Wenn ich das richtig sehe, ist es heute schon so, dass die Anzahl von Kindern, die mit dem Downsyndrom geboren werden, stark rückläufig ist. Da findet schon Selektion statt. Mich macht das, wie soll ich sagen, zumindest gespalten. Ich könnte nicht sagen, in welche Richtung ich heute da die Hand heben würde und was da wirklich der richtige Weg ist. Ich glaube, dazu muss man sich damit deutlich intensiver auseinandersetzen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich anschließen an die nachdenkliche Diskussion und die Redebeiträge, die hier gehalten wurden.
Als das Thema bekanntgemacht wurde, hatte ich zunächst Frau Weißig nach Hintergründen gefragt und erfahren, wie wichtig Ihnen das Thema ist. Ich habe seither einen Heidenrespekt vor diesem Tagesordnungspunkt, weil in der Tat zutiefst ethische Fragen hier eine Rolle spielen, Dinge, die mit der persönlichen Erfahrungswelt einhergehen.
Wir haben sehr ernsthaft darüber bei uns in der Fraktion diskutiert, auch auf Arbeitsebene. Über einige Dinge, zu denen wir uns verständigt haben, würde ich ganz gerne noch sprechen, aber genauso wie bei Ihnen, ist die Diskussion zu diesem Thema bei uns keineswegs abgeschlossen. Die Emotionen gehen hoch. Ich habe mir vorgenommen, als ich den Redebeitrag von Frau Weißig gehört habe, ihn noch mal nachzulesen. Frau Larisch hielt mich zurück, weil ich schon eskalierte. Da war von Kostenfaktor die Rede. Ich hoffe, wir können uns unbedingt darauf einigen, Menschen sind keine Kostenfaktoren, sondern sie sind wertvoll.
Dann bin ich wieder sehr bei Ihnen, Frau Weißig, wenn Sie sagen, niemand, keine Mutter und kein Vater sollen sich dafür rechtfertigen müssen, wenn sie ein Kind mit einem Handicap an ihrer Seite haben, in ihrer Familie haben. Im Übrigen widerspräche das auch einem der Grundrechte unseres Grundgesetzes, nämlich dem des Verbots der Diskriminierung.
Sie haben das Thema „Vorgeburtliche Bluttests – wie weit wollen wir gehen?“ gewählt und genau das ist – Herr Heydorn sagte es – der Text einer Denkschrift, einer Anregung von Abgeordneten verschiedener Bundestagsfraktionen aus CDU, SPD, GRÜNE, DIE LINKE, also über Fraktionsgrenzen hinweg. Sie haben sich nicht festgelegt, sie haben ebenfalls Nachdenklichkeit gezeigt, sie haben angeregt.
Eine der Unterzeichnerinnen, eine GRÜNEN-Politikerin, hat deutlich gemacht, dass hinter der Frage, sollen vorgeburtliche Bluttests zur Bestimmung von genetischen Auffälligkeiten von den Krankenkassen finanziert werden, eine ganze Reihe zutiefst ethischer Fragen stehen, aber auch ganz lebenspraktische. Drei hat sie genannt:
Verfolgt die nicht invasive Pränataldiagnostik an sich einen eugenischen Ansatz, was ein Verbot nach sich ziehen müsste? Darüber gilt es nachzudenken.
Sollen Testverfahren, denen keine Therapie folgen kann und die somit keinen medizinischen Nutzen haben, zulasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden können?
Bekanntlich verfügen wir in unseren Erbanlagen im Zellkern über 23 Chromosomenpaare. In ihnen sind 6,4 Milliarden Erbinformationen als Buchstaben bezeichnet verpackt. Moderne Medizintechnologie ist in der Lage, diese Informationen auf Auffälligkeiten auszulesen. Führten vormals Eingriffe an der Mutter beziehungsweise dem werdenden Kind zu gesundheitlichen Gefahren, häufig gar zu Fehlgeburten, können genetische Eigenschaften heute im Wege einer Blutentnahme oder eines Speicheltests ermittelt werden.
Der Gemeinsame Bundesausschuss, von dem hier die Rede war, hatte im Juni 2016 einen Auftrag ausgelöst an das hier bereits erwähnte Institut. Diese Gentests sollten bewertet werden. Sie haben sich im Grunde genommen auf Trisomien, also eine ganz bestimmte Auffälligkeit, letztlich kapriziert und sind Ende Juni vergangenen Jahres zu der Erkenntnis gekommen, bei dem sogenannten Downsyndrom lässt es sich mit Sicherheit vorher feststellen, in den anderen Fällen, Trisomie 18, das sogenannte Edwards-Syndrom, das geht mit hoher Sterblichkeit einher, oder Trisomie 13, das Pätau-Syndrom, kann nicht robust ermittelt werden. Folglich haben sie vorgeschlagen, zur Trisomie 21, dem Downsyndrom, eine Kassenzahlung zumindest im Wege einer weiteren Prüfung – da gibt es ein entsprechendes Vorverfahren, ein Methodeverfahren – in die Wege zu leiten.
Kritik an dieser Absicht kommt von verschiedenen Seiten. Sehr prominent dabei ist die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, von vielen sehr geschätzt, von mir im Übrigen auch. Sie sagt, die Einführung als Kassenleistung käme einer „Reihenuntersuchung“ gleich. Sie wäre die „Aufforderung“, „systematisch nach Menschen mit Downsyndrom zu suchen“. Herr Heydorn sprach davon. In der Tat, las ich, gibt es Rückgänge von circa 50 Prozent, dort, wo das ermittelt werden konnte. „Das bedeutet“, sagt Frau Ulla Schmidt weiter, „für mich in der Konsequenz, dass ein Leben mit Downsyndrom als lebensunwert gesehen wird.“ Das ist die Schlussfolgerung, die sie zieht.
Wir haben uns auf fachpolitischer Ebene bei uns in der Fraktion darüber eine Meinung gebildet. Wir teilen, auch ich teile die Auffassung von Ulla Schmidt an dieser Stelle nicht, denn:
Zweitens. Vorgeburtliche Bluttests als Kassenleistung in einen Vergleich mit Reihenuntersuchungen zu bringen, halten wir für nicht angemessen.
Drittens. Die Identifikation eines Downsyndroms führt nicht automatisch, wie in der Aussage unterstellt, zu einer Abtreibung.
Es ist doch durchaus möglich, dass Mütter und Väter gemeinsam oder die Mütter sagen, wir wissen darum, wir möchten aber das Kind. Die Anwendung dieser Methode würde die Chance geben, sich darauf vorzubereiten, sich damit auseinanderzusetzen, sich Informationen zu holen, ein System der Hilfe, Begleitung, Unterstützung, wenn es gewünscht ist, aufzubauen.
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist, wie das hier mehrere schon sagten, nicht einfach zu bewerten. Ich möchte ein paar Punkte nennen, auf die wir als LINKE uns verständigt haben, und da sind wir eineindeutig in der Positionierung.
Ein erster Punkt. Wir setzen uns für das uneingeschränkte Recht von Frauen ein, über eine Schwangerschaft selbst zu entscheiden.
Und wir sind gegen jegliche Diskriminierung – ich wiederhole das noch mal – von Menschen mit Behinderungen.
Ein dritter Punkt. Wir wollen, dass die im Gendiagnostikgesetz geregelte Pflichtberatung für pränatale Diagnostik neu geregelt werden muss, dies auch vor dem Hintergrund des Befundes des Deutschen Ethikrates.
Der Deutsche Ethikrat hat zwei umfangreiche Stellungnahmen erarbeitet, die kann ich übrigens nur empfehlen, die sind sehr interessant und lesenswert. Aus einer der Stellungnahmen, und zwar „Die Zukunft der genetischen Diagnostik – von der Forschung in die klinische Anwendung“ aus dem Jahr 2013, möchte ich kurz zitieren. Dort heißt es mit Blick auf vorgeburtliche Bluttests auf der Seite 48: „Dies eröffnet technisch für die Zukunft auch die Perspektive, dass pränatal eine breite nichtinvasive genetische Diagnostik durchgeführt werden kann, die gleichzeitig nach Aneuploidien und allen möglichen auf einzelnen Genorten befindlichen Krankheitsanlagen sucht und dabei“, und jetzt wird es spannend, „zusätzlich zahlreiche, nicht unmittelbar medizinisch relevante Eigenschaften des zukünftigen Kindes auffindet.“
Das ist nämlich der Punkt und darüber muss man auch reden, wenn wir uns mit dem Thema befassen, weil es durchaus medizintechnologisch die Möglichkeit gibt, was ja öfter mal so heißt, man kann die Kinder dann von der Stange, blond, blauäugig, männlich …
Und weil das möglich und auch eine zutiefst ethische Frage ist, darüber zu befinden, ist es notwendig, sich mit solchen Fragen auseinanderzusetzen.
Ein weiterer Punkt, der damit zusammenhängt – und deshalb begrüßen wir die von den Linksabgeordneten
Vogler und Weinberg initiierte Debatte, die auch die Überschrift unserer heutigen Diskussion hier trägt, sie soll als Orientierungsdebatte im Übrigen noch vor Ostern stattfinden –, wenn wir das Thema weiter mitbegleiten wollen, dann ist das ebenfalls etwas, was uns zeitnah wieder beschäftigen sollte.
Zur Frage der Kassenleistung haben wir uns auch verständigt. Frau Weißig hat Ihre Position deutlich gemacht. Wir sagen Ja zur Kassenleistung, aber nicht verpflichtend. Warum sagen wir das? Weil, wenn es keine wäre, diese Möglichkeiten der Tests gibt es sowieso. Sie sind käuflich, 200 bis 300 Euro der Test. Für einige, nicht wenige, dürfte das schon mal eine soziale Hürde sein. Wir wollen aber nicht, dass es soziale Hürden in dieser Frage gibt. Insofern ist es eine Überlegung, die Kassenleistung hier regulär zu implementieren.
Wir sprechen uns deutlich, damit komme ich zum Schluss, für eine strukturelle und personelle Stärkung der Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatung im eigenen Land aus, denn, wenn wir über all das reden, Fragen haben junge Menschen, reifere Menschen allemal zu diesem Thema – aus persönlicher Betroffenheit, aus einem Interesse an diesem Themengebiet. Es ist wichtig, dass man Aufklärung erhält. Es ist wichtig, jemanden zu wissen – wir hatten das in einem anderen Tagesordnungspunkt zu der ernsten Frage der Opferberatung auch –, es ist immer wichtig, dass man weiß, wo man Hilfe und Unterstützung bekommt, die dann auch noch kompetent ist und kundig.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich hoffe, wir werden weiter in der Diskussion zu diesem Thema bleiben. Ich bedanke mich bei Ihnen allen für das Zuhören.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie es um eine Gesellschaft bestellt ist, zeigt sich aus meiner Sicht nicht nur am Umgang mit den Toten, sondern auch im Umgang mit ungeborenem Leben, das möchte ich gern der Diskussion voranstellen.
Es ist eines der Themen, die mich schon sehr früh umgetrieben haben. Ich möchte Ihnen auch sagen, warum. Als ich noch gar nicht daran gedacht habe, mich jemals politisch zu engagieren, Anfang der 90er-Jahre, wo ich wirklich noch ein kleiner Steppke war, gehörte mein Vater zu den Bundestagsabgeordneten, die seinerzeit in Karlsruhe gegen die Fristenregelung geklagt haben. Ich habe natürlich damals mitbekommen, wie kontrovers das Thema gerade hier im Osten diskutiert wurde, gerade auch im Familien- und Freundeskreis, und das bewegt dann schon. Deswegen, losgelöst mal von der Frage, wann wir die Debatte führen, ich finde es wichtig, dass wir die Debatte hier führen, auch mit welcher Sachlichkeit wir sie führen, denn es ist ein zutiefst ethisches Thema, wo es, glaube ich, auch jetzt keinen Fraktionszwang oder -druck an der Stelle geben darf.
„Vorgeburtliche Bluttests – wie weit wollen wir gehen?“ lautet die Überschrift. Das ist in der Tat die Überschrift des gemeinsamen Positionspapiers von zehn Bundestagsabgeordneten. Das ist auch eine Debatte, wo, denke
ich, jeder seine persönliche Erfahrung mit eingebracht hat. Ich glaube, bei denjenigen, wo das Elternwerden etwas länger zurückliegt, gab es viele technische und medizinische Möglichkeiten noch nicht, aber ich durfte das jetzt zweimal erleben. Ich sage Ihnen ganz offen und ehrlich, wenn es um solche Untersuchungen wie Feindiagnostik et cetera geht, hat man schon weiche Knie, und das nicht, weil es darum geht, ob man nun die blauen oder die rosa Strampler kaufen muss, sondern die entscheidende Frage ist, ist das Kind, was dort im Bauch wächst, gesund. Von daher bin ich froh, dass ich vor dieser Frage bisher nicht stehen musste, das sage ich an der Stelle auch ganz klar und deutlich.
Die Diskussion, die auf Bundesebene dort jetzt läuft, die Kollegen haben es zum Teil schon angesprochen, ich möchte nicht alles wiederholen, ist die Frage, die vom G-BA dort aufgeworfen wurde, ob die Leistung, die es seit 2012 gibt, die Schwangere bisher selbst bezahlen müssen, in die Regelungen der Kassen mit aufgenommen werden soll oder nicht. Die Gefahr, die viele sehen, ist dabei, dass das dann Standarduntersuchung wird, wie viele andere Dinge auch, und dass sich damit ebenfalls die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche erhöht.
Wir als CDU haben zum Thema „Schutz des ungeborenen Lebens“ eine sehr klare Position. Wer einen Blick in unser Grundsatzprogramm wirft – wir diskutieren gerade ein neues, aber das alte ist auch noch nicht allzu alt, aus dem Jahr 2007 –, dort ist ganz klar geschrieben, ich zitiere: „Das noch nicht geborene Leben bedarf beginnend mit der Verschmelzung von Samen und Eizelle unseres besonderen Schutzes und unseres kritischen Umgangs mit den sich weiter entwickelnden Möglichkeiten der Pränataldiagnostik.“
Mit den hohen Abtreibungszahlen, die sich auch aus Spätabtreibungen ergeben, finden wir uns nicht ab. Wir müssen Frauen und Männern dabei helfen, sich für das Leben zu entscheiden. Ich glaube, das ist hier ein ganz wichtiger Punkt, den möchte ich für uns noch einmal unterstreichen, denn, wenn wir uns – es geht zwar heute nicht so sehr darum, aber ich finde, das gehört auch zur Debatte – mal die Situation hier in Mecklenburg-Vorpommern anschauen: 2017 wurde jede sechste Schwangerschaft abgebrochen und es kamen auf 1.000 geborene Kinder 207 Schwangerschaftsabbrüche. Das hat viele, viele Ursachen, darüber können wir jetzt lange diskutieren. Das zeigt doch, finde ich, dass das ein Thema ist, was zu diskutieren ist und wo wir uns Gedanken machen müssen, wie wir junge Eltern ermutigen, losgelöst von der Frage, ob das Kind eine Erkrankung hat oder nicht, sich wieder mehr für das Leben zu entscheiden.
Ich denke, ein wichtiger Punkt – und der ist mir auch ein bisschen zu kurz gekommen, da bin ich dem Kollegen Heydorn dankbar, dass er das mit reingebracht hat in die Debatte – ist, auch mal aus der Sicht der Menschen mit Behinderungen das ganze Thema hier zu diskutieren. Die Meinung der Behindertenverbände ist da relativ klar. Ich weiß, unser Parteifreund Hubert Hüppe, vier Jahre auch Behindertenbeauftragter der Bundesregierung, wirklich parteiübergreifend ein Fachmann bei dem Thema, hat eine ganz klare Position. Er lehnt die Ausweitung dieser Downsyndrom-Tests auch an der Stelle ab, gerade mit Blick auf Behinderte.
Meine Sorge, und damit will ich zum Schluss kommen, ist wirklich, dass man irgendwann vielleicht mal, ich will jetzt