Protokoll der Sitzung vom 13.09.2018

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Dabei wäre zu diskutieren, ob sich diese Rücklage beispielsweise am Forstschäden-Ausgleichsgesetz orientiert und gegebenenfalls dessen Unattraktivität ausmerzen kann. Beispielhaft seien an dieser Stelle auch die Modelle aus Neuseeland oder Kanada genannt, die unterschiedliche Anreize, aber auch Bedingungen für die Inanspruchnahme der Rücklage vorsehen.

Meine Damen und Herren, es lohnt sich, hier eine gemeinsame Lösung zu finden. Deshalb lade ich Sie ein, unserem Antrag zuzustimmen und sich im Bundesrat für eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage starkzumachen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort zur Begründung des Antrages der Fraktion DIE LINKE hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Weiß.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste im Saal! Es ist in der Tat gerade festgestellt worden von Herrn Hersel, dass ähnliche Anträge vorliegen. Mich wundert es überhaupt nicht, dass wir heute diesen Antrag stellen. Wir arbeiten nach einem langfristigen Plan und es war einfach dran, auch ohne diesen Sommer, den wir gerade hatten.

Ich mache keinen Hehl daraus, dass der von uns eingereichte Antrag im Beschlussteil sich wenig, in der Begründung sehr, aber dann doch im Feststellungsteil absolut vom Antrag der AfD zum Thema unterscheidet. Genau deswegen erläutere ich Ihnen unsere Beweggründe, warum wir eine steuerrechtliche Ausnahme für Landwirtschaftsbetriebe einreichen wollen und es für sinnvoll halten. Ich will dabei weniger auf irgendwelche semantischen Unterschiede beider Anträge eingehen. Ob nun die Einführung oder das Ermöglichen, ob die Landwirte oder die Landwirtschaftsbetriebe im Detail gemeint sind, ich glaube, das ist in dem Falle manchmal auch eine sprachliche Geschmacksfrage. Auf den Antrag der AfD werde ich dann aber in der Aussprache eingehen.

Über eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage für Agrarbetriebe diskutieren wir schon sehr lange. Einst galt die Regel – und je nach Landschaft spricht man ja unterschiedlich davon –, dass ein guter Bauer eine Ernte auf dem Halm, eine Ernte in der Scheuer und eine Ernte auf dem Konto hat. Aber das gilt eben schon lange nicht mehr, das gilt insbesondere nicht dann, wenn zwei verregnete Sommer und ein vertrockneter Sommer dazu führen, dass die Reserven aufgebraucht sind. Das gilt auch dann nicht, wenn beispielsweise durch entsprechende Einflüsse des Marktes, durch Veränderungen, durch Globalisierung und andere Erscheinungen bestimmte Dinge nicht mehr möglich sind.

In den Bundestags- und Landtagswahlkämpfen der vergangenen Jahre hat die Forderung nach einer Risikoausgleichsrücklage immer wieder eine Rolle gespielt und es gab da kaum eine Veranstaltung, bei der Landwirtschaftspolitik eine Rolle spielte, wo dieses Thema nicht genannt wurde, entweder von der Landwirtschaft und den Gartenbaubetrieben oder selbst von Baumschulen.

1912 – Entschuldigung, so lange will ich jetzt nicht zurückgehen –, 2012 gab es einen Beschluss, auf dem Bundesparteitag der CDU sogar, zur Schaffung einer solchen Vorsorgeregelung der Landwirtschaftsbetriebe. Regelmäßig im Abstand von zwei bis drei Jahren reicht die Bundestagsfraktion meiner Partei dazu einen Antrag ein, es sind mittlerweile über zehn Erscheinungen diesbezüglich. Regelmäßig wird dieser Antrag auf Ansage des Bundesfinanzministeriums aber abgelehnt oder im Finanzausschuss des Bundestages versenkt. Zuletzt war dies im März 2018 der Fall und ich bin mir sicher, dass auch dieser Antrag wieder im Bundestag abgelehnt wird, und das alles aus ideologischen Gründen.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Dazu gab es 2016 eine einstimmige Entschließung des Bundesrates, die den Bund aufforderte, eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage einzuführen. Auf der nächsten

Sitzung des Bundesrates wird zum Beispiel Brandenburg wieder eine Entschließung dazu einbringen, wenn meine Informationen richtig sind – eine Gelegenheit beispielsweise, Herr Dr. Backhaus, dem beizuspringen.

Das allein wäre aber natürlich noch kein Grund für uns LINKE, diesen Antrag heute hier zu stellen. Wir sind relativ unverdächtig, die Positionen von DBV oder CDU einfach so zu übernehmen, schon gar nicht unkritisch. Aber so, wie ich sonst unterschiedliche Positionen zu denen des Deutschen Bauernverbandes oder auch anderen Parteien sehr deutlich benenne, so muss ich eine solche Position unterstützen, wenn sie aus unserer Sicht richtig ist. Ich bezweifle doch nicht, dass bei einer politischen Gegnerschaft die Behauptung, 2 plus 2 ist 4, falsch ist. Diese Unterstützung dauert diesbezüglich unsererseits schon viele Jahre. Wir halten die Forderung nach einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage, die ja keine Erfindung von uns LINKEN ist, aus agrarpolitischer Sicht für notwendig und aus finanzpolitischer Sicht für klug.

Natürlich würde die öffentliche Hand damit zunächst auf Steuereinnahmen verzichten. Eventuelle Steuerzahlungen werden dann aber in die Zukunft verlagert, wenn keine Notlage eintritt und die Rücklagen...

(Tilo Gundlack, SPD: Eventuell!)

Ja natürlich, eventuell. Wir können ja das Wetter nicht planen.

(Zuruf von Bernhard Wildt, BMV)

... wieder aufgelöst werden müssen. Uns geht es aber um die Vermeidung von großen steuerfinanzierten Hilfspaketen durch vorsorgende Hilfe zur Selbsthilfe. Wir wollen unsere Landwirte nicht dazu zwingen, regelmäßig als Bittsteller dastehen zu müssen, um Hilfe zum Überleben der Betriebe zu bekommen. Wir wollen, dass die Unternehmen in guten Geschäftsjahren selbst vorsorgen können, damit sie eben nicht die öffentliche Hand je nach Haushaltslage und politischer Mehrheit nötigen muss, Hilfe auf den Weg zu bringen.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Unser Antrag ist auf die Zukunft gerichtet. Wir hätten diesen Antrag auch gestellt, wenn es in diesem Jahr eben nicht eine solche extreme Dürre mit all den Folgen für die Landwirtschaft und angrenzende Bereiche gegeben hätte. Aber diese Krise für Landwirtschaft macht es aus unserer Sicht besonders deutlich, dass wir den Landwirtschaftsunternehmen eine solche Möglichkeit zur Vorsorge geben sollten.

Meine geschätzte Bundestagskollegin Frau Dr. Tackmann sagte Anfang Juni im Deutschen Bundestag, ich zitiere: „Aktuell klagen die Betriebe wieder über eine wochenlange, nun schon fast traditionelle Frühsommertrockenheit. Wenn es nicht bald regnet, sind Rufe nach staatlicher Unterstützung doch absehbar. Das kostet dann doch auch Steuergelder und wird vermutlich sogar noch teurer, als Vorsorge zu treffen, zum Beispiel um andere Sorten zu probieren oder Anbautechniken.“ Zitatende. Leider hat sich ihre Befürchtung bestätigt und leider müssen wir aber vor allem die Landwirtschaftsunternehmen im Norden, im Osten und in der Mitte Deutschlands mit den Folgen einer solchen extremen Trockenheit umgehen lassen.

In Mecklenburg-Vorpommern sind eigentlich alle Betriebe betroffen, auch gut und breit aufgestellte Betriebe. Wir haben eine ganze Reihe von Betrieben in diesem Sommer aufgesucht in unserer Fraktion, jeder in seinem Wahlkreis. Und die Tatsache, dass auch solche Betriebe, die breit aufgestellt sind, mehrere Standbeine haben und viele Arbeitskräfte, die wir eigentlich genau wollen, betroffen sind und selbst innerhalb ihres Betriebes nicht mehr ausgleichen können, macht uns doch stirnrunzelnd.

Genau deshalb und auch, weil die Risiken für die Landwirtschaft in Deutschland zunehmend kaum noch kalkulierbar sind, setzen wir uns ein, als ein Teil der zukünftigen Landwirtschaftspolitik, für eine solche Vorsorgemöglichkeit für die Unternehmen. Vielfach wird argumentiert, dass wir dann auch anderen Branchen wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes solche Steuervorteile gewähren müssen. Das sehen wir naturgemäß anders. Wenn ein Skilift – ich nehme das Beispiel willkürlich – wegen Schneemangel nicht fährt, dann ist der Betreiber betroffen. Wenn es einen verregneten Sommer gibt und die Hoteliers auf Rügen und Usedom wenig Gäste haben, dann sind sie konkret betroffen, das ist richtig. Aber wenn die Landwirtschaft keine Erträge einfährt, dann tut das nicht nur jedem in der Landwirtschaft weh, dann ist der gesamte ländliche Raum davon betroffen, und vergessen wir nicht die Funktionstüchtigkeit der Dörfer, die uns an anderer Stelle immer wieder am Herzen liegt.

Deswegen ist eben die Landwirtschaft für uns eine besondere Branche. Ich befürchte heute allerdings, dass unser Vorstoß, der der Landesregierung alle Möglichkeiten in die Hand gibt, für eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage tätig zu werden, abgelehnt wird. Dabei haben wir gerade jede Menge neue Argumente für uns auf den Tisch gelegt. Das Umweltbundesamt zudem hat im Monitoringbericht zur deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel ein ganzes Paket von Gründen dokumentiert, warum eine Abfederung der Risiken für Vorsorge- und Notfallpläne im Bereich der Agrarwirtschaft dringend erforderlich ist.

(Thomas Krüger, SPD: Sie haben aber nicht von steuerfreier Risikorücklage gesprochen, ne?)

Wir werden diesbezüglich natürlich immer wieder darauf hingewiesen, dass die Frage der extremen Wetterlagen das ganze Problem verschärft. Anbaurisiken werden erheblich zunehmen und darauf kann und muss die Landwirtschaft sich einstellen. Andere Anbaumethoden und konkrete andere Sorten, Rassen, viel mehr Vielfalt auf dem Acker und im Stall werden die Folge sein müssen, und das muss natürlich auch finanziell abgefedert werden. Das bedeutet mehr Forschung, mehr Züchtung, mehr Ausprobieren. In der Aussprache werde ich das noch näher ausführen, wenn ich die Zeit dazu finde.

Wenn wir wollen, dass Landwirtschaftsunternehmen sich an die erhöhten Risiken anpassen können, müssen wir ihnen die Möglichkeit dazu in die Hand geben, auch die entsprechenden Kapitalmöglichkeiten,

(Thomas Krüger, SPD: Das ist richtig, aber warum dieses Modell?)

und ich bitte Sie darum, unseren Antrag zu unterstützen. Springen Sie über Ihren Schatten und legen Sie Ihre politischen Scheuklappen ab! Es geht in dem Falle wirklich nicht einfach immer nur um Geld und um die Frage

stellungen, die sich aus engeren steuerrechtlichen Diskussionen ableiten, es geht um die Landwirtschaft als Träger des ländlichen Raums, es geht um mehr.

(Thomas Krüger, SPD: Aber warum geht es um dieses eine Modell?)

Es geht um die Gesamtheit. Und genau das ist für uns elementar.

Stimmen Sie unserem Antrag zu, auch wenn er aus unserer Sicht oder vielleicht gerade, wenn er aus Ihrer Sicht von der falschen Fraktion kommt! Selbst im anderen Kreise sind Sie ja auch für eine solche Maßnahme. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, auf der Besuchertribüne Seniorinnen und Senioren aus Demen zu begrüßen. Herzlich willkommen!

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine verbundene Aussprache mit einer Dauer von bis zu 150 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ums Wort gebeten hat zunächst der Minister für Landwirtschaft und Umwelt Herr Dr. Backhaus.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Thema Dürre werden wir uns ja nachher auch gleich noch austauschen und ich begrüße insofern, dass wir diese Diskussion führen. Auf der anderen Seite möchte ich Ihnen eins heute schon noch mal sehr deutlich mit auf den Weg geben: Seit Jahren diskutieren wir über Risikovor- und -fürsorge in der Landwirtschaft, in den ländlichen Räumen. Ich selbst habe auch über Jahre hinweg die These vertreten, wir brauchen einen Risikofonds, wir brauchen steuerlich oder staatlich geförderte Risikovorsorge. Dazu stehe ich ohne Wenn und Aber und deswegen glaube ich auch, dass wir uns einig darüber sein sollten, dass uns gemeinsam die Sorge umtreibt in den letzten Jahren wegen der Veränderung im Klimabereich, in der Artenvielfalt, in der Struktur der landwirtschaftlichen Unternehmen in Deutschland.

Wenn ich mir allein ansehe, wir haben in den 50er-Jahren noch über 1,2 Millionen Landwirtschaftsbetriebe gehabt, wir haben heute noch knapp 275.000. Und wenn ich mir ansehe, welche Umsätze in der Landwirtschaft gemacht werden aus den Rohstoffen, ich darf Ihnen das mal ausdrücklich sagen: Es werden von den Landwirten in Deutschland – runde Zahl – 40 Milliarden Euro an Rohstoffen erbracht und erwirtschaftet. Der Lebensmitteleinzelhandel macht daraus 275 Milliarden Euro Umsatz. Und da sage ich hier und heute, hier stimmen die Verhältnisse nicht mehr. Der Rohstoff wird nicht adäquat, wie es sein müsste, bezahlt

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und AfD)

und die anderen in der Kette verdienen alle Geld, vom Fleischverarbeiter bis hin zum Getreideverarbeiter und insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel. Es sind Gewinne in Milliardenhöhe und die Landwirtschaft kann von dem, was sie selbst erwirtschaftet, nicht leben. Das ist

nicht marktwirtschaftlich orientiert. Deswegen sage ich sehr klar auch an die AfD: Wenn Sie sich das Thema Risikoausgleichsrücklage in Ruhe anschauen – ich werde darauf noch eingehen –, dann ist das keine kurzfristige Hilfe, sondern man muss wirklich in längerfristigen Bereichen denken.

(Zuruf von Sandro Hersel, AfD)

Und mir ist es wichtig, auch heute am Tag der Eröffnung der MeLa, der größten Landwirtschaftsausstellung im Norden Deutschlands, an die Adresse der Landwirtschaft zu sagen, wir sind unseren Landwirten unendlich dankbar, die tagtäglich, 365 Tage im Jahr hochwertige Lebensmittel für uns zur Verfügung stellen. Ich glaube, das darf und muss man immer wieder sagen. Unsere Instrumente müssen darauf ausgerichtet werden, diese Betriebe insgesamt robust gegen bestimmte Probleme, zunehmende Risiken und daraus resultierende Krisen zu entwickeln. Da braucht man ein Gesamtkonzept.

Im Übrigen bin ich – das hat zum Glück noch gar keiner gesagt – der Einzige in Deutschland, in Europa, der ein alternatives Konzept zur Entwicklung der Landwirtschaft, der ländlichen Räume zu einer umweltverträglichen Landwirtschaft vorgelegt hat,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut!)

mit Unterstützung, Herr Ritter, Sie deuten das eben an, auch aus Ihren Reihen, den Naturschutzverbänden und weiten Teilen der Landwirtschaft in Deutschland. Dazu gehört auch ein Risikofonds als ein Sicherheitsnetz für die Landwirtschaft in krisenhaften Zeiten. Wer sich mein Konzept anschaut, der wird das zur Kenntnis nehmen. An erster Stelle steht immer noch, dass wir möglichst wettbewerbsfähige, rentable und in der Finanzierung stabil aufgestellte bäuerlich geprägte Landwirtschaftsbetriebe in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpommern haben wollen. Das ist die Maxime meiner Agrarpolitik. Ich hoffe, Sie stimmen mit mir überein.

Die Robustheit der Betriebe wird nicht nur durch einen allgemeinen und aktuellen Bezug zur Dürrekrise deutlich, sondern wir brauchen staatliche Instrumente, denn Lebensmittel sind Mittel zum Leben. Es ist keine Maschine, sondern wir alle brauchen die Landwirtschaft zum Leben. Stirbt sie, stirbt die Natur, stirbt der Mensch. Ich hoffe, das ist uns allen bewusst.

Heute haben wir nun diese beiden Anträge und da könnte man ja sagen, okay, wenn das auf der einen Seite von ganz links kommt und auf der anderen Seite etwas von ganz rechts kommt, wenn man das zusammennimmt, ist man in der Mitte.

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)