Protokoll der Sitzung vom 10.04.2019

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Dr. Weiß.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die AfD will die Nahversorgung in den Dörfern verbessern. Ja, der Einzelhandel hat sich aus der Fläche zurückgezogen, in vielen Dörfern oder Ortsteilen gibt es keine Nahversorgung mehr. Wenn wir von Nahversorgung reden, dann sollten wir es definieren. Es ist ein Begriff aus der Raumordnung und Landesplanung. Es geht im Wesentlichen um den engeren und um den weiteren Nahversorgungsbereich, und der engere Nahversorgungsbereich ist im sogenannten engeren Umfeld der Wohnung angesiedelt. Ich vermute mal, Sie meinen dann eher doch auch den weiteren oder ferneren Nahbereich, nicht einfach nur die Nahversorgung und die Nahversorgungsdistanzen.

Der nächste Supermarkt liegt in den Gemeindehauptorten oft und in einem ausgewiesenen zentralen Ort nicht selten 10 bis 15 Kilometer entfernt. Stellen wir uns dem Befund, dann können wir, denke ich mal, abstrakt sagen, viele Standorte, die noch bis vor 30 Jahren versorgungstechnisch so ausgestattet waren, dass kaum jemand wegen des täglichen Bedarfs oder für eine öffentliche Leistung sein Dorf verlassen musste – in meinem Dorf jedenfalls war das so –, haben heute den Briefkasten neben der Bushaltestelle als letzte Infrastruktur. Das ist aber Resultat der Regionalökonomie und der marktwirtschaftlichen Bedingungen.

Und, Herr Lerche, bitte bringen Sie nicht an dieser Stelle, nur, weil es Mode ist, auch den demografischen Wandel mit rein. Das ist unkorrekt.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und auf der Regierungsbank)

Genau darum gibt es – nicht wegen dieser Hinweise auf den demografischen Wandel, sondern wegen dieser Entwicklung – seit Jahren Landesinitiativen wie die bereits erwähnte „Dorfmitte“. Sie begann 2013 mit vier Modellvorhaben. Und das damals schon zuständige Landesentwicklungsministerium, heute Energieministerium unter Herrn Pegel, rief zum Wettbewerb auf, zur Sicherung der Nahversorgung in zentrumsfernen ländlichen Räumen beizutragen. Gefragt waren umsetzungsreife Projektideen und Projekte, die bereits begonnen wurden, und die Gewinner konnten mit einer erheblichen Anschubfinanzierung rechnen. Mittlerweile wurden daraus mehrere Einrichtungen, die oft auch Dienstleistungen anbieten, Treffpunkt- und Begegnungsstätte sind.

Das Besondere ist, dass es in der Regel mutige und tatkräftige Menschen aus den betreffenden Orten und aus der Region sind, die etwas Neues aufbauen oder

Vorhandenes übernehmen. Und genau deswegen sei – auch aus meiner Perspektive – mal auf mehrere noch hingewiesen.

(Glocke der Vizepräsidentin)

Einiges ist bereits erwähnt worden. Aber es ist manchmal ja auch eine didaktische Hilfe, zu wiederholen, damit es sich festigt.

Am Stettiner Haff wird beispielsweise ein virtueller TanteEmma-Laden „Fritze Online Lebensmittel“ in einem der multiplen Häuser angeboten. Viele Ideen konnten überhaupt erst durch die Förderung, der Minister sprach davon, über den ELER – Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung ländlicher Räume – umgesetzt werden. Und in einigen Fällen wurden Genossenschaften gegründet. Dort teilt man sich nicht nur die Arbeit, sondern auch das Risiko.

Über die LEADER-Förderung – wieder ein Akronym, was so viel heißt wie Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft – finden genauso Aktionen statt wie über Hofläden. Milchbauern verkaufen ihre Milch in Selbstbedienungseinrichtungen mit Pfandflaschen und Ähnliches. Es gibt mobile Versorger. Direktvermarkter, vor allem auch Einzelhändler, beispielsweise einige EDEKA-Märkte, bieten mittlerweile telefonische Warenbestellungen und entsprechende Bringedienste an. Und dort, wo die Dorfgemeinschaft noch funktioniert, da kann man auch mal schon die Oma von nebenan zum Einkauf in die Stadt mitnehmen und Ähnliches. Früh- und Spätläden gibt es in einigen Gemeinden auch mit Ausnahmegenehmigungen am Wochenende, und denken wir nicht zuletzt an die Versorgung durch Tankstellen.

Meine Damen und Herren, diese Lösungen sind allesamt sehr individuell und belegen zumeist Versorgungsdefizite, gemessen an der Nahversorgung in den Städten. Und genau deswegen ist natürlich die Grundversorgung in den ländlichen Räumen als wichtiger Faktor der Lebensqualität aufrechtzuerhalten oder weiterzuentwickeln.

Wenige Menschen, das heißt weniger Umsatz, in der Regel, weil sich die Arbeitspendler am Arbeitsort im Supermarkt versorgen. Dagegen haben diejenigen, die mit viel Herzblut und Engagement die Nahversorgung in den Gemeinden im ländlichsten Raum sichern, unseren Respekt verdient.

Meine Damen und Herren, zum Antrag: …

(Torsten Renz, CDU: Endlich!)

Immer mit der Ruhe!

(Torsten Renz, CDU: Nehme ich zurück.)

Also, wenn wir immer das Verhältnis von Anlauf und Sprungergebnissen … Na gut, lassen wir das.

Zum Antrag: Die Aufstellung von Warenautomaten ist nicht neu. Der Minister hat bereits darauf hingewiesen. Ein gesondertes Pilotprojekt ist aus unserer Sicht deswegen nicht nötig. Der Bund führte bereits 2016 bis 2018 ein Modellvorhaben unter der Überschrift „Langfristige Sicherung von Versorgung und Mobilität“ durch. 18 Modellregionen wurden bundesweit ausgewählt. In Mecklenburg-Vorpommern ist der bereits erwähnte ILSE-Bus

dabei herausgekommen im Amtsbereich Peene-Loitz und Demmin. Nach Auslaufen dieses Modellvorhabens fährt ILSE aber weiter – ein Beispiel dafür, dass dieses Modellvorhaben richtig war und auch gut war, dass es finanziert wurde. Gäbe es in der Region, insbesondere in dem Falle im östlichen Mecklenburg und im binnenländischen Vorpommern, einen besser ausgebauten ÖPNV, wäre das wahrscheinlich gar nicht nötig gewesen.

Eines dieser 18 Modellvorhaben ermöglichte auch den Kauf von drei Warenautomaten. Hofladenbetreiber konnten zusätzliche Einnahmequellen erschließen und ihre Angebote rund um die Uhr anbieten oder von der Anbietungszeit verlängern. Die Automaten werden insbesondere zu Schließzeiten des jeweiligen Hofladens genutzt. Die Betreiber der Hofläden kümmern sich um all das, was nötig ist: Nachschub, Sauberkeit, Hygiene, Einhaltung der Kühlkette und Ähnliches. Das sind also genau die Standards, von denen der Minister zum Schluss geredet hat bei der Anpassung der spanischen Automaten auf die deutschen Verhältnisse.

Bereits 2015 stellte beispielsweise der Fleischverband Bayern alle relevanten Rahmenbedingungen beim Kauf mit Automaten zusammen. Und der in der Begründung genannte REGIOMAT ist ein solcher Verkaufsautomat, der für verschiedene Produkte geeignet ist, nicht nur für Backwaren und Fleischereierzeugnisse, sondern eben für die ganze Palette der in einem Hof entstehenden Produkte, die in einem Hofladen angeboten werden können.

Eine Landesunterstützung für den Kauf von Warenautomaten als Ergänzungsangebot für Handwerksbetriebe, landwirtschaftliche Betriebe, Kleinerzeuger können wir uns durchaus vorstellen. Jedoch sollte dazu die Initiative wie bei der „Neuen Dorfmitte“ von denjenigen ausgehen,

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und auf der Regierungsbank – Glocke der Vizepräsidentin)

von denjenigen ausgehen, die einen solchen Warenautomaten aufstellen.

Deswegen fasse ich zusammen: Das Ansinnen ist in Ordnung. Es ist eine logische Konsequenz der Analyse. Die Idee kommt zu spät und hat einen falschen Adressaten. Die im Antrag aufgeführten Förderbedingungen zur Aufgabe einer Lenkungsgruppe halten wir ebenso für nicht zielführend, wie die erhoffte Wirkung auf den Arbeitsmarkt für uns eine blanke Spekulation ist, und darum lehnen wir den Antrag ab. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Waldmüller.

(Marc Reinhardt, CDU: Was hat er denn mit Landwirtschaft zu tun? – Andreas Butzki, SPD: Wolfgang und Landwirtschaft!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die AfD legt uns einen Antrag vor, ein Pilotprojekt. Wir sollen da mal Automaten aufstellen und dann wird alles gut. Die ländliche Versorgung wird dadurch gesichert. Das ist das Thema.

Wenn Sie sich erinnern, wir haben letzten Donnerstag im Wirtschaftsausschuss über den Arbeitsmarktbericht gesprochen. Den haben wir ja in 2017 auf den Weg gebracht, weil wir gesagt haben, dass es unterschiedliche Arbeitsmarktdynamiken im Osten und im Westen des Landes gibt. Und da wurden auch Maßnahmen, gerade für die ländliche Versorgung, für den ländlichen Raum, eben vorgeschlagen. Ich hoffe mal, dass Sie den vom Wirtschaftsminister im Internet veröffentlichen Bericht auch gelesen haben, durchgelesen haben,

(Andreas Butzki, SPD: Das war spannend.)

weil da werden Sie festgestellt haben, dass da beispielsweise ja auch Maßnahmen drinstehen. Und da stehen beispielsweise unter dem Punkt 8 Maßnahmenpakete, da finden Sie sektorale Konzepte, Förderrichtlinien, Projekte, Programme der Landesregierung, etwa die Richtlinie für die Gewährung von Zuschüssen für Dorfleben im Rahmen der Landesinitiative „Neue Dorfmitte Mecklenburg-Vorpommern“. Und im Punkt 9 wird auf die ländlichen Gestaltungsräume, auf diesen Fonds, der aufgelegt worden ist, abgestellt. Hier gibt es modellhafte Ansätze für gemeindeübergreifende Maßnahmen zur Sicherstellung der Daseinsvorsorge und ganz explizit für die Nahversorgung, zu dem, was Herr Dr. Backhaus auch gesagt hat.

Also Sie kommen da reichlich spät. Die Maßnahmen sind eigentlich eingerichtet. Ich glaube, dass wir im Land auch wirklich auf einem sehr guten Weg dabei sind.

Und, ehrlich gesagt, wenn man jetzt hört, Modellprojekt und Automaten aufstellen, dann stelle ich mir das auch mal bildlich vor, wie das funktioniert. Ich kann mir das gut vorstellen in Regionen, wo eine Menge Menschen sind, wo auch ein Zugriff darauf ist, beispielsweise in touristischen Destinationen, wo auch eine Menge Menschen sind. Da kann ich mir das gut vorstellen. Aber als Grundversorgung in den ländlichen Räumen, da frage ich mich, hätte ich mir gewünscht von Ihnen, dass Sie etwas sagen, wie Sie das beispielsweise berechnet haben, was Sie an täglichem Umsatz ansetzen, was Sie da an Gewinnspanne ansetzen würden, um zu sehen, welche Rentabilität dahintersteckt. Weil Sie sagen ja in Ihrer Begründung unter anderem, und daran orientiere ich mich auch, da sagen Sie: „Gleichzeitig wäre die Förderung solcher Automaten zielführend bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Altersarmut. Arbeitslose oder ältere Menschen im ländlichen Raum könnten sich als Automatenbetreiber selbstständig machen.“ Also raus aus der Arbeitslosigkeit und als Automatenbetreiber selbstständig machen!

Also ich habe versucht, das wirklich wohlwollend mit allen Kalkulationsmöglichkeiten durchzurechnen. Ich komme niemals auf eine Gewinnspanne, die irgendwo darin liegt, dass ich meinen Unterhalt davon selbst gestalten kann,

(Thomas Krüger, SPD: So ist das, richtig.)

dass ich aus der Arbeitslosigkeit rauskomme.

(Beifall Thomas Krüger, SPD)

Vielleicht sagen Sie was dazu, wie Sie das gerechnet haben. Ich komme mit …,

(Thomas Krüger, SPD: Das hat mit Wirtschaft nichts zu tun.)

selbst mit der wohlwollendsten Berechnung komme ich nicht darauf, wenn ich alles, was halt so anfällt, auch an Betriebskosten und so weiter, komme ich nicht mal ansatzweise auf einen annehmbaren Gewinn. Und somit ist diese Begründung, die Sie hier sagen, die ist wirklich, entschuldigen Sie, wenn ich das so sage, aber es ist weltfremd.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Ich glaube, dass es eine Möglichkeit ist, wenn Sie Selbstversorger haben, die nicht den ganzen Tag offen haben, die also unterschiedliche, also in Pausen der Öffnungszeiten, also dort, wo sie nicht offen haben, dass das eine super Ergänzung sein kann für die Selbstversorger, die das dann bestücken. Da, glaube ich, funktioniert das. Aber bitte nicht hier mit dieser Begründung, dass ich hier Arbeitslose, Langzeitarbeitslose irgendwo aus der Arbeitslosigkeit raushole, dass sie sich als Automatenaufsteller für die Nahversorgung hier selbstständig machen sollen. Beim besten Willen, da fehlt mir der Glaube. Deswegen lehnen wir den Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion Freie Wähler/BMV der Fraktionsvorsitzende Herr Wildt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der AfD-Antrag greift drei Dinge auf, die tatsächlich bei uns im Bundesland noch nicht perfekt sind: einmal die Versorgung auf dem Land, die ist in der Tat nicht überall ausreichend, das wissen wir; Arbeitslosigkeit, die wir auch im ländlichen Bereich teilweise noch in Form von Langzeitarbeitslosigkeit haben, das ist auch richtig; und es wird noch eine gute Idee angesprochen, nämlich die Förderung von lokalen Marken, also lokalen Produkten oder regionalen Produkten. Das sind drei Dinge, über die man sprechen kann. Allerdings ist das jetzt in diesem Antrag zusammengesperrt. Es gibt eine eierlegende Wollmilchsau, das ist dann der Automat, der alle diese Probleme lösen soll. Und das kann ich – na gut, können wir ja noch mal nachhören gleich beim Herrn Lerche –, also das kann ich mir beim besten Willen auch nicht vorstellen.

Man kann sich sehr gut dort reindenken, wenn man zum Beispiel ein YouTube-Video anschaut von dem REGIOMAT. Sie haben ja den Hersteller dort angegeben. Und da kommt eigentlich ganz klar raus, dass es nur eine Ergänzung sein kann für Hofläden, um dort die Produkte zu verkaufen, die man sonst im Hofladen verkauft, eben außerhalb der Öffnungszeiten, wenn die Bäuerin was anderes macht – die macht ja meist den Hofladen –, dann ist halt der Automat wenigstens noch da.

Gerade für die Fahrradfahrer, die zum Beispiel da vorbeikommen, die können da halt ein bisschen was einkaufen, so ist das jedenfalls in dem YouTube-Video. So ein Automat kostet 15.000 Euro, das muss man auch gleich dazusagen, die billigste Version 15.000 Euro. Also da

kommt man mit dem 10.000-Euro-Zuschuss sowieso nicht weit. Da kann man noch nicht einmal einen Automaten kaufen. Als Langzeitarbeitsloser muss man dann also noch 5.000 Euro irgendwie drauflegen. Das kommt mir also erst mal schon ein bisschen unrealistisch vor oder nicht nur ein bisschen, sondern sehr unrealistisch.