Protokoll der Sitzung vom 14.03.2019

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Gleichstellung ist aber keine Gleichberechtigung.)

Insofern lohnt es sich wirklich, noch mal einen Blick in einzelne Bestandteile der Istanbul-Konvention zu werfen. Da geht es um Nachstellung, um sexualisierte Gewalt, um Vergewaltigung und Genitalverstümmelung. Da geht es auch – und es wundert mich, dass das Herr Professor Weber nicht als Allererstes genannt hat – um geschlechtsspezifische Verfolgung zur Anerkennung als Flüchtlingseigenschaft. Das ist uns alles vorgegeben.

Wenn wir in die einzelnen Punkte und Paragrafen mal hineinschauen und uns dann die Realität in MecklenburgVorpommern hernehmen, werden wir bei nüchterner Betrachtung feststellen müssen, dass es an vielen Stellen noch Handlungsbedarfe gibt. Das aufzuzeigen, war Anliegen unseres Antrages. Ich kann Ihnen versichern, dass wir weiter auch in dieser Hinsicht arbeiten werden, diese Themen auf die Tagesordnung zu setzen. Mir ist klar, dass dann gesagt wird, ja, Mensch, ist doch gut, ihr seid fleißig und jede Landtagssitzung, aber eigentlich brauchen wir es ja nicht, weil wir sind schon auf dem Weg. Also die Argumentation kannte ich schon aus der Großen Koalition von 1994 bis 1998, damals unter Führung der CDU und jetzt in den zurückliegenden Jahren durch die Großen Koalitionen unter Federführung der SPD. Das ist für mich nichts Neues, aber es schreckt mich auch nicht ab, die Themenfelder immer wieder auf die Tagesordnung zu setzen.

Der nächste Punkt wird sein, wenn wir uns mit dieser Frage auseinandersetzen, die Diskussion zur Novelle des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes. Da wird sich der eine oder andere fragen, ja, was hat das jetzt mit dem Thema „Häusliche und sexualisierte Gewalt“ zu tun. Sehr viel. Da gibt es schon die ersten Stellungnahmen zum Gesetzentwurf und Bitten, zum Beispiel von der Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking aus Rostock, wo man sich speziell mit dieser Frage auseinandersetzt und Erwartungshaltungen an das Parlament formuliert.

Eine Erwartungshaltung, um die Situation bei der Auseinandersetzung mit häuslicher und sexualisierter Gewalt voranzubringen, ist der Vorschlag, ich zitiere da mal aus dem Schreiben: „Wir schlagen eine Arbeitsgruppe unter Mitwirkung einer Vertreterin der Interventionsstellen, der Koordinierungsstelle CORA, der Frauengruppe der Gewerkschaft der Polizei sowie ExpertInnen aus der polizeilichen Praxis, wie Schutzpolizei, Kriminalpolizei, vor, um die Dinge, die in der Gesetzesnovelle zum SOG im Zusammenhang mit häuslicher und sexualisierter Gewalt, hier insbesondere unter dem Blickfeld der Datenübermittlung als Bestandteil der Gefahrenabwehr bei der Be

kämpfung von häuslicher und sexualisierter Gewalt, vorgeschlagen werden...“

Das sind Interessenbekundungen aus dem gesellschaftlichen Bereich, die uns an die Hand gegeben werden, die vor allen Dingen für uns, die wir die Möglichkeit haben, an dem Gesetzestext mitzuwirken, sehr wichtig sind. Wir werden das früher oder später auch hier dann gemeinsam miteinander thematisieren.

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bedanke mich mit Ausnahme der AfD-Fraktion und des fraktionslosen Abgeordneten, die mich mit ihrer Argumentation nun überhaupt nicht überrascht haben, für die sachliche Debatte, für die Herangehensweise bei diesem wichtigen Thema. Ich habe die Hoffnung, dass wir hier in diesem Abschnitt des Plenarsaals bei dieser wichtigen Frage weiter gemeinsam vorankommen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/3243. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzei- chen. – Danke schön. Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/3243 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, ansonsten Gegenstimmen abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 23: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Geschlechtersensible Arbeit mit Geflüchteten verstärken, auf Drucksache 7/3242.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Geschlechtersensible Arbeit mit Geflüchteten verstärken – Drucksache 7/3242 –

Das Wort zur Begründung des Antrages hat für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Larisch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zitat: „Die große Herausforderung bleibt es, Migrations-, Geschlechter- und Sozialpolitik gleichzeitig zu denken und zu gestalten. Hierfür braucht es Ressourcen für die Haupt- und Ehrenamtlichen und einen empathischen Blick in Politik und Gesellschaft.“ Zitatende. Dieses Zitat ist aus dem Fazit des dreijährigen Modellprojektes movemen des Bundesforum Männer, welches die Situation männlicher Geflüchteter erforschte, mit Menschen arbeitete und daraus Forderungen und Notwendigkeiten ableitete.

Werte Kolleginnen und Kollegen, die Bedürfnisse der Menschen sind überall auf der Welt gleich:

(Burkhard Lenz, CDU: Nein!)

Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung, selbst für Nahrung sorgen, selbst für Wohnraum sorgen, selbst für die Familie sorgen, selbst wählen, wo und mit wem wir leben. Die Bedarfe der Menschen, um sich das Bedürfnis der Selbstbestimmung zu erfüllen, sind dennoch sehr

unterschiedlich. Um diesen unterschiedlichen Bedarfen gerecht zu werden, hin zu einer inklusiven Gesellschaft, müssen wir die Bedarfe benennen, müssen wir den Blick reflektiert auf Einzelne und auch bestimmte Gruppen lenken. Nennen Sie es ruhig Klientelpolitik, wir nennen es Notwendigkeit und Vorbeugung gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Eine sensible, gerechte und reflektierte Gesellschaft erkennt, was ein Mensch braucht. Wenn er es nicht bekommt, erkennt sie, warum, und sie verändert sich für eine einhundertprozentige Teilhabe aller Menschen.

Heute fordern wir, den Blick in Richtung geschlechtersensible Arbeit mit Geflüchteten zu schärfen. Warum? Die Zuschreibungen für weibliche Geflüchtete: Schleierzwang, alle sind unterdrückt, die erfahren doch nur Gewalt, sie müssen sich immer nur um Kinder und Haushalt kümmern und sie wurden auch noch von ihren Männern alleingelassen. Die Zuschreibungen für männliche Geflüchtete: Die sind alle gewalttätig, die sind eine Gefahr für unsere Gesellschaft, die sind doch da alle rückständig, alle sind kriminell und es sind auch noch Unterdrücker. Diese Stigmata, diese rassistischen und sexistischen Zuschreibungen sind verletzend. Es zermürbt, nicht nur das auslösende Ereignis der Flucht, sondern auch der Dauerbeschuss durch Nichtwahrnehmung, Diskriminierung und Missachtung sind traumatisierend. Sequenzielle Traumatisierung nennt man das in der Psychologie.

Und ja, es ist eine Herausforderung für unsere Aufnahmegesellschaft. Und darum, liebe Kolleginnen und Kollegen, heute und hier unsere Forderungen:

geschlechtersensibel, geschlechterreflektiert die Be

darfe und Schutzbedürftigkeit Geflüchteter bei der Unterbringung und der Betreuung zu berücksichtigen,

die Genderkompetenz der Fachkräfte in der Arbeit mit

Geflüchteten zu stärken,

die genderreflektierte Begleitung von Geflüchteten im

Rahmen der Jugendhilfe, der Kinder- und Jugendarbeit sowie der sozialen Arbeit mit Erwachsenen sicherzustellen,

Mentoring-Programme einzuführen und zu befördern,

um Geflüchtete mit dem Ziel der bestmöglichen Orientierung und Förderung in der Integration zu unterstützen.

Die Phase der Aufnahme sowie der Orientierung in die Aufnahmegesellschaft ist voller Herausforderungen.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Allein die unbekannten Strukturen, die Vorgänge bei Behörden und Mentalitäten stoßen die Geflüchteten häufig vor den Kopf.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Das gelernte gesellschaftliche Verständnis, das Rollenverständnis und das einst geplante Lebensmodell im Herkunftsland sind in Deutschland vollends infrage gestellt.

(Zurufe von Horst Förster, AfD, und Holger Arppe, fraktionslos)

Flucht erfolgt in der Regel ungeplant. Oft wird das alte Leben abrupt abgebrochen, es ist oft noch unklar, wo die Reise endet, alles bisher Gelernte und auch die eigene Identität werden immer wieder auf die Probe gestellt. Hier müssen wir anpacken und Angebote schaffen,

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

die geschlechterreflektierende Sicht und Herangehensweise forcieren und befördern. Vor allem für die anteilig große Gruppe der jungen Menschen müssen im Bereich des Übergangs

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

vom Jugend- ins Erwachsenenalter Angebote geschaffen, ausgebaut und institutionalisiert werden, Modellprojekte sollen initiiert sowie konkrete Strukturen geschaffen und koordiniert werden. Die Begleitung und Unterstützung junger Asylbewerber/-innen und Geflüchteter, der Jugendsozialarbeit und der Jugendhilfe darf eben nicht mit dem 18. Lebensjahr enden, sondern muss in der Regel bis einschließlich des 26. Lebensjahrs erfolgen. Jugend- hilfeplanung, sozialraumorientierte Jugendarbeit, fallübergreifende Projekte für Prävention, lebensweltbezogene Unterstützung, Gruppen- oder Gemeinwesenarbeit können dafür genutzt werden. Integration verstehen wir nämlich nicht als wechselseitigen Prozess der gegenseitigen Annäherung von Zugewanderten und Geflüchteten,

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Sondern?)

sondern …

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Von Ihnen?

(Horst Förster, AfD: Ich höre zu, ja. Machen Sie mal! – Dr. Ralph Weber, AfD: Wir sind ganz Ohr.)

Sie sind ganz Ohr? Okay.

... sondern es ist eine Aufgabe der Herkommenden und der Aufnahmegesellschaft. Es ist nicht...

(Dr. Ralph Weber, AfD: Sicherlich nicht! Sicherlich nicht!)

Sicherlich doch, Herr Professor Weber.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Sicherlich nicht!)

Wir beantragen eine Überweisung in den Sozialausschuss,