Protokoll der Sitzung vom 15.03.2019

(Zurufe vonseiten der Fraktion der AfD: Der schriftliche Verweis.)

Der schriftliche Verweis ist nicht mehr Erziehungsmaßnahme, sondern Ordnungsmaßnahme. Dazu müsste man jetzt wirklich das Schulgesetz kennen und wissen, dass Erziehungsmaßnahmen wesentlich weichgespülter sind, dass Ordnungsmaßnahmen die sind, die den Eltern gemeldet werden, die Eingang in die Schülerakte finden. Insofern trägt Ihr Argument nicht, sondern der schriftliche Verweis wird verschärft dadurch, dass er von der Erziehungsmaßnahme in die Ordnungsmaßnahme wandert.

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Diese Anti-Mobbing-Strategie, über die wir uns heute unterhalten, ist natürlich nur eine Möglichkeit. Und ich denke, wir sind uns alle darin einig, dass die beste AntiMobbing-Strategie ist, mehr Unterricht, weniger Ausfall und mehr Schulsozialarbeit und vor allem Schulsozialarbeit an jeder Schule.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Bisher ist, wie gesagt, viel zu wenig getan worden. Die Lehrer unter uns, also Herr Butzki und ich, wir erinnern uns an das Anti-Mobbing-Köfferchen, was 2010 zu uns auf die Reise ging, damals von Henry Tesch in die Orientierungsstufen und in die Grundschulen gegeben. Das stand völlig unvermittelt vor der Tür. Wir erhielten aus einem Einspalter aus der Zeitung dann Bescheid: Oh, wir bekommen ein Anti-Mobbing-Köfferchen, das geht zu uns auf die Reise. Es gab keine Fortbildung, es gab keine Einweisung, es gab gar nichts. Und diese beiden Plakate und zwei, drei DVDs, die da drinlagen, waren nun auch nicht der Renner, aber es war ein erster zarter Versuch.

Das alles ist nun neun Jahre her. Die Koffer existieren an den meisten Schulen nicht mehr. Wer als Schulleiterin, als Schulleiter den geerbt hat, weiß damit nichts anzufangen, weil er gar nicht mehr den Hintergrund dieser veralteten Materialien kennt. Es ist also längst an der Zeit, hier tatsächlich tätig zu werden, noch mehr zu machen. Deshalb begrüßen wir selbstverständlich auch den Antrag, möchten aber trotzdem noch zu unseren Änderungsanträgen etwas sagen.

Der erste Punkt des Antrages sieht ja vor, ich zitiere hier einmal, „eine Evaluation der bisher und in Zukunft durchgeführten präventiven Maßnahmen vorzunehmen“. Herr Reinhardt hat dazu was gesagt. Ich bin heilfroh, dass nicht meine Fraktion die einzige ist, die nicht über die Gabe verfügt, in die Zukunft zu sehen, sondern dass Sie eben eingestanden haben, auch die CDU kann das nicht.

(Sebastian Ehlers, CDU: Noch nicht!)

Dafür herzlichen Dank,

(Sebastian Ehlers, CDU: Noch nicht!)

Herr Reinhardt.

(Sebastian Ehlers, CDU: Wir arbeiten daran!)

Das ist also unser erster Änderungsantrag, dass wir hier tatsächlich nur das evaluieren können, was auch schon da ist.

Nun haben wir vor zwei Wochen diesen vorliegenden Antrag der Schulleitungsvereinigung auf ihrer Klausur vorgestellt. Das fällt mir jetzt ganz schwer, Ihnen das zu sagen, aber Jubelstürme blieben aus. Stattdessen folgte ein berechtigtes Feuerwerk von Konzepten und Maßnahmen, mit denen die Schulleitungen jetzt schon zusätzlich belastet sind: Gefährdungsbeurteilungen, Hygieneplan, Förderkonzept für begabte Schülerinnen und Schüler, Förderkonzept für Schülerinnen und Schüler mit Verhaltensauffälligkeiten, Lerndefiziten oder sprachlichen Defiziten, Medienkonzept, Brandschutzkonzept, Fortbildungskonzept, Berufsorientierungskonzept, Ganztagsschulkonzept, volles Halbtagsschulkonzept, Konzept zur Umsetzung des Datenschutzes und Sprachförderkonzept. Das war nur eine kleine Auswahl.

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Deswegen hoffen wir ganz doll, dass die Schulen nicht wieder mit dem Anti-Mobbing-Konzept irgendwie belastet werden, sondern dass es tatsächlich eine Unterstützung ist, eine Unterstützung, die so ist, dass sie das nicht wieder selber schreiben müssen, entwickeln müssen, sondern dass ihnen tatsächlich etwas in die Hand gegeben wird, was dann auch praxistauglich ist. Ein bisschen Überzeugungsarbeit muss hier vom Bildungsministerium schon noch geleistet werden, damit das auch tatsächlich Anerkennung findet und in den Tüchern ist, in die es gehört.

Was nun aber bei der Schulleitungsvereinigung gänzlich auf Ablehnung gestoßen ist, ist der im Punkt 3 vorgesehene Projekttag.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Ich weiß das, die Landesregierung hat es mit Projekttagen, wir da ein bisschen weniger. Ich möchte Sie deshalb noch mal bitten, darüber nachzudenken. Wenn die Schulen einen verbindlichen Projekttag machen, dann haben wir die außerschulischen Partner, die wir dazuholen. Die sind ja begrenzt. Wenn jetzt aber eine ganze Schule und vielleicht noch an zwei, drei Schulen am gleichen Tag ein Projekttag gemacht wird, haben wir wenig Möglichkeiten, auf die außerschulischen Partner, die da ja ihre Kompetenz auch tatsächlich haben, zurückzugreifen. Ob man nicht einfach sagt, so, wie es jetzt ist, Projekttage in den Klassen, präventiv oder wenn es nötig ist, dass man Projekte insgesamt anbietet und von dem Projekttag wegkommt, weil ich glaube, der ist nicht so gut gelitten. Aber, wie gesagt, das müssen Sie entscheiden, wie Sie dann dazu vorgehen.

Wir würden den Punkt gänzlich streichen wollen, um dafür die Verwaltungsvorschrift – die hier heute schon mehrmals genannt worden ist – für den Umgang mit Notfällen an den öffentlichen Schulen, die dazugehörige Handreichung und auch das Meldeformular A zu überarbeiten.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Heute werden nämlich nicht einmal Mobbingfälle erfasst. Die werden nicht ans Bildungsministerium gemeldet. Da gibt es das Meldeformular A, da ist kein Kästchen für

Mobbing. Das muss unbedingt geändert werden. Nur, wenn wir wissen, wie viele Mobbingfälle, wo wir Mobbingvorfälle haben, können wir noch effektiver dagegen vorgehen. Deswegen bitten wir Sie, diese veraltete Verwaltungsvorschrift, die Handreichung, das Meldeformular zu überarbeiten und auch den geltenden rechtlichen Bedingungen dann anzupassen.

Ja, und angesprochen worden ist auch, dass wir der Landesregierung jetzt nicht gerne zwei Jahre Zeit geben möchten für diese Strategie. Lehrerinnen und Lehrer haben eine Minute, zwei Minuten Zeit zu reagieren, sie müssen sofort handeln. Und da denken wir – wir möchten ja nicht, dass das Ministerium sofort handelt, weil wir ja auch wissen, wie die bürokratischen Abläufe sind, aber ein Jahr sollte reichen. Und wenn wir nämlich zum 31. März 2020 diese Strategie vorliegen haben, dann kann es schon zum übernächsten Schuljahr, 2020/2021, an den Schulen angewendet werden. Dann hat sie schon eine Möglichkeit zu wirken, diese Strategie. Ein Jahr später wäre 2021/2022, da haben wir schon längst eine neue Regierung, und die kann sich dann eventuell an nichts mehr erinnern. Das wissen wir ja alles, wie so was gehen kann, und wir möchten das dann schon noch zügiger umgesetzt haben, mit diesem Landtag, in dieser Legislaturperiode, zügig jetzt die Strategie, damit den Lehrerinnen, den Lehrern und auch den Opfern tatsächlich noch wirkungsvoller in Mecklenburg-Vorpommern geholfen werden kann.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion Freie Wähler/BMV der Fraktionsvorsitzende Herr Wildt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Frau Ministerin! Es ist jetzt schon vieles über das Thema Mobbing gesagt worden und natürlich möchte ich da nicht noch mal inhaltlich alles wiederholen. Ich glaube, das brächte uns jetzt an der Stelle nicht weiter. Ich möchte mich auf unseren eigenen Änderungsantrag konzentrieren und noch mal erklären, worum es bei diesen Änderungspunkten geht.

Dass wir in der Ziffer 1 ergänzen möchten, dass die zuständige Ministerin den zuständigen Ausschuss über das Ergebnis der Evaluation informiert, ist im Grunde genommen eine Selbstverständlichkeit. Allein deswegen hätten wir auch keinen Änderungsantrag geschrieben.

In Ziffer 2 setzen wir einen Schwerpunkt auf das Thema Cybermobbing und möchten das auch ganz besonders berücksichtigt haben. Hier habe ich tatsächlich noch eine Ergänzung zu all demjenigen, was schon richtigerweise ausgeführt wurde. Cybermobbing ist insofern besonders dramatisch, weil es eben nicht nur in der Schule stattfindet, sondern tatsächlich tief in den privaten Raum zu Hause eindringt. Die Kinder haben keine Rückzugsmöglichkeit mehr. Das ist auch der ganz große Unterschied, verglichen zu dem Mobbing, was wir vielleicht von unserer eigenen Kindheit noch kennen oder was es halt vielleicht, wie Herr Butzki gesagt hat, schon immer gegeben hat. Das ist gerade der große Unterschied. Die Kinder werden tatsächlich noch zu Hause, solange sie quasi wach sind und mit dem Internet verbunden sind, unter Umständen gemobbt. Und das führt gerade zu diesen ganz dramatischen Auswirkungen bis hin zum Selbst

mord, weil es diesen Rückzugsraum nicht mehr gibt. Deswegen reicht es uns eben nicht, Frau Ministerin, wenn Sie sagen, selbstverständlich ist das ein Schwerpunktthema, sondern wir möchten das gerne in dem Antrag auch ausdrücklich erwähnt haben.

Dann schließen sich noch zwei Prüfpunkte an. Zum einen möchten wir gerne prüfen lassen von Ihnen, ob es nicht eine unabhängige Beschwerdestelle geben sollte, an die sich Schüler, Lehrer und Eltern anonym wenden können und wo diese Mobbingfälle dann auch statistisch erfasst werden. Frau Oldenburg hat gerade schon richtig ausgeführt, wie wichtig es ist, dass diese Fälle statistisch erfasst werden, damit halt auch die Politik, auch die Ministerin weiß, wie sich Mobbing entwickelt und ob es eine Zunahme und eine bestimmte Häufung von Mobbingfällen gibt, um entsprechend eingreifen zu können.

Wir wissen aber, dass gerade Mobbingopfer oder auch betroffene Eltern sich natürlich häufig schämen und gerade das eben dann nicht tun, sich nicht melden, das Ganze mit sich herumtragen, in sich hineinfressen und gerade deshalb krank werden. Darum möchten wir gerne, dass die Regierung doch zumindest prüft, diese anonyme Beschwerdestelle und unabhängige Beschwerdestelle einzurichten, beispielsweise am Institut für Qualitätsentwicklung. Das ist einfach nur ein Vorschlag von uns. Wenn Sie auf eine bessere Idee kommen, ist das auch in Ordnung. Aber ich bitte Sie trotzdem, auch wenn Sie dem Antrag unverständlicherweise nicht zustimmen möchten, das zu prüfen.

Ansonsten möchten wir auch, dass Sie noch mal prüfen, inwiefern das norwegische Präventionsprogramm vielleicht ein Vorbild für uns sein kann. Sie sagen selber, es muss neu gedacht und neu entwickelt werden, Herr Butzki. Wir haben uns einfach umgeschaut, wo gibt es schon erfolgreiche Programme, und das ist eben bei dem Olweus-Programm der Fall. Dan Olweus ist ein Professor der Universität Bergen. Diesmal ist es nicht Bergen auf Rügen, es ist Bergen in Norwegen. Mich hat sein Konzept überzeugt, viele andere auch. Und wie gesagt, es ist einfach der Wunsch, das zu prüfen, ob es da nicht vielleicht sogar schon ein sehr gutes Vorbild gibt.

Also auch, wenn Sie sich heute – vielleicht auch wegen der Kurzfristigkeit – nicht entscheiden können, unserem Änderungsantrag so schnell zuzustimmen, bitte ich Sie, es trotzdem zu berücksichtigen, denn dieses Konzept greift sehr systematisch, und darauf kommt es meiner Meinung nach auch an, dass wir kein Sammelsurium von Einzelmaßnahmen haben, sondern dass wir wirklich ein richtiges Konzept haben: Maßnahmen auf der Schulebene, Maßnahmen auf der Klassenebene, auf der persönlichen Ebene und auch im Gespräch mit den Eltern. Das Ganze muss ein verzahntes Konzept sein, und da wünsche ich mir einfach konkretere Schritte, als ich das aus Ihrem eigenen Antrag entnehmen kann.

Trotzdem werden wir Ihrem Antrag zustimmen, weil es uns ein Herzensanliegen ist. Das hat sich, glaube ich, auch schon in zwei Anträgen unserer Fraktion gezeigt. Sowohl bei der Ernährung wie auch bei dem Thema Computerspielsucht/Medienspielsucht haben wir auf das Thema Mobbing schon hingewiesen. Wir werden auch dem Änderungsantrag der Linksfraktion zustimmen, die einige wichtige Änderungen hat. Und wie gesagt, unsere eigenen Änderungen legen wir Ihnen einfach noch mal ans Herz. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion Freie Wähler/BMV)

Ums Wort gebeten hat noch einmal für die Fraktion der AfD der Fraktionsvorsitzende Herr Kramer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Landsleute!

Frau Oldenburg, ich möchte ganz kurz erwidern: Natürlich hat Kollege Jens-Holger Schneider recht mit dem, was er sagt. Offenbar haben Sie die Novellierung des Schulgesetzes nicht gelesen, denn dort ist nämlich geplant, den schriftlichen Verweis abzuschaffen.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Er hat nicht gesagt, „abzuschaffen“.)

Das grundlegende …

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Er hat gesagt, von der Erziehungsmaßnahme in die Ordnungs- maßnahme gesteckt. So hat er es gesagt. Und auf nichts anderes habe ich mich bezogen.)

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

können Sie das gerne noch mal im Protokoll verfolgen, Frau Oldenburg.

Wie Jens-Holger Schneider schon erwähnt hat und auch alle anderen Redner hier, ist diese Initiative sehr zu begrüßen. Dennoch bleibt festzustellen, dass hier einige Aspekte viel zu kurz kommen in der Debatte nach meinem Dafürhalten. Ich erinnere mich an eine Pressekonferenz mit dem Innenminister Herrn Caffier auf die Frage, was wir gegen steigende Kriminalität tun könnten. Und da meinte Herr Caffier sinngemäß, eine hundertprozentige Sicherheit gebe es nicht, und gerade auch in Bezug auf Gewalt gegenüber Polizeibeamten müsse ein gesellschaftliches Umdenken erfolgen. Da hat der Innenminister absolut recht und ich sehe auch, dass dieses gesellschaftliche Umdenken in alle Facetten, in alle Lebensbereiche hineinstrahlen müsste, ob das nun Umweltschutz ist, ob das Klimaschutz ist oder eben auch, ob das das Thema Mobbing ist. Die Familien sind mir in diesen Strategien und in diesen Redebeiträgen hier absolut zu kurz gekommen. Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und warum ist das so? Warum haben wir kaum Zeit, diese Keimzelle der Gesellschaft mit Werten zu füllen? Weil unsere Väter und Mütter mit einem Zweitjob, mit einem Drittjob befasst sind, weil sie auspendeln in andere Bundesländer, weil sie 50, 60, 80 Kilometer Wegstrecke zurückzulegen haben

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Richtig.)

und weil wir uns manchmal auch näher sind als unsere Familienmitglieder, weil wir nach einem harten, anstrengenden Arbeitstag einfach mal nach Hause kommen, uns zurücklehnen und mal keine Lust haben auf tief greifende Gespräche. Und dann überlassen wir unsere Kinder eben auch,