Die Not ist groß, das Maß ist voll und das Fass läuft über, denn der Unterrichtsausfall steigt an allgemeinbildenden Schulen,
der Ausfall an Berufsschulen ist inzwischen fahrlässig und hat bereits Auswirkungen auf Prüfungsdurchfaller- und Abbrecherquoten. Etliche Lehrerstellen sind unbesetzt, der Krankenstand steigt, mehrere Hundert freie Referendarstellen, mehr als die Hälfte, teilweise sogar 80 Prozent, der Lehramtsstudierenden bricht das Studium ab, die Zahl der Schulabbrecher wächst und wächst,
kratzt an der 10-Prozent-Marke, die Schulschwänzer werden mehr und mehr und die Schulen ächzen unter einer zu geringen Stundenausstattung, die wirklich nicht mehr nachvollziehbar ist, sondern einem Basar ähnelt, und die Seiteneinsteiger werden, wenn überhaupt, viel zu wenig fortgebildet.
Und um zu verdeutlichen, dass das Fass nicht nur voll ist, sondern überläuft, möchte ich aus einem Schreiben einer Schulleitung hier aus Schwerin zitieren, das vor drei Wochen an die Eltern der Achtklässler verschickt wurde. Ich zitiere:
heute möchten wir Ihnen mitteilen, dass wir aufgrund des Personalmangels und dem sich daraus ergebenden
hohen Unterrichtsausfall, besonders im Fach Mathematik, in Klassenstufe 8 aus vier Klassen drei bilden werden. Zum 25. März wird es noch die Klassen 8a, 8b und 8c geben, die Klasse 8d wird entsprechend auf die anderen drei Klassen aufgeteilt.“ Ende des Zitats.
Hier werden Klassen, hier werden soziale Gruppen auseinandergerissen, hier schubst man Jugendliche herum, weil eine verfehlte Bildungspolitik in Mecklenburg-Vorpommern grassiert.
Sehr geehrte Damen und Herren, Sie alle erinnern sich, dass kleine Kinder glauben, wenn sie die Hand vor die Augen halten, dann sind sie weg. Das klappt als kleines Kind, weil alle drum herum ja mitspielen. Wenn aber Erwachsene das machen, dann ist man nicht unsichtbar, dann fährt man einfach die Karre in den Dreck oder in diesem Fall die Bildungspolitik gegen die Wand. Und um eben diesen Karren wieder flottzumachen, um wenigstens den Versuch zu unternehmen, die Missstände sichtbar zu machen und die Bildungspolitik zu retten, deshalb hat sich dieses Bündnis gebildet. Die Bündnispartner zeigen eben ein hohes Maß an Verantwortung, wenn sie sich über die verschiedensten Interessen hinweg zusammenschließen, nicht um ihre eigenen Ansichten durchzusetzen, sondern um diese desolate Bildungspolitik in Mecklenburg-Vorpommern zu retten. Sie haben da diesem Parlament etwas voraus. Das haben wir heute im Antrag, mehrmals in Anträgen gesehen, sie verfolgen nicht die eigenen Interessen, sondern sie möchten ein gemeinsames Ganzes, und dafür springen sie dann auch mal über ihren Schatten.
Das, sehr geehrte Damen und Herren der SPD – denn das haben wir ja in den letzten Tagen ganz, ganz oft gelesen, Sie legen ja ganz großen Wert darauf, dass Sie ohne Zutun Ihres Koalitionspartners diese Katastrophe angerichtet haben –,
ist nicht nur ein gehöriger Schuss vor Ihren Bug, sondern ein Armutszeugnis für Ihre Bildungspolitik.
Nein, wir haben heute gehört, dass Frau Hesse gesagt hat, sie hätte an dem Antrag mitgeschrieben. Also ist es nicht nur die Auffassung von Herrn Walm.
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist endlich an der Zeit, auch tatsächliche Experten zu hören. Nehmen Sie die Stellungnahmen zum Schulgesetz ernst, wenn zum Beispiel die Schulleitungsvereinigung kritisiert, ich zitiere: „Die... beabsichtigte Änderung... der Stundenzuweisung..., die nun schülerorientiert und nicht... schülerbezogen erfolgen soll, lässt... keine nachvollziehbare Berechnungsgrundlage zu, die für eine verlässliche Planung erforderlich ist.“ Ende des Zitats. Oder wenn die Schulleiterinnen und Schulleiter sagen, ich zitiere: „Die Umset
zung des Schulgesetzes ist für die einzelnen Schulträger kaum möglich. Es widerspricht in der vorliegenden Fassung teilweise geltenden Rechtsvorschriften, die vom Schulträger einzuhalten sind...“ Ende des Zitats.
Auch hapert es offensichtlich an der Zusammenarbeit mit den Gremien, wenn sie sich beschweren – ich möchte noch einmal aus den Stellungnahmen zitieren –: „Getroffene Zielvereinbarungen sind nicht mit Experten und Fachleuten gemeinsam erarbeitet worden, so dass die Kommunikation als nicht offen und ehrlich eingeschätzt werden muss, was... zur Unzufriedenheit in den Schulen führt.“ Ende des Zitats.
Warum wurde bis jetzt weggehört, wenn der VBE die Schülermindestzahlen der Eingangsklassen als zu hoch ansieht – wir wurden heute damit auch abgebügelt – oder wenn dieser Verband anregt, die Berufsausbildung wohnortnah in kleineren Einheiten zu ermöglichen? Tun Sie doch nicht so, als würden nicht Experten Ihnen sagen, was man machen kann, um Bildung erfolgreicher zu machen, als es derzeit in Mecklenburg-Vorpommern ist! Warum stecken Sie den Kopf in den Sand, wenn die langen Fahrtwege angemahnt werden oder die hohen Fahrtkosten,
die eben weiterhin bei den Jugendlichen oder deren Eltern hängen bleiben, anstatt vom Land getragen zu werden? Und selbst Ihre Genossen bescheinigen Ihnen laut NDR lediglich, ich zitiere Herrn Walm, eine „Bildungspolitik auf niedrigem Niveau“.
Nehmen Sie wenigstens Ihre eigenen Leute ernst, nehmen Sie dieses Bündnis ernst! Wir werden das tun, wir möchten gemeinsam – auch gemeinsam mit SPD, mit CDU, mit BMV und mit dem Bündnis – erfolgreiche Bildungspolitik in Mecklenburg-Vorpommern gestalten.
Bügeln Sie bitte nicht alles ab! Sehen Sie es einfach nicht als Kritik, sondern als Rückenwind! – Herzlichen Dank.
Jetzt hat das Wort die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Frau Hesse, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, ich habe mich gefragt, was erwartet uns heute in dieser Aussprache,
und es war mir auch klar, lieber Vincent Kokert, dass es natürlich eine Generalabrechnung ist mit dem, was wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten gemacht haben.
(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Weil Sie es schlecht gemacht haben. – Vincent Kokert, CDU: Nein, das wart nur ihr! – Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)
Ich finde, das ist heute überhaupt nicht der Punkt, und ich möchte das auch gleich zu Anfang meiner Rede klar
Und ich wünsche es mir auch wie bei meiner letzten Rede, dass ich einfach ausreden darf und Ihnen vielleicht ein paar Worte mit auf den Weg geben darf.
Und dann hätten wir es heute sehr, sehr kurz machen können, weil ich/wir nehmen das Bündnis für gute Schule sehr ernst.
Die Ministerpräsidentin nimmt es sehr ernst. Sie hat unlängst das Angebot auch ausgesprochen, dass wir das Bündnis einladen werden.