Protokoll der Sitzung vom 12.04.2019

viel stärker, weil die Konkurrenz immer mehr Aufträge an Subunternehmen auslagert.

Ich will allerdings freimütig bekennen, dass dort jemand noch viel mehr Beifall erhalten hat, der gar nicht persönlich anwesend war, und ich rede nicht von Harry Glawe, unserem Minister, sondern ich rede von einem Kabarettisten, der bekannt ist, unter anderem für seinen Song „Versandsoldaten“, der sehr eindrücklich beschreibt, jenseits aller Zahlen, wie die Arbeitssituation der Kolleginnen und Kollegen tatsächlich ist. Ich spare mir daher jetzt, hier auf weitere Zahlen einzugehen. Ich habe in der Einbringung dazu etwas gesagt, aber ich will mir erlauben, den Text, den der angesprochene Kabarettist dort vorgetragen hat, hier auch noch mal zum Besten zu geben, denn das ist nicht lustig, sondern das beschreibt tatsächlich, wie es um die Situation in der Branche bestellt ist. Ich darf das mal zitieren, da heißt es:

„Bring im Schneesturm auf Kommando die Bikinis von Zalando Auch wenn man mirʼs nicht ansieht Ich wohne im Ford Transit

Pakete schwer, Pakete groß Wenigstens nicht obdachlos Nix Mindestlohn, nix Pausenzeit Gefangen in Selbstständigkeit

Ich klage nie dass Arbeit Mist ist Bin doch sachgrundlos befristet Wenn Sushi an der Haustür läutet Werden Menschen ausgebeutet

Meine Baracke kalt und verdreckt Mein Standort wird per App getrackt Vom Schutz des Arbeitsrechts befreit Gefangen in Selbstständigkeit

Was trennt noch Trebegänger Vom Sub-Sub-Sub-Sub-Subunternehmer? Er ist kein Mensch, er ist kein Tier Nein, er ist Paketkurier.

Ich bin kein Mensch, ich bin kein Tier Nein, ich bin Paketkurier“

So weit in dem Song von Jan Böhmermann.

Mehr als 14.000 Leute haben dieses Musikvideo bislang mit „Gefällt mir“ gekennzeichnet, und das kann auch nicht verwundern, weil der Text die Lebenswirklichkeit etlicher Beschäftigter in der Branche offenbar ganz gut trifft. Und ob man Böhmermann nun mag oder nicht, ihm gebührt aus meiner persönlichen Sicht ein Dank dafür, dass er einen Beitrag dazu geleistet hat, Öffentlichkeit für dieses Thema, um nicht zu sagen, für diesen Skandal, herzustellen.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Es gibt zahlreiche Journalisten, die sich in den letzten Wochen und Monaten auch auf die Suche nach Leuten gemacht haben, die vor der Kamera bereit sind, über

ihren Arbeitsalltag Auskunft zu geben. Erfahrungsgemäß ist es sehr schwierig, sie dazu zu bewegen, nicht nur wegen der eingeschränkten Sprachkenntnisse, sondern auch aus Scham oder Angst vor Repressalien.

Der „Bayerische Rundfunk“ hat das trotzdem geschafft und hat 2017 schon einen bulgarischen Paketboten interviewt, der bei einem Subunternehmen von Hermes angestellt war und zu Protokoll gegeben hat, das jedem Kollegen, der sich dort beschwere, die sofortige Kündigung drohe, und wenn sich ein solcher Fall herumspreche, dann bekomme der Betroffene keinerlei Anstellungen in Deutschland mehr. Es sei im Übrigen Alltag, das im Arbeitsvertrag zwar der gesetzliche Mindestlohn fixiert werde, doch auf dem Stundenzettel gar keine realen Zeiten stehen würden.

Im Rahmen dieses Beitrages ist dann ein Professor Richard Giesen um eine Stellungnahme gebeten worden, der seines Zeichens Arbeitsrechtler an der LudwigMaximilians-Universität in München ist. Danach befragt, warum die Branche eigentlich so stark auf dieses Subunternehmertum setzt, hat er gesagt: „Da versucht wohl jemand, vor allem Sozialversicherungsbeiträge zu vermeiden und trotzdem die Kontrolle über das Geschehen zu haben.“

Dem ist eigentlich nichts weiter hinzuzufügen oder vielleicht doch noch eines: Wenn es denn so ist, dass die Paketzustellerinnen und Paketzusteller zum Teil mit Niedriglöhnen und schlechten Arbeitsbedingungen abgespeist werden, dann lässt das doch nur zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder sind die Preise für den Versand zu niedrig oder aber jemand erwirtschaftet in unanständiger Weise auf dem Rücken der Beschäftigten Gewinne und enthält ihnen den verdienten, fairen und gerechten Lohn vor. Und wenn Letzteres zutrifft, dann werden mal wieder Gewinne privatisiert und die Soziallasten vergesellschaftet, also den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern aufgebürdet.

Herr Brade, Sie sprachen es an, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat, da er die geschilderten Zustände wohl ebenfalls als inakzeptabel ansieht, angekündigt, einen Gesetzentwurf mit dem Ziel vorzulegen, die Arbeitsbedingungen für die Paketzustellerinnen und Paketzusteller verbessern zu wollen. Die Zielrichtung ist ähnlich wie bei der jetzt beschlossenen Bundesratsinitiative aus Niedersachsen. Doch während man sich in Hannover zwischen SPD und CDU offenbar einig in der Sache ist, ist es so, dass Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier im Bund schon wieder mal vorsorglich den sprichwörtlichen Hemmschuh vor den fahrenden Zug wirft. Er hat nämlich erklärt, das alles sei viel zu bürokratisch und falsch. Der Zoll solle mal machen, der sei schließlich zuständig und müsse durch regelmäßige Kontrollen sicherstellen, dass das bestehende Verfahren oder bestehende Vorschriften auch eingehalten werden.

Da könnte man jetzt natürlich sagen, hat ja wunderbar geklappt bisher – nicht ohne Ironie –, ohne natürlich die Schuld den latent unterbesetzten Kolleginnen und Kollegen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit unterschieben zu wollen. Aber allein diese Aussage des Bundeswirtschaftsministers macht ja deutlich, warum es weiter gilt, an dem Thema dranzubleiben, auch jetzt mit diesem Beschluss des Bundesrates, und eben nicht zu sagen, na, wir haben jetzt unsere Hausaufgaben gemacht, das Thema ist fürs Erste erledigt und dann schauen wir mal. Das ist,

glaube ich, zu wenig und da ist die Erwartungshaltung der Beschäftigten an Politik auch eine andere.

Deswegen werden wir den Antrag auch formal abstimmen lassen und ihn nicht zurückziehen, denn er hat ja auch noch einen Aspekt. Sie haben gesagt, Herr Wildt, das könnte man auch auf dem Wege einer Kleinen Anfrage machen. Man könnte natürlich auch als Arbeits- und Wirtschaftsminister in den Ausschuss gehen und entsprechend berichten auf der Basis der Dinge, die wir angefragt haben. Das ist nun mal eine Frage der Perspektive.

Wie gesagt, wir hätten gerne auch gewusst, wie denn nun die konkrete Lage speziell im Bereich des Subunternehmertums in der Paketbranche sich in MecklenburgVorpommern darstellt. Da haben wir ja in der Begründung auch so ein bisschen hineinformuliert, was uns da insbesondere bewegt und was wir für wichtig halten. Wenn Sie heute hier diesem Ansinnen auch nicht zustimmen, dann werden wir das zu gegebener Zeit im Wirtschaftsausschuss wieder aufsetzen

(Andreas Butzki, SPD: Das kennen wir von Ihnen!)

und werden wir uns dem Thema dort weiter widmen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Der hierzu eingereichte Änderungsantrag der Fraktion Freie Wähler/BMV auf Drucksache 7/3461 ist im Rahmen der Debatte zurückgezogen worden.

Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, über die Ziffer I sowie die Ziffer II.1 und 2 einzeln abzustimmen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Wer also der Ziffer I des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/3401 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist die Ziffer I des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/3401 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU und Freie Wähler/BMV, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und AfD abgelehnt.

Wer der Ziffer II.1 des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/3401 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenhaltungen? – Damit ist die Ziffer II.1 des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/3401 bei gleichem Stimmverhalten abgelehnt.

Wer der Ziffer II.2 des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/3401 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist die Ziffer II.2 des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/3401 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und ansonsten Ablehnung abgelehnt.

Vereinbarungsgemäß rufe ich den Zusatztagesordnungspunkt 2 auf: a) Beratung des Antrages der Fraktion der AfD – Bahntrassen Parchim–Malchow und Plau am See–Güstrow bewahren, Drucksache 7/3442, in Verbindung mit b) Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Regulären Bahnbetrieb auf der Strecke Parchim– Malchow wieder aufnehmen, Drucksache 7/3445.

Antrag der Fraktion der AfD Bahntrassen Parchim–Malchow und Plau am See–Güstrow bewahren – Drucksache 7/3442 –

Antrag der Fraktion DIE LINKE Regulären Bahnbetrieb auf der Strecke Parchim–Malchow wieder aufnehmen – Drucksache 7/3445 –

Das Wort zur Begründung des Antrages der Fraktion der AfD hat für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Kröger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Werte Gäste! Leiwe Mäkelborger un Vörpommern!

Dem Diskussionsbeitrag voranstellen möchte ich einen Dank, zunächst einen Dank an die Kollegen hier im Saal, die es ermöglicht haben, durch ihre einstimmige Zustimmung zur Dringlichkeit, dass wir das hier heute noch behandeln können, und vor allen Dingen einen Dank an die Initiative, die sich schon seit Jahren um die Erhaltung dieser Bahnstrecke bemüht, die hier auch, glaube ich, heute im Saal sitzt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Sehr geehrte Damen und Herren, die besonders im ländlichen Raum existierende starke räumliche Trennung von Wohnen, Arbeiten oder Einkaufen oder aber auch die Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung sind große Herausforderungen für einen öffentlichen Personennahverkehr. Eine gute Verfügbarkeit sowie eine hohe Leistungsfähigkeit und Qualität des öffentlichen Nahverkehrs sind jedoch Voraussetzung dafür, dass diese Mobilitätsbedürfnisse auch außerhalb der Großstädte mit dem öffentlichen Verkehr und ohne Pkw befriedigt werden können. Es ist gerade auch ein wichtiger Aspekt hin zu einer Entwicklung eines klima-, umwelt- und sozialverträglichen Verkehrssystems.

(Heiterkeit und Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Die herkömmlichen Angebote im öffentlichen Verkehr

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Was ist passiert?)

bieten kaum noch eine akzeptable Lösung in Bezug auf die eben genannten Aspekte an. Das inzwischen in den hiesigen ländlich geprägten Regionen angebotene bedarfsgerechte Beförderungsmittel Rufbus sollte dieses Angebot zwar sinnvoll ergänzen, aber nicht in Teilen komplett ablösen.

Wie sieht der Schienenpersonennahverkehr auf den Resten der Südbahnstrecke noch aus? Wer, so wie ich, aus dem ländlichen Umland in der Region Ludwigslust

kommt und mit der Bahn in die Stadt zur Arbeit möchte, zum Beispiel nach Schwerin, der muss morgens und abends beispielsweise in Ludwigslust Richtung Schwerin mehr als 30 Minuten Umsteigezeit in Kauf nehmen. Für die komplette Strecke mit dem Auto benötigt man je nach Verkehrslage um die 45 Minuten. Richtung Berlin sind die Übergangszeiten mit der Bahn bei 20 bis 40 Minuten, Richtung Hamburg bei 28 Minuten und dasselbe kommt dann noch mal fast auf die Rückfahrt dazu.

Mit solchen Umstiegszeiten ist die Anbindung des ländlichen Raums nicht wirklich attraktiv im Hinblick auf die Mitnutzung der Regionalbahn für den Arbeitsweg. Mit längeren Umstiegszeiten sinkt die Akzeptanz des Schienenpersonennahverkehrs. Aber je weniger Fahrgäste, desto geringer ist dann die Priorität bei der Zuteilung der Zeitfenster für die Regionalbahnen. Das heißt, der Zustand verschlimmert sich am Ende des Tages auch noch und wir kommen in eine Abwärtsspirale, die unweigerlich das Aus für den öffentlichen Schienenverkehr im Ergebnis bedeutet.

Hier liegt dann wohl auch einer der Hauptgründe für die zuletzt sehr schwache Nutzung auf der Südbahnstrecke, die hier letztendlich zur Aufkündigung des Schienenpersonennahverkehrs zugunsten des Rufbusses führte. In der Folge hat die Betreibergesellschaft jetzt konstatiert, dass wegen der Aufkündigung des Schienenpersonenverkehrs keine Einnahmen mehr vorhanden sind, um die damit notwendigen Kofinanzierungsmittel für den Streckenerhalt auszugleichen.

Was ist zu tun, damit die Schiene wieder an Attraktivität gewinnt? Zunächst geht es darum, die Mobilitätsbedürfnisse im ländlichen Raum als großes Thema in den Bereichen Arbeiten, Leben, Freizeit und Tourismus wiederzubeleben. Hiervon lebt die Region. Die Fahrradmitnahme ist beispielsweise im Rufbus schwer möglich. Als wichtige Übergangsbahnhöfe für die Südbahn und deren Anbindung an die Metropolregionen Hamburg und Berlin sind hier zunächst die Bahnhöfe Hagenow-Land und Ludwigslust zu nennen. Und wie es da mit den Umsteigezeiten aussieht, das habe ich ja eben gerade genannt.