Protokoll der Sitzung vom 25.01.2017

Deutschland verwandelt sich mit Riesenschritten in ein einziges Gewerbegebiet. Dafür werden jährlich circa 200.000 Fledermäuse und 500.000 Vögel durch Windräder erschlagen, da wird durch Offshorewindparks die Ausrottung der letzten Schweinswale in Kauf genommen und dann den Fischern die Schuld in die Schuhe geschoben. Die Energiewende zerstört unsere Umwelt und deutsche Heimat, sie vernichtet die Naturräume, die dieses Land so unverwechselbar und einmalig machen. Sie wird somit zum Totengräber deutscher Kulturlandschaften und Identität und somit auch zu einem Sargnagel europäischer Vielfalt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Die AfD setzt sich für Vielfalt ein! Das ist ja genau so ein Witz.)

Sie haben einen Amoklauf gegen die Natur und gegen die ökologische Vernunft gestartet, was jeglichen Respekt vor der Schöpfung vermissen lässt. Dabei hatte der gigantische Energiewendezauber zu keiner erwähnenswerten CO2-Einsparung geführt. Das Opfer der Natur …

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Tilo Gundlack, SPD)

… ist somit völlig umsonst gebracht und Ihr …

Herr Abgeordneter, ich mache Sie darauf aufmerksam – und da Sie das ausdrücklich auch so gesagt haben in Ihrer Rede –, in Paragraf 66 unserer Geschäftsordnung ist die Aktuelle Stunde geregelt. Im Absatz 4 heißt es im vorletzten Satz, und ich darf zitieren: „Die Verlesung von Erklärungen oder von Reden ist unzulässig.“

(Vincent Kokert, CDU: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ralf Borschke, AfD: Das war eine Tatsachenfeststellung und keine Erklärung. – Zurufe von Dr. Ralph Weber, AfD, und Vincent Kokert, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist nicht zulässig, die Bemerkungen aus dem Präsidium zu kommentieren. Das gilt für alle.

Das Wort hat jetzt der Energieminister Herr Christian Pegel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte mich auf eine rationale, faktenbasierte Diskussion eingestellt

(Heiterkeit bei Tilo Gundlack, SPD – Peter Ritter, DIE LINKE: Ja. – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Tja.)

und muss Sie jetzt ein bisschen enttäuschen, ich werde das nicht toppen können.

(Heiterkeit und Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Aber nun zu den beiden fetten Überschriften, die die Aktuelle Stunde postuliert, erstens „Gefahren durch Windkraftanlagen“ und zweitens „Risiken … der Energiewende“ mit im Übrigen an den Haaren herbeigezogenen Vogel- und Fledermauszahlen, die angeblich sterben. Das ist die Überschrift dieser Aktuellen Stunde, kein Wort zu Chancen, kein Wort zu Erfolgen, kein Wort zu Arbeitsplätzen und Wertschöpfung in diesem Land Mecklenburg-Vorpommern.

(Ralf Borschke, AfD: Doch!)

Und all das prägt die Energiewende in diesem Land: Chancen, Erfolge, Arbeitsplätze und Wertschöpfung.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Thomas Krüger, SPD: Genau so.)

Die Energiewende ist eines der zentralen Zukunftsprojekte in Deutschland. Wir stehen dabei für eine künftige Energieversorgung, die vorwiegend auf erneuerbaren Quellen aufbaut und immer weiter zunimmt.

(Zuruf von Ralf Borschke, AfD)

Wir wollen nach Fukushima bis 2022 raus aus der Kernenergie mit breitester Zustimmung der Menschen in dieser Bundesrepublik Deutschland, meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Und was Sie postfaktisch für Lüge halten, sei dahingestellt. Wenn Sie heute die „Ostsee-Zeitung“ wenigstens versucht haben zu lesen,

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Kann er nicht. – Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

werden Sie festgestellt haben, auch in MecklenburgVorpommern teilen zwei Drittel die Energiewende in diesem Land und halten sie für richtig. Das ist wahrscheinlich auch eine Lüge.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Vincent Kokert, CDU: Jawoll!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann mir schwer vorstellen, dass wir ernsthaft darüber diskutieren wollen, ob eine Windkraftanlage ein höheres Gefahrenpotenzial birgt als ein Kernkraftwerk.

(Heiterkeit bei Jochen Schulte, SPD: Nicht bei Herrn Borschke.)

Das gilt auch trotz des Versagens einer Windkraftanlage in der Gemeinde Süderholz, das wird uns heute Nachmittag noch beschäftigen.

Windkraftanlagen haben im Übrigen bei einem solchen Unfall einen „kleinen“ Vorteil: Das Gelände um diese havarierte Anlage kann hinterher von Menschen weiterhin betreten werden, wir können die Folgen beseitigen und für das Vermeiden weiterer solcher Vorkommnisse in der Zukunft Vorsorge treffen. Dafür haben – im Übrigen als Vorgriff auf den heutigen Nachmittag – die zuständigen Behörden auf zweierlei Weise bereits gesorgt: Sie haben zum einen die Ursachenermittlung durch einen Sachverständigen angeordnet und bis zur Ermittlung der Ursache hat das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt nach vorangegangener Androhung über die unverzügliche Abschaltung aller 20 Windenergieanlagen des betroffenen Herstellers, die noch stehen, im dortigen Windpark verfügt, so lange, bis die Schadensursache zweifelsfrei geklärt ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt also gute Gründe für die Energiewende in Deutschland. Zum einen ist das der Ausstieg aus der Kernenergie, bei deren Nutzung im Übrigen – das nur am Rande erwähnt – eine entscheidende, aber vor allem geldverschlingende Frage bis heute noch nicht geklärt ist: Was tun wir eigentlich mit den Abfällen? Als Mitglied der Endlagerstandortsuchgesetzkommission habe ich sicherheitshalber die Nullen der Milliardenbeträge mehr als einmal nachge

zählt, die dort im Raum standen. Diese Zahlen galten meistens nur für die ersten 100 bis 150 Jahre bei notwendigen Einlagerungs- und Verschlusszeiten von einer Million Jahren und mehr. Wenn wir aus diesen mehr als guten Gründen aus der Kernenergie aussteigen, brauchen wir dafür Ersatz und diesbezüglich scheiden mittelfristig Kohlekraftwerke und längerfristig auch Gaskraftwerke aus.

Ich weiß und ich habe es gerade wieder gehört, dass – und das habe ich in den 80er-Jahren schon mal erlebt – zwischenzeitlich mancher wieder am Klimawandel an sich zweifelt, und zwar an den menschlichen Einflüssen darauf. Das kann man ja gerne tun, ich glaube, man nennt so was neudeutsch dann alternative Fakten. Das scheint ja in zu sein. Absolute Beweise – da haben Sie recht – werden wir an so einer Stelle kaum bekommen. Nur ein paar Gefühlseindrücke: zwei Jahrtausendhochwasser an der Elbe in meinen bisherigen 43 – nicht 43.000! – 43 Lebensjahren,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

gefühlt kein Monat in den letzten Jahren mehr, der nicht der nässeste, kälteste, wärmste, heißeste, trockenste, schneeärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnung war, und die Wetteraufzeichnungen wurden begonnen in den 1880er-Jahren. Das spricht sehr dafür, dass die breit vertretene wissenschaftliche Auffassung des erheblichen Einflusses des Menschen auf den Klimawandel deutlich wahrscheinlicher ist, als diesen Einfluss schlicht zu verneinen.

Natürlich ist es viel anstrengender, sich dem Klimawandel zu stellen, als ihn einfach zu bestreiten. Das Energieerzeugungssystem umzubauen, ist eine Riesenbaustelle. Sie kostet Aufwand, sie kostet zweifelsfrei Geld und sie braucht neue Ideen. Vielleicht muss man regelmäßig kleinen Kindern begegnen, um zu wissen, warum man das tut. Das tun wir weniger für uns, für diese Generation, sondern vor allen Dingen für die Kinder und Kindeskinder. Und wer wie ich regelmäßig morgens im Kindergarten oder in der Schule in Dutzende Kinderaugen schaut, der weiß dann auch, warum es sich lohnt, sich um diese Aufgabe zu kümmern. Ich glaube, es geht weiter: Wir haben sogar die Pflicht, uns im Interesse dieser Generation genau darum zu sorgen und zu kümmern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Energiewende spielt für Mecklenburg-Vorpommern aber neben diesen bundesweiten Themen und Gründen noch eine ganz andere, eine besondere Rolle. Für unser Land ist der Ausbau der erneuerbaren Energien vermutlich eine der größten wirtschaftspolitischen Chancen auf Reindustrialisierung. Die Studie des HIE-RO, eines An-Institutes der Universität Rostock, aus dem Januar 2015 zeigt deutlich, dass in den vorangegangenen Jahren die vorhin schon angesprochenen und kritisch geäußerten 14.000 bis 15.000 neuen Arbeitsplätze entstanden sind. Das ist ein Riesenerfolg für die Wirtschaft dieses Landes und es gibt keinerlei Grund, dies lächerlich zu machen. Unsere großen Werften hätten ohne die Großaufträge für das Offshorewindenergiegeschäft das Warten bis zur Genting-Übernahme nicht überlebt – an allen Standorten nicht überlebt.

(Tilo Gundlack, SPD: Sehr richtig.)

Bei der Windkraft an Land decken wir längst die komplette Wertschöpfungskette in der Wirtschaft dieses Landes ab. Dabei werden nicht nur irgendwie Arbeitsplätze

geschaffen, sondern gut bezahlte Arbeitsplätze für gut qualifizierte Arbeitskräfte, denn die Rostocker Studie zeigt auch, dass die Durchschnittsgehälter in diesem Bereich zwischen 30.000 und 34.000 Euro pro Jahr und damit deutlich über dem durchschnittlichen Lohnniveau unseres Landes liegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Auswirkungen der Energiewende, um das Thema der Aktuellen Stunde aufzugreifen, sind also zuallererst rundum gute. Die Energiewende ist eine riesengroße Chance, sie ist bei uns im Land spürbarer wirtschaftlicher Erfolg. Aber mindestens genauso wichtig ist, wir kommen um die Umsetzung der Energiewende nicht umhin, wenn wir unseren Kindern eine lebenswerte Zukunft in diesem Land zu uns vertrauten Umweltbedingungen ermöglichen wollen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin dabei kein Tagträumer. Ich weiß, dass sich Sorgen mit der Energiewende verbinden und die gehören auch in dieses Hohe Haus. Zuallererst gilt diese Sorge sicherlich dem Preis. Dabei bleibt aber festzuhalten, dass der Preis an der deutschen Strombörse für den Rohstoff Strom in Europa zu den mit Abstand geringsten gehört, mit aktuell weniger als 3 Cent je Kilowattstunde.

(Leif-Erik Holm, AfD: Wir haben ja nichts davon. Umso mehr müssen wir bezahlen.)

Ich weiß, dass verschiedene staatliche Abgaben obendrauf kommen. Hier sind zu Recht zuallererst die Netznutzungsentgelte genannt, die in ihrer nicht bundesweiten Wälzung in der Kritik stehen. Ich weiß, dass es keinem erklärbar ist – deswegen kämpft die Landesregierung an dieser Stelle auch seit Jahren –, weshalb erneuerbarer Strom bundesweit über die Netze allen nützt, aber der Ausbau der Stromnetze regional bezahlt wird. Die ostdeutschen Länder kämpfen hier seit Jahren für eine bundesweit einheitliche Umlegung dieser Kosten, das würde uns gerade im Osten entlasten.

Hier zeigt sich jedoch der kleine, aber erhebliche Haken demokratischer Entscheidungen. Wir brauchen da draußen in der großen weiten Welt Mehrheiten und diese liegen im Bundestag und Bundesrat regelmäßig deutlich mehr bei größeren und großen Ländern als bei uns. Aber am Ende dieses Tunnels der Diskussion ist Licht erkennbar, denn bei der EEG-Reform im Sommer 2016 ist genau dafür eine gemeinsame Lösungssuche zugesagt worden. Diese politische Zusage hat neben den ostdeutschen Ländern kraftvolle Begleiter: Auch Niedersachen, Schleswig-Holstein und vor allen Dingen Bayern haben zunehmend ein Stadt-Land-Gefälle bei den Netzentgelten wegen der dort ebenfalls intensiven Produktion von erneuerbarem Strom, sodass wir Wegbegleiter gefunden haben. Mit dieser Koalition der Willigen und Betroffenen werden wir die kommenden Monate für weitere Verhandlungen in dieser Frage nutzen, da ist die Flinte noch lange nicht ins Korn zu werfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei den immer wieder angestellten Preisvergleichen habe ich aber auch da Sorge, dass wir am Ende mit einem sehr theoretischen Preis vergangener Tage vergleichen – Zeiten, in denen es wenige Monopolisten am Strommarkt in

Deutschland gab, die ihre Monopole davonschwimmen sahen, die kaum noch Investitionen tätigten und vorhandene Kraftwerke und Stromnetze auf Verschleiß gefahren haben. Nicht unerhebliche Teile der damals unterlassenen Investitionen holen wir heute übrigens nach und finden diese auch in den Preisen, zum Beispiel in den Netzentgelten, wieder.

Viel wichtiger ist aber, dass auch für diese Kraftwerke natürlich Ersatzinvestitionen für uns erforderlich geworden wären. Was beispielsweise bei einem neu gebauten Kernkraftwerk für ein Strompreis aufgerufen werden müsste, hat das einzige Beispiel eines ernsthaft gewollten Neubaus in Europa, in Großbritannien gezeigt. Die Briten wollten, ähnlich wie wir in Deutschland, für die erneuerbaren Energien Preisgarantien haben, einem Investor den Preis garantieren, Einstiegswert je Kilowattstunde mehr als 11 Cent. Anders als das deutsche EEG, das für 20 Jahre Vergütung zusichert, wollten die Briten 35 Jahre zusichern. Anders als unser EEG, das den Preis über die Jahre eher abschmilzt und auf keinen Fall Inflationsausgleich gibt, wollten die Briten Inflationsausgleich geben.

Wenn Sie das auf 35 Jahre hochrechnen, kommen Sie im letzten Jahr, je nach Inflationsrate, auf einen Endpreis, der garantiert worden wäre, zwischen 22 und 35 Cent je Kilowattstunde. Dagegen, meine Damen und Herren, sind erneuerbare Energien beinahe zum Schnäppchenpreis zu haben und bei den Erneuerbaren sind dann auch alle Kosten bezahlt. Bei der Kernkraft ist dieses kleine, aber erhebliche Problem der Endlagerung noch gar nicht drin. Ein seriöser Strompreis in der Vergangenheit inklusive realistischer Endlagerkosten hätte die heute aufgerufenen Strompreise um ein Vielfaches übertroffen. Stattdessen haben wir in trauter Gemeinsamkeit all diese sehr teuren Lasten auf unsere und deren Kinder verschoben.

Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, beim Thema Vergütung haben wir mit der EEG-Novelle 2017 im Übrigen das Ende der Festpreisgarantie eingeläutet. Ab 1. Januar 2017 werden Strommengen ausgeschrieben und die Investoren müssen sich in Ausschreibungen auf die jeweiligen Strommengen bewerben. Es kommen dann nur noch die günstigsten zum Zuge. Das wird das Vergütungsniveau deutlich beeinflussen und führt endgültig die Regeln des Marktes für die erneuerbaren Energien ein.