Für die Landesregierung hat ums Wort gebeten der Minister für Inneres und Europa. Herr Caffier, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Stellvertretend vor allem für die Staatskanzlei, aber auch das Wirtschaftsministerium sowie das Landwirtschaftsministerium darf ich heute zu diesem Antrag sprechen, der die ganz grundsätzliche Frage nach der künftigen EU-Kohäsionspolitik für Mecklenburg-Vorpommern aufwirft und wie die Fonds zukünftig ausgestattet und verwaltet werden.
Ja, die bisherige Kohäsionspolitik der EU für MecklenburgVorpommern ist unstrittig ein großer Erfolg. Sie ist seit der Wiedervereinigung das wirkungsvollste Instrument der Investitionspolitik der EU in Mecklenburg. Das Land hat
Zusammen mit den Direktzahlungen an unsere Landwirte haben die EU-Mittel am Landeshaushalt 685 Millionen Euro oder etwa neun Prozent im Jahr 2017 ausgemacht. Auf jeden Einwohner in unserem Land kommen etwa 180 Euro Fördermittel pro Jahr. Diese Mittel haben Mecklenburg-Vorpommern besonders aufgrund der hohen EU-Kofinanzierungsrate von 75 Prozent geholfen. Wir mussten also für jeden Investitionszuschuss nur ein Viertel der Förderung aus Landesmitteln aufbringen. Durch diese Investitionsförderung hat unser Bundesland einen beeindruckenden wirtschaftlichen Aufholprozess durchführen können. Lag das Bruttoinlandsprodukt 1991 noch bei 50 Prozent des durchschnittlichen EU-weiten Wertes, sind wir heute bei 84 Prozent angekommen und haben damit Regionen wie Wales oder Wallonien überholt. So profitieren unter anderem die verarbeitende Industrie, die Hochschulen und der Tourismussektor von den EU-Mitteln.
Aber was heißt das derzeit konkret? Die Uni Rostock beispielsweise hat den Erweiterungsbau des Instituts für Chemie mit EFRE-Mitteln finanziert. Aus dem Investitionsvolumen von 17 Millionen Euro kamen 8,5 Millionen aus Mitteln der EU. Im Jahr 2006 wurde in Pasewalk die Remos AG mithilfe von EU-Investitionsförderung angesiedelt. Remos baut leichte Sportflugzeuge und ist heute mit 40 Mitarbeitern auf dem Sportflugzeugmarkt etabliert. Das Verbundprojekt „KarriereWegeMentoring“ für Frauen aus dem Wissenschaftskontext der Universitäten Greifswald und Rostock wurde mit 514.000 aus dem ESF bezuschusst.
Klar ist aber auch – und da stimme ich den Antragstellern zu –, der Aufholprozess ist eben noch nicht abgeschlossen.
Deshalb dürfen diese Erfolge nicht durch ein plötzliches Zurückfahren der EU-Förderung gefährdet werden. Dabei stünde der wirtschaftliche, der soziale und der territoriale Zusammenhalt in Europa auf dem Spiel und somit eines der im EU-Vertrag festgeschriebenen Ziele der Europäischen Union.
Bereits bei der Vorstellung des mehrjährigen Finanzrahmens durch die Kommission am 2. Mai war klar, dass die Kohäsionspolitik trotz eines insgesamt größeren EUHaushaltes absinken wird. Zwar bleiben entgegen früheren Befürchtungen die Übergangsregionen erhalten – das galt bisher immer als Voraussetzung dafür, dass uns mit dem neuen Finanzrahmen nicht plötzlich sämtliche Mittel wegbrechen –, aber es ist eben auch so, dass sich die Zahlen der Übergangsregion im Vergleich zum noch laufenden Finanzrahmen verdoppeln, es trotzdem aber nur 40 Prozent mehr Mittel für diese Länder gibt. Sprich, die Mittel steigen nicht proportional zum Einstieg der zusätzlichen Regionen, und das ist für alle Beteiligten ein Problem, an dem wir gemeinsam arbeiten müssen, damit die Aussichten für unser Land hier nicht so sind, wie man sich das derzeit, wenn an der Verteilung nichts geändert wird, errechnen kann.
Noch aber ist abzuwarten, welche Reduzierung bei der Mittelausstattung am Ende tatsächlich für unser Land rauskommt. Es gibt durchaus in den letzten Tagen das
eine oder andere positive Signal, aber diese sollte man erst verkünden, wenn es wirklich so eintritt, und nicht nachher erklären, es war ein tolles Signal, hat nur nicht funktioniert. Deswegen bin ich da eher etwas zurückhaltend.
Natürlich wollen wir eine möglichst günstige Mittelausstattung für das Land erreichen. Der Vollständigkeit halber muss man sagen, dass eine mögliche Absenkung der EFRE- und ESF-Mittel auch auf die positive wirtschaftliche Entwicklung des Landes im EU-Vergleich zurückzuführen wäre. Das ist dann zum Schluss immer der Preis des Erfolgs.
Auswirkungen hätte auch der Vorschlag der Europäischen Kommission, den EU-Kofinanzierungssatz von 80 Prozent auf 50 Prozent zu senken. Wenn man aber von dieser Absenkung ausgeht, dürfte die absolute Summe der EU-Mittel plus Kofinanzierungsmittel gegenüber der aktuellen Förderperiode zumindest annähernd gleichbleiben, vielleicht sogar ein wenig steigen. Das Land müsste dann sinnvollerweise oder richtigerweise wesentlich mehr Kofinanzierungsmittel als eigene Landesmittel einstellen und aufbringen als bisher, um dieses Niveau der Förderkulisse und der Unterstützung auch halten zu können.
Neben den Mitteln insgesamt ist auch eine Programmerstellung und -verwaltung auf nationaler statt auf regionaler Ebene bei EFRE und ESF noch längst nicht entschieden, also sprich, ist noch in der Diskussion, und ob ein Zoomen der Verantwortung auf die höhere Stufe wesentlich günstiger ist und den Prozess der Beantragung vereinfacht, wage ich zumindest aus meinen letztjährigen Erfahrungen ansatzweise etwas zu bezweifeln. Eine Reihe von EU-Mitgliedsstaaten inklusive Deutschland dürfte eine solche Lösung nicht ohne Weiteres mittragen. Am Ende wird wahrscheinlich ein klassischer Kompromiss stehen, bei dem zumindest praktisch auch regionale Programme erstellt werden können. Das hoffen wir jedenfalls. Auch dafür werden und wollen wir uns einsetzen.
Wir verfolgen also kritisch die Entwicklung zum ELER. Hier muss die Landesregierung die möglichen Vor- und Nachteile der Kommission erst noch endgültig und eingehend näher prüfen. Jedenfalls müssen je nach tatsächlicher Ausgestaltung auf EU-Ebene regionale Gestaltungsspielräume bleiben. Das ist eine der Grundvoraussetzungen. Auch muss die Möglichkeit für fondsübergreifende Ansätze erhalten bleiben, und Mechanismen für einen koordinierten Einsatz der Mittel aus EFRE, ESF und ELER müssen auf Landesebene auch zukünftig zur Anwendung kommen können.
Ich kann Ihnen versichern, die Landesregierung verfolgt die derzeitige Entwicklung zur zukünftigen Kohäsionspolitik sehr aufmerksam und setzt sich vor allem dafür ein, Verschlechterungen bei der Kohäsionspolitik für die Förderperiode 2020 bis 2027 entgegenzuwirken beziehungsweise so klein wie möglich zu halten, was die Einschränkungen betrifft.
Die deutschen Länder werden sich über den Bundesrat, über die Ministerpräsidentenkonferenz der Ostländer – denn die spielen ja in der Gesamtbetrachtung auch noch mal eine besondere Rolle, und hier ist es gut, dass die Ostländer ihre eigenen Befindlichkeiten ein Stück zurückstellen und versuchen, dort eine gemeinsame Linie
zu halten –, die Europaministerkonferenz und die Fachministerkonferenzen sowie zu den Vorschlägen zum Mehrjährigen Finanzrahmen und den weiteren Verhandlungsergebnissen auf EU-Ebene positionieren. Gleichzeitig wird die Landesregierung die unmittelbaren Kontakte zu den EU-Organen, vor allem auch zum Europäischen Parlament nutzen, um die eigenen Anliegen weiterhin voranzubringen beziehungsweise an den Mann oder die Frau zu bringen, um Unterstützung vor Ort zu erhalten.
Wahr ist, es wird mit dem nächsten EU-Haushalt voraussichtlich weniger Mittel für Mecklenburg-Vorpommern geben. Wir setzen aber alles daran, dass der beispiellose Erfolg, den unser Land auch durch die Kohäsionspolitik erfahren hat, nicht gefährdet wird und zumindest auf einem sehr hohen Level in Zukunft fortgesetzt werden kann.
Dafür setzen sich, glaube ich, auch alle Fraktionen im Parlament ein, weil es einfach eine wichtige Voraussetzung für eine gleichmäßige Entwicklung des Landes ist, ohne dass der Landeshaushalt überproportional belastet wird und wir hier nicht andere Verwerfungen kriegen. Also auch so wird es in den nächsten Monaten noch intensive Verhandlungen geben im Hinblick auf die Frage, wie über die Finanzierung entschieden wird. Bei der Europaministerkonferenz wird es auf der nächsten Tagesordnung stehen, und diese hat ja einen Beobachter im Rahmen der Brexit-Verhandlungen mit in die Delegation der Bundesregierung entsandt, sodass die Interessen der Länder dabei mitberücksichtigt werden können. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Das hätte ich eigentlich schon vor der Rede des Ministers sagen müssen, aber ich hoffe, Sie verzeihen mir, dass ich das jetzt nachhole.
Vorneweg möchte ich, weil DIE LINKE ganz zu Anfang einen Spruch zu Bayern gebracht hatte, Ihnen nur mitgeben: Sie haben hier auch schon mal im Parlament gesagt, von Bayern lernen heißt siegen lernen, immer so, wie man es gerade braucht.
(Henning Foerster, DIE LINKE: Wie beim Fußball. – Karsten Kolbe, DIE LINKE: Das ist ein Irrtum. Das hat er in der Stadtvertretung gesagt.)
Ich glaube, der einzige sehr kritische Beitrag wird dann zu diesem Thema auch wieder von uns kommen. Aber
In dem vorliegenden Antrag behauptet die Fraktion der LINKEN, dass die bisherige Kohäsionspolitik der EU für Mecklenburg-Vorpommern eine Erfolgsgeschichte sei. Dieser Behauptung muss ich widersprechen, sie stimmt nur zum größten Teil.
Mit den Fördergeldern aus den europäischen Fonds wurden in der bisherigen Förderperiode aber auch Projekte gefördert, die für das Land Mecklenburg-Vorpommern nicht nachhaltig waren.
So wurden mit Geldern des ESF beispielsweise Projekte zur Gleichstellung der Geschlechter gefördert.
Die Gleichstellung der Geschlechter, Herr Krüger, ist für die Bürger in Mecklenburg-Vorpommern seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit.
(Thomas Krüger, SPD: Das lehnen Sie ab. Das ist nicht zu fassen! – Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)