Protokoll der Sitzung vom 24.01.2019

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch die ärztliche Betreuung vor und nach der Geburt sollen mögliche Gefahren für das Leben und die Gesundheit von Mutter und Kind abgewendet, Gesundheitsstörungen rechtzeitig erkannt und einer Behandlung zugeführt werden. Zu den ärztlichen Maßnahmen in der Schwangerschaft gehören nach den Mutterschaftsrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses eine umfassende Anamneseerhebung, eine klinische Allgemeinuntersuchung und gynäkologische Untersuchung, Ultraschalluntersuchung und auch Laboruntersuchung von Blut- und Urinproben. Hinzu kommen bei bestimmten Indikationen, wie drohender Frühgeburt oder bei der klinischen Untersuchung festgestellte auffällige Herztöne des Kindes, die Untersuchung von Herzschlagfrequenzen des ungeborenen Kindes und der Wehentätigkeit. Blutuntersuchungen sind also nur ein Teil der gesamten Maßnahmen, die werdenden Müttern angeboten werden.

Dieses Maßnahmenpaket aus den Mutterschaftsrichtlinien ist nur in seiner Gesamtheit sinnvoll und muss daher bei einer Diskussion über seinen Umfang auch in der Gesamtheit betrachtet werden. Die Notwendigkeit zu manchen Laboruntersuchungen ergibt sich erst aus der Anamnese, den Befunden der klinischen Untersuchung oder dem Ultraschallbild. Die Mutterschaftsrichtlinien sehen einige Untersuchungen vor, die jeder Schwangeren, unabhängig von bestimmten Indikationen, angeboten werden müssen. Neben den klinischen und Ultraschalluntersuchungen sind dies auch einige Blutuntersuchungen. Das sind Untersuchungen zum Ausschluss eines Diabetes, von Syphilis, HIV und Hepatitis B, Untersuchungen zur Feststellung einer Immunität gegen Röteln, die Bestimmung der Blutgruppe und des Rhesusfaktors sowie ein Antikörpersuchtest gegen andere Blutgruppenantigene.

All diese Untersuchungen dienen dem Schutz der Schwangerschaft und des werdenden Lebens. Sollten sich bei diesen Untersuchungen auffällige Befunde ergeben, wird der Arzt die Schwangere beziehungsweise die Eltern beraten und, soweit möglich, Maßnahmen einleiten, um eine Schädigung des Kindes zu verhindern. So kann zum Beispiel bei einer frühzeitig festgestellten HIVInfektion durch eine Behandlung die Übertragung des HIVirus auf das Kind verhindert werden. Durch die Behandlung einer Syphiliserkrankung an der Mutter während der Schwangerschaft können Abort, Totgeburt oder schwere angeborene Schädigungen des Kindes verhindert werden. Wird eine Hepatitis-B-Infektion der Schwangeren festgestellt, wird das Neugeborene unmittelbar nach der Geburt aktiv und passiv gegen Hepatitis B immunisiert. Eine weitere Blutuntersuchung, die den Schwangeren angeboten wird, ist die Untersuchung auf Diabetes mellitus. Durch rechtzeitige Feststellung eines Diabetes während der Schwangerschaft und Einleitung der erforderlichen Maßnahmen, wie richtige Ernährung in Verbindung mit Bewegung oder, wenn erforderlich, auch eine medikamentöse Behandlung, können Komplikationen in der Schwangerschaft und bei der Geburt, die sowohl die Mutter als auch das Kind betreffen können, verhindert werden.

Außerdem fördert das Wirtschaftsministerium eine Pilotstudie der Frauenklinik der Unimedizin Rostock am Klinikum Südstadt zum Thema „Ernährungsberatung in der Schwangerschaft“. Übergewichtige Frauen entwickeln häufig einen Diabetes in der Schwangerschaft. Zielgrup

pe der Studie sind adipöse Schwangere, die eine intensive Beratung zu Ernährung und Bewegungsverhalten erhalten. Ziel der Studie ist eine Senkung der sogenannten Makrosomierate der neugeborenen Kinder, also der Geburt übergroßer und zu schwerer Kinder. Eine gesunde Ernährung reduziert das Risiko der Entwicklung eines Diabetes in der Schwangerschaft und vermindert ein übermäßiges Wachstum des Kindes bereits im Mutterleib. Damit einher geht eine niedrige Rate an Schwangerschaftskomplikationen. Auch das Risiko des Kindes, später selbst eine Adipositas zu entwickeln, kann reduziert werden.

Neben den jeder Schwangeren entsprechend der G-BARichtlinie anzubietenden Untersuchungen sehen die Mutterschaftsrichtlinien weitere Untersuchungen bei bestimmten Konstellationen vor. Darüber hinaus bieten die Frauenärzte den werdenden Müttern auch zusätzliche Laboruntersuchungen an. Es ist zu betonen, diese zusätzlichen Untersuchungen werden nicht grundlos vorgenommen, sondern dienen der weiteren Abklärung festgestellter Risiken, um zum Schutz der Schwangeren und des Kindes entsprechend reagieren zu können. Beispielhaft sei hier die Untersuchung auf eine bereits bestehende Immunität wegen Toxoplasmose genannt. Eine Erstinfektion während der Schwangerschaft kann zu schweren Komplikationen beim Kind führen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt bei dem pränatalen Bluttest, der den Gemeinsamen Bundesausschuss beschäftigt und der seit Oktober 2018 im Bundestag in der Diskussion ist, ist selbstverständlich auch das Feststellen des Gesundheitszustandes des Kindes in Bezug auf Krankheiten, die nicht geheilt werden können. Derzeit betrifft dies hauptsächlich Bluttests zur Diagnose von Trisomien, wie etwa dem Downsyndrom. Sehr bald soll es valide Bluttests geben, die weitere nicht heilbare Krankheiten erkennen lassen, wie Mukoviszidose oder die Glasknochenkrankheit. Zu diskutieren wird sein, ob diese Blutuntersuchungen im Leistungskatalog bei den gesetzlichen Krankenkassen verankert werden sollen oder nicht.

Der Ethikrat hat sich verschiedentlich mit dieser wohlgemerkt ausgesprochen schwierigen Materie befasst. Bei dieser Diskussion stehen wir erst am Anfang. Vielfache Aspekte medizinischer, psychischer, sozialer und ethischer Art fließen in eine Entscheidung mit ein. Dem Gesundheitsminister ist dabei wichtig, dass die werdenden Eltern nicht alleingelassen werden dürfen. Sie müssen kompetent beraten werden, und zwar ergebnisoffen. Sie sollen wohlüberlegte Entscheidungen treffen, egal, ob die Untersuchungen privat oder von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden,

(Beifall Horst Förster, AfD)

denn die eigentlich wichtige Entscheidung steht am Ende: Wie gehen die Eltern mit dem Ergebnis der Blutuntersuchung um, wenn diese auf eine Behinderung des Kindes schließen lässt? Das ist der wirklich wichtige Punkt in dieser Debatte.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns aber noch mal auf den Regelfall zurückkommen. Eine Schwangerschaft ist ein natürlicher Vorgang. Sie ist für die werdenden Mütter und Väter meist eines der schönsten Ereignisse in ihrem Leben. Das muss und soll auch so bleiben. Die ärztliche Betreu

ung und Versorgung in der Schwangerschaft kann dazu beitragen. Ich bin sicher, dass die verantwortungsbewusste Durchführung durch die Frauenärzte dies gewährleistet.

Wie in anderen Bereichen entwickelt sich der Stand der Wissenschaft auch bezogen auf Schwangerschaft und Geburt weiter. Dies wird zu anderen und sicher weiteren Untersuchungen in diesem Lebensabschnitt führen. Deren Einführung muss verantwortungsvoll erfolgen und natürlich dementsprechend im Vorfeld begleitet werden. Dass dies möglich ist und dass dabei auch der Politik eine wichtige Rolle zukommt, zeigen die gesetzlichen Regelungen zu gendiagnostischen Untersuchungen und zur Präimplantationsdiagnostik. Wir alle werden sicher noch auf die eine oder andere Weise in diese gesellschaftliche Diskussion mit einbezogen. Das ist richtig und das ist vor allen Dingen wichtig. – Im Namen des Wirtschafts- und Gesundheitsministers bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Jochen Schulte, SPD)

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Förster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema „Vorgeburtliche Bluttests“ ist ein Thema um die grundsätzliche Frage, wie weit wir bei der Pränataldiagnostik gehen wollen, worauf es mit Sicherheit keine einzig allein richtige Antwort gibt.

Was die Kollegin Weißig hier ausgeführt hat, würde ich, ohne es herabwürdigen zu wollen, so bewerten: Das war eine sicherlich vertretbare, konsequente, aber letztlich ganz fundamentalistische Bewertung, auf deren Grundlage Sie eigentlich zum Ergebnis kommen müssten, dass Schwangerschaftsabbrüche ohnehin nicht zulässig sein sollten. Letztlich, würde ich sagen, war die Betrachtung dann auch oberflächlich aus diesem Grunde.

Herr Caffier ist dem eigentlichen Problem auch sehr lange ausgewichen, indem er vor allem hervorgehoben hat, dass diese pränatalen Untersuchungen dem Schutz der Schwangeren und des Kindes gelten, was natürlich richtig ist. Aber am Schluss sind Sie auf den Punkt gekommen. Problematisch wird die Sache natürlich nur dann, wenn wir weiter denken, dass es dann zu einem Schwangerschaftsabbruch kommen könnte. Da kann man nicht drum herumreden.

Wie ist die Ausgangslage? Der medizinisch-technische Fortschritt eröffnet Möglichkeiten der frühgeburtlichen Diagnostik, deren Ende nicht abzusehen ist, was zunächst einmal wie jeder medizinische Fortschritt positiv zu bewerten ist. Zudem ist es illusorisch zu glauben, eine Diagnostik, die uns Erkenntnis über den medizinischen Status des Embryos und eine Prognose für die spätere Gesundheit des Kindes liefert, ließe sich aufhalten. Positiv ist in jedem Fall, dass die Bluttests gegenüber den bisher praktizierten Fruchtwasseruntersuchungen früher und gefahrloser durchgeführt werden können.

Der Lebensschutz nach Artikel 1 des Grundgesetzes gilt auch für das ungeborene Leben, dennoch haben wir den Schutz für das ungeborene Leben und den Schutz des Menschen, dessen voller strafrechtlicher Schutz erst mit dem Einsetzen der Eröffnungswehen beginnt, unter

schiedlich geregelt. Dies entspricht einem ganz überwiegenden allgemeinen Rechtsempfinden.

Betrachten wir die aktuellen Diskussionen um Abtreibung und deren Strafbarkeit sowie um das Werbeverbot, so sehen wir, wie hier Meinungen aufeinanderprallen, wobei auf beiden Seiten Grundrechte ins Feld geführt werden, oder, anders ausgedrückt, jeder kämpft für eine Ethik, wie er sie versteht. Dies geht so weit, dass von der Jugendorganisation einer Partei mit deutlicher Mehrheit die Abschaffung des Paragrafen 218 StGB, also die Straffreiheit der Abtreibung bis unmittelbar vor Beginn der Eröffnungswehen gefordert wird. Eine öffentliche Empörung darüber blieb aus. Ich sage das eigentlich nur deshalb, um ganz deutlich zu machen, wie unterschiedlich auf diesem fundamentalen Gebiet der Menschenrechte und jedes Lebensrechtes aus Artikel 1 Grundgesetz die Betrachtung führt.

Ich führe das auch deshalb hier an, weil damit deutlich wird, dass eine Verschärfung des Abtreibungsverbotes über die Fristenlösung nach Paragraf 218a StGB hinaus weit und breit nicht in Sicht ist. Das heißt, die allgemein akzeptierte Rechtslage ist die, dass innerhalb der ersten drei Monate nach Beratung hierbei letztlich dann nach Belieben straffrei abgetrieben werden kann. Eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter findet dann also nicht mehr statt. Es entscheidet alleine die werdende Mutter, ganz gleich, welche Gründe sie hat. Das ist einer der anerkannten Eckpunkte, die wir bei der Diskussion nicht aus dem Auge verlieren dürfen, wenn wir die Ethik bemühen und redlich argumentieren.

Ein weiterer Eckpunkt ist der, dass es das natürliche Recht aller Eltern ist,

(Glocke der Vizepräsidentin)

sich ein gesundes Kind zu wünschen, dies in verantwortlicher Weise zu steuern, sei es durch eine humangenetische Beratung oder vorgeburtliche Untersuchungen. Hierzu besteht insbesondere Anlass bei einer erblichen Belastung in der Familie.

Da sind wir bei der Frage, was verantwortbar ist. Bei diesem ethisch-moralischen Diskurs lassen sich leicht Türme der Prinzipien errichten. Diese führen aber nicht weiter. Es kann meines Erachtens nur darum gehen, Linien für eine lebensnahe Bewertung aufzuzeigen. Natürlich soll es keine vorgeburtlichen Untersuchungen geben, um festzustellen, ob ein Kind rote Haare oder abstehende Ohren hat, was möglicherweise nicht den Erwartungen der Eltern entspricht. Es kann nur darum gehen, schwere Behinderungen festzustellen.

Hier wird das Feld für eine Diskriminierungsdebatte eröffnet, die vorwiegend ideologisch und auch manchmal unehrlich geführt wird. Das möchte ich mit der Abschaffung der embryopathischen Indikation im Jahr 1995 unterlegen. Bis dahin war ein Schwangerschaftsabbruch bei embryopathischer Indikation zulässig. Diese stellte einen selbstständigen Abtreibungsgrund dar und kam zum Tragen, wenn mit einer schweren geistigen oder körperlichen Schädigung des Kindes zu rechnen ist. Andererseits in Österreich, wo man an der eugenischen Indikation – die unterschiedlichen Begriffe meinen dasselbe – festhält, wurde diese Indikation dann bei uns formal abgeschafft und in eine medizinisch-soziale Indikation umgewandelt. Danach muss ein Arzt nun feststellen, dass der Abbruch

unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwehren. So wurde der Diskriminierungsdebatte Rechnung getragen, ohne dass sich in der Sache aber etwas geändert hätte, denn eine zu erwartende schwere Behinderung des Kindes wird in der Praxis natürlich als Grund für eine medizinisch-soziale Indikation gesehen.

Man kann Tatsachen nicht schönreden. Ich kenne keine Eltern, die sich nicht einen gesunden Nachwuchs wünschen. Ich kenne auch niemanden, der einen behinderten Menschen wegen dieser Behinderung nicht achtet. Auch die Pränataldiagnostik gibt keine hundertprozentige Sicherheit. Wir wissen alle, dass bei der Geburt und im Leben alles Mögliche passieren kann. Schwere Unfälle können aus jedem noch so gesunden Menschen einen Schwerstbehinderten machen. Es geht also nicht darum, einem behinderten Menschen die Menschenrechte abzusprechen oder diesen als minderwertig anzusehen. Aber die Nichtdiskriminierung von Behinderten und eine unselige NS-Euthanasiepolitik können doch nicht dazu führen, den Eltern vorgeburtliche Untersuchungen zu verbieten und das Austragen geschädigter Embryos zu erzwingen.

Der Einwand, durch die Pränataldiagnostik komme es zu einem Auswahlprozess, der Kinder in lebenswert und nicht lebenswert einteilt, lenkt von der Schicksalsproblematik der Betroffenen ab und verlagert die Diskussion auf eine rein politisch-ideologische Ebene. Belastete Begriffe wie „lebenswert“ und „lebensunwert“ erscheinen mir dabei wie Kampfbegriffe, die der Konfliktsituation der betroffenen Eltern nicht angemessen sind. So einfach kann es sich nur jemand machen, der keine persönliche Erfahrung damit hat, was eine schwere Behinderung eines Kindes bedeutet. Dabei geht es bei Weitem nicht nur um ein Downsyndrom. Es gibt auch noch andere gravierendere Trisomien, beispielsweise Trisomie 18.

Wir sind in meiner Fraktion nicht alle einer Meinung und das ist bei diesem Thema auch gut so. Es gibt auch eine Meinung, die das Lebensrecht der Ungeborenen stärker betont. Natürlich ergeben sich neue Risiken, wenn sich das Wissen über die Gesundheit und weitere Eigenschaften des werdenden Menschen durch vorgeburtliche Bluttests erweitert. Natürlich darf dies nicht schrankenlos geschehen. Soweit es um gravierende Krankheiten geht, kann und darf es jedoch kein Wissensverbot geben. Es ließe sich, wie gesagt, auch niemals durchsetzen.

Es ist nicht auszuschließen, dass sich Eltern, die keine Tests durchführen lassen beziehungsweise sich bewusst gegen einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, dem Vorwurf ausgesetzt sehen könnten, wieso sie nicht abgetrieben hätten, wo doch jetzt die Allgemeinheit für die Kosten aufkommen muss und man das alles hätte vorher feststellen können. Wahrscheinlich macht man sich etwas vor, wenn man meint, dies komplett verhindern zu können. Die Situation besteht allerdings bereits heute, sofern man nicht die bereits üblichen Untersuchungen verbietet. Es ist eine Frage des gesellschaftlichen Klimas, wie wir mit Werten umgehen, aber es kann nicht dazu führen und ist keine Lösung für die Betroffenheit von Eltern in einer bestimmten Situation.

Die Tests werden über kurz oder lang von den Krankenkassen kostenlos angeboten werden, wie es teilweise

schon der Fall ist. Das dürften diejenigen kritisch sehen, die befürchten, dass dadurch die Zahl der Abtreibungen möglicherweise steigt. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob es denn gerecht wäre, dass die Inanspruchnahme eines solchen Tests allein vom Geldbeutel der Schwangeren abhängt.

Fazit: Wir haben es mit einer schwierigen Frage zu tun, die nicht mit dem moralischen Zeigefinger zu beantworten ist. Aus meiner Sicht muss das Recht der Eltern, Wissen über eine etwaige schwere Behinderung ihres noch ungeborenen Kindes zu erlangen, um daraus eigenverantwortlich über einen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden, Vorrang haben vor den Bedenken Nichtbetroffener, dies vor allem, was in der Diskussion meines Erachtens völlig zu kurz kommt, vor dem Hintergrund einer liberalen Abtreibungsfristenregelung, die dazu führt, dass in den ersten drei Monaten nach Belieben abgetrieben werden kann. Das heißt, es geht hier eigentlich nur um die Zeit. Stellt man eine zu befürchtende schwere Behinderung innerhalb dieser ersten drei Monate fest, ist es sowieso kein Problem, dann kann jeder, wie er will. Die neuen Methoden gegenüber den Fruchtwasseruntersuchungen verlagern den Zeitpunkt jedenfalls weiter nach vorn, sodass es in der Regel dann in einer gewissen relativ kurzen Zeit danach ist.

Aber nochmals bitte ich, bei all diesen Erwägungen vom grundsätzlichen Lebenswert/Lebensunwert doch bitte realistisch zu bleiben und sich selbst lieber die Frage zu stellen: Ist der Wunsch nach einem gesunden Kind unredlich? Wer sagt, ja, ich möchte ein gesundes Kind haben und würde im Einzelfall abtreiben, sprechen Sie dem denn ab, wenn er ein Kind mit Downsyndrom beispielsweise bekommen hätte, dass er dieses Kind deshalb nicht lieben würde? Aber wenn Sie ihn rückwärts fragen, dann wären er und die Familie wahrscheinlich in einer anderen Situation, wenn das Kind nicht Mukoviszidose oder ein Downsyndrom hätte. Das heißt, diese Gegenüberstellung halte ich für wirklich ideologisch und nicht der Situation angemessen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Heydorn.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie mich vorwegschicken, dass ich der Meinung bin, dieses Thema im Rahmen einer Aussprache als letzten Tagesordnungspunkt einer Landtagssitzung abends um kurz vor 21 Uhr zu erörtern, finde ich, wie soll ich sagen, ein bisschen ungewöhnlich und der Sache nicht angemessen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Ja, bloß es wird ja irgendwo festgelegt und dann bleiben wir immer noch bei der Aussprache.

Der Titel dieses Tagesordnungspunktes ist der Bundestagsinitiative entnommen, wo Abgeordnete von fünf Parteien gesagt haben, wir wollen dieses Thema politisch diskutieren, ethisch auswerten, Positionen bilden, wir wollen einen Diskurs führen, wo das Für und Wider abgewogen wird, und dann gegebenenfalls zu einem Ergebnis kommen. Ich finde, ein derartiges Vorhaben kriegt

man natürlich jetzt nicht abends um kurz vor neun in einer Antragsaussprache hin.

Wenn man sich das Thema jetzt mal ansieht, „Vorgeburtliche Bluttests – wie weit wollen wir gehen?“: Ich kann Ihnen nicht die Frage beantworten, wie weit wir gehen wollen. Auch innerhalb der SPD-Fraktion gibt es dazu die unterschiedlichsten Auffassungen, die aus den unterschiedlichsten Gründen entstanden sind. Wenn ich jetzt die Frage gestellt kriege, ja, wie sieht es denn bei euch aus, muss ich sagen, na ja, so schnell werden wir das nicht beantworten. Um diese Frage letztendlich zu klären, muss man sich sehr umfassend damit beschäftigen.

Wenn ich das richtig verstanden habe, ist diese Diskussion jetzt entfacht worden durch die Tatsache, dass der Gemeinsame Bundesausschuss ein Bewertungsverfahren initiiert hat, ob nicht invasive Pränataltests letztlich zu verlässlichen Ergebnissen kommen, wenn es darum geht, bestimmte Erbkrankheiten sicher zu erkennen. Da kommt das beauftragte IQWiG-Institut zu dem Ergebnis und sagt, ja, da kommt man zu validen Ergebnissen. Was die nur gemacht haben, ist, sie haben eine medizinisch zuverlässige Betrachtung dieser Verfahren vorgenommen. Die haben sich überhaupt nicht ethisch damit auseinandergesetzt. Der Vorsitzende des G-BA, Professor Hecken, weist natürlich völlig zu Recht darauf hin, dass das Gegenstand von einer ethisch-politisch zu führenden Debatte ist, die man dann tunlichst doch führen sollte.

Ich kann mich persönlich erinnern, ich hatte vor ungefähr 15 Jahren, als das Thema „Molekulare Gentests“ richtig ins Rollen kam, ein Gespräch mit einem Vater eines von Behinderung betroffenen Menschen, der gesagt hat, ja, das wird bei uns ganz heiß diskutiert und die Behinderten selbst sind sehr skeptisch, was diese Tests angeht, weil sie argumentieren und sagen, ja gut, also wenn es das damals schon gegeben hätte, dann gäbe es mich ja wahrscheinlich gar nicht. Also das ist eine ernstzunehmende Sicht.

Wenn man sich jetzt den Diskussionsverlauf insoweit anguckt, habe ich festgestellt, dann geht es um die Eltern und welche Belastung ein behindertes Kind da mit sich bringt. Aber was zum Beispiel bisher überhaupt nicht erfolgt ist, ist, dass man die Sichtweise der von Behinderung Betroffenen mit einbindet, dass Menschen, die beispielsweise vom Downsyndrom betroffen sind, ihre Lebensziele, ihre Lebensgefühle in diese doch sehr wichtige Diskussion einbringen können. Oder wie geht es Eltern, die heute Kinder haben mit Downsyndrom? Auch da ist mal wichtig zu erfahren, ja, wie stellt sich denn das Leben dar, wie groß ist denn die Belastung tatsächlich, wie wird diese Belastung letztlich empfunden und wie hätten sie sich gegebenenfalls entschieden zum Zeitpunkt der Schwangerschaft, wenn diese molekulargenetischen Untersuchungsmethoden schon zur Verfügung gestanden hätten.

Ich muss Ihnen sagen, das sind jetzt ein paar Anmerkungen von mir. Ich finde, weiter kann man dieses Thema hier auf diese Art und Weise bei uns im Landtag nicht betreiben. Ich finde, jeder tut gut daran, wenn er das Interesse daran hat, sich über seine Möglichkeiten ganz grundsätzlich in diese Diskussion einzubringen und zu gucken, wie ist seine Haltung, was vertritt er, was kann er nicht vertreten.

Wenn ich das richtig sehe, ist es heute schon so, dass die Anzahl von Kindern, die mit dem Downsyndrom geboren werden, stark rückläufig ist. Da findet schon Selektion statt. Mich macht das, wie soll ich sagen, zumindest gespalten. Ich könnte nicht sagen, in welche Richtung ich heute da die Hand heben würde und was da wirklich der richtige Weg ist. Ich glaube, dazu muss man sich damit deutlich intensiver auseinandersetzen.