ihn nicht so richtig wahr. Das ist aus meiner Sicht …

(Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU: Dafür wird er übrigens bezahlt.)