Protokoll der Sitzung vom 13.09.2018

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Aber ich habe auch zur Kenntnis genommen, Herr Weiß, dass Sie das differenziert sehen, und darüber freue ich mich ausdrücklich. Deswegen möchte ich Ihnen noch mal deutlich sagen, wenn man sich die Geschichte dieser Risikoausgleichsrücklage anschaut, dann haben Sie richtigerweise, Herr Weiß, gesagt, wir können ins Jahr 2012 zurückgehen. Ich selbst habe im Bundesrat mehrfach dazu Stellung bezogen, mehrfach hat die Agrarministerkonferenz sich mit dem Thema befasst, und eins muss man feststellen unterm Strich: Die Bundesregierung, insbesondere auch die Bundesfinanzminister haben in

den letzten Jahren erklärt, sie setzen das nicht um. Im Übrigen hat auch Frau Julia Klöckner in der letzten Woche gerade erklärt, eine Ausgleichsrücklage wird es in Deutschland in der Form, wie man sich das aus dem Bauernverband heraus vorstellt, nicht geben. Ich nehme das zur Kenntnis.

Es ist richtig, dass am 21. September das Thema erneut auf der Tagesordnung des Bundesrates ist, und wir werden uns dazu verhalten. Aber ich bitte Sie auch um Verständnis, wir arbeiten intensiv an alternativen Modellen, und ich bin froh, dass auf Initiative des Landes Mecklenburg-Vorpommern die Agrarministerkonferenz sich noch im September mit dem Thema befassen wird, nämlich mit alternativen Modellen.

Ich nehme auch noch mal ausdrücklich zur Kenntnis, dass wir keine politischen Mehrheiten im Deutschen Bundestag für dieses Thema haben. Insbesondere die Grundsätze, die dazu geführt haben, sich das Thema noch mal anzuschauen, sind wissensbasiert und wissenschaftlich überprüft worden. Insofern bitte ich auch die AfD, sich das einfach mal vorzustellen, da gibt es dann eben eine etwas andere Auffassung von uns. Bitte stellen Sie sich das nicht so einfach vor! In guten Jahren, wenn etwas Geld überbleibt, stecke ich das in den Sparstrumpf, steuerfreie Risikorücklage heißt das dann, und in schlechten Jahren greife ich darauf zurück. Also eine schnelle Hilfe wird es insofern nicht geben.

(Zuruf von Sandro Hersel, AfD)

So einfach funktioniert Wirtschaft nicht.

Im Jahr 2011 wurde im Übrigen – und vielleicht hätten Sie sich das mal anschauen sollen, ich habe natürlich auch Ihre Presseerklärung hier noch vorliegen, und zwar vom 8. August – von Ihnen eine ganz andere These vertreten,

(Andreas Butzki, SPD: Richtig!)

wo gesagt wird, wozu braucht die Landwirtschaft eigentlich Hilfe und Unterstützung, wenn sie in guten Jahren sich nichts zurückgelegt hat. Ich vereinfache das mal. Letztendlich sind damit auch maximale Forderungen und Pachtpreise und so weiter bezahlt worden. Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie hier einen offenen Widerspruch aufwerfen.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Insofern will ich Ihnen allen eines mit an die Hand geben: 2011 ist ein großes Forschungsvorhaben auf den Weg gebracht worden, und wenn wir uns mit wissenschaftlichen Grundlagen nicht mehr auseinandersetzen, dann können wir das Buch zuklappen. Dann nehme ich zur Kenntnis, dass die steuerbegünstigende Risikorücklage eher kritisch beurteilt wird. Ihre Einführung würde nicht tatsächlich zu den erwünschten Entlastungseffekten führen. Für einen erheblichen Teil der Betriebe besteht und entsteht nahezu kein erhöhter Anreiz, tatsächlich diese Bildung von Rücklagen vorzunehmen. Ich nehme jetzt nur mal die juristischen Personen, für die das Körperschaftssteuergesetz gilt und damit nicht wie in anderen Bereichen ein erhöhter Steuersatz zu Steuervergünstigungen führt, sondern nur 15 Prozent. Damit ist der Anreiz gegen null. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis!

Im Übrigen ist in Betrieben mit hoher Einkommenskraft und damit höheren Steuerbelastungen der Anreiz entsprechend höher. Somit werden tendenziell eher Betriebe gefördert, die aus eigener Kraft in der Lage wären, in Extremsituationen sich selbst zu helfen. Das kann dann auch marktwirtschaftlichen Grundsätzen nicht unbedingt entsprechen. Aus beihilferechtlichen Gründen darf eine Risikorücklage zusammen mit anderen Markt- und Katastropheninstrumenten nicht zu einer Überkompensation führen. Das bedeutet unterm Strich, es müsste eine Notifizierung stattfinden und gegebenenfalls würde diese in Europa aufgrund der marktverzerrenden Bedingungen abgelehnt werden.

Herr Waldmüller hat ja gerade am Wochenende einen Begriff über Redefin geprägt, so nach dem Motto, man solle einen toten Gaul nicht reiten. Ich finde diesen Begriff abscheulich, aber passend, deswegen zitiere ich ihn dabei. Aber die steuerfreie Risikorücklage ist aus meiner Sicht in Deutschland nicht umsetzbar. Deswegen brauchen wir Alternativen. Ich bin ausdrücklich unserem Bauernverband dankbar, dass man im Dialog ist. Ich möchte gern im Dialog mit dem Bauernverband, mit den Bäuerinnen und Bauern in Deutschland zu einer Alternative kommen.

Im Übrigen gibt uns die GAP-Reform, die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik, die Möglichkeit, hier im Interesse der Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland zu einem Sicherheitsnetz, einer Versicherungslösung oder einer Fondslösung zu kommen. Genau daran arbeite ich. Diese kann im Übrigen auch steuerbegünstigt sein. Man muss endlich auch mal bereit sein, in Deutschland einen Paradigmenwechsel einzuleiten, denn eins ist vollkommen klar: Wir werden immer wieder durch bestimmte Veränderungen in der Natur in der Landwirtschaft aufgefordert sein, Lösungen zu erarbeiten.

Deswegen glaube ich ausdrücklich, dass es richtig ist, dass wir in der kommenden Agrarministerkonferenz über diese Dinge reden. Ich bitte auch um Verständnis, mit den Alternativen, die die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern aufgebaut hat, haben wir einen ersten Schritt gemacht, nämlich 2016 ist aufgrund der Ergebnisse und Untersuchungen von Hohenheim die steuerliche Rücklagenproblematik in die Tarifglättung eingegangen und dieses Gesetz ist ja beschlossen. Es ist zurzeit in der Notifizierung und damit gibt es die Möglichkeit, dies ein Stückchen voranzutreiben.

Ich bitte abschließend auch noch mal um Verständnis, Mecklenburg-Vorpommern arbeitet intensiv in der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Risikomanagement mit und hat maßgeblichen Einfluss auf den Bericht zum Risiko- und Krisenmanagement in der Landwirtschaft, der vom BMEL zur kommenden Herbst-AMK, also Agrarministerkonferenz, vorgelegt wird. Wir werden auf der kommenden AMK die Optionen der Bezuschussung einer Versicherungslösung intensiv diskutieren

(Thomas Krüger, SPD: Sehr richtig, Herr Minister.)

oder auch die Frage der Einrichtung eines Risikofonds.

(Thomas Krüger, SPD: Genau.)

Aber ich glaube auch, wir dürfen an dieser Stelle nicht vergessen, wir müssen natürlich grundsätzlich klären,

Herr Weiß, und da bitte ich auch um Verständnis: Welche Risiken wollen wir versichern? Wie viel Fördermittel sollen bereitgestellt werden? Welche Betriebe und Regionen, das haben Sie selbst angedeutet, in Deutschland sollen davon profitieren? Ich denke, das Instrument der steuerlichen Risikorücklage, das über viele Jahre diskutiert worden ist, hilft uns nicht weiter.

Insofern gehe ich davon aus, dass meine Aufgabe darin besteht, nicht nur wohlklingende und sicherlich gut gemeinte Forderungen kritiklos zu übernehmen und damit die geführte Debatte zu bestimmen, sondern meine Verantwortung als Minister dieses Landes ist es, das Machbare auf den Weg zu bringen, für das Sinnvolle gegen Widerstände zu kämpfen und letzten Endes damit im Interesse der Allgemeinheit, aber auch im Interesse der Landwirtschaft Lösungen zu erarbeiten und die dann durchzutragen. Darin fühle ich mich bestärkt und ich gehe davon aus, wir werden im September auf der Agrarministerkonferenz damit zu richtungsweisenden Beschlüssen kommen und in den nächsten Wochen im Rahmen der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik dafür sorgen, dass den Landwirten weitergeholfen wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Torsten Renz, CDU)

Der Minister hat die angemeldete Redezeit um drei Minuten überschritten. Diese steht gemäß Paragraf 85 unserer Geschäftsordnung den nicht an der Regierung beteiligten Fraktionen zusätzlich zur Verfügung.

Ich rufe jetzt auf für die Fraktion der CDU den Abgeordneten Herrn Kliewe.

Sehr verehrte Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Gäste! Wenn man als dritter Redner im Bunde zu so einem doch wichtigen Thema spricht, …

(Andreas Butzki, SPD: Der vierte!)

Als Vierter, stimmt, der Minister war der Dritte.

… dann ist vieles mit Sicherheit schon gesagt worden. Deswegen würde ich jetzt auch meine Rede nicht in vollem Wortlaut vortragen, sondern aus Sicht unserer Fraktion noch auf ein paar Besonderheiten eingehen, die uns bei diesem Thema sehr, sehr wichtig sind.

Der Minister hat es gerade ausgeführt und ich möchte es an dieser Stelle auch machen, heute ist ja die Eröffnung der MeLa, und ich bedauere das sehr, dass Abgeordnete des Agrarausschusses und unser Minister heute nicht an der Eröffnung der MeLa teilnehmen können und dürfen. Hier gab es auch einen Vorschlag unserer Fraktion, der leider im Ältestenrat nicht Gehör fand.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wie bitte?! Was für ein Vorschlag? – Jochen Schulte, SPD: Ich kenne keinen Vorschlag im Ältestenrat. – Peter Ritter, DIE LINKE: Sagen Sie mal was zu Ihrem Vorschlag Ihrer Fraktion! Das ist ja nun wohl der Gipfel! Das stimmt so aber nicht.)

Es ist bedauerlich.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wir sorgen dafür, dass ihr morgen dahin fahren könnt.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte doch jetzt, die Zwischenrufe zu unterlassen und dem Redner zu folgen.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Bei schwierigen Jahren in der Landwirtschaft beziehungsweise bei einem dritten schwierigen Jahr in Folge ist natürlich der Ruf der Branche nach Unterstützung verständlich, denn dieses Wirtschaftsjahr hat aufgrund der doch sehr lang anhaltenden Trockenheit den Ausfällen der beiden vergangenen Wirtschaftsjahre noch einiges obendrauf gesetzt.

Dass wir die Landwirtschaftsbetriebe hier nicht alleinlassen, das wurde hier schon gesagt, und wir werden nachher in einem nachfolgenden Tagesordnungspunkt auch noch über die Unterstützung für die extreme Trockenheit reden. Aber hier geht es ja um die Themen: Wie können die Landwirte sich selbst helfen? Wie kriegen wir mit unseren Möglichkeiten, die wir als Parlament haben, aber auch der Gesetzgeber hat, geregelt, dass die Landwirte hier Hilfe zur Selbsthilfe durchführen können?

(Tilo Gundlack, SPD: Wir sind als Parlament der Gesetzgeber.)

Ja, wir reden ja über eine Möglichkeit.

(Tilo Gundlack, SPD: Das wollte ich doch sagen, dass wir als Parlament der Gesetzgeber sind.)

Es ist hier von meinen Vorrednern auch schon angesprochen worden, vor allem vom Minister, dass zumindest seit zehn Jahren auf Landes-, aber auch auf Bundesebene das Thema diskutiert wird und verschiedene Möglichkeiten diskutiert wurden, wie den Landwirten in extremen Jahren geholfen werden kann, um Witterungsschäden auszugleichen. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Hier reden wir heute über den Antrag der AfD und DIE LINKE für eine steuerfreie Risikorücklage. Diese ist auf Bundesebene schon mehrfach diskutiert worden, hat dort leider im Bundestag aber keine Mehrheit gefunden.

Eine zweite Möglichkeit ist natürlich eine Mehrgefahrenversicherung, die wir als CDU-Fraktion auch neben anderen Möglichkeiten der Risikovorsorge favorisieren. Das wird auch von vielen Landwirten so gesehen,

(Minister Dr. Till Backhaus: Ja.)

obwohl der Berufsstand sich bei diesem Thema nicht einig ist. Es gibt auch Tendenzen, die natürlich eine steuerfreie Risikorücklage befürworten.

Ich möchte vielleicht zu einem Beitrag eines Landwirtes aus einer doch sehr betroffenen Region ein Zitat geben aus der letzten Verbandsnachricht der „BauernZeitung“. Was der Landwirt aus dem Bauernverband Parchim hier zum Besten gibt, bringt eigentlich die aktuelle Lage auf den Punkt: „Bei uns ist die Situation sehr angespannt und wir haben auf Hilfen gehofft, aber die Summen, von denen jetzt die Rede ist, wären ein Tropfen auf den heißen Stein. Für diese Beträge haben wir zu teuer bezahlt,

denn wir wurden als gierige Schreihälse wahrgenommen und von vielen Verbrauchern mit ,die Landwirte haben immer was zu jammern‘ abgestempelt. Nach jetziger Lage würde ich eine Mehrgefahrenversicherung nach amerikanischem Vorbild begrüßen. Dann müssen wir in der Öffentlichkeit zukünftig nicht mehr die Diskussionen führen und können uns selbstverantwortlich helfen – und jeder Betrieb kann selbst entscheiden, ob er sich versichern möchte oder nicht. Eine Risikorücklage sehe ich zum jetzigen Zeitpunkt kritisch, denn ich denke, dass viele Betriebe aktuell nichts haben, das sie zurücklegen könnten.“ Ende des Zitats.

(Minister Dr. Till Backhaus: Genau so. – Bernhard Wildt, BMV: Ja, genau.)

Deswegen lehnen wir von der CDU-Fraktion diesen doch von beiden Seiten, von der AfD und auch von den LINKEN, eigentlich zu kurz gedachten Antrag heute ab, werden aber einen weitergehenden Antrag in einer der nächsten Sitzungen hier präsentieren, der vor allem auf die Mehrgefahrenversicherung abzielt und am Ende sicherlich Aspekte der steuerfreien Risikoquelle berücksichtigen wird. Aber wir setzen auf Mehrgefahrenversicherung, wo der Landwirt sich selbst helfen kann, wo er auch sein Risiko selbst absichern kann, und jeder muss für sich dann entscheiden, wie groß sein Risiko ist.

Zum Ende vielleicht noch eine Anregung, da gucke ich jetzt mal zum Minister: Es wurde auch schon mal in einer der letzten Agrarausschüsse angesprochen, es gab bis zur Novellierung der GAP-Reform vor circa zehn Jahren Ausgleichszulagen für benachteiligte Gebiete. Die haben wir abgeschafft und benachteiligte Gebiete waren auch gerade solche Gebiete in Regionen, wo wir jetzt diese Extremausfälle haben aufgrund geringer Bodenwertzahlen und anderen natürlichen Bedingungen, die eben dazu geführt haben, dass diese Gebiete benachteiligte Gebiete waren. Diese waren schon benachteiligte Gebiete im Dritten Reich, in der DDR und auch in den ersten Jahren unserer gemeinsamen GAP-Politik nach der politischen Wende. Vielleicht sollte man über das Thema noch mal nachdenken, um gerade diesen Betrieben auch Geld an die Hand zu geben, was sie dann für einen Versicherungsfonds vielleicht nutzen können. – Danke schön.