Protokoll der Sitzung vom 12.09.2018

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zuerst möchte ich gern auch noch mal darauf hinweisen, dass die Verknüpfung der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention mit der Volksbefragung aus meiner Sicht in dem vorliegenden Entwurf unglücklich ist. Es würde sich anbieten, da ja kein sachlicher Zusammenhang besteht, das Ganze getrennt zu handhaben.

Nächster Hinweis: Ich halte es nicht für glücklich, die Frage der Volksbefragung mit einer konkreten Fragestellung hier im Plenum zu verbinden. Ob das jetzt nun um das Wahlalter von 16 Jahren geht oder um irgendetwas anderes, spielt ja keine Rolle. Wenn wir die Verfassung ändern, gilt das allgemein und generell und nicht nur speziell für diese Frage. Das halte ich für ausgesprochen ungeschickt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV)

Dann muss ich sagen, Herr Renz, Sie haben behauptet, Sie wollten hier für diesen Entwurf werben. Das ist Ihnen deutlich missglückt.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der AfD, DIE LINKE und BMV)

Wenn es nicht um so eine wichtige Sache gehen würde, Frau Oldenburg, ich glaube, wir wären uns wahrscheinlich schon einig, auch mit Herrn Professor Weber, und könnten das Thema jetzt tatsächlich komplett beenden.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja, ja.)

Also mit diesen Vorwürfen, dass hier Erpressung im Raum steht, kann man eigentlich gar nicht mehr über dieses Thema reden.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der AfD, DIE LINKE und BMV)

Zum Glück, muss ich ehrlicherweise sagen, hat Frau Ministerpräsidentin Schwesig das Thema etwas – und auch Herr Krüger – besser verkauft. Deswegen werden wir uns der Debatte natürlich nicht verweigern

(Thomas Krüger, SPD: Herzlichen Dank!)

und wir werden auch der Überweisung in die Ausschüsse selbstverständlich zustimmen. Wir möchten schon gern über das Thema sprechen, denn es geht hier um die Stärkung der Demokratie. Ich möchte den Begriff „direkte Demokratie“ in dem Zusammenhang mal nicht verwenden, denn es ist keine Entscheidung, es geht wirklich nur um eine Befragung, also eine Art repräsentative Befragung auf hohem Niveau. Es werden eben alle gefragt, das ist auch gut, aber zu entscheiden haben die Bürger dabei ja noch nichts.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Nein.)

Deswegen müssten Sie bitte da das Thema, Herr Krüger und auch Frau Schwesig, ein kleines bisschen weiter runter hängen. Es ist nicht die echte Mitbestimmung, es ist eben nur die Frage.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Aber auch die Frage kann ja ihre Berechtigung haben, kann einen wesentlichen Beitrag leisten in der Stärkung der Demokratie. Ich glaube, darin sind wir uns einig.

Dann noch mal meine herzliche Bitte an alle: Wir sollten uns nicht immer etwas Negatives oder Unangenehmes hier gegenseitig unterstellen. Ich glaube, dass tatsächlich allen Fraktionen hier im Landtag an der Stärkung der Demokratie, hoffe ich jedenfalls, gelegen ist.

Zum eigentlichen Entwurf: Was stört uns daran? Nach dem vorliegenden Entwurf ist es eben tatsächlich so, dass nur die Landesregierung mit einer Mehrheit hier aus dem Landtag das Thema bestimmen kann. Und es ist natürlich dann nicht von der Hand zu weisen, dass die Mehrheit im Landtag die regierungstragende Mehrheit ist. SPD und CDU könnten derzeit also allein mit der Landesregierung das Thema der Frage bestimmen. Das können Sie, glaube ich, gut verstehen, dass das den Oppositionsfraktionen so nicht gefällt. Ich verweise Sie auch noch mal auf die Landesverfassung, Artikel 26 Absatz 3: „Die parlamentarische Opposition hat in Erfüllung ihrer Aufgaben das Recht auf politische Chancengleichheit.“

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das können wir ja gleich abschaffen mit der Verfassungsänderung.)

Jetzt kann man darüber streiten, ob zur Chancengleichheit die Formulierung von Fragen für die Volksbefragung dazugehört. Ja oder Nein? Ich denke, ja, es gehört dazu, denn wenn man das Thema Volksbefragung ernst nimmt und ihm tatsächlich einen wichtigen Stellenwert einräumt, dann ist es auch ein wichtiges Instrument unseres Landes und dann sollte auch tatsächlich die Opposition daran beteiligt sein. Wäre das nicht der Fall, dann müsste man tatsächlich befürchten, dass die Landesregierung mit der sie tragenden Mehrheit hier im Landtag immer nur Fragen stellt, die sozusagen keine Gefahr für die Landesregierung darstellen, die noch mal eine Bestätigung der Landesregierung ergeben. Und das kann nicht der Sinn der Sache sein.

Ich glaube, Herr Caffier hat es gesagt, natürlich muss bei einer Volksbefragung, wie bei allen Instrumenten der direkten Demokratie auch, ein Ergebnis akzeptiert werden, was vielleicht der Regierung nicht gefallen wird. Zweite Möglichkeit wäre, dass die Koalitionsparteien sich gegenseitig nicht einigen können und dann den Joker ziehen, den Publikumsjoker, so wie bei Günter Jauch, und sagen, jetzt möchte doch bitte mal das Publikum entscheiden. Das kann auch nicht der Sinn unserer repräsentativen Demokratie sein.

Ja, es gibt verschiedene Varianten, über die man sprechen könnte. Sie sind auch schon genannt worden. Ganz kurz noch mal: Man könnte ein Quorum von Landtagsabgeordneten vorsehen, die selbst eine Initiative starten können. Wir könnten aber genauso gut auch andererseits sagen, mit einer Zweidrittelmehrheit sind wir sicher, dass Oppositionspolitiker bei der Fragenfindung beteiligt sind. Man könnte sogar sagen, nur der Landtag darf einen eigenen Antrag stellen auf Frage allein mit einer Zweidrittelmehrheit. Das hat auch einen gewissen Sinn, denn natürlich kommt durch eine Volksbefragung der Landtag auch unter Druck.

(Thomas Krüger, SPD: Da kriegen Sie die Verbindlichkeit aber nicht hin.)

Denn wenn Sie eine Volksbefragung haben und es kommt ein Ergebnis von, sagen wir mal, 80 Prozent für irgendeine Frage heraus, dann wissen wir alle, dass dieser Landtag dadurch unter Druck gerät und eben nicht mehr diese Unabhängigkeit hat, die er eigentlich haben sollte.

Man könnte auch die Variante schaffen, dass das Volk selbst eine Initiative starten kann.

(Thomas Krüger, SPD: Die gibt es schon.)

Diese halte ich zum Thema Volksbefragung ehrlicherweise nicht für besonders wichtig oder wesentlich, denn wenn ich Unterschriften sammeln würde, dann sicherlich nicht für eine unverbindliche Volksbefragung.

Wichtig in dem Zusammenhang, auch, um was ganz Konkretes zu sagen, sind die zeitlichen Abstände zu den bestehenden Wahlterminen, denn die Zusammenlegung mit Wahlen hört sich im ersten Moment so schön an, das wäre ja kostensparsam, aber das kann natürlich zu einer kostenfreien Wahlwerbung für die Regierungsfraktionen ausarten. Das möchten wir natürlich nicht. Und dann müssen wir auch berücksichtigen, dass wir heute in den Zeiten des E-Governments leben. Ich bitte da in den Ausschüssen darum, darauf zu achten, ob wir nicht vielleicht auch elektronische Abstimmungsmöglichkeiten stärker berücksichtigen könnten. Das wäre toll und würde die Beteiligung noch mal deutlich erhöhen.

Wie gesagt, der Überweisung in die Ausschüsse stimmen wir gern zu. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Schulte.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Bevor ich auf die vorliegende Verfassungsänderung beziehungsweise die Ausführungsgesetze, die damit in Zusammenhang stehen, eingehe, gestatten Sie mir, dass ich vielleicht noch mal eine Replik leiste auf Äußerungen von Herrn Professor Weber. Herr Professor Weber hat in Bezug auf die Ministerpräsidentin gesagt, dass wir – und damit meinte er ja offensichtlich nicht nur die Ministerpräsidentin, sondern auch die Fraktionen von SPD und CDU – die AfD ausgrenzen würden und auch deren Wähler.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich an dieser Stelle das auch für die Öffentlichkeit noch mal deutlich sagen, denn ich glaube, das ist wichtig, dass es hier über diese beiden Fraktionen, zumindest, was diesen Punkt sicherlich angeht, einen breiteren Konsens in diesem Haus gibt: Wir grenzen definitiv nicht die Wählerinnen und Wähler aus, die sich bei der letzten Landtagswahl für die AfD entschieden haben, nämlich im Gegenteil, wir als Fraktionen in diesem Haus, aber auch die Parteien, die dahinterstehen, bemühen uns vielmehr dringlich darum, diese Wählerinnen und Wähler von dem – aus unserer Sicht – Irrweg der AfD-Wahl abzubringen und das nächste Mal eine der demokratischen Fraktionen, eine der demokratischen Parteien in diesem Haus zu wählen. Was wir allerdings,

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

was wir allerdings klar sagen, ist, wir grenzen nicht aus, aber wir grenzen uns deutlich ab von all denjenigen in diesem Land und in der Bundesrepublik Deutschland, die weiterhin an der Spaltung der Gesellschaft arbeiten.

(Horst Förster, AfD: Wer spaltet hier?)

Und wenn ich nur das höre, was der Parteivorsitzende der AfD heute im Bundestag gesagt hat, dann weiß ich auch, wer damit gemeint ist, ohne dass ich die AfD nennen müsste.

Meine Damen und Herren, wenn wir – und das gestatten Sie mir an dieser Stelle auch noch mal – über Verfassung reden, nicht nur über Landesverfassung, wenn wir generell über Verfassung reden, dann war eine Bemerkung von Herrn Professor Weber hier an diesem Podium schon bemerkenswert, als er nämlich heute in dieser Debatte sagte, wir hätten leider noch die repräsentative Demokratie.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja.)

Herr Professor Weber, ich sage es Ihnen an dieser Stelle auch mal ganz deutlich: Da entstehen natürlich schon ernsthafte Bedenken, ob Sie tatsächlich noch auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und Henning Foerster, DIE LINKE)

Für diejenigen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vielleicht nicht so gut kennen, erlaube ich mir, den Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes zu zitieren. Dort heißt es: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Die repräsentative Demokratie, deren Bestehen Herr Professor Weber in diesem Raum gerade heute hier bedauert hat, ist eine Grundlage unserer Verfassung und unserer demokratischen Grundordnung.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle – ich möchte jetzt nicht die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE in einen Topf mit den Redebeiträgen oder dem Redebeitrag von Herrn Professor Weber schmeißen –, aber lassen Sie mich an dieser Stelle eines sagen: Ich kann Ihre Bauchschmerzen an der einen oder anderen Stelle verstehen. Nun sind Oppositionsfraktionen in diesem Haus, und wenn ich in der Opposition wäre, dann würde ich natürlich auch um jede Möglichkeit kämpfen und ringen, das ist Ihre Aufgabe, um jede Möglichkeit zu kämpfen und zu ringen, wie ich tatsächlich meine politischen Vorstellungen in dem Diskurs voranbringen und gegebenenfalls umsetzen kann. Wenn Sie das nicht tun würden, würden Sie Ihrer Rolle als Opposition nicht gerecht werden. Das ist uns und ich glaube, das ist auch den Kollegen der Fraktion der CDU durchaus klar. Das gilt natürlich in ähnlicher Weise auch für die Kollegin und die Kollegen der Fraktion der BMV.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Der CDU ist das nicht klar.)

Doch, Frau Kollegin Oldenburg,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Nein, niemals.)

ich glaube schon, dass das auch der Fraktion der CDU klar ist.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das kam aber nicht rüber im Redebeitrag.)

Das ist vielleicht nicht so deutlich geworden in dem Redebeitrag des Kollegen Renz.