Ich begrüße auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der Beruflichen Schule Technik Schwerin. Herzlich willkommen!
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 20: Beratung des Antrages der Fraktionen der CDU und SPD – Offensive für das Handwerk, Drucksache 7/2258.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unser heutiger Antrag – da geht es um das Handwerk. Wir wollen auch nicht müde werden, immer wieder auf das Handwerk aufmerksam zu machen. Vor Kurzem oder vorgestern, vorgestern war das Sommerfest der Gebäudereiniger-Innung hier am Franzosenweg, und dort beendete der Vorsitzende die Rede mit „Gott schütze das ehrbare Handwerk!“. Dieser Ehrenkodex, der in diesem Handwerk ist, zeichnet auch die Bedeutung des Handwerks aus.
Wir reden von 20.000 Handwerksbetrieben in Mecklenburg-Vorpommern mit über 100.000 Beschäftigten, mit 6.000 Lehrlingen. Jeder siebte Arbeitsplatz ist im Handwerk. Wir können also ruhig davon sprechen, dass das Handwerk in Mecklenburg-Vorpommern eine Schlüsselrolle in der wirtschaftlichen Entwicklung einnimmt. Wenn ich jetzt die Entwicklung der Ausbildungszahlen im Handwerk in Mecklenburg-Vorpommern sehe, dann ist das alarmierend. Im Jahr 2005 gab es noch knapp 12.000 Lehrlinge in Mecklenburg-Vorpommern, zum Ende des Jahres 2017 waren es noch knapp über 5.000, also ein Rückgang von 57 Prozent. Auch die Anzahl von Neuverträgen bei Auszubildenden im Handwerk hat sich in diesem Zeitraum nahezu halbiert.
Wenn man es positiv formulieren wollte, dann könnte man sagen, die Chancen im Handwerk sind so gut wie nie zuvor, wenn man es positiv formuliert, aber die Sache ist zu ernst. Momentan warten Tausend offene Azubistellen auf die Bewerber. Eine positive Bewertung kann deswegen nicht angezeigt sein, im Gegenteil, diese Entwicklung bereitet uns allen, glaube ich, große, große Sorgen. Wie soll sich eigentlich künftig die Unternehmensnachfolge gestalten, wenn derzeit von über 6.000 Handwerksbetrieben in unserem Land die Inhaber 55 und älter sind?
Der Azubirückgang wirkt natürlich auch auf den Markt. Es ist ja nicht so, dass Handwerksleistungen nicht nachge
fragt würden. Im Gegenteil, Sie wissen, wie die aktuelle Auftragssituation ist. Aufträge im Handwerk können oft nur mit Verzögerung abgearbeitet werden. Angebot und Nachfrage stehen derzeit in keinem gesunden Verhältnis. Es geht also aufgrund dieser Entwicklung schlichtweg um den Fortbestand des Handwerks in Mecklenburg-Vorpommern.
Und, meine sehr verehrten Damen, schauen wir uns mal die Azubizahlen im Handwerk etwas genauer an: Von 2005 bis 2014 erfolgte der Rückgang geradezu linear. Seit 2014 haben wir einen kleinen, einen kleinen, leichten Anstieg. Das wird auch etwas zu tun haben mit den Landesprogrammen „Meister-Extra“, „Meister-Dank“ oder den Kampagnen „Besser ein Meister“ und „Durchstarten in MV“. Das wird sicherlich damit zusammenhängen. Wir haben also einen Trend verlangsamt, aber wir können den Trend nicht zurückdrehen, denn ganz offensichtlich ist der Azubirückgang kein hausgemachtes Problem. Das Problem fehlender Lehrlinge ist nicht aufgrund politischer Entscheidungen in Mecklenburg-Vorpommern entstanden.
Wir haben bei den Handwerkskammern Unternehmensentwicklungen abgefragt. Sie kennen ja die Kategorisierung der Anlage A, der meisterpflichtigen Gewerke, und der Anlage B, die Gewerke ohne Meisterpflicht. Der Zuwachs der Anlage A, also mit Meisterpflicht, ist minimal, stagniert quasi. In der Anlage B hingegen sind seit dem Eingriff 2004 von der damaligen Bundesregierung neu genau 53 von 94 Gewerken herabgestuft worden. Gerade in dieser Anlage B, also ohne Meisterpflicht, stieg die Anzahl der Handwerksbetriebe seit der Reform um fast 40 Prozent, während die anderen stagnierten.
Hier soll heute aber kein Handwerk gegen das andere ausgespielt werden. Das Problem besteht nun darin, dass Gewerke ohne Meisterpflicht deutlich seltener ausbilden. Auch dazu beeindruckende Zahlen, die das deutlich machen: In 2017 gab es 1.546 Azubineuverträge in Gewerken mit Meisterpflichten, also in der Anlage A mit Meisterpflicht 1.546 neue Verträge. Zum Vergleich gab es jedoch in den Berufen mit Anlage B ohne Meisterprüfung nur 87 Ausbildungsverträge. Wenn man einfach mal Mathematik anwendet, heißt das, wenn die zulassungsfreien Gewerke deutlich schneller wachsen als die Gewerke mit Meisterpflicht, stagniert der Zuwachs an Azubiverträgen mit mathematischer Sicherheit.
Meine Damen und Herren, an dieser Stelle kommt nun auch die europarechtliche Komponente ins Spiel. Handwerker aus anderen EU-Ländern können sich durch Wiedereinführung der Meisterpflicht benachteiligt sehen. Wir haben am 21. März 2018 in Brüssel über das Herkunftslandprinzip gesprochen. Diejenigen, die dabei waren, wissen das. Es besagt, dass der Dienstleistungserbringer auch bei einer Tätigkeit in einem anderen Mitgliedsstaat nur dem Recht seines Herkunftsstaates unterliegt. Nun sind natürlich bei uns in Deutschland die rechtlichen Standards und die Qualität hoch, das ist auch gut so, deswegen ist ja der Erfolg der dualen Ausbildung so hoch, aber mit dem Herkunftslandprinzip wird dies umgangen. Beantworten Sie sich selbst die Frage, wie werbewirksam niedrige Qualität für potenzielle Lehrlinge in der Zukunft ist! Das verunsichert potenzielle Azubis.
Mindestens ebenso wichtig, ist, dass ich nicht glaube, dass die Diskussionen über unsere duale Ausbildung mit dem Scheitern der EU-Dienstleistungsgrade am Ende sind. Wir haben das in der Vergangenheit alle zusammen
erlebt. Immer, wenn wir dachten, es ist ein Schritt nach vorne gegangen in der EU bei der Anerkennung der dualen Ausbildung in Deutschland, bei dem guten System, hat sich irgendjemand wieder irgendwo was ausgedacht. Vielleicht ist es auch heute so, dass in irgendeiner Schublade eines Referenten wieder irgendein Entwurf lauert. Damit muss endlich Schluss sein.
Das stärkste Argument, was wir dabei vorbringen können, ist doch die Jugendarbeitslosigkeit im europäischen Vergleich. Sie wissen, bei uns in Deutschland liegt sie bei 6 Prozent, in Spanien beispielsweise bei 34,4 Prozent. Das sind eindeutige Zahlen und deswegen sollte Brüssel unsere Ausbildungskriterien endlich als Vorbild und nicht als Hürde für einen gemeinsamen Binnenmarkt verstehen.
Meine Damen und Herren, die IHK im Land haben vor drei Jahren zwei tolle Veranstaltungen in Rostock und Schwerin durchgeführt. Prominente Gäste waren dabei: Frau Professor Dr. Wanka und Professor Dr. NidaRümelin. Der Tenor war damals, man muss nicht studiert haben, um beruflich erfolgreich zu sein.
Da kommt auch schon eine Krux. Man spricht ja, wenn man das ein bisschen zuspitzen will, vom Akademisierungswahn. Aber genau darum geht es. Es darf doch keine Wertung einer akademischen Ausbildung und einer dualen Ausbildung geben. Jeder muss seinen Weg finden, wie er in Zukunft seine Karrierechancen sucht, aber es darf doch keine Wertung stattfinden, das eine ist viel besser als das andere. Daran müssen wir alle zusammen mitarbeiten, auch in der Schule.
Und wenn Sie das sehen, wenn wir diesen Begriff „Akademisierungswahn“ vielleicht noch einmal bemühen: Es wählt etwa die Hälfte der Schulabgänger in MecklenburgVorpommern das Studium, wobei circa 30 Prozent das Studium vorzeitig abbrechen. Die duale Ausbildung eröffnet also für jeden seinen Weg und eröffnet natürlich hervorragende Karriereoptionen. Wir haben deswegen in unserem Antrag nochmals die Gleichwertigkeit zwischen dualer und akademischer Ausbildung aufgeführt.
Aber seien wir ehrlich, die viel zitierte Gleichwertigkeit hat noch ein Glaubwürdigkeitsproblem. Eine akademische Ausbildung ist nämlich kostenfrei, eine Meisterqualifikation ist es nicht. Sie wissen, dass der Meisterbonus im Koalitionsvertrag der CDU, CSU und SPD im Bund festgehalten ist, und wir fordern heute eine rasche Umsetzung dieses Vorhabens. Die eingangs zitierten Zahlen zeigen ja, wie bitter nötig das ist.
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mensverbände ein Maßnahmenbündel zur attraktiven Steigerung der beruflichen Bildung auf den Weg gebracht. Frau Ministerin Hesse wird dazu mit uns ins Gespräch kommen, das hat sie zugesagt. Wo es nur geht, müssen wir als Politik werbewirksam etwas für eine berufliche Bildung entwickeln.
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Für DEHOGA-Azubis gab es vor wenigen Monaten eine Tariferhöhung im zweistelligen Bereich. Dieses Beispiel muss Schule machen. Der Dialog über Untergrenzen bei der Ausbildungsvergütung muss konstruktiv begleitet werden. Die Leistungsfähigkeit der Ausbildungsbetriebe muss beachtet werden und die...
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von 210 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
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