Was haben die überwiegend Rot-Rot-geführten Regierungen in den neuen Ländern, insbesondere auch in Mecklenburg-Vorpommern, daraus gemacht? Der Aufbau Ost ging zunächst einher mit dem Abbruch bekannter Institutionen und Unternehmen, vor allem aber auch sozialer Beziehungen. Jede einzelne Familie im Osten war von Arbeitslosigkeit betroffen, häufig über lange Zeit. Viele Familien sind bis heute auseinandergerissen, weil sich die Generation der 20- und 30-Jährigen in den Westen aufgemacht hat. Zu wenige sind bisher zurückgekommen. Der Preis, den die ostdeutsche Gesellschaft für diesen radikalen Wandel nach der Wende – ja, auch Erfolg war dabei – entrichtet hat, war und bleibt aber hoch. Ganze Regionen und Städte wurden deindustrialisiert. Für eine Gesellschaft, die sich traditionell so stark über Arbeit definiert wie die ostdeutsche, ist das ein herber Einschnitt. Dennoch, es muss etwas geschehen.
Der Begriff „Aufbau Ost“ stand stets für das Ziel, möglichst schnell Westniveau zu erreichen. Ob das wohl der richtige Weg sein kann? Was wir in MecklenburgVorpommern und im Übrigen alle neuen Länder brauchen, ist ein Vorsprung, ein komparativer Vorteil von ein paar Jahren, der den Osten positiv von anderen Regionen abhebt, der die Region spannend macht, der Menschen und Unternehmen anzieht. Dazu gehört aber mit Sicherheit nicht die sinnlose, vom Ökosozialismus getriebene Verspargelung ganzer Landschaften in Mecklenburg-Vorpommern
(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Thomas Krüger, SPD: Da bin ich mal auf Ihre Alternativen gespannt!)
sowie eine drohende Deindustrialisierung durch Rekordstrompreise. Es ist nun einmal so, dass die meisten Regionen der neuen Länder sehr dünn besiedelt sind. Des
halb sind hier besondere Anstrengungen nötig, um Breitband, Infrastruktur und Mobilfunknetze weiter aufzubauen.
Gerade bei der neuen 5G-Mobilfunktechnik muss der Ausbau zuerst in den neuen Ländern erfolgen, und zwar mit staatlicher Unterstützung. Nur mit einem fortschrittlichen und heimatverbundenen Impuls wird es uns gelingen, in Ostdeutschland einen neuen Schub auszulösen, einen Schub, der mehr Optimismus und Attraktivität schafft,
einen Schub, der viele der abgewanderten Ostdeutschen zur Rückkehr veranlasst. Nur dann kann ein zweiter Aufbruch das Land erfassen, der nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklungen bewirkt. Nur dann kann auch das Vertrauen in Politik, Institutionen und die gesamte Demokratie wieder wachsen. Und das ist dringend nötig, denn ohne einen neuen Schub und eine neue Aufbruchsstimmung in Ostdeutschland wird es beim Grummeln über ein paar geschlossene Schulen und Postämter nicht bleiben.
Für die Alternative für Deutschland ist klar, wir stehen zum Osten und zu unserem Heimatland MecklenburgVorpommern.
Seit der Wiedervereinigung ist über ein Vierteljahrhundert vergangen, in dem vor allem die SPD in vier Legislaturperioden in der Regierungsverantwortung war. Im Wahlprogramm von 2013, mit dem Sie Ihre letzte Regierungsbeteiligung auf Bundesebene errungen haben, hat Ihre Partei den explizit ostdeutschen Interessen eine – ich betone, eine – von 120 Seiten gewidmet. Im Wahlprogramm von 2017 hat die SPD die explizit ostdeutschen Interessen einfach vollständig ausgeklammert.
(Thomas Krüger, SPD: Das ist nicht wahr! Sie wissen doch, dass das nicht wahr ist! – Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)
Hingebungsvoller Einsatz und ehrliche Kompetenz zu diesem Thema, meine Genossen von der SPD und der LINKEN, sehen anders aus.
(Minister Dr. Till Backhaus: Was für einen Blödsinn der wieder redet! – Thomas Krüger, SPD: Wo sind Ihre Alternativen jetzt? Ich habe sie nicht gehört!)
Wir kennen die Zahlen. Das Vermögen in Ostdeutschland liegt immer noch bei lediglich 40 Prozent des Westniveaus, der Lohnangleich geht langsamer als versprochen
Im Frühjahr 2017 wurde zudem die Ungleichheit des Mindestlohnes in der Pflege unter Mithilfe der SPD zu deutlichem Ungunsten Ostdeutschlands zementiert. Im Januar 2018 stieg der Mindestlohn zwar deutschlandweit, aber die Diskrepanz zwischen Ost und West verbleibt. Fachkräfte ohne Personalverantwortung verdienen in Ostdeutschland im Schnitt immer noch 25 Prozent weniger als im Westen.
Ein ganz zentrales, seit rund einem Vierteljahrhundert vertagtes Thema ist die Rentenangleichung zwischen Ost und West. Es war in einem Vierteljahrhundert nicht möglich, da politisch voranzukommen. Wir wissen, dass es eine Frage des Willens ist. Ich erinnere mich mit großer Bewunderung an die parlamentarische Geschwindigkeit, mit der zum Beispiel der Rettungsschirm ESM durchgepeitscht wurde. Da ging plötzlich alles, und heute haften die Menschen in Deutschland mit fast 900 Milliarden für europäische Schulden. Das also geht, das funktioniert, aber eine Rentenangleichung zwischen Ost und West ist bis heute nicht möglich.
Auch die von Ihnen formulierten Forderungen wie paritätisch finanzierte Sozialversicherungen oder höhere Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur hätten sich in der letzten und in vergangenen Legislaturperioden auf Bundesebene viel dynamischer erfüllen lassen. Sie sind leider noch nicht einmal in der Lage, die Mittel, die Sie haben, richtig auszugeben, sondern bilden daraus Rückstellungen,
(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Thomas Krüger, SPD: Haben Sie schon mal was von antizyklischer Wirtschaftspolitik gehört?)
Zum Abschluss noch eine Anmerkung von mir als Jurist. Es ist eine Unsitte, und man trifft immer wieder darauf als ein stetig wiederkehrendes Muster, bestimmte politische Vorstellungen in die Verfassung als Ziel hineinschreiben zu lassen. Ich möchte Ihnen dazu sagen, das können Sie gerne machen, aber die Verfassung als Regelwerk insgesamt wird dadurch entwertet. Je mehr Werte Sie da hineinschreiben, umso weniger wert wird dann der einzelne Punkt, der Ihnen jetzt hier etwa am Herzen liegt.
(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Thomas Krüger, SPD: Kein einziger Punkt dazu, wie Sie es machen wollen!)
Ehe Herr Eifler hier sein Wort nimmt, möchte ich eine weitere Schülergruppe begrüßen, die auf der Besuchertribüne Platz genommen hat. Das sind wiederrum Schülerinnen und Schüler vom Gymnasium in Gadebusch. Herzlich willkommen!
Herr Dr. Weiß, ich muss ehrlich zugeben, ich bin schon etwas enttäuscht vom Inhalt Ihrer Einbringung. Auf den Vortrag und die Debatte von der AfD eingehen möchte ich auch nicht,
weil hier ist ein Bild gezeigt worden von unserem Land, wo ich mir die Frage stelle: Wo leben Sie eigentlich? Sie ignorieren die Entwicklung der letzten 30 Jahre in Mecklenburg-Vorpommern, in der Bundesrepublik insgesamt und in den neuen Bundesländern ebenfalls insgesamt. Sie nutzen hier einfach diesen Antrag, wo Sie den Vorschlag unterbreiten, butterweich zu sagen, der Landtag möge oder wird die Landesverfassung dahin gehend ändern, indem wir die Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen als Staatsziel in die Landesverfassung aufnehmen, diesen Antrag nutzen Sie, um hier ein Bild zu zeigen, was unrealistisch ist. Ich komme später noch darauf zurück. Ich werde auch Beispiele aus meinem Lebensbereich, aus meinem Amtsbereich …
Nee, nicht oh, Frau Oldenburg. Es ist außerordentlich wichtig zu zeigen und darzustellen, wie sich unser Land entwickelt hat, um Menschen Mut zu machen, und nicht ständig irgendwelche Märchen zu erzählen, wie schlecht es uns hier geht.
Dann schauen Sie mal in der Welt umher, wie andere Menschen leben, was sie leisten, eigenverantwortlich leisten, und was hier suggeriert wird, wie schlecht es uns geht.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Es hat kein Mensch gesagt, dass es uns schlecht geht. Wir haben gesagt, dass es uns besser geht!)
Der Rückblick, der von Dr. Weiß angestellt worden ist, dazu will ich auch sagen, denn das darf man hier nicht verschweigen, dass Sie acht Jahre in Regierungsverantwortung waren. Sie hatten also die gute Chance, das
Sie kritisieren, dass die über Jahrzehnte stattfindende Entwicklung zum Nachteil der Fläche nicht kompensiert werden könne. Wie gesagt, Sie hatten die Möglichkeit in Ihrer Regierungszeit, in Ihrer Regierungsverantwortung – da hatten Sie sogar den Auftrag –, dies umzusetzen und dafür zu wirken.