Protokoll der Sitzung vom 13.09.2018

Beim ersten Problem, der Gleichstellung, hat sich die Regierung auf den Weg gemacht, wie kürzlich im

Rechtsausschuss mitgeteilt wurde. Das ist gut und das unterstützen wir. Man schaut sich jetzt an, ob die Erprobungszeiten – und Frau Justizministerin hat das dargestellt – in der Verwaltung unbedingt in Schwerin erfolgen müssen oder ob das nicht auch in Telearbeit geht. Letzteres würde die Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutlich verbessern. Das kann aber noch nicht alles sein, wie wir finden. Wir brauchen einen Katalog an Maßnahmen, nutzbringende Formen der Personalgewinnung und -auswahl sowie zur Behebung von Defiziten. Falls dies allein nicht hilft, müssen wir über die Frauenquote reden, um den verfassungsrechtlichen Auftrag der Gleichberechtigung der Geschlechter herzustellen.

Ob es der Gleichstellung förderlich ist, wenn Ausschreibungen künftig bundesweit erfolgen, halte ich hingegen für fraglich. Der Pool der Bewerber und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Frau bewirbt, wären eventuell größer. In der Sache brächte es aber die Gleichstellung nicht voran, da sich die für Frauen ungünstigen Rahmenbedingungen im Vorfeld nicht verändern. Es soll im Kern darum gehen, die Chancen von Frauen, in Führungspositionen zu kommen, zu verbessern, und nicht darum, auf Krampf eine Frau in diese Positionen zu heben, als Alibi-Frau sozusagen.

Beim zweiten Problem, dem Verfahren zur Ernennung von Richtern und Staatsanwälten, haben wir aus unserer Sicht noch erheblichen Entwicklungsbedarf. Noch immer werden Richter und Staatsanwälte hierzulande von der Regierung ernannt. Das widerspricht aus unserer Sicht der Gewaltenteilung und demzufolge der Unabhängigkeit der Justiz. Die Regierung als zweite Gewalt entscheidet über das Personal der dritten Gewalt, der Gewalt, deren Auftrag es unter anderem ist, die Regierung zu kontrollieren. Das ist ungefähr so, als wenn ich meinem Mann sage: „Ja, mein Lieber, du hast bei uns die Hosen an, aber ich entscheide, welche!“

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

Das funktioniert so nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Gewaltenteilung ist ein wichtiges Element unseres Staatssystems. Sie war eine der Lehren aus dem Dritten Reich, da nie der Verdacht der politischen Einflussnahme auf Richtersprüche, Urteile oder sonstige gerichtliche Entscheidungen bestehen sollte.

Wie kann man die Unabhängigkeit der Justiz nun weiter vorantreiben? In Artikel 76 Absatz 3 unserer Landesverfassung ist ein Richterwahlausschuss vorgesehen. Warum haben wir ihn noch nicht, ist die Frage. Brandenburg und Berlin haben beispielsweise einen solchen Richterwahlausschuss. Da sitzen dann zwar auch Abgeordnete der Parlamente drin, aber das stärkt zumindest die Kontrolle durch das Volk. Ansonsten habe ich noch nicht gehört, dass man in Brandenburg oder in Berlin mit diesem Instrument schlechte Erfahrungen gemacht hätte. In jedem Fall gibt es dort keine Gerüchte oder Vorwürfe, wenn es um die Ernennung von Richtern oder Staatsanwälten geht. Deshalb wird es Zeit, dass auch wir uns hier endlich damit beschäftigen – meine Fraktion wird sich diesem stellen –, ich hoffe, fraktionsübergreifend.

Sehr geehrte Damen und Herren, zuletzt möchte ich noch etwas zum Antrag der BMV sagen. Ich muss zugeben, dass ich mit diesem Antrag nicht sehr viel anfangen kann. Das liegt daran, dass er für mich in sich widersprüchlich ist. Der Titel des Antrages suggeriert, es gehe

um die Forderung, die Bestenauslese zum einzigen Kriterium für die Besetzung von Führungspositionen zu machen. Natürlich muss die Bestenauslese das wichtigste Kriterium sein, so, wie es in Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz niedergeschrieben steht. Wir leben in einem Rechtsstaat und die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, dass dieses Recht von den Besten umgesetzt und durchgesetzt wird. Aber wir sehen ebenso den verfassungsrechtlichen Auftrag zur Gleichberechtigung der Geschlechter, Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz, wo es heißt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Artikel 3 ist ein Grundrecht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enthält Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz auch den Auftrag an den Gesetzgeber, künftige Ungleichbehandlungen zu verhindern – als Staatszielbestimmung. Genau damit ist Artikel 33 Grundgesetz, die Bestenauslese, in Einklang zu bringen. Bestenauslese und Gleichstellung widersprechen sich nicht, sondern sie ergänzen sich. Es geht nicht darum, ungeeignete Personen in Position zu bringen. Es geht darum, die vielen qualifizierten, geeigneten und erfahrenen Juristinnen im Land in juristische Ämter zu bringen, die sie zweifelsfrei hervorragend ausfüllen können. Frauen müssen die Möglichkeit bekommen, zu den Besten zu gehören.

Der Beschlusstext hingegen fordert, von einer bundesweiten Ausschreibung Abstand zu nehmen. Das widerspricht genau genommen der Überschrift, da eine bundesweite Ausschreibung die Möglichkeit schafft, in anderen Bundesländern vielleicht noch einen anderen geeigneten Bewerber/eine Bewerberin zu finden. Um was geht es Ihnen also eigentlich? Um eine Bestenauslese und gegen die Absicht der Ministerpräsidentin, durch eine bundesweite Ausschreibung mehr Frauen in die Führungspositionen zu bringen? Ich frage mich, hätten Sie den Vorschlag der Ministerpräsidentin gut gefunden, wenn sie bundesweit ausschreiben wollte, um dem Grundsatz der Bestenauslese mehr Rechnung zu tragen? In der Sache das Gleiche, nur die Motivation wäre eine andere. Wären Sie dann gegen diesen Vorschlag gewesen? Das anschließende Auswahlverfahren wäre sicherlich unverändert geblieben.

Zum eigentlichen Ziel Ihres Antrages, gegen eine bundesweite Ausschreibung, um Frauen in Führungspositionen zu fördern, erhalten Sie eine eindeutige Abfuhr seitens meiner Fraktion. Bestenauslese und Gleichstellung bedingen einander. Natürlich haben wir alles zu unternehmen, um mehr Frauen bei künftigen Entscheidungen in Führungspositionen zu bekommen. Dafür steht meine Fraktion ohne Wenn und Aber. Ich bin froh, dass es beispielsweise die Frauenquote in meiner Partei und somit Fraktion gibt, ohne mich als Quotenfrau zu sehen, da bin ich selbstbewusst genug, sondern dass alleine meine Fachlichkeit zählte.

(Thomas Krüger, SPD: Qualität setzt sich durch.)

Solange wir die tatsächliche Gleichstellung eben noch nicht erreicht haben, brauchen wir Instrumente wie die Frauenquote oder andere Maßnahmen, um Frauen zu unterstützen. Ich weiß, dass uns das immanent trennt, sehr geehrte Herren der BMV und der AfD. Aus diesem Grund lehnen wir den Antrag der BMV aus vollster Überzeugung ab.

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Abgeordnete Ehlers.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den Vorrednern, die allesamt Juristen sind, ist es vielleicht gar nicht mal so schlecht, wenn vielleicht auch ein Nichtjurist in der Debatte das Wort ergreift. Das war teilweise schon etwas wie im juristischen Seminar, erstes Semester Staatsrecht, aber so haben wir zumindest alle die Grundlagen noch einmal, auf denen die Entscheidungen getroffen werden, verinnerlicht

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Manchmal gar nicht so verkehrt, Herr Ehlers.)

und Wiederholen festigt auch an der Stelle. Das ist nicht so schlecht, ich habe es auch gar nicht kritisiert.

Wollen wir uns mal den beiden Themenkomplexen heute hier widmen, die aufgerufen wurden von den LINKEN und von der BMV. Die LINKEN, also einmal geht es um das Thema Frauenförderung, die LINKEN fürchten also einen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz. Das wundert mich beim Thema Frauenförderung schon etwas, da Sie sonst, Sie haben es gerade in Ihrer Rede auch gesagt, Frau Kollegin, überall stets und ständig Frauenquoten fordern, Frauenförderung betonen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Deswegen heißt es auch hier „Gleichstellung in der Justiz gewährleisten“.)

Hier am konkreten Beispiel der Justiz haben Sie sich im Sommer gemeinsam mit anderen sehr empört. Ich habe jetzt in Ihrer gesamten Rede gar keinen einzigen richtigen Vorschlag gehört, wie Sie konkret denn das Thema lösen wollen im Lande, in Mecklenburg-Vorpommern,

(Zuruf von Jaqueline Bernhardt, DIE LINKE)

hier die Justiz, den Frauenanteil in der Justiz zu erhöhen.

Wir haben, das will ich auch noch mal unterstreichen, seit 2006 die erste weibliche Justizministerin – das hat die CDU seinerzeit so auf den Weg gebracht –, seit 2011 sogar das einzig komplett weiblich geführte Ministerium, Ministerin und Staatssekretärin.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das darf man an dieser Stelle auch noch mal erwähnen.

Die Zahlen hat die Ministerin so intensiv vorgetragen, das will ich jetzt gar nicht alles wiederholen, wo wir Anfang der 90er standen,

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

wo wir heute stehen, was das Thema „Frauen in der Justiz“ angeht. Ich glaube, da ist der Trend deutlich er

kennbar. Die Ursachen, warum wir jetzt die Frauenquoten so haben, wie sie sind, die liegen auch ein paar Jahre zurück, denn es ist sehr eindrucksvoll geschildert worden von den Vorrednern, ein Richteramt oder Staatsanwalt, das ist nicht so, dass du heute frisch von der Uni kommst und morgen wirst du Präsident vom Oberlandesgericht, sondern es ist in der Tat ein Verfahren, das über viele, viele Jahre dauert. Von daher liegen dort die Ursachen auch schon etwas zurück.

Ich habe es im Ausschuss gesagt und will es hier gerne noch mal wiederholen, ich bin ja kein Gleichstellungspolitiker,

(Zuruf von Franz-Robert Liskow, CDU)

ausdrücklich nicht, an der Stelle – da haben wir meine geschätzte Kollegin Frau Friemann-Jennert, die sich bei dem Thema engagiert –, aber ich finde, wir doktern so ein bisschen an den Symptomen herum und kümmern uns gar nicht um die Ursachen. Wir beschweren uns über zu wenig Frauen in der Wirtschaft in Führungspositionen, zu wenig Frauen in der Politik. Das werden wir im nächsten Jahr dann wieder sehen, wenn es um die Listen geht zur Kommunalwahl, wie schwierig das ist, ob man eine Quote hat oder auch nicht als Partei, wie schwierig das ist, auch Frauen zu begeistern, sich politisch zu engagieren. Deswegen, glaube ich, muss man in der Tat mehr darüber reden, wie kriegen wir überhaupt Frauen begeistert, motiviert, dass sie sich bewerben.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nein, welche Rahmenbedingungen schaffen wir für die Frauen. – Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Denn es gibt ja, und das hat die Justizministerin ausdrücklich auch betont an der der Stelle hier,...

(Peter Ritter, DIE LINKE: Es geht doch hier nicht um Begeisterung, sondern um die Rahmenbedingungen für die Frauen!)

Lassen Sie mich doch ausreden, Herr Kollege Ritter!

Die Justizministerin hat es an der Stelle ja auch betont, dass Frauen gezielt angesprochen werden. Und natürlich gibt es heute auch noch einige Hürden. Wir haben das Thema der Verwaltungserprobung im Justizministerium heute mehrfach gehört. Ich habe jetzt andere Informationen, Herr Kollege Förster hat gesagt, wir sind bundesweit die Einzigen, meine Informationen sind da andere. Aber das ist auch ein Thema, über das man diskutieren muss an der Stelle. Sind das sozusagen die richtigen Rahmenbedingungen, die wir hier haben? Ist dann die Justiz in dem Bereich frauenfreundlich oder nicht? Welche Hürden gibt es da? Worauf können wir als Land konkret Einfluss nehmen?

Das wäre doch meine Bitte, dass wir die Diskussion aus dem Sommer zum Anlass nehmen, uns mal ernsthaft, ohne Schaum vorm Mund, die Frage zu stellen, wie können wir die Rahmenbedingungen an der Stelle verbessern. Um nichts anderes geht es am Ende ja. Am Ende bleibt es natürlich die Entscheidung jedes Einzelnen, jeder Frau, jedes Mannes, ob man sich für ein Amt, welches auch immer, bewirbt oder auch nicht.

Diese Woche haben wir in Schwerin die neue Amtsgerichtsdirektorin eingeführt – wieder eine Frau, das finde ich doch sehr positiv. Und da war ich schon erstaunt, auch in der Recherche für die Rede heute, dass es – mal auf Schwerin bezogen – bis 2015 gedauert hat, bis die erste weibliche Amtsgerichtsdirektorin hier ihre Arbeit aufgenommen hat. Die ist mittlerweile Vizepräsidentin am OLG in Rostock. Und auch dort, konnte man öffentlich lesen, hat es bis 2017, also 27 Jahre nach der Einheit, gedauert, bis erstmals eine Frau in die Führung des OLG Rostock aufgerückt ist. Das sind natürlich Zeichen, dass dort noch nicht alles rundläuft, wenn es so lange dauert. Das muss man mal ganz klar und ganz deutlich hier an der Stelle sagen.

So, und dann das zweite Thema, der zweite große Komplex heute, ist ja das Thema Stellenbesetzung und die Frage, landesintern ausschreiben oder bundesweit ausschreiben. Ich glaube, auch hier ist sehr deutlich geworden in der Debatte, dass wir ein standardisiertes und sehr transparentes Verfahren haben, das eng abgestimmt ist, auch mit den Oberpräsidenten, mit der Generalstaatsanwaltschaft, und dass die Ausschreibungstexte seit vielen Jahren, so ist es im Ausschuss auch dargestellt worden, unverändert sind an der Stelle, also auch nicht so sehr viel Neues, was jetzt hier über den Sommer zutage getreten ist. Ich glaube, so, wie wir es bisher handhaben, hat es sich an der Stelle bewährt. Der Ministerpräsident a. D. hat es ja selbst auf Nachfrage jetzt auch noch mal deutlich gemacht, dass es natürlich die Möglichkeit gibt, bundesweit auszuschreiben, wenn man der Meinung ist, dass im eigenen Land der Nachwuchs für die Stelle vielleicht nicht gegeben ist, dass wir aber in der Regel natürlich landesintern ausschreiben, und das war ja auch mein Petitum aus dem Sommer.

Ich glaube, das ist auch ein gutes Signal an die Juristinnen und Juristen im Land. Wir haben viele gut qualifizierte Juristinnen und Juristen, die in der Lage sind, Führungsaufgaben zu übernehmen. Um nichts anderes geht es an der Stelle. Ich glaube, das Signal ins Land, an die Juristen im Land, dass wir ihnen da vertrauen, das ist an der Stelle auch ganz wichtig, aber trotzdem – und da gibt es für unsere Fraktion auch kein Vertun – muss es weiterhin die Möglichkeit geben, im Einzelfall zu entscheiden, bundesweit auszuschreiben. Deswegen werden wir heute den Antrag der BMV an der Stelle ablehnen, weil ich glaube, da sollte man sich die Türen nicht endgültig zumachen bei dem Thema. Ansonsten lade ich uns alle ein, eingangs habe ich es gesagt, gerade am Thema, wie kriegen wir mehr Frauen in der Justiz gefördert, gemeinsam zu arbeiten, mal vielleicht losgelöst von den Debatten, etwas versachlicht wieder.

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Ich glaube, da haben wir im Rechtsausschuss einen guten Anfang gemacht vor zwei Wochen, und das sollten wir da weiter tun. Von daher, glaube ich, ist die Debatte darüber heute auch ganz wichtig. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Zuruf von Bernhard Wildt, BMV)

Bevor ich dem Antragsteller das letzte Wort gebe, hat noch einmal um das Wort gebeten für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Förster.

(Torsten Renz, CDU: Es hätte mich auch gewundert, wenn er verzichtet hätte. Aber nicht die Grundsatzfrage von früher noch mal stellen!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Noch ein kurzes Wort zur Gleichstellung: Die Problematik ist die, dass in der gesamten Gleichstellungsdebatte, wie auch in der Feminismusdebatte, das Wort „Mutter“ überhaupt nicht vorkommt.