Protokoll der Sitzung vom 26.04.2018

Sehr geehrte Damen und Herren, ich stimme Herrn Foerster ausdrücklich zu, dass eine Vielzahl von sozialen Hilfeprojekten von der kontinuierlichen arbeitsmarktlichen Förderung der Personalkosten abhängt, die der Bund aus dem Eingliederungstitel des SGB II finanziert. Richtig ist auch die Erkenntnis, dass Tafeln, Kleiderkammern, Möbelbörsen und dergleichen Projekte nicht immer allein aus ehrenamtlichem Engagement heraus

verantwortet werden können. Das weiß ich übrigens persönlich sehr genau, da ich selbst seit einigen Jahren ehrenamtlich für die Tafel Bad Doberan tätig bin und als Schirmherrin der Tafeln in M-V fungiere.

Gerade zum Anfang dieses Jahres sind Probleme bei einigen Tafeln und anderen Hilfsprojekten publik geworden. Hierbei ging es insbesondere um die personelle Unterstützung sozialer Hilfsprojekte in Gadebusch und Bad Kleinen. Eine an und für sich positive Entwicklung hatte an manchen Stellen vor Ort negative Auswirkungen, denn der erfreuliche Rückgang von erwerbsfähigen Leistungsbeziehern führt zu einer geringeren Mittelausstattung durch den Bund, was die Zahl der möglichen Eintritte in arbeitmarktpolitische Maßnahmen reduziert. Hinzu kommen interne Umstrukturierungen der Jobcenter und gesperrte Haushaltsmittel des Bundes durch die lange Regierungsbildung.

Deshalb ist die Landesregierung, und hier möchte ich insbesondere den Wirtschaftsminister, meinen geschätzten Kollegen Harry Glawe, hervorheben, bereits seit Monaten aktiv geworden. Dabei wurde dem Bund verdeutlicht, dass eine Verminderung der aktiven arbeitsmarktlichen Förderung zur Eingliederung Hilfebedürftiger in den Arbeitsmarkt nicht im Sinne der Integration und Teilhabe langzeitarbeitsloser Menschen ist.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Mecklenburg-Vorpommern hat in mehreren Initiativen deutlich gemacht, dass nur ein abgestimmtes Verfahren des Bundes mit der Bundesagentur für Arbeit, den beteiligten Jobcentern sowie mit den Ländern und den Kommunen eine gelingende und wirklichkeitsnahe Eingliederung von Menschen in den Rechtskreis des SGB II sicherstellen kann. Wenn eine Seite sich hier zurückzieht, dann spüren die Folgen nicht nur die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, sondern vor allem eine Vielzahl von sozialen Projekten, die auf diese Unterstützung von Personalkosten seit Langem angewiesen sind.

Diese von mir skizzierten Punkte waren der Anlass für die Initiative für einen runden Tisch in diesem Bereich. Mir ist es ein besonderes Anliegen, etwaige Probleme bei den sozialen Hilfeprojekten zunächst zu analysieren und gemeinsame Lösungen mit dem Wirtschaftsministerium, der Bundesagentur für Arbeit, den kommunalen Spitzenverbänden und den Projektträgern zu finden. Das ist die Grundidee des runden Tisches, dessen erste Sitzung am 23. April stattfand, und zwar mit bereits beachtlichen Ergebnissen, meine Damen und Herren.

So gibt es für die nächsten Monate eine Lösung zur Weiterarbeit der sozialen Projekte in Gadebusch und Bad Kleinen, die vor Ort mit dem Jobcenter Nordwestmecklenburg ebenfalls vereinbart wurde. Ein konstruktives Gespräch mit den Trägern dazu hat auch heute nochmals stattgefunden. Zudem ging es bei der Auftaktsitzung des runden Tisches um die frühzeitige Koordinierung mit dem Bund und dessen Programm zur Schaffung des sozialen Arbeitsmarktes für insgesamt 150.000 Langzeitarbeitslose. Ich bin sehr froh, dass die Teilnehmer am runden Tisch sich darauf verständigten, bei der Umsetzung des Bundesprogrammes „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ miteinander zu kooperieren und sich nach Bekanntwerden der Programmkriterien auf eine Kofinanzierung des Programms zu verständigen.

Ich bin Ihnen, Herr Foerster, sehr dankbar, das hier und heute im Rahmen der Debatte über Ihren Antrag mitteilen zu können. Ich hatte darauf bereits heute Morgen in der Fragestunde geantwortet, ich wiederhole das gerne von hier noch einmal: Wir ziehen dort an einem Strang, deswegen passt Ihr skandalisierender Tonfall in Ihrer Rede vorhin zu dem Thema gar nicht.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich glaube, mit dem neuen Bundesprogramm „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ für alle können wir einen Durchbruch bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit schaffen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will dafür in der laufenden Legislaturperiode 4 Milliarden Euro zusätzlich über die Eingliederungshilfe zur Verfügung stellen. Für diese sozialversicherungspflichtig bezuschussten Arbeitsverhältnisse im sozialen Arbeitsmarkt sind neben Arbeitgebern in der freien Wirtschaft gemeinnützige Einrichtungen und die kommunale Ebene die Adressaten. Sehr positiv finde ich, dass eine Maßnahmendauer von fünf Jahren angestrebt wird. Damit können etwa Kommunen wünschenswerte gesellschaftliche Aufgaben umsetzen und die Geförderten bekommen eine echte Teilhabechance, denn betrachtet man die Effekte dieses Arbeitsmarktes genauer, lassen sich viele positive Ergebnisse nennen, zum Beispiel das Erfahren von Anerkennung, die Vorbildwirkung durch tägliche Arbeit auch für heranwachsende Generationen des langzeitarbeitslosen Milieus, die Verbesserung der psychosozialen Gesundheit durch Wahrnehmung von Selbstwirksamkeit und höhere Einstiegschancen in den ersten Arbeitsmarkt durch eine kontinuierliche Arbeitsbiografie.

Um diese Ziele zu erreichen und die Angebote der sozialen Hilfeprojekte vor Ort zu erhalten, braucht es aber auch Festangestellte, die neben der Koordination der sozialen Betreuung und Begleitung bei der Motivierung und dem Erwerb sozialer Fähigkeiten und beruflich relevanter Fertigkeiten helfen. Ich sehe hier neben dem Bund auch das Aufgabenfeld für das Land und die Kommunen. Die Sozialplanung der Kommunen ist dabei der Kompass. Politik auf allen Ebenen muss diese Rahmenbedingungen und Koordinatorentätigkeiten stärken, damit das ehrenamtliche Engagement, zum Beispiel im Bereich der Tafelarbeit, gefördert und nicht abgewürdigt wird.

Deshalb wiederhole ich es abschließend gerne noch einmal: Es geht um die frühzeitige Koordinierung mit dem Bund und dessen Programm zur Schaffung des sozialen Arbeitsmarktes für insgesamt 150.000 Langzeitarbeitslose. Hier wollen Harry Glawe und ich gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit Nord und den Städten und Gemeinden möglichst viel für Mecklenburg-Vorpommern herausholen. Mit der Sitzung des von mir initiierten runden Tisches vor einigen Tagen haben wir dafür einen sehr guten Grundstein gelegt. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr de Jesus Fernandes.

Sehr geehrtes Präsidium! Werte Abgeordnete! Frau Drese hat eben schon kundgetan, dass sie bereits mit dem Wirtschaftsministeri

um die Sachen alle im Griff hat, dass der Bund weitere 4 Milliarden investieren will, um Leute aus der Langzeitarbeitslosigkeit zu holen. Ob das gelingt, werden wir beobachten.

(Ministerin Stefanie Drese: Gern.)

Wir haben hier einen Antrag von den LINKEN mit ähnlicher Intuition wie schon vor einem Jahr. In ähnlicher Weise wird wieder die Kürzung der Eingliederungshilfe beklagt. So wurde die Eingliederungshilfe für Jobcenter gerade in den strukturschwachen Landkreisen, wie zum Beispiel Vorpommern Rügen, um rund 21 Millionen Euro gekürzt. Gleichzeitig wiederum hat sich die Anzahl der Arbeitslosen aber um 6.200 Personen auf rund 37.200 verringert.

(Heiterkeit bei Minister Harry Glawe: Was haben Sie für Zahlen da?!)

Ha, ha, da staunen Sie!

Hierbei muss man allerdings auch bedenken, dass ein Großteil der Stellen vermutlich im Niedriglohnsektor entstanden ist, denn der durchschnittliche Bruttolohn ist laut Statistischem Landesamt nur geringfügig gestiegen, und zwar von 26.700 Euro in 2016 auf 27.520 Euro in 2017. Noch immer arbeiten laut aktueller Statistik knapp 60 Prozent aller Beschäftigten für ein monatliches Nettoeinkommen zwischen 900 und 2.000 Euro.

Das ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, trotz aller schönen Kampagnen, wie zum Beispiel „Durchstarten in MV“, zu wenig, zu wenig, um sich Wohneigentum zu kaufen, und zu wenig, um eine Familie zu gründen.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Was hat das jetzt mit sozialen Hilfeangeboten zu tun? – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Deshalb muss die Statistik relativiert werden, denn die Stellen, die geschaffen wurden, liegen zum Großteil im Niedriglohnbereich.

Wir von der Alternative für Deutschland fordern natürlich gute Löhne und die lösen dann auch das Problem.

(Thomas Krüger, SPD: Dann sagen Sie mal, wie!)

Aber die Intention dieses Antrages besagt, wie auch schon der vorhergehende im letzten Jahr, dass die Betroffenen benachteiligt werden. Trotz des staatlichen Niedriglohnsektors in Mecklenburg-Vorpommern scheint die Integration in den Arbeitsmarkt aber zu funktionieren.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Dazu hatte Herr Glawe schon einige Ausführungen gemacht, was der ursprünglichen Zielsetzung dieses Antrages aber zuwiderläuft.

Gleichzeitig müssen die Steuerungs- und Unterstützungsfunktionen der Jobcenter, zum Beispiel bei der Arbeitssuche, bei der Hilfe der Eingliederung von Behinderten in den Arbeitsmarkt, bei der Unterstützung für Kinder aus sozial schwachen Familien, sowie die Vernetzung mit regionalen Partnern und die Unterstützung von solchen Unternehmen wie Sozialkaufhäusern und Tafeln

herausgestellt werden. Trotzdem ignoriert der Antrag wieder, dass sich einige Menschen mit der sozialen Hängematte zufriedengegeben haben und die hohen Förderungsmaßnahmen deshalb eher Ursache als Lösung sind.

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Die AfD-Fraktion Mecklenburg-Vorpommern wird sich deshalb wie beim letzten Mal zu diesem Antrag enthalten, denn wir wollen keine zusätzlichen Arbeitsplätze in der Sozialindustrie, sondern echte Arbeitsplätze schaffen. Damit hilft man den Menschen. Machen Sie das und dann haben Sie unsere volle Unterstützung! – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau FriemannJennert.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wieder einmal bringt die Fraktion DIE LINKE einen Sachverhalt zur Sprache, der im linken politischen Spektrum schon seit Jahren skandalisiert wird: die angebliche Unterfinanzierung der Jobcenter.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Angeblich! Angeblich!)

Der Beweis hierfür, sehr geehrte Kollegen von der Linkspartei, ist allerdings noch nicht erbracht worden.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Ach so? Wohl keine Statistik gelesen?)

Sie wollten mit Ihrem Antrag feststellen lassen, dass ein erheblicher Teil der Mittel zur Finanzierung der Verwaltungskosten eingesetzt wird.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Ja.)

Sind Sie wirklich der Auffassung, dass es hierfür eines Landtagsbeschlusses bedarf?

(Henning Foerster, DIE LINKE: Na bei Ihnen ganz sicher!)

Dass die Mittel für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit mit den Verwaltungskosten deckungsfähig sind und ein schwankender Teil der Eingliederungshilfen seit 2006 zur Finanzierung von Verwaltungskosten verwendet wird, ist allgemein lange bekannt.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Ja. Und finden Sie das in Ordnung?)

Sie sollten aber auch wissen, Herr Foerster, warum dies geschieht, nämlich, um mit mehr Personal die Betreuung für die betreffenden Personengruppen zu intensivieren und auf diese Weise die Chancen der Menschen auf Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu erhöhen.

Die Betreuungsrelation gemäß den Zielvorgaben der Bundesagentur für Arbeit nach dem SGB II liege für Jugendliche unter 25 Jahren bei 1 : 75, bei über 25-Jährigen bei maximal 1 : 150. Laut Bundestagsdrucksache 18/13066, in der die Bundesregierung Fragen zur Umschichtung von Mitteln bei den Jobcentern im Jahre 2016 beantwor

tet hat, lag im Jahresdurchschnitt 2016 der Betreuungsschlüssel für Jugendliche unter 25 bei 174 und bei über 25-Jährigen bei 1 : 130. Bei den über 25-Jährigen müssen die Mitarbeiter der Jobcenter also immerhin 20 Personen weniger betreuen als von der Zielvorgabe vorgesehen.

Sie können nun lamentieren, dass der bessere Betreuungsschlüssel zulasten der Eingliederungsmittel geht. Wenn Kollege Foerster jedoch hier im Landtag in der Debatte am 15. Dezember letzten Jahres zum gleichen Thema betont, wie wichtig individuelle Beratung und Betreuung für viele Langzeitarbeitslose ist, um wieder an den Arbeitsmarkt herangeführt zu werden, wirkt diese Argumentation doch nicht ganz schlüssig.

(Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)