Protokoll der Sitzung vom 22.11.2018

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE, Thomas Schwarz, SPD, und Vincent Kokert, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Stimmung in Wolgast ist erdrückend schlecht. Da, finde ich, kann man gar nicht drum herumreden. Ich habe unmittelbar nach den ersten Nachrichten eines noch drohenden Exportstopps – und davon mussten wir in der letzten Landtagssitzung ja noch reden – Gespräche mit Betriebsrat, Gewerkschaft und Geschäftsführung, vor allem aber auch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Standort geführt. Ich habe mir, glaube ich, vier oder fünf Stunden Zeit genommen, um noch einmal intensiv durch die Produktion zu gehen und mir dann aber nicht erklären zu lassen, was da gebaut wird, ich glaube, das haben die, die in diesem Land Verantwortung tragen, schon

deutlich früher gesehen, als es zu anderen Entscheidungszeitpunkten auch schon brenzlig war, sondern ich habe mir vor allem Zeit genommen, um mit den PeeneWerkern, mit den Männern und Frauen auf dieser Werft zu sprechen, die dort ihre Arbeit machen. Sie können mir glauben, alle paar Monate erneut mit der Sorge um den Verlust des Arbeitsplatzes leben zu müssen, das ist schon ein sehr beklemmendes Gefühl, und das in einer Situation, wo wir anderenorts gleichzeitig erleben, wie sehr die Werftenindustrie bei uns im Land boomt.

Ich sage Ihnen, wir sind nicht nur mit den Beschäftigten und mit den Verantwortlichen auf der Werft im Gespräch, sondern selbstverständlich auch mit Bürgermeister Stefan Weigler. Ich bin an ganz, ganz vielen Stellen schon seiner Meinung. Das ist eine Sorge, die deutlich über das wirtschaftliche Interesse seiner Stadt hinausgeht. Jeder von uns, der selbst in kommunalpolitischer Verantwortung ist, kann sich vorstellen, wenn ein Viertel eines Stadthaushaltes droht wegzubrechen, dann geraten langjährig geplante Investitionen ins Wackeln und ins Schwanken und deshalb ist es, glaube ich, eine Sorge, wo es gut ist, dass diese Stadt so geschlossen zu ihrem Werftstandort steht.

Ich sage Ihnen, die Debatten, die wir hier führen, die vielleicht auch manchmal so einen ideologischen Schwang haben, dass wir die reine Lehre erklären, die gibt es in dieser Stadtvertretung in Wolgast nicht, die ist geschlossen, die steht geschlossen zu ihrem Standort. Das würde ich mir, ehrlich gesagt, vom Landtag von MecklenburgVorpommern auch wünschen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Dr. Ralph Weber, AfD)

Ich habe darauf hingewiesen, wir haben die Gespräche geführt, und will diesen Ball gerne zurückspielen und frage mal Sie: Wer von Ihnen war denn seit dem drohenden oder jetzt verhängten Exportstopp vor Ort?

(Der Abgeordnete Dr. Ralph Weber meldet sich.)

Wer von Ihnen hat denn mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern diese Gespräche geführt, jetzt, nachdem das Ganze ins Wanken gerät?

(Dr. Ralph Weber, AfD: Ich war dort. – Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Das sage ich Ihnen, hier aus dem warmen und trockenen Plenarsaal über das Schicksal der Menschen in Wolgast zu reden, ist, glaube ich, deutlich leicht, zu leicht gemacht. So leicht machen wir uns das jedenfalls nicht.

(Vincent Kokert, CDU: Ja, ja.)

Auf die tatsächlichen Fragen, auf die Sorgen der PeeneWerker einzugehen, ich finde, das ist nicht nur die Pflicht der Regierung und der regierungstragenden Koalition, sondern ich verstehe das auch als Pflicht und als Erwartungshaltung für unseren Job, den wir hier tun. Ehrlich gesagt, erwarte ich das von allen Abgeordneten des Landtages.

Um vielleicht ein besseres Gefühl dafür zu kriegen, wie dicht Freud und Leid doch beieinanderliegen, lohnt sich ein heutiger Blick in die „Ostsee-Zeitung“. So können wir auf Seite 5 lesen: „Riad-Embargo gefährdet Jobs in

Wolgast“, wo lang und breit und, ich finde, insgesamt sehr sachlich der Wolgaster Bürgermeister zu Wort kommt, und auf Seite 10 dann sehr ausführlich die „Maritime Wirtschaft des Landes im Höhenflug“ dargestellt wird, vorwiegend mit den Zahlen in Bezug auf Wismar, Rostock und Stralsund. Dazu kommen zahlreiche Berichte. Ich glaube, „Tagesschau“, „heute“, NDR„Nordmagazin“, all das ist voll mit diesem Thema und jeden Abend neue Fakten dazu und Situationen, die uns alle nicht unbedingt ruhiger schlafen lassen. Ich glaube, eine solche Situation schafft Unruhe an einem Standort, ja, macht vielleicht auch Angst.

Ich will Ihnen sagen, dieses Thema beunruhigt mich auch ganz persönlich, wie übrigens kein anderes Thema in den vergangenen Wochen. Deshalb, davon bin ich fest überzeugt, ist die Beratung dieses Dringlichkeitsantrages wichtig und ich bin allen dankbar, die gestern dafür gestimmt haben, dass wir das heute auf der Tagesordnung haben. Auf uns sind heute sicherlich deutlich mehr Augen gerichtet als nur die Augenpaare von Landtagsabgeordneten und Guckern des „Nordmagazins“. Ich glaube schon, dass alle Beschäftigen der Werft ganz genau hinschauen, wer mit welchem Zungenschlag und mit welchem Wortlaut sich bei diesem Thema wie positioniert.

Herr Kollege Eifler ist auf die inhaltlichen Punkte des Antrages eingegangen. Darauf will ich gleich vor allem in puncto 4 noch mal detailliert eingehen.

Aber ich möchte Ihnen sagen, was mich heute Morgen noch einmal beunruhigt hat. Wir haben eine Zahl erlebt, die gestern vor allem im politischen Berlin die Runde gemacht hat. Mit 43 Milliarden ist der Wehretat der Bundesregierung so groß wie nie, der größte Etat in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Die Verteidigungsministerin setzt sich dafür ein, dass dringend notwendige Investitionen in Heer, Luftwaffe und Marine umgesetzt werden müssen. Ich sage Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, den Männern und Frauen auf der Werft können wir doch nicht erklären, warum von diesem Geld in Wolgast nichts ankommen sollte.

Und so ist auch die Frage, die sich mir stellt: Ist es wirklich nachvollziehbar, dass Deutschland in Sachen europaweite Ausschreibung in diesem Bereich Musterschüler ist und gleichzeitig die Franzosen uns vormachen, wie man Marineaufträge im eigenen Land behält? Ich glaube, diese Argumentationslinie würden wir so niemals durchhalten,

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

und deshalb, finde ich, ist Punkt 4 unseres Dringlichkeitsantrages so wichtig.

Die Bundesregierung muss den deutschen Überwassermarineschiffbau zur Schlüsseltechnik erklären. Warum? Was verbirgt sich da hinter „Schlüsseltechnik“?

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Das ist relativ einfach zu erklären. Eben nicht nur aus wirtschaftlichen Interessen ist dieses Thema zu argumentieren. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass das bei der Rüstungsexportpolitik deutlich sensibler angegangen werden muss. Deshalb ist es auch richtig, dass wir da sehr restriktiv vorgehen. Das Ganze zur Schlüssel

technologie zu erklären, hat auch etwas mit unseren sicherheitspolitischen Aspekten zu tun. Ich glaube, dass die deutsche Marine auch damit leben können muss und das auch besser kann, dass ihre Schiffe, ihre Technik und das, was da drinsteckt, in Deutschland gebaut wird.

Das ist im Übrigen natürlich nicht nur für Wolgast von besonderer Bedeutung, sondern für alle Werftstandorte, nicht nur in Deutschland, sondern auch für alle Werftstandorte in Mecklenburg-Vorpommern. Ich gebe zu, mich nervt es schon ein bisschen, dass nur, weil man so einfach Bilder von der Wolgaster Brücke aus machen kann, können wir alle nur noch über Wolgast reden und so tun, als wenn diese Frage an anderen Standorten in Deutschland nicht von Bedeutung wäre. Andere liefern ihre Panzer und ihre Waffen deutlich unbemerkter, als dass wir sie in Schiffe überführen können, und stehen damit weniger im Fokus. Ich weiß nicht, ob wir uns damit einen Gefallen tun, wenn wir gerade am Beispiel der Wolgaster Werft immer wieder diese Sau durchs Dorf treiben.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich erwarte im Übrigen auch, dass wir uns alle genau darauf konzentrieren, unsere Kraft dafür einsetzen und vielleicht an dieser Stelle mal das parteipolitische Pingpong beiseitelassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Wirtschaftsminister Glawe ist auf unser Gespräch mit Herrn Lürssen eingegangen. An dieser Stelle will ich ganz deutlich sagen, es ist doch selbstverständlich, dass die Landesregierung des Landes Mecklenburg-Vorpommern diese Gespräche führt. Ich finde, das allein ist noch keine Heldentat, wofür wir uns auf die Schulter klopfen können.

(Minister Harry Glawe: Aber ohne dem gehts auch nicht.)

Aber das, was in den Überlegungen vom Wirtschaftsminister entwickelt wurde, ist ein richtiger Ansatz. Wie können wir die schwierige Phase der Kurzarbeit überbrücken? Da bin ich Wirtschaftsminister Harry Glawe ausdrücklich sehr dankbar, dass er gerade im Bereich der Aus- und Fortbildung ein Instrument geschaffen hat, um möglichst die Lohneinbußen für die Peene-Werker so gering wie möglich zu halten und vor allem Lürssen dabei zu unterstützen, wirklich alle Beschäftigten am Standort Wolgast zu halten.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Wir alle kennen die Situation. Im Bereich des Werftenbaus müsste in Mecklenburg-Vorpommern bei dem Hunger, den wir an anderen Standorten haben, niemand arbeitslos sein. Umso wichtiger ist es, dass wir alles dafür tun, dass die Männer und Frauen am Standort Wolgast bleiben können. Lieber Harry Glawe, für diesen Einsatz bin ich dir an dieser Stelle sehr dankbar und ich bin auch überzeugt, dass wir gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit ein richtiges Instrument geschaffen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte abschließend auf zwei Punkte eingehen. Ein Punkt, den wir in unserem Antrag so nicht beleuchten, aber wo ich zugeben muss, dass es mir schwerfällt, den den Männern und Frauen auf der Werft zu erklären. Wenn wir uns das Rüstungsexportverfahren in Deutschland angucken,

dann ist es vorwiegend in Wahlkampfzeiten immer ein ganz, ganz spannendes Thema, wo alle ganz tolle Meinungen dazu haben. In Koalitionsverträgen schaukeln wir uns da gegenseitig noch hoch, schieben vielleicht ein bisschen bei Punkt und Komma rum, aber an dem eigentlichen Verfahren ändern wir nichts. Und ich sage Ihnen, das kann man nicht erklären.

Zunächst genehmigen wir die Auftragserteilung. Ja, Wolgast, ja, ihr dürft Patrouillenboote für Saudi-Arabien bauen. Dann schieben wir, nachdem wir das genehmigt haben, im Übrigen für eine Exportpalette, die über Jahre eine tatsächliche Auslastung des Werftstandortes Wolgast sichert, einen Riegel davor und sagen, wir stellen die gleiche Frage noch einmal bei der Auslieferung. Ich kann den Männern und Frauen ehrlich gesagt in Wolgast nicht erklären, warum wir dieses Verfahren so anstreben. Ich glaube, da muss auch mehr politische Verbindlichkeit im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Standorte drinstecken. Dafür haben wir im Vorfeld die Entscheidung des Bundessicherheitsrates, da sind sie auch richtig angesiedelt, aber diese doppelte Schleife darin ist, glaube ich, nur sehr schwer erklärbar.

Der zweite Punkt, auf den ich abschließend eingehen möchte, ist der Änderungsantrag der LINKEN, der uns zu diesem Dringlichkeitsantrag vorliegt. Meine sehr geehrten Damen und Herren der Linksfraktion, ich möchte Ihnen ganz deutlich sagen, allein das Wort eines Konversionsplanes für Wolgast ist der völlig falsche Schritt. Wolgast ist in der Historie dieses Werftstandortes sehr wohl ein Standort des Marineschiffbaus. Im Übrigen werben wir dafür, dass wir nicht nur Rüstungsexporte in Wolgast produzieren. Wir alle könnten ruhiger schlafen, wenn wir für die deutsche Marine produzieren würden, dann hätten wir diese Debatten nämlich nicht ständig. Wir werben dafür, dass künftig noch mehr für die deutsche Marine an diesem Standort nicht nur bei der Reparatur von Schiffen gearbeitet wird, sondern vor allem im Bau errichtet wird. Deshalb sage ich Ihnen ganz deutlich: Wenn wir jetzt vom Konversionsplan reden, glaube ich, dann bringen wir die Werft ernsthaft in Schwierigkeiten.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Genau das muss Aufgabe dieses Plans sein, wie es weitergeht!)

Auch, Herr Kollege Ritter, wenn wir uns angucken, wer ist denn der Werfteneigentümer Lürssen

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

und in welchem Bereich haben sowohl der Standort Wolgast als auch diese Firma ihre Kompetenzen. Ich finde es ehrlich gesagt ziemlich frech, dass Sie dabei anfangen zu lachen, sich die Hände vors Gesicht halten.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Weil ich heule! Weil ich heulen muss!)

Nee, weil Sie doch mal erkennen müssen, dass wir das Stichwort „Konversionsplan“ nicht einfach wie eine Blaupause darauflegen können. Das passt auf den Standort Wolgast nicht.

(Zuruf von Jeannine Rösler, DIE LINKE)

Und ja, wir haben gehört, dass eine Explorer-Yacht jetzt da gebaut wird. Das ist ein Test auf dieser Werft, der

sicherlich noch zu genügend Schwierigkeiten führen wird. Aber wie geht es dann weiter?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Genau das muss Aufgabe dieses Planes sein, wie es weitergeht.)

Dann haben wir den Bereich für die Korvetten, dann haben wir den Korvettenbau. Herr Ritter, wo wollen Sie denn, dass deutsche Schiffe gebaut werden für die Marine? Diese Frage müssen Sie sich doch mal stellen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Die werde ich gleich beantworten! – Dr. Ralph Weber, AfD: Gar nicht!)

Wollen Sie für Mecklenburg-Vorpommern die Frage beantworten,