Protokoll der Sitzung vom 13.12.2018

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Landsleute und Gäste!

Herr Glawe, ich habe mit Freude gehört oder besser gesagt, auch mit einem Schmunzeln, dass Sie einer Ausbildung zum Landarzt oder zum Hausarzt hier das Wort reden. Meiner Ansicht nach sind es immer noch Allgemeinmediziner, die da ausgebildet werden. Es gibt keine Qualifizierung für „Landarzt“.

(Minister Harry Glawe: Das stimmt.)

Der vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen macht eines deutlich: Es steht nicht gut um die ärztliche Patientenversorgung in manchen ländlichen Regionen unseres Landes. Meine Damen und Herren, eigentlich kennen wir diese Situation seit Langem. Wir hatten am 18.10.2017 in einer Aktuellen Stunde und am 29.06.2018 – da wurde bereits darauf eingegangen – aufgrund eines Antrags der LINKEN über genau dieses Thema umfangreich debattiert. Ich darf ergänzen, inzwischen erreichen mich – und sicherlich den Minister auch – Briefe frustrierter Bürger, die sich über die mangelhafte medizinische Versorgung in den ländlichen Regionen beklagen. Beispielhaft darf ich den Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Neubrandenburg oder auch den Bereich Ludwigslust-Parchim erwähnen. Die Situation wird sich in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter verschlechtern, weil in den nächsten vier Jahren laut aerzteblatt.de voraussichtlich mehr als 200 Hausärzte in den Ruhestand treten. Praxisnachfolger sind oft nicht vorhanden.

Wenn in unserem Bundesland mehr als 100 Hausärzte – wir haben vorhin gehört 125 – fehlen, so ist dies eine Zahl aus planerischer Sicht. Viel gravierender als der numerische ist der von den Patienten erlebte Ärztemangel. Patienten beurteilen die Qualität der Gesundheitsversorgung nach einfachen Kriterien, und zwar erstens nach möglichst bedarfsgerechtem, zeitnahen Zugang zum Arzt oder auch zu diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, zweitens nach der Kompetenz der medizinischen Fachkräfte und drittens nach dem Kosten-Leistungs-Verhältnis.

Die Gegebenheiten unseres Flächenlandes bringen es mit sich, dass oft weite Strecken zum Arzt zurückgelegt werden müssen. Patienten, die auf den ÖPNV angewiesen sind, haben es hier besonders schwer, und es kann vorkommen, dass sie für einen Arztbesuch zwei Tage mit Übernachtung einkalkulieren müssen. Hinzu kommen bei manchen Fachärzten wochen-, ja, monatelange Wartezeiten, wenn sie überhaupt noch neue Patienten annehmen. Auch das gepriesene Versorgungsstärkungsgesetz wirkt mit seiner Option der zentralen Terminvergabe für Betroffene oft geradezu höhnisch, da mir von Reaktionen wie zum Beispiel, ich zitiere: „Wir können uns auch keine Fachärzte aus den Rippen schneiden“, Zitatende, berichtet wurde.

Mit dem vorliegenden Antrag wollen die Fraktionen von CDU und SPD offensichtlich ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag ihrer Bundesparteien umsetzen, nämlich eine flächendeckend gute Gesundheitsversorgung nachhaltig durch mehr Medizinstudienplätze und eine Landarztquote zu sichern. Das ist lobenswert. Der Antrag fordert die Landesregierung auf – und ich formuliere jetzt einmal in verständlicher Sprache –:

1. zu prüfen, ob eine Quote von Medizinstudienplätzen

an den Universitäten vorgehalten werden kann, insbesondere für Bewerber, die sich zu einer Tätigkeit in untersorgten Regionen verpflichten,

2. zu prüfen, ob es einen Bedarf an Absolventen der

Medizin für einen Einsatz in ländlichen Räumen gibt, und

3. den zuständigen Ausschüssen über die Ergebnisse

und Maßnahmen zu berichten.

Nun ja, es ist ein zahmer Antrag. Er regt an zu prüfen, ob die obigen Maßnahmen unter Punkt 1 und 2 sinnvoll sein

könnten. Dazu wird auf den Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassungen vom 5. Juni 2008 zurückgegriffen, der in Artikel 9 Absatz 1 Vorabquoten für Studienbewerber zulässt, ich zitiere: „die sich … verpflichtet haben, ihren Beruf in Bereichen besonderen öffentlichen Bedarfs auszuüben“, Zitatende. Gemäß Artikel 12 Absatz 1 bestimmen die Länder diese Vorabquoten durch Rechtsverordnungen.

Allerdings, meine Damen und Herren, bin ich schon erstaunt. Ich denke, die Antworten auf die inkludierten Fragen des Antrages sollten eigentlich vorhanden sein. Wenden Sie sich doch an die naheliegenden Institutionen, die derzeit den Versorgungsauftrag haben, nämlich die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen, die Institutionen der Selbstverwaltung! Ich bin mir sicher, dass diese die aktuelle und zukünftige Versorgungssituation in unseren ländlichen Regionen bereits jetzt am besten und umfassend beschreiben können. Sollte die mit dem Antrag geforderte Prüfung zu einem positiven Ergebnis führen, würde sich die Umsetzung frühestens nach etwa zehn Jahren auswirken – der Minister hat bereits drauf hingewiesen –, wenn die verpflichteten Absolventen ihre Tätigkeit als Landarzt antreten könnten.

Trotzdem halten auch wir diesen Antrag als eine von weiteren erforderlichen Maßnahmen gegebenenfalls für sinnvoll. Allerdings sehen wir Risiken und Schwächen, die unseres Erachtens abgeklärt und ausgeräumt werden müssten:

Erstens. Es sollte nicht möglich sein, dass sich Studienbewerber mithilfe der Verpflichtungserklärung auch dann einen Studienplatz verschaffen können, wenn sie eine erkennbar schwächere fachliche und persönliche Eignung haben als ihre Mitbewerber. Mit „Eignung“ ist hier nicht nur die Abiturnote gemeint, die ohnehin länder- und schulabhängig keine völlige Vergleichbarkeit garantiert. Gemeint sind die intellektuellen und Persönlichkeitseigenschaften von Ärzten. Wenn wir das Prinzip gleicher Eignung nicht beachten, dann droht das Niveau der Gesundheitsversorgung auf dem Lande in die Zweitklassigkeit abzusinken.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Das mögliche Gegenargument, dass Bewerber gleicher Eignung kein Motiv hätten, eine zusätzliche schwerwiegende Verpflichtung einzugehen, lässt sich durch die anhaltend hohen Bewerberzahlen entkräften. So ist das Verhältnis von Studienplätzen zu Bewerbern in Mecklenburg-Vorpommern, wie wir gehört haben, vier zu eins oder gar fünf zu eins. Wir haben Ihnen zu dieser eben besprochenen Problematik einen entsprechenden Änderungsantrag vorgelegt und bitten dazu um Ihre Zustimmung.

Es gibt ein zweites Risiko. Die Verpflichtung zur Dienstausübung in unterversorgten Regionen ist ein erheblicher Einschnitt in die freie Lebens- und Berufsplanung junger Menschen, insbesondere, wenn sie sich schon vor Beginn ihres Studiums zu einer Tätigkeit in einer unterversorgten Region verpflichten und binden sollen, zum Beispiel nach dem Studium für weitere zehn Jahre in eine Landarztpraxis zu gehen. In Norwegen wird dies übrigens in ähnlicher Form bereits seit Jahren mit den nördlichen Regionen so gehandhabt.

Als erstes Bundesland will laut „ÄrzteZeitung“ vom 06.06.2018 Nordrhein-Westfalen den Weg der Vorabquote beschreiten. Das geplante Landarztgesetz wird im dortigen Landtag gerade in dieser Woche, am 12.12. war das, in Zweiter Lesung behandelt.

Es gibt aber ein weiteres, ein drittes Risiko. Dieses ergibt sich aus der einfachen Frage, die auch Professor Weber vorhin schon gestellt hat: Was will die Landesregierung unternehmen, wenn sich der Absolvent nach dem erfolgreichen Studium nicht an seine Verpflichtung hält? Welche Sanktionsmöglichkeiten wollen Sie dann einsetzen? Soll ihnen die Studienzulassung rückwirkend wieder entzogen werden oder welche finanziellen Möglichkeiten wollen Sie daran binden? Für junge Absolventen wird es viele Unwägbarkeiten geben, die ihnen Argumente liefern, der ursprünglichen Verpflichtung nicht mehr nachzukommen. Da wäre ein Vorabstipendium mit Rückzahlungsverpflichtung bei Vertragsbruch schon ein wirksameres Instrument.

(Harry Glawe, CDU: Dr. Jess, positiv denken!)

Wir werden sehen.

Die Landarztquote kann aber sowieso nur ein Mittel sein, um die medizinische Versorgung in strukturschwachen ländlichen Regionen zu verbessern. Wir von der AfD hätten uns gewünscht, dass der Antrag eine umfassendere Prüfung veranlasst hätte, nämlich welche Maßnahmen insgesamt geeignet wären, um der sich abzeichnenden ärztlichen Unterversorgung in ländlichen Räumen entgegenwirken zu können.

Verschiedene Anreize wurden schon geschaffen, der Minister ist bereits darauf eingegangen, zum Beispiel Investitionskostenzuschüsse bei Praxiseröffnung oder Übernahme der Investitionskosten in unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Regionen durch die KV. Daneben gibt es bereits diverse weitere Maßnahmen,

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

zum Beispiel dieses Stipendium über 300 Euro pro Monat für Studenten, die sich verpflichten. Allerdings wissen wir auch, dass die bisherige Nutzung dieses Stipendiums eher gering ausgefallen ist. Soviel ich weiß, waren es bisher in diesem Jahr ganze drei Studenten, die das genutzt haben.

Unabhängig davon müssen die Rahmenbedingungen für junge Ärzte auf dem Lande verbessert werden, um den medizinischen Nachwuchs für eine dortige Tätigkeit zu gewinnen. Laut Umfrage des Hartmannbundes aus 2015 konnten sich nur etwa zehn Prozent der Medizinstudenten vorstellen, als Landarzt tätig zu werden. Da sind also noch erhebliche Anreizsysteme notwendig.

Lassen Sie mich abschließend noch einen Hinweis auf die unscharfe Verwendung eines Begriffs im vorliegenden Antrag geben. Mit den „ländlichen Gestaltungsräumen“ müssten aufgrund des Kontextes alle strukturschwachen ländlichen Regionen gemeint sein. Die ungewöhnliche Schreibweise und Forderung nach Einbeziehung der Interministeriellen Arbeitsgruppe „Ländliche Gestaltungsräume“ würde aber strenggenommen bedeuten, dass nur jene 24 Orte mit Umgebung

gemeint sind, die im Landesraumentwicklungsplan Mecklenburg-Vorpommern mit dem Terminus „ländliche Gestaltungsräume“ belegt sind. Das ist aber zu kurz gegriffen.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Auch die im Landraumentwicklungsplan genannten ländlichen Räume müssen in die Versorgungsüberlegungen einbezogen werden. Ich denke, hier hat der Antragsautor die Begrifflichkeiten nicht gekannt.

Zum Fazit: Der Antrag ist unseres Erachtens nicht ausgereift, auch aus den genannten Gründen. Deshalb stimmen wir der Überweisung in die zuständigen Ausschüsse eventuell zu, also den eventuellen Überweisungen in die Ausschüsse zu, andernfalls werden wir uns beim Antrag selbst enthalten.

Nun möchte ich noch kurz auf den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE eingehen. Die Punkte 1 und 3 sind meines Erachtens obsolet und fordern Selbstverständlichkeiten. Darauf sollten wir verzichten.

Der Punkt 5 erscheint auf den ersten Blick sinnvoll, auf den zweiten Blick sieht die Sache anders aus. Sie wollen die Zulassungszahlen für die Medizinausbildung an die Erkenntnisse der Bedarfsplanung anpassen, aber Sie vergessen völlig, dass wir bereits jetzt über unseren Bedarf ausbilden, nur bleiben diese Absolventen nicht im Land. Insofern liefe auch dieser Punkt ins Leere. Wir werden deshalb den genannten Änderungsantrag komplett ablehnen.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Meine Damen und Herren, wir haben wieder einmal über ein Problem in unserem Land gesprochen, welches wiederum keine Lösung erbracht hat. Trotzdem vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Stamer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag hat das Ziel, die Bedarfe an Humanmedizinern in unserem Land zu prüfen, um die medizinische Versorgung in unserem Land für alle hier lebenden Menschen weiter zu verbessern. Gerade für unser Land ist es wichtig, wie wir schon gehört haben, die ländlichen Räume als attraktive Gebiete zum Leben weiter zu stärken, da wir ein Land mit sehr vielen ländlichen Räumen sind. Dazu gehört es selbstverständlich auch, eine flächendeckende medizinische Versorgung bereitzustellen. Es ist klar, dass insbesondere Hausärzte sehr einfach und schnell erreichbar sein müssen.

Es zeigt sich, wie wir auch schon gehört haben, dass in einigen Gebieten in unserem Land ein Mehrbedarf an Humanmedizinern besteht. Herr Ehlers hatte die unbesetzten Hausarztpraxen bereits angesprochen. Daher begrüßen wir es, dass wir mit diesem Antrag einen Überblick über die Bedarfe in unserem Land gewinnen wollen und daraufhin Maßnahmen ableiten, wie diese zu beheben sind. Dazu hat Herr Glawe bereits einige Ansätze geliefert.

Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir die Interministerielle Arbeitsgruppe „Ländliche Gestaltungsräume“ dort einbeziehen. Herr Jess, aus meiner Sicht produziert sie, obwohl sie in 24 Modellregionen arbeitet, generalisierbare Ergebnisse für das gesamte Land und insofern ist eine Einbeziehung dieser Arbeitsgruppe sehr notwendig, da wir das Rad nicht doppelt erfinden müssen, denke ich.

(Zurufe von Dr. Gunter Jess, AfD, und Dr. Ralph Weber, AfD)

Es ist mir allerdings bei einem Punkt noch wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass eine einfache Erhöhung der Anzahl der Studienplätze für Humanmediziner hier im Land nicht sinnvoll wäre, da einerseits bekannt ist, wie bereits angesprochen, dass wir schon überproportional viele Mediziner ausbilden im Vergleich zum Schnitt von anderen Bundesländern. Das ist das eine. Wir sind allerdings von einer sehr hohen Abwanderung der Absolventen betroffen. Das heißt, die sogenannte „Klebequote“ funktioniert bei uns nicht richtig. Hier müssen wir ansetzen, an genau diesem Punkt. Eine reine Erhöhung der Studienplatzkapazitäten würde das Problem nicht direkt lösen. Es ist wichtiger, die Absolventen im Land zu halten, insbesondere in den Gebieten mit einem erhöhten Bedarf. Ich denke, dass hier eine Landarztquote ein sehr sinnvolles Mittel, eine sinnvolle Methode ist, um dort anzusetzen – wie wir gehört haben, auch nur eine von vielen, aber eine wichtige.

Zum anderen allerdings muss man zu diesem Punkt dazusagen, dass angehende Mediziner spätestens in der klinischen Ausbildung Kontakte zu Patienten benötigen. Das heißt, wenn wir die Anzahl der Studienplätze für Mediziner erhöhen, müssten wir gleichzeitig parallel dazu die Kapazität der Betten an der Universitätsmedizin erhöhen, da eine fundierte medizinische Ausbildung nur funktionieren kann, wenn angehende Mediziner ausreichend Erfahrung am Patienten gewinnen können.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Es gibt auch akademische Lehrkrankenhäuser.)

Eine Erhöhung der Studienplatzkapazitäten zöge eine Erhöhung der Anzahl der Betten und somit der Patienten nach sich. Dies könnte beispielsweise sicherlich über eine Verlegung von Kapazitäten aus anderen Krankenhäusern an die Universitätsmedizin gelingen, allerdings muss man sich im Klaren darüber sein, ob man dieses möchte und wie man das umsetzt.

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

Ich denke, alles in allem sind wir uns einig, dass eine ausreichende medizinische Versorgung für eine Gesellschaft sehr wichtig ist.