Protokoll der Sitzung vom 13.09.2018

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der BMV der Abgeordnete Herr Borschke.

(Jörg Heydorn, SPD: Unser Klimawandelexperte tritt nach vorne.)

Ich enthalte mich mal zu einer Äußerung mit diesem Unfug wie „Experte“.

(Jörg Heydorn, SPD: Der Klimawandel ist gut für die Landwirtschaft, Herr Borschke. Früher konnten die Bauern mit dem Surfbrett aufs Feld, aber heute mit der Staubschaufel.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrtes Präsidium! Von keiner anderen Branche wird die Übernahme gesellschaftlicher Aufgaben in einem Ausmaß verlangt wie von unseren Landwirten,

(Beifall Bernhard Wildt, BMV)

und dies zum größten Teil zum Nulltarif. Würde man das vom Handwerker verlangen, gäbe es einen Aufschrei. Stattdessen werden unsere Landwirte häufig als unersättlich und habgierig hingestellt.

Und, meine Damen und Herren, in anderen Branchen wird schon seit Langem gefördert. Herr Dr. Weiß hat darauf ja auch schon hingewiesen.

(Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Daher greift das Argument, fördert man die Bauern, muss man auch andere fördern, nicht, was bereits in einem großen Ausmaß geschieht, und die bisher Geförderten machen fette Gewinne. Also schaffen wir nur ein Stück Gerechtigkeit. Abwrackprämie, Einspeisevergütung, Werftenrettung und so weiter, ich könnte die Liste beliebig fortführen.

(Minister Harry Glawe: Sag nichts gegen die Werften!)

Hinzu kommt die übergeordnete Bedeutung der Landwirtschaft. Sie ist letztendlich natürlich systemrelevant. Von einer Krise in der Landwirtschaft sind wir also alle unmittelbar betroffen. Ohne Landwirte kein täglich Brot, kein Fleisch und auch kein Salat. Die Bildung einer steuerfreien Rücklage ermöglicht es, in der Zukunft weniger Hilfe bei Wetterereignissen zu leisten, und schon schont man somit den Steuerzahler. Dafür haben sie dann ja die Rücklagen, um sich selbst zu helfen. Sie werden auch in die Lage versetzt, auf zukünftige Wetterextreme besser reagieren zu können. Aber Grundlage ist letztendlich, dass man die Systemrelevanz der Landwirtschaft anerkennt,

(Minister Dr. Till Backhaus: Das haben wir doch längst gemacht, jeden Tag.)

genauso wie die Übernahme der gesellschaftlichen Aufgaben und somit auch die Bedeutung für ein Wohlergehen unserer Gesellschaft. Das halten wir für eine Grundlage und daher unser Änderungsantrag.

Unser Änderungsantrag ist allein schon deswegen wichtig, weil er genau darauf hinweist, dass dies keine Almosen sind, sondern eine Anerkennung und Hilfe für die wichtige Arbeit,

(Minister Dr. Till Backhaus: Ist Ihnen spät eingefallen.)

die unsere Landwirte erbringen und die uns letztlich allen zukommt. Das sollten wir unbedingt anerkennen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und für die Entblößung des Herrn Heydorn. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der AfD und BMV)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Gundlack.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin kein Agrarexperte und will darum auf die gute Zusammenarbeit mit meiner Kollegin Elisabeth Aßmann verweisen. Wir haben diese Rede eng miteinander abgestimmt, also zum großen Teil stammt sie von ihr.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es hört sich alles so einfach an: Für den Umgang mit Ertrags- und Preisrisiken sind in erster Linie, wie überall, die Unternehmen verantwortlich. Um für die Zukunft besser gegenüber witterungsbedingten Einflüssen gewappnet zu sein, fordert der Deutsche Bauernverband seit Jahren die Einführung einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage. Die Politik soll es richten, und da kommen die diesjährigen witterungsbedingten Ertragseinbußen gerade recht, um mal wieder eine weitere Steuerbefreiung zu fordern.

Wie ist aber die Situation, wenn man sie mal ganz nüchtern betrachtet? Wir haben bereits eine Vielzahl von Steuerbefreiungen und Ermäßigungen für landwirtschaftliche Betriebe. Ich möchte hier einige nennen, der Agrardiesel für die Fahrzeugsteuer, Hagel- und Viehversicherung sind hierbei nur einige Beispiele. Zur Wahrheit gehören aber noch ein paar andere, ich darf mal kurz einen Teil aus dem Bundeshaushalt vorlesen. Am Ende der Liste steht ein Betrag von 12,4 Milliarden Euro an Zuschüssen für den Agrarbereich. Ich möchte nur einige nennen:

Zuschüsse zur Alterssicherung der Landwirte,

Zuschüsse zur Krankenversicherung der Landwirte,

Zuschüsse zur Unfallversicherung der Landwirte,

Zuschüsse zur Zusatzaltersversicherung für Arbeit

nehmer in der Land- und Forstwirtschaft,

Zuschüsse zur Gewährung einer Rente an Klein- und

Landwirte bei Landabgabe,

Zuschüsse zur Förderung der Einstellung der land

wirtschaftlichen Erwerbstätigkeit,

die EU-GAP-Direktzahlung,

die EU-GAP im Rahmen des ELER,

die GAP-Summe von Bund und Ländern ohne ländli

che Entwicklung und die Dürrehilfen jetzt zum Teil auch noch,

dann Kinderfreibetrag für Steuerpflichtige über 55 Jah

re oder mit Berufsunfähigkeit und, und, und.

Da kommen noch ein paar mehr, das sind insgesamt 19 Stück mit einem Volumen von 12,4 Milliarden Euro. Also dass hier keiner was bekommt, glaube ich, davon kann man nicht reden.

Nun soll aber nach Wunsch der Antragsteller eine weitere steuerrechtliche Begünstigung der Landwirtschaftsbranche hinzukommen, die steuerfreie Risikoausgleichsrücklage. Ja, es ist richtig, wir wollen in Deutschland Lebensmittel, die einen hohen Qualitätsstandard haben, tier- und umweltgerecht erzeugt wurden und dabei noch bezahlbar sind. Das alles zu gewährleisten, setzt unsere Landwirtschaftsbetriebe unter einen enormen Kostendruck. Wenn dann noch enorme Preisschwankungen und Ertragsausfälle dazukommen, scheint es, als würde das System Landwirtschaft kollabieren. Aber ist die steuerfreie Risikoausgleichsrücklage die Lösung für das Problem? Ist sie gerecht? Wem hilft sie eigentlich und wer steht weiter mit leeren großen Taschen da?

Komme ich mal zum Punkt der Gerechtigkeit: 50 bis 90 Millionen Euro Steuerausfälle wären laut Wissenschaftlichem Beirat des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft in Deutschland durch die Einführung der steuerfreien Risikoausgleichsrücklage pro Jahr zu erwarten. Professor Dr. Enno Bahrs geht von mindestens 35 Millionen Euro pro Jahr aus. Das ist in jedem Fall eine Menge Geld, was zum Beispiel für die Förderung von Investitionen auch für die Landwirtschaft fehlt. Diese Zahlen zeigen, dass es sich keinesfalls um eine reine Verlagerung der Steuerlast handeln kann, wie es der Bauernverband uns glauben lassen will. Vielmehr geht Professor Bahrs auch davon aus, dass die steuerfreie Risikoausgleichsrücklage mit Blick auf die gesamte Agrarwirtschaft in Deutschland für die Masse der Betriebe nur eine sehr begrenzte Wirkung entfaltet. Es wird nur ein Sektor bedient. Was ist mit den anderen Wirtschaftsbereichen, die ihren Betriebserfolg stark von der Witterung abhängig machen, also der Baubranche und dem Tourismus? Warum noch mehr deutliche Privilegien für die Landwirtschaft?

Der ehemalige Bundesfinanzminister Schäuble hat sich mit dem Hinweis auf das verfassungsrechtliche Gebot des Gleichbehandlungsgrundsatzes gegen ein solches Steuerprivileg ausgesprochen. 20 Prozent des Umsatzes soll die Rücklage betragen, schreibt die Fraktion DIE LINKE. Da stellt sich aber auch schon das nächste Problem dar: Die Betriebe mit den höchsten flächenbezogenen Umsätzen, der höchsten Wertschöpfung und den höchsten Beschäftigungszahlen würden am Ende wohl leer ausgehen. Umsatz ist nämlich nicht gleich Gewinn.

(Vizepräsidentin Dr. Mignon Schwenke übernimmt den Vorsitz.)

Was nützt der hohe Umsatz, wenn der Gewinn ausbleibt, um die Ausgleichsrücklagen überhaupt bilden zu können? Wer keinen Gewinn macht, kann keine Rücklage bilden. Ich denke da an die Milchbauern oder auch an die Schweinehalter mit bodengerechtem Tierbestand.

Ein Instrument, das nicht annähernd jedem, für den es gemacht ist, etwas nützt, ist ein schlechtes Instrument. Ein Instrument, das offensichtlich das Potenzial hat, ausgerechnet die Betriebe zu vernachlässigen, die eine nachhaltige bodengebundene Tierhaltung haben und im Vergleich in Mecklenburg-Vorpommern besonders viel Wertschöpfung im ländlichen Raum bringen, ist sogar ein verdammt schlechtes Instrument. Wie soll mit Blick auf eine damit mögliche dauerhafte Gewinnglättung gewährleistet sein, dass die steuerfreie Risikoausgleichsrücklage eine Maßnahme des witterungsbedingten Nachteilsausgleiches ist? In diesem Zusammenhang diskutieren wir sie hier ja.

Das Thünen-Institut spricht der Rücklage diese Eigenschaft jedenfalls ab. Ich zitiere: „Die steuerliche Förderung einer Risikoausgleichsrücklage stellt jedoch in der Regel kein Politinstrument zur Förderung der Anpassung an extreme Wetterereignisse dar.“ Zitatende. Vielmehr handelt es sich mit Blick auf das geltende Recht um eine direkte dauerhafte Steuersubvention in Größenordnungen. Gleiches gilt im Übrigen mit großer Wahrscheinlichkeit für die durch den obersten Bauernverband vorgeschlagene und schlussendlich durch die Union durchgeboxte Änderung des Paragrafen 32c des Einkommenssteuergesetzes. Man munkelt, dass die Bundesregierung diese Regelung zurücknehmen möchte.

Bei der letzten Milchkrise 2016 wurde auf Druck der Union die sogenannte Tarif- beziehungsweise Gewinnglättung eingeführt. Nun könnten Land- und Forstbetriebe in einem Zeitraum von drei Jahren ihren Gewinn oder Verlust miteinander verrechnen und so die Steuerlast drücken. Dem deutschen Staat würden, sofern die EUKommission diesen Vorschlag modifiziert, rund 60 Millionen Euro im Jahr an Einnahmen verloren gehen, nur dass die meisten Milchviehhalter nichts davon hätten. Vielmehr würden die wirtschaftlich erfolgreichsten Betriebe der gesamten Land- und Forstwirtschaft und nicht die Betriebe in Not profitieren. Mit einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage könnten die Betriebe nun auch noch Teile ihres Gewinns als steuerfrei deklarieren, sodass der steuerfreie Jahreswert bei der Gewinnglättung noch weiter absinken würde und damit die Steuerlast weiter sinkt. So eine Kombinationsmöglichkeit gibt es in keinem anderen Wirtschaftsbereich und hat nichts mehr mit einer sozialen Marktwirtschaft zu tun. Dies muss aus dem Gleichheitsgrundsatz heraus verhindert werden.

Da schließt sich die nächste Frage an: Hat denn jetzt die steuerfreie Risikoausgleichsrücklage, wie der Deutsche Bauernverband sie vorschlägt, überhaupt das Potenzial, eine ausreichende Risikovorsorge gegen Ertragsverluste aufgrund von extremen Wetterereignissen zu sein, oder wird die Dürre für ein weiteres Steuergeschenk genutzt? Wer soll überhaupt berechtigt sein, die steuerfreie Risikoausgleichsrücklage zu bilden, und wie werden dabei die Unterschiede betrieblicher Rechtsformen – von der Selbstständigkeit bis zur Aktiengesellschaft – für die Gewinnermittlung berücksichtigt? Was ist mit Betrieben oder mit Betriebsleitern, die ihr Einkommen aus vielen unterschiedlichen Betriebszweigen oder aus mehreren Betrieben – hier zu nennen: Biogas, Solar, Windkraft oder Ferienwohnungen et cetera – generieren? Diese Betriebe werden in der Regel bessergestellt als die, die nun wirklich unsere Hilfen brauchen.

Warum fordert der Deutsche Bauernverband als Lobbyist der Landwirte eigentlich seit zehn Jahren ein politisches Instrument, dessen nachhaltige Wirksamkeit auf die Masse der Betriebe so weiträumig infrage gestellt wird? Unter welchen Bedingungen soll die Entnahme aus der Rücklage dann auch steuerfrei sein? Wie viel Regelungsbedarf und damit Bürokratie halsen wir unseren Betrieben damit für welche tatsächliche Wirkung auf? Werden am Ende diejenigen Betriebe, die eine mangelhafte Rücklagenbildung hatten – sei es, weil sie nicht konnten oder nicht wollten, hier das Stichwort „Freiwilligkeit“ –, bei der nächsten Krise mit zusätzlichen Steuern gerettet und diejenigen, die vorgesorgt haben, nicht? Werden die gut geführten Betriebe dann also indirekt in Krisenzeiten bestraft? Stichwort „Verantwortung“.

Was wird eigentlich mit einer weiteren steuerlichen Besserstellung der Landwirtschaft für die Gesamtposition des Landwirts in der Wertschöpfungskette getan? Nichts, ganz im Gegenteil, diese Entlastung wird wahrscheinlich ganz schnell als Druckmittel bei Preisverhandlungen mit dem Lebensmitteleinzelhandel oder anderen Marktteilnehmern ausgenutzt werden. Vielmehr bahnt sich hier eine neue ungeahnte Allianz ihren Weg. Schließlich steht ihnen auf Bundesebene die FDP mit ihrer Forderung treu zur Seite. Wenn Planwirtschaft auf Manchesterkapitalismus trifft, kann das nicht gutgehen, aber vielleicht ist DIE LINKE gerade auch auf Brautschau. Nach der Anbiederung von CDU-Ministerpräsident Günther schauen sie, was die

denen so zu bieten hat. Vielleicht sind sie aber auch nur Handlanger des Bauernverbandes.