Protokoll der Sitzung vom 22.11.2018

Die Rentenversicherung im ALG-II-Bezug haben Sie angesprochen unter 1.d). Die wurde gerade 2011 mit der Begründung abgeschafft, weil der Wegfall der Rentenversicherungspflicht für Bezieher von Arbeitslosengeld II systemgerecht sei. „Die Leistungen eines Fürsorgesystems dienen dazu“ – das ist der O-Ton, ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –, „akute Hilfebedürftigkeit zu beseitigen. Ihnen kommt dagegen nicht die Funktion zu, bereits im Voraus pauschal Leistungen zu erbringen, um eine vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt eintretende Hilfebedürftigkeit durch Begründung versicherungsrechtlicher Rentenanwartschaften zu beseitigen.“ Zitatende. Da kann man grundsätzlich anderer Auffassung sein. Das will ich Ihnen gerne zubilligen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na wenigstens was!)

Dann aber: „das Niveau der Altersrenten auf 53 Prozent angehoben wird“ – ja, mehr geht immer. 48 Prozent kann man durchaus diskutieren, langt es denn hin, vor allen Dingen in Zukunft. In diesem Falle ging es auf jeden Fall zulasten derjenigen, die die Rente erarbeiten müssen, und mit dem jüngsten Rentenpaket wurde auf Initiative der SPD, von uns wurde das als doppelte Haltelinie bezeichnet, erreicht, das Rentenniveau, wir haben es jetzt mehrfach gehört, soll bis 2025 bei 48 Prozent stabil gehalten werden und der Beitragssatz 20 Prozent nicht übersteigen. Frau Ministerin sagte es schon, davon profitieren rund 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner, ohne die junge Generation über Gebühr zu belasten.

Wir haben es 2014 als SPD erreicht, dass die abschlagsfreie Rente ab 63 vereinbart wurde bei 45 Versicherungsjahren. Nun stellen Sie die Forderung auf, „abschlagsfreie Altersrente bei 40 Versicherungsjahren“ einführen, „spätestens mit der Vollendung des 65. Lebensjahres“. Da sage ich nur, mehr geht immer. Wir haben 2014 gerade eine Vereinbarung – wie ich finde, eine sehr gute Vereinbarung – getroffen, um die Menschen, die hier

45 Jahre ihre Arbeit geleistet haben, auch dadurch zu würdigen.

Die „solidarische Versicherung aller Bürgerinnen und Bürger“ – ja, halte ich für einen guten Vorschlag.

Die „vermögensgeprüfte gesetzliche Mindestrente von 1.050 Euro“ möchten Sie mit diesem Antrag einführen. Auch die SPD hat im letzten Regierungsprogramm gefordert: „Wer 35 Jahre oder länger Beiträge gezahlt hat und/oder Zeiten für Kindererziehung und Pflege angerechnet bekommt, soll einen Anspruch auf eine gesetzliche Solidarrente haben, sofern keine ausreichende Anzahl an Entgeltpunkten und kein umfangreiches sonstiges Einkommen im Haushalt vorhanden ist. Mit der Solidarrente wollen wir ein Alterseinkommen für langjährig Beschäftigte gewährleisten, das 10 Prozent über dem durchschnittlichen Grundsicherungsanspruch am Wohnort liegt. Regional unterschiedliche Wohnkosten werden so berücksichtigt.“ Leider haben wir für dieses Ansinnen keine politische Mehrheit gefunden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Schade, ne?)

Und dann die Diskussion „Mindestlohn 12 Euro“, da werden Sie sagen, Olaf Scholz hat es ja auch verlangt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Echt?)

Ja, in der Tat, auch in der SPD wird diskutiert,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Gibt es solche Sozialdemokraten?)

ob der Mindestlohn, wie wir ihn jetzt haben, auskömmlich ist. Zurzeit ist allerdings noch die Mehrheit bei denjenigen, die sagen, wir haben seinerzeit mit der Einführung des Mindestlohnes durch die SPD gleichzeitig vereinbart, dass es eine Mindestlohnkommission gibt, die den Mindestlohn in regelmäßigen Abständen überprüft. Wir haben das Niveau des Mindestlohnes aufgrund dieser Überprüfung auch schon entsprechend erhöht. Dabei geht es um einen angemessenen Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und darum, Beschäftigung auch nicht zu gefährden. Also das haben auch wir immer mit im Hinterkopf. Unser primäres Ziel ist es nach wie vor, gute Löhne, also vernünftige Tariflöhne hier zu haben. Die SPD auf Landesebene hat gerade das Thema Tariflohn zu einem zentralen Thema für unser Land erklärt. Dazu wurden auch Gesetze wie das Tariftreue- und Vergabegesetz angepasst, die Ministerin hat dazu schon ausgeführt.

Herr Wildt sprach das, glaube ich, an, dass hier so viel – nein, das war gar nicht Herr Wildt, ich glaube, dass war sogar die AfD dieses Mal, die das zu Recht feststellte –, dass hier sehr viele unterschiedliche Dinge in diesen einen Antrag gepackt worden sind.

(Zuruf von Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV)

Vielleicht ist das auch Absicht.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Natürlich machen wir das mit Absicht.)

Vielleicht ist das auch Absicht, um es uns ein bisschen leichter zu machen, diesen Antrag abzulehnen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Ums Wort gebeten hat noch einmal für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr de Jesus Fernandes.

Sehr geehrtes Präsidium! Werte Abgeordnete! Ich muss ja im Rahmen der Aussprache die punktweise Abstimmung beantragen. Falls Sie das nicht schon gemacht haben,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nee.)

mache ich das hiermit, um zumindest Ihren Antrag angemessen zu würdigen, weil ich denke, das hat er verdient. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst: Selbstverständlich stellen wir absichtsvoll Anträge.

(Tilo Gundlack, SPD: Echt? Das ist ja ein Ding!)

Herr Ehlers hatte bemerkt, dass dieser Antrag – so, wie ich es eingangs sagte – ein Bestandteil des Aktionsplanes „mehr Osten wagen“ ist. Viele haben sich, auch in den Tageszeitungen hat das eine Rolle gespielt, mit unserem kleinen Flyer beschäftigt. Vorne drauf – für diejenigen, die das in Erinnerung gerufen haben möchten, beziehungsweise die, die jetzt neugierig werden, sei das gesagt –, vorne sind vier Trabis drauf, besonders eingefärbt, was der Hinweis darauf sein soll, dass die Trabis verkörpern, was kultig ist am Osten. Wenn man sich dieses Bild mal genau anschaut, diese Einfärbung ist eine Adaption auf Andy Warhol. Es geht also um Popkultur. DIE LINKE ist keine nostalgische Partei, sie ist eine moderne Partei.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Erwarte doch nicht so viel!)

Unsere Vorschläge, die wir hier machen als Fraktion, beziehen sich selbstverständlich auf die Zukunft, auf eine zukunftsfähige Rente, weil sie – und das ganz ernsthaft –, weil sie die Existenzgrundlage für Millionen Menschen in diesem Land ist und für Hunderttausende Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, weil sie den Lebensstandard sichern soll, weil sie vor Armut schützen muss – das ist auch eine Verpflichtung, die wir im politischen Raum haben, dafür zu sorgen – und weil sie Lebensleistung auch anerkennen soll.

Herr Wildt hat die Frage gestellt, ob das denn, ich interpretiere jetzt Ihre Worte mal ein wenig, dass Sie sagen, na ja, ist es denn so vernünftig, diese einzelnen Punkte, auf die ich nachher ganz kurz noch zu sprechen kommen werde, mit dem großen Ganzen, mit dem systemischen Ansatz in Übereinstimmung zu bringen. Ja, aus unserer Sicht schon, denn wenn man die Einzelpunkte alle umsetzen möchte, hat das finanzielle Konsequenzen. Zu Recht werden die LINKEN, wie einige leider viel zu selten, gefragt: Wie wollt ihr denn das alles bezahlen? Wenn wir das alles erreichen wollen, was ich eingangs

sagte mit Armutsfestigkeit und da entsprechend auch diese Haltelinien, um das Wort noch mal zu gebrauchen, dann einzuziehen, geht es letztendlich darum, auch das Geld dafür aufzubringen, und das kriegt man nur, wenn man am System etwas verändert.

Unser Antrag besteht insofern aus zwei Komponenten. Das eine ist eine Auseinandersetzung, so, wie es Frau Sozialministerin gemacht hat, mit dem gegenwärtigen Rentenpaket, aber eben auch noch mal, das ist der zweite Ansatz, mit dem Blick auf die immer noch bestehenden Rentenungerechtigkeiten, die seit 1991 systemisch mitgeschleppt werden. Wenn hier Frau Ministerin Drese darauf eingeht, dass die UN-Frauenkommission darauf verwiesen hat, dass es nicht länger angeht, dass in der DDR geschiedene Frauen rentenrechtlich diskriminiert werden – denn nichts anders ist es als eine Diskriminierung, die es aufzuheben gilt –, dann ist das also eigentlich für Deutschland eine Peinlichkeit gewesen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es.)

dass es 27/28 Jahre gedauert hat, bis von außen der Ruf kam, ihr müsst da etwas ändern, weil es mit Rechtsgrundlagen einer zivilen Gesellschaft nicht vereinbar ist. Erst dann hat sich die Bundesregierung bewegt, erst dann ist es auf Länderebene zum Thema geworden. Und ähnlich verhielt es sich 1999 mit einzelnen Berufsgruppen, die aus politischen Motiven – und da denke ich immer an Marx und Engels, die sagen, also die herrschenden Gedanken in einer Gesellschaft sind immer die Gedanken der Herrschenden –,

(Minister Mathias Brodkorb: Klasse.)

insofern, aus politischen Motiven wurde gesagt, also wir kappen die Renten von ausgewählten Berufsgruppen, die wir vorher festlegen. Dazu gehörten Volkspolizisten, dazu gehörten Zollbeamte und dazu gehörten auch Angehörige der Armee. Dass das Bundesverfassungsgericht 1999 sagte, das ist verfassungswidrig, da müsst ihr eine Änderung herbeiführen, das musste also erst ausgeurteilt werden, bevor die Politik zu der Einsicht kam. Und wir sagen, es gibt auch noch andere Bestandteile.

(Torsten Renz, CDU: Das ist aber nichts Verwerfliches in einem Rechtsstaat.)

Es gibt im Übrigen auch immer noch andere. Es gab mal 17 Berufsgruppen, die auf diese Art und Weise diskriminiert wurden, in einigen Fällen ist das jetzt verändert worden. Aber es gibt immer noch welche, wo es diese Tatbestände gibt. Und wir sagen, das muss man doch mal anfassen.

So, und was die gegenwärtige Debatte betrifft, heute kam mehrfach das Wort – wie ein Zauberwort – „Generationengerechtigkeit“. Ja, selbstverständlich geht es um Generationengerechtigkeit, weil das Rentensystem ein Umlagesystem ist. Wenn wir aber über Generationengerechtigkeit reden wollen, dann können wir doch auch darüber reden, was in der alten Bundesrepublik ohne Zweifel möglich war mit einem Niveau von 53 Prozent. Es gab zwischenzeitlich diese Veränderung, diese Schussbahn, wir haben uns darüber an anderer Stelle mehrfach unterhalten. Jetzt hat man diese Haltelinie eingeführt, 48 Prozent. Wir sagen, letztlich schützt das aber vor Armut nicht. Das ist das Problem.

Womit wir beim Mindestlohn sind. Ich freue mich schon auf den verbalen Diskurs von Herrn Foerster und Herrn Waldmüller zum Thema Mindestlohn. Wir haben in diesem Antrag – und da gibt es ja eine Korrespondenz zu den Anträgen zum Mindestlohn, die heute auch noch behandelt werden –, wenn wir Armutsfestigkeit erreichen wollen für die Zukunft, Generationengerechtigkeit, dann müssen die Löhne jetzt so entsprechend sein, dass sie vor Armut schützen im Alter. Und da reden wir, das hat nicht DIE LINKE sich in irgendwelchen Denkfabriken ausgedacht, das hat die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage...

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Da kommen wir aber noch zu. Da kommen wir noch zu.)

... mitgeteilt, dass es mindestens 12,63 Euro aktuell sein sollten, die gezahlt werden, um vor Armut zu schützen.

(Zuruf von Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV)

Deswegen hier das Wort „mindestens 12 Euro“, mehr will ich nicht sagen. Das spielt ja erfreulicherweise an anderer Stelle noch eine Rolle, hat aber miteinander zu tun, deswegen hier an dieser Stelle.

Dann, Frau Tegtmeier, ich höre Ihnen immer gerne aufmerksam auch zu, weil Sie sehr konzentriert und in der Sache reden, aber es gab doch ein paar Dinge, die mich haben aufhorchen lassen. Sie haben über die Angleichung der Rentenwerte Ost und West gesprochen, die wir fix bis 2025 erreichen. Fix bis 2025 heißt also, in sieben Jahren. Dann sind es 35 Jahre, die ein Unterschied bestanden hat. Und dann...

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Ja, das tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen.

(Torsten Renz, CDU: Aber?)

Ja, dann gucken Sie auf die CDU! Es gibt auch andere Möglichkeiten.