Protokoll der Sitzung vom 25.10.2018

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Kolbe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Es passiert ja nicht allzu oft, dass wir in diesem Hause so einmütig an einem Strang ziehen, wie wir das mit dem vorliegenden interfraktionellen Antrag heute tun.

(Tilo Gundlack, SPD: Aber beim Sport. – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Daher freut es mich umso mehr, dass wir in der Frage der Spitzensportförderung doch weitestgehend einer Meinung sind und damit auch heute ein klares Signal nach Berlin schicken aus dem Landtag sowie der Sportministerin noch mal ordentlich Rückenwind mitgeben, sodass dann auch am Ende des Tages im Sinne des Sports für Mecklenburg-Vorpommern alles gut wird.

Meine Damen und Herren, dass das mehr als notwendig ist, ist, denke ich, absolut unbestritten. Auch – wir haben es gehört – wenn mittlerweile durch die Bundespolitik verkündet wurde, dass es erst mal bis 2020 zu keiner Schließung der Bundesstützpunkte kommen soll, kann dies natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Spitzensport in M-V doch noch massiv bedroht ist. Es ist nicht die Zeit, beruhigt die Hände in den Schoß zu legen, sondern weiter an der Sicherung und Entwicklung des Leistungssports in unserem Land zu arbeiten, und ich hatte bisher den Eindruck, dass das die große Mehrheit dieses Hauses auch so machen möchte. Das finde ich sehr gut.

Die Pläne des Bundesinnenministeriums, auf Empfehlung des Bundesrechnungshofes die Spitzensportförderung oder die Sportförderung im Allgemeinen zu reformieren und ab 2020 den Fokus noch stärker auf medaillenträchtige Sportarten zu setzen, zeigt nicht nur aus Sicht meiner Fraktion ein verstörendes Bild von der gesellschaftlichen Funktion des Sports, das man offensichtlich im Seehofer-Ministerium zu haben scheint, es offenbart auch, dass man sich mit der Funktionsweise und den Wechselbeziehungen – das ist ja oft betont worden – zwischen Breitensport, Nachwuchsförderung und Spitzensport entweder nicht beschäftigt hat oder das hier ganz bewusst ausblendet.

Viele von uns haben das in ihrer Kindheit und in der Jugend selber erlebt, als sie Sport getrieben haben – Herr Waldmüller hat es auch gesagt –, und sich daran erinnert, wie unglaublich motivierend so ein Erlebnis sein kann,

(Zuruf von Christian Brade, SPD)

den Sportlerinnen und Sportlern bei internationalen Wettkämpfen zuzusehen, dort mitzufiebern, Erfolge oder auch mal Niederlagen mitzuerleben. Das ist für Heranwachsende ganz sicher identitätsstiftend und auch charakterbildend. Nicht umsonst sind die Bolzplätze vor und nach Fußballweltmeisterschaften immer voller als sonst. Wenn die Athletinnen und Athleten dann noch aus dem eigenen Land oder sogar aus dem eigenen Bundesland kommen, ist der Effekt umso größer. Wir sind uns wohl einig, dass es kaum einen anderen Spieler gab bei der Fußball-WM als Toni Kroos, dem wir in unserem Land besonders zugeschaut haben, was er alles Gutes gemacht hat, wo der Pass auch mal fehlgegangen ist und wir da besonders mitgefiebert haben. Das ist nun mal so, wenn man jemanden hat...

(Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Ja, Herr Dahlemann, aus Vorpommern, aus Greifswald, und dann in Rostock veredelt und in die Welt geschickt.

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Das ist eine wunderbare Co-Produktion für mecklenburgvorpommerschen Erfolg.

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Sportliche Vorbilder sind also extrem wichtig. Da sind wir uns einig, ich merke das schon.

Deswegen betreffen die Pläne des Innenministeriums eben nicht nur die Bundesstützpunkte, sondern sie betreffen auch die Heranwachsenden, die Nachwuchssportlerinnen und Nachwuchssportler. Ihnen zu sagen, dass bestimmte Sportarten nicht medaillenträchtig genug sind und die finanziellen Mittel, die dafür nötig sind, dann auch nicht effektiv genug sind, das ist doch sehr demotivierend und auch ein Schlag ins Gesicht für die Beteiligten. Was das Innenministerium sich da am sprichwörtlichen „grünen Tisch“ ausgedacht hat, atmet wenig sportlichen, dafür umso mehr neoliberalen Geist. Spitzensport soll sich rechnen, bei möglichst geringem personellem und finanziellem Einsatz möglichst viel Gewinn in Form von Medaillen abwerfen.

Ich erinnere mich, es war doch Horst Seehofer höchstpersönlich, der nach der Einigung zum Koalitionsvertrag im Bund gebetsmühlenartig davon sprach, wir brauchen endlich gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland und es wäre ein großer Schwerpunkt seiner Amtszeit, und dann sagte er, natürlich müsste der Bund stärker in die Fläche gehen. Und was erleben wir denn jetzt? Genau das Gegenteil erleben wir beim Sport, und das kann ja wohl nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Hier brauchen wir dringend eine Kehrtwende.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Wenn wir uns das anschauen, müssen wir sagen, dass in den letzten Jahren in die Standorte in Neubrandenburg, in Schwerin, auch in Rostock sehr viel Geld investiert wurde, in die Sportstätten. Und Frau Hesse hat es hier ausgeführt – Sie haben die verschiedenen Gutachten, glaube ich, vorgelegt –, dass die Nachwuchssituation durchaus beachtlich ist, die hier im Land aufzuweisen haben.

Zur Wahrheit gehört aber auch – und da muss ich dann ein bisschen Wasser in den Wein schütten, liebe Kolleginnen und Kollegen –, dass das Land hier in den vergangenen Jahren hätte auch mehr machen können und müssen. Mir geht es aber an dieser Stelle weniger darum, den Blick nach hinten zu richten – ich glaube, das hilft uns nicht –,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Vorwärts immer.)

sondern zu schauen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, Zitatende, Herr Gundlack.)

wie wir den Leistungssport in Mecklenburg-Vorpommern mittel- und langfristig sichern und weiterentwickeln können. Das Expertengespräch im Bildungsausschuss hat meine Fraktion da in vielen Punkten auch in der Auffassung bestärkt. Ich weiß, Herr Waldmüller, Sie sind darauf schon eingegangen, auch der Kollege Gundlack, und sind auf das 8-Punkte-Programm des LSB-Präsidenten eingegangen. Wo ist er? Da oben, zusammen mit Herrn Haverland. Auch an dieser Stelle herzliche Grüße.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

Ich möchte das auch noch mal tun,

(Andreas Butzki, SPD: Da muss er jetzt auch eine Mahnung kriegen.)

weil das fängt dann bei der Einführung eines verbindlichen Bewegungschecks Motorik von allen Kindern in der Grundschule an und einer flächendeckenden Sichtung möglicher Talente, das geht weiter über eine Reform des Schullastenausgleichs, um beispielsweise die Internatskosten sozial verträglicher zu gestalten oder endlich die Kostenfreiheit für die Schülerbeförderung landesweit herzustellen, führt weiter über die spitzensportfreundliche Ausgestaltung von Hochschul- und beruflicher Ausbildung und auch Karriereperspektiven im öffentlichen Dienst. Denn natürlich ist es gut, wenn die Polizei eine Sporttruppe stellt, wenn die Bundeswehr Angebote stellt, aber zur Wahrheit gehört auch, meine Damen und Herren, dass diese Arbeitgeber auch nicht für jede Sportlerin und jeden Sportler aus verschiedensten Gründen – ich will darauf gar nicht weiter eingehen – eine Option sind.

Ein weiteres wichtiges Thema, das auf die Agenda des Landes gehört, ist die zu niedrige Bezahlung der hauptamtlichen Trainerinnen und Trainer und die Schaffung von zusätzlichen Lehrer-/Trainerstellen, die dem Sport zugeordnet werden müssen. Ich glaube, Herr Waldmüller sprach von einer Traineroffensive. Da sind wir sehr gerne dabei.

Last, but not least muss natürlich sichergestellt werden, dass entsprechend in die Sportstätten investiert und diese mit ausreichenden Mitteln bewirtschaftet werden. Das Thema Radsport wurde erwähnt. Ich denke, hier haben wir eine der nächsten großen Aufgaben vor uns, das in Schwerin zukunftssicher auf den Weg zu bringen. Hier hat die Landesregierung ihre Hausaufgaben zu machen, will sie den Leistungssport mittel- und langfristig auf solide Beine stellen, und meine Fraktion steht hier auch als zuverlässiger Partner selbstverständlich bereit.

Sehr geehrte Damen und Herren, zum Abschluss meiner Rede will ich dann doch noch mal kurz auf die AfD eingehen. Herr Gundlack hat schon einiges gesagt.

(Bernhard Wildt, BMV: Warum eigentlich?)

Eigentlich könnte man es sich auch sparen, aber ich will es doch nicht durchgehen lassen, weil Sie stellen sich hier wieder als Opfer dar und Sie beklagen, in die Antragsstellung nicht miteinbezogen worden zu sein.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Haben wir gar nicht gemacht. – Zuruf von Sandro Hersel, AfD)

Na, aber deutlich hat Herr Kramer das gemacht in der Pressemitteilung.

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Große Krokodilstränen hat er vergossen, das muss ich mal sagen.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Dabei muss ich Ihnen einmal deutlich sagen, worum es geht, weil Ihnen geht es doch nicht um das Wohlergehen des Sports, Herr de Jesus Fernandes, mitnichten.

(Dr. Gunter Jess, AfD: Sondern?)

Ihnen geht es wie immer nur um sich selbst, und das werfe ich Ihnen vor.

(Zurufe von Thomas de Jesus Fernandes, AfD, und Dr. Ralph Weber, AfD)

Ich sage Ihnen auch ganz konkret, warum ich Ihnen das vorwerfe: Weil, als allen bekannt war, wie schwer die Situation ist mit den Bundesstützpunkten, und als der LSB alle Fraktionen eingeladen hat, auch Ihre Fraktion, da sind wir am 20. September zusammengekommen in der Geschäftsstelle und haben natürlich schwerpunktmäßig über die Stützpunkte und die Zukunft beraten und was Landespolitik machen kann, ganz konkret, wie wir unterstützen können. Und dann sind wir am entscheidenden Punkt: Sie waren die Fraktion,

(Tilo Gundlack, SPD: Die war nicht da, die Heulsuse.)

die es als drittgrößte Fraktion nicht schafft, da zu sein,

(Zuruf aus dem Plenum: Was?!)

ohne Abmeldung, ohne Begründung.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Zweitgrößte. – Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Na, die zweitgrößte waren Sie mal. Ich glaube, die CDU ist mittlerweile größer als Sie, aber damit müssen Sie leben.

Das verstehe ich dann natürlich nicht. Warum schafft es die BMV-Fraktion, gerade mal mit vier Abgeordneten – die erkennt die Wichtigkeit des Themas, ist mit Dr. Manthei da –, Sie schaffen es nicht?! Und da frage ich mich dann schon, ob Ihnen Empörung vielleicht doch wichtiger ist, als in der Sache zu arbeiten.

(Vincent Kokert, CDU: Könnte sein. – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)