Die Auffassung teile ich allerdings auch, was „den Job machen“ betrifft. Insofern müssen Sie sich irgendwo entscheiden, was Sie wollen.
Zweite Bemerkung: Sie sind Richter, erfolgreicher Richter gewesen, soweit ich das weiß, und Sie wissen es genauso gut wie ich, so eindeutig ist die Rechtslage nicht, wie Sie sie hier ausgeführt haben.
Darauf gehe ich auch noch mal ein. Wenn sie so eindeutig wäre, wären manche Dinge leichter umzusetzen.
Und dritte Bemerkung: Wir sollten uns hüten, Erwartungshaltungen zu wecken innerhalb der Bevölkerung, indem wir das Thema einfach auf die Rückweisung an der Grenze fokussieren. Sie wissen alle gemeinsam hier im Haus, dass wir große Probleme haben mit den Rückführungen innerhalb der Länder, sprich Vollzugsdefizite, die in vielerlei gründen, wie fehlende Pässe, Krankenscheine et cetera. Das kennen Sie alles. Deswegen sollten wir nicht in den Diskussionen immer eine Erwar
tungshaltung wecken, die sagt, wenn das gelöst ist, ist automatisch die Problematik gelöst und das Vertrauen der Bevölkerung da. Also davor warne ich.
In Berlin wird gerade eine stimmungsvolle Debatte über die Zurückweisung an der deutschen Grenze geführt. Die BMV unterstützt dabei den Plan des Bundesinnenministers, und das ist, mit Verlaub, ihr gutes Recht. Ich frage mich nur, ob Sie den Plan des Bundesinnenministers BMI kennen. Ich als zuständiger Innenminister kenne ihn jedenfalls nicht. Ich kenne von den 68 Punkten einen, das ist die Frage über die entscheidende Rückweisung.
Es sind immer noch 67 Punkte. Insofern habe ich natürlich große Sorge, dass wir jetzt eine stimmungsvolle Debatte führen über einen möglichen Punkt und über 68 mögliche andere reden wir nicht. Also wir führen eine Diskussion zu einem Tagesordnungspunkt ohne eine umfassende Diskussionsgrundlage. Ich bedauere das, das ist ein ganz anderes Thema, dass die Innenminister und die Innenpolitiker in den Ländern, egal von welchen Fraktionen, bis zum heutigen Tag dazu noch keinen Masterplan oder sonstigen Plan haben, wie auch immer, aber das ist jedenfalls die Situation derzeit.
Fakt ist, die deutsche Asylpolitik ist eine völlig andere als vor drei Jahren. Es ist längst nicht alles gut und wie Sie aus dem Innenausschuss und vielen anderen Dingen wissen, wartet auch noch viel Arbeit. Aber unser Asylrecht ist auf jeden Fall viel strenger und die Strukturen sind jetzt viel leistungsfähiger geworden.
Die Flüchtlingszahlen, auch das soll man der Ehrlichkeit halber sagen, bewegen sich derzeit auf einem Niveau, bei dem die vereinbarte Obergrenze für Flüchtlinge im Rahmen der Großen Koa derzeit schon fast wie ein Zuwanderungsprogramm anmutet. Zuletzt waren die Zahlen 2012 so niedrig, wie sie derzeit sind. Deutschland verlor das Fußball-EM-Halbfinale gegen Italien, im Bund regierte Schwarz-Gelb und Barack Obama wurde wiedergewählt. Es kann mir doch keiner erzählen, dass 2012 sich irgendjemand ernsthaft über die Zuwanderungszahlen aufgeregt hat. Hinzu kommt, die Tendenz ist weiter fallend. Wir haben Frühwarnsysteme, die wir vor drei Jahren nicht hatten. Wir beobachten die Entwicklung sehr genau. Nichts deutet auf einen sprunghaften Anstieg der Flüchtlingszahlen derzeit – das betone ich allerdings deutlich: derzeit – hin. Aber das Warnsystem, was wir eingebaut haben, kann eher zu bestimmten Handlungen führen, als das vorher der Fall war.
Zurückweisungen an der Grenze hin oder her, die Maßnahmen der Bundesregierung zur Reduzierung des Flüchtlingsstromes in den zurückliegenden Monaten waren auf jeden Fall erfolgreich. Fakt ist aber auch, natürlich treibt viele Menschen das Thema Asyl um. Da helfen die Zuwanderungsstatistiken nicht viel und da hilft es auch nicht, dass schwere Straftaten von Flüchtlingen, die auch vorkommen, oder der Anteil der Straftaten, die durch Flüchtlinge begangen worden sind, ins Verhältnis zu der Gesamtzahl der Straftaten zu setzen sind. Jeder von uns, der wie ich regelmäßig mit den Menschen in unserem Land redet, weiß das, auch wenn der eine oder andere es hier möglicherweise nicht wahrhaben will.
Deswegen ist es gut und richtig, dass die Bundesregierung einen Masterplan zum Thema Asyl und Zuwande
rung aufstellt. Und ich finde es auch in Ordnung, wenn dabei die Vor- und die Nachteile einer Zurückweisung an der Grenze diskutiert und gegeneinander abgewogen werden. Was ich jedoch nicht in Ordnung finde, ist der Ton, in dem diese Debatte geführt wird.
Hier geht es um Völkerrecht, hier geht es um Menschenrechte, hier geht es um das Grundgesetz und deutsche Gesetze, hier geht es um ein wichtiges Thema auch für die Menschen in unserem Land. Da sollte man die Emotionen in der Bevölkerung aufnehmen und vor allen Dingen sollte man sie ernst nehmen, aber man sollte sie nicht auch noch schüren. Um einen Beitrag zur Versachlichung der Debatte zu leisten, werde ich ein paar Fakten, lieber Kollege Manthei, und ein paar Denkanstöße präsentieren.
Erstens. Der vorliegende Antrag ist blanker Unsinn. Ich denke, das wird die BMV-Fraktion auch eingesehen haben. Ich kenne keinen vernünftigen Politiker, der fordert, ab sofort alle asylsuchenden Ausländer – so muss man den Antrag ja lesen – abzuweisen. Und schon gar nicht plant das BMI diesen Schritt. Liebe Kollegen, etwas mehr Sorgfalt bei der Formulierung von Anträgen zu diesem sensiblen Thema darf man sehr wohl erwarten, denn das Asylrecht in Deutschland ist so, wie es ist, und somit haben auch die Behörden es dementsprechend umzusetzen.
Zweitens. Das ganze Thema – und darauf habe ich ganz am Anfang verwiesen – Zurückweisung ist rechtlich umstritten. Da braucht mir hier keiner zu kommen und zu sagen, er wisse es ganz genau. Auch ich kenne die deutsche Rechtslage und auch ich kenne die internationalen Abkommen. Was wann Vorrang hat, darüber streiten sich die Gelehrten auf höchster Ebene. Es gibt für beide Seiten gute Argumente. Ich kann als Nichtjurist auch beiden Argumenten vieles abgewinnen, aber pauschal sagen, wer oder nur der hat recht, das ist ausgesprochen schwierig. Gerade wer sich besonders dick das Schlagwort „Rechtsstaatlichkeit“ auf die Fahne schreiben möchte, sollte hier, glaube ich, umso vorsichtiger formulieren.
Drittens. Unstrittig ist, dass Rückführungen im Rahmen der Dublin-Verordnung durchgeführt werden können. Hier hakt es – vorsichtig gesagt oder freundlich formuliert – oftmals bei der Aufnahmebereitschaft innerhalb der EU und aus anderen Gründen, die ich schon im Rahmen des Vollzugsdefizits mit ansprach. Aber genau an dieser Baustelle arbeiten wir und die Bundesregierung derzeit mit Hochdruck.
Viertens. Als Europaminister bin ich bestens über das Grauen der Verhandlungen zum Brexit informiert. Der Brexit ist – da sind wir uns, glaube ich, unstrittig einig – einfach Mist. Leider scheinen das schon wieder viele vergessen zu haben. Der Zusammenhalt und die Zusammenarbeit in Europa sind ein hohes Gut. Gerade Deutschland sieht sich zu Recht in der Verantwortung, für diesen Zusammenhalt zu kämpfen.
(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – Thomas Krüger, SPD: Sehr richtig, Herr Minister. – Glocke der Vizepräsidentin)
Jeder Alleingang eines Mitgliedsstaates, da nehme ich ausdrücklich Deutschland nicht aus, schadet diesem Zusammenhalt.
Wenn sich die Bundesregierung nun in welchem Umfang auch immer auf Zurückweisungen verständigt, dann werde ich das unterstützen. Aber genauso werde ich die Bundesregierung dabei unterstützen, sich vor dieser Entscheidung zunächst gemeinsam mit unseren Verbündeten, Partnern und Freunden in Europa zu beraten, wie letzte Nacht geschehen, wo eine Reihe von Informationen uns derzeit allen noch nicht zur Verfügung stehen beziehungsweise wir noch nicht in dem Umfang die Möglichkeit hatten, uns damit zu befassen. Eine europäische Lösung – das sollte, glaube ich, außer Zweifel sein – ist die beste und die bessere Lösung von allem, was hier in den letzten Wochen und Monaten diskutiert wurde.
Fünftens. Wer die Zurückweisung an der Grenze fordert, soll den Bürgern aber auch gleich erklären, wie es praktisch umgesetzt wird. Kollege Kramer hat heute auf die Grenzübergänge in Mecklenburg-Vorpommern verwiesen, auf die vier, aber auf die unzählig vielen grünen Grenzübergänge hat er auch verwiesen. Können Sie sich vorstellen, dass wir an den Grenzübergängen wieder Sperren, Wasserwerfer oder Sonstiges aufbauen? Das, kann ich Ihnen sagen, wird in der heutigen Zeit nicht realisierbar sein.
Wissen Sie, an wie vielen der 90 Grenzübergänge in Bayern derzeit stationäre Kontrollen durchgeführt werden?
Ich kann Ihnen das sagen. Die bayerischen Grenzkontrollen sind derzeit in erster Linie an vier Grenzübergängen, aber an 90 führen sie sozusagen flexible Kontrollen durch. Aber sie haben noch jede Menge grüne Grenzübergänge, die sie auch nicht absichern, nicht verbarrikadieren oder keine Wasserwerfer hinstellen, weil anderes geltendes europäisches Recht dagegenspricht. Über diese, sage ich mal, illegalen Grenzübergänge rede ich, die dann auch vorhanden sind. Und wenn wir schon Zurückweisungen an der Grenze ansprechen, können wir nicht nur über die legalen reden, dann erwartet natürlich der Abgeordnete zu Recht, wie geht ihr mit den illegalen Grenzübergängen um,
sonst ist die ganze Diskussion ja nicht nachvollziehbar. Und das ist das, wo ich sage, wir müssen aufpassen, wenn wir Erwartungen wecken, dass nachher der Vollzug auch dementsprechend realisiert werden kann. Ich möchte als zuständiger Innenminister keinen Wasserwerfer an einer illegalen Grenze hinstellen. Das halten wir auch nur zwei Minuten als Deutschland durch, egal, wo es der Fall wäre. Das gehört ja zur Realität dazu.
Deswegen warne ich immer nur, dass wir nicht Erwartungshaltungen wecken, die auch gar nicht realisierbar sind, sondern dass wir uns auf das geltende Recht, die geltenden Grenzübergänge und so weiter beziehen.
Selbst, wenn wir Zurückweisungen auf die deutsche Grenze in Bayern beschränken würden, bestünde die Gefahr, dass die Asylbewerber versuchen würden, über Sachsen, Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern einzureisen. Das wäre dann sicherlich ein zweifelhafter Erfolg.
Ich glaube daher, dass wir mehr Erfolg haben werden, wenn wir den Asylbewerbern den Anreiz nehmen, nach erfolgter Antragstellung in einem EU-Staat überhaupt noch weiter nach Deutschland zu reisen. Und die Dinge, die jetzt diskutiert werden, nur noch volle Mittelauszahlung dort, wo man ankommt und Erstaufnahme hat, und alle anderen Länder können beispielsweise die Leistung reduzieren oder müssen die Leistung reduzieren, sind von den Ansätzen her die richtigen Ansätze, damit wir nicht so eine Art Reisebewegung innerhalb der Länder haben und der Asylreisende dorthin geht, wo es den besten Leistungsumfang gibt. Dieses Prinzip funktioniert ansatzweise ja schon beim Türkei-Abkommen.
Wer als Asylbewerber in einem anderen EU-Land registriert worden ist und trotzdem in Deutschland auftaucht, muss nach zwei, drei Wochen in einer Erstaufnahmeeinrichtung wieder in den für das Verfahren zuständigen Staat zurückgeführt werden. Sobald dieses System reibungslos funktioniert, werden es sich die Asylbewerber zweimal überlegen, ob sie sich auf den Weg machen. Ich weiß, diese Verhandlungen sind mühsam, aber das waren sie letztendlich auch mit der Türkei, und am Ende doch erfolgreich.
Sechstens. Unabhängig davon, wie mit Dublin-Fällen an der Grenze zukünftig umgegangen wird, spreche auch ich mich schon jetzt für die Zurückweisung aus, und zwar für solche Personen mit Wiedereinreisesperre. Die Bundesregierung macht das ja seit einigen Tagen wieder, und das ist auch richtig so. Ich finde, hier sollten wir ohne Diskussion zwischen den Fraktionen ein klares Zeichen setzen. Es bleiben die gleichen Probleme bestehen, die ich eben geschildert habe. Dennoch kann ich mich mit dieser Entscheidung sehr gut anfreunden.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung ist jetzt am Zug, vernünftige Lösungen mit unseren Partnern zu erarbeiten, und – offensichtlich jedenfalls – in der letzten Nacht einen großen Schritt vorangekommen. Egal, was am Ende herauskommt, auf keinen Fall sollte über diese Frage der Zusammenhalt Europas gefährdet werden. Das Vermächtnis von Adenauer, Brandt und Kohl sollte tunlichst niemand leichtfertig aufs Spiel setzen. Wer nach außen Trump, Putin und den Chinesen die Stirn bieten will, intern aber auf Abschottung und Einzelgängerei setzt, hat das Prinzip der Logik nicht verstanden. Das ist keine Europaromantik, sondern das ist schlichte Realpolitik.
Ich kenne sowohl Angela Merkel sehr gut als auch Horst Seehofer. Ich bin guter Dinge, dass sich die beiden in
den nächsten Tagen zusammenraufen werden und das Thema dann vom Tisch ist. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Der Minister hat seine Redezeit um reichlich drei Minuten überschritten. Die würden gegebenenfalls den Fraktionen, die nicht an der Regierung beteiligt sind, zur Verfügung stehen. Aber jede Fraktion hat so viel Redezeit, dass wir erst mal sehen müssen, ob das notwendig ist.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Liebe Landsleute! Ende Mai, also vor wenigen Wochen, forderten wir den Innenminister dieses Landes dazu auf, zu handeln.