Am 20. November 2018 wurde die Zweite Mindestlohnanpassungsverordnung im Bundesgesetzblatt verkündet. Damit gilt ab dem 1. Januar 2019 ein bundeseinheitlicher gesetzlicher Mindestlohn von 9,19 brutto und ab dem 1. Januar 2020 von 9,35 Euro. Er wird weiter alle zwei Jahre – und das ist der Kern der Sache – durch die Mindestlohnkommission überprüft und angepasst. Wir haben hier sozusagen vor fast vier Jahren politisch die Startlinie gezogen,
um es dann den Experten zu überlassen, Vorschläge an die Politik zu unterbreiten, in welchen Schritten es mit der Mindestlohnentwicklung weitergeht. Ganz wichtig ist uns dabei, wie es Frau Nahles bei Einführung gesagt hatte, die Sozialpartner werden künftig in einer Kommission über die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns entscheiden. Das stärke Tarifautonomie in Deutschland. Sie sagte weiterhin, die Mindestlohnkommission ist Ausdruck der lebendigen Sozialpartnerschaft.
Meine Damen und Herren Abgeordnete, wir haben nie gesagt, dass die Höhe des Mindestlohns auf dem heutigen Stand in Stein gemeißelt bis in alle Ewigkeit gilt. Und wenn die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land so
weitergeht – ich denke, das wünschen wir uns alle –, dann steht der Mindestlohn auch bald bei 12 Euro. Selbst die Gewerkschaften, Herr Foerster, möchten eigentlich nicht, dass die Höhe des Mindestlohns politisch motiviert ist, sondern aus rein fachlich und sachlich zusammengetragenen Fakten ermittelt wird. Das zeigte auch die Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 24. September 2018. Da hat der DGB noch einmal betont, dass der Mindestlohn nur eine Stellschraube bei der Armutsbekämpfung ist und nicht überfordert werden sollte.
Und, meine Damen und Herren Abgeordnete, die Mindestlohnkommission orientiert sich bei der Festsetzung des Mindestlohns an der Tarifentwicklung in Deutschland und prüft dabei, welcher Mindestlohn einen angemessenen Mindestschutz für Beschäftigte bietet, faire Wettbewerbsbedingungen ermöglicht und die Beschäftigung nicht gefährdet. Kurzum: Der Mindestlohn ist keine sozialpolitisch festgelegte Größe, sondern richtet sich nach den Empfehlungen der Fachleute und der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes.
Das beste Gespür für den angemessenen Lohn haben immer noch diejenigen, die ihn ausbezahlen und diejenigen, die ihn empfangen.
Das sind bei uns die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer. Daraus ergibt sich automatisch, dass Punkt II. 1a) in Ihrem Antrag nicht umsetzbar ist.
In Punkt 1b) wollen Sie alle Ausnahmen vom Mindestlohn abschaffen. Da schauen wir uns doch einmal an, was für Ausnahmetatbestände wir denn überhaupt haben. Das sind zum Beispiel Praktikantinnen und Praktikanten. Neben Auszubildenden werden auch junge Leute in Einstiegsqualifizierungen, egal, ob öffentlich gefördert oder nicht, sowie Pflichtpraktikanten im Rahmen einer Ausbildung oder eines Studiums nicht vom Mindestlohngesetz erfasst. Und das ist auch gut so. Denn es handelt sich bei oben genannten Rechtsverhältnissen um Bildungsverhältnisse und nicht um Arbeitsverhältnisse. Die meisten anderen Ausnahmeregelungen …
Die meisten anderen Ausnahmeregelungen waren zeitlich begrenzt und würden spätestens dieses Jahr abgeschafft.
Bei Punkt 1c) Ihres Antrages bleibt mir nur, Danke zu sagen, Danke für die hervorragende Arbeit unserer Zollbeamten, die für die Überprüfung der Einhaltung des Mindestlohns verantwortlich sind. Und wie ich mich informieren konnte, wird, um die konsequente Umsetzung des Mindestlohns sicherzustellen, die Bundesregierung den Zoll durch mehr Personal verstärken.
Für diese Legislaturperiode sind 7.500 zusätzliche Stellen beim Bund in den Sicherungsbehörden geplant.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie eingangs schon betont und auch weiterführend in meiner Rede, ist der Mindestlohn nur eine Stellschraube zur Lohnentwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Es ist auch wichtig, dass wir mehr Tarifgebundenheit im Land bekommen, damit mehr Menschen die Chance haben, Löhne zu verdienen, die deutlich über dem Mindestlohn liegen. Dafür setzen wir uns als SPD-Landtagsfraktion weiterhin verstärkt mit Sinn und Verstand ein, denn es geht dabei um beides: Leistungsgerechtigkeit und wirtschaftliche Vernunft. Daher ist Ihr Antrag abzulehnen. – Ich danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir haben, denke ich mal, zwei Sichtweisen – Herr Brade hat es gerade, glaube ich, auch schon angedeutet –, nämlich die des Arbeitnehmers und die des Arbeitgebers. Und ich glaube, es hilft ein Stück weit weiter, wenn man mal versucht, beide Sichtweisen einzunehmen, und sich nicht nur auf eine festlegt, sondern auch mal den Perspektivwechsel wagt und sich, gerade auch als Politiker, eben für das Gemeinwohl und damit auch für mehrere Sichtweisen interessiert.
Die 12 Euro, meine Damen und Herren von der SPD, die sind ja insbesondere durch Sie in Umlauf geschossen worden und durch Herrn Oppermann, durch Herrn Scholz und von den LINKEN. Ich weiß jetzt gar nicht, ob Sie es vorher oder hinterher aufgegriffen haben, das ist auch egal, diese 12 Euro stehen im Raum, sind ermittelt worden. Sie sind ja nicht nur einfach geschossen, sondern sie sind ermittelt worden.
Worum geht es dabei? Es geht darum, dass man bei einer Vollzeitbeschäftigung mit diesem Mindestlohn von 12 Euro ein ausreichendes Nettoeinkommen am Ende erzielen kann, um davon vernünftig zu leben mit einem gewissen Abstand zum Arbeitslosengeld-II-Niveau. Wir müssen ja auch ein Abstandsgebot beachten. Wer komplett arbeiten geht, muss bessergestellt sein als derjenige, der ausschließlich von Sozialleistungen lebt.
Zweitens, oder drittens – es sind schon zwei Aspekte eigentlich: ausreichende Lebenshaltungskosten, Abstandsgebot –, und drittens. Man erwirbt damit Rentenansprüche, die nach einem vollen Erwerbsleben auch eine Rente absichern würden oder Rentenansprüche generieren, die ebenfalls zu ausreichendem Lebensstandard führen würden.
Das sind also tatsächlich drei gute Gründe, einen Mindestlohn von 12 Euro zu fordern. Das kann man so machen. Das ist ein geschlossenes Bild. Das ist die Sichtweise als Arbeitnehmer, die ich auch einnehmen würde. Wenn ich vom Mindestlohn abhängig wäre, dann ist es ganz klar, das Mindeste sind 12 Euro, um davon leben zu können.
Jetzt muss man aber auch die andere Sichtweise einnehmen: Wie sieht das der Arbeitgeber? Da haben wir
große Unterschiede in Deutschland. Wir haben zum Beispiel Baden-Württemberg. Dort hat sich die Einführung des Mindestlohns überhaupt nicht ausgewirkt. Niemand hat dort vorher für weniger gearbeitet, als der Mindestlohn beträgt. Und wir haben als Gegenstück Mecklenburg-Vorpommern. Hier hat sich der Mindestlohn erheblich ausgewirkt, weil wir viele Beschäftigungsverhältnisse hatten mit einem geringeren Nettolohn oder Bruttolohn erst mal.
Vor dem Hintergrund muss man schauen, wie würde sich das … Von daher ist es auch wichtig, gerade dieses Thema in Mecklenburg-Vorpommern im Landtag zu besprechen. Man könnte ja sonst sehr schnell sagen, das geht uns hier gar nichts an, das macht die Kommission oder das macht die Bundesregierung. Nein, unser Bundesland ist am stärksten davon betroffen. Deswegen ist es absolut richtig, dieses Thema hier aufzurufen.
Jetzt müssen wir sehen, wie sieht das denn aus bei unseren Arbeitgebern, bei unseren Betrieben, die wir haben, denn die leben ja eben nicht alleine ohne Wettbewerb.
Da ist es tatsächlich nicht ganz falsch, mal zu sehen, was passiert in Polen. Wir haben starken Wettbewerb in Polen. Wenn Sie sich zum Beispiel den Tourismus anschauen, dort arbeiten die Mitarbeiter für wesentlich weniger Geld.
Wenn ich das mal sagen darf, es stört tatsächlich, wenn hier auf der Regierungsbank so stark gesprochen wird. Das muss ich jetzt echt so mal sagen, wenn es die Präsidentin nicht tut. Tut mir leid.
So, Folgendes: Also, wir haben eine Wettbewerbssituation in Polen. Dort arbeiten die Menschen für sehr viel weniger Geld. Die Urlauber zum Beispiel haben natürlich die Auswahl, gehen sie auf der deutschen Seite in Vorpommern in Urlaub, gehen sie dort essen oder fahren sie ein paar Kilometer weiter auf die polnische Seite. Das muss man beachten. Deswegen können wir diese Entscheidung nicht einfach so aus der hohlen Hand heraus treffen, auch wenn wir das vielleicht gerne machen würden. Die Unternehmer müssen es tragen können, es geht auch um das Tragfähigkeitsprinzip. Wir müssen Sensitivitätsanalysen durchführen. Wie viele Arbeitsplätze gehen verloren, wie viel Umsatz geht verloren, wenn man den Mindestlohn anhebt?
Ich denke, keiner von uns hier im Landtag kann das so ohne Weiteres tun. Wir müssen da nicht nur mit den Gewerkschaften sprechen – die haben ihre Berechnun
Wir haben die Arbeitgeberverbände, die ganz konkret – jetzt auch für Vorpommern – diese Untersuchungen durchführen.
Ich möchte noch mal, weil es gerade so gut passt, darauf hinweisen, dass die Zugehörigkeit zur Europäischen Union extrem wichtig ist, auch an dieser Stelle. Stellen Sie sich mal vor, wir würden nicht zur Europäischen Union gehören! Da hätten wir gar keine Möglichkeit, mit Polen darüber zu reden, dann hätten wir das Europa der Vaterländer. Jeder würde Wettbewerb pur betreiben und einfach seine Wettbewerbsvorteile ausspielen.
Wir möchten natürlich schon mit den Nachbarstaaten im Gespräch bleiben. Das macht zum Beispiel Bayern sehr stark mit Österreich. Man muss dort sehen, wie sind die Mehrwertsteuersätze. Es sind verschiedene Komponenten, die dazugehören. Wir haben zum Beispiel in Polen auch eine ganz andere Mehrwertsteuer in der Gastronomie, die ohnehin schon einen Wettbewerbsvorteil für die dortigen Gastronomiebetriebe bedeutet.
Diese ganzen Dinge muss man dabei berücksichtigen. Deswegen können wir dem Antrag so auch überhaupt nicht zustimmen. Das ist leider, sage ich mal, so gar nicht möglich, sondern wir müssen diese verschiedenen Dinge einbeziehen. Ich würde sehr dafür werben, dass wir das gerne auch im Wirtschaftsausschuss noch mal diskutieren, weil wir tatsächlich zu einer Empfehlung aus Mecklenburg-Vorpommern heraus kommen sollten aus den genannten Gründen, weil wir am stärksten davon betroffen sind von allen Bundesländern. Wir sollten zu einer Empfehlung kommen nach Berlin. Ich glaube, das ist absolut in Ordnung und absolut richtig, wenn wir das machen. Nur wir müssen sauber ermitteln, inklusive der Arbeitergeber. – Danke schön.