Protokoll der Sitzung vom 12.04.2019

Eine fahrplangerechte Taktung mit kurzen Umstiegszeiten in die Richtungen Schwerin, Hamburg und Berlin könnte ganz konkret die Attraktivität für die Südbahn deutlich erhöhen und nachhaltig zu mehr Fahrgästen führen. Das bringt dann letztendlich steigende Einnahmen und damit einhergehend ist eine wichtige Grundlage für einen langfristig angelegten Streckenerhalt bereits gelegt.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Der zeitlich durchgängige Erhalt der Bahnstrecken ist von immenser Wichtigkeit, und das habe ich auch schon in der Begründung gesagt, weil die Stilllegung kaum jemals rückgängig gemacht werden kann, denn die jetzt noch laufende Technik zum Beispiel hat nur, solange die Strecke nicht stillgelegt wird, noch Bestandsschutz. Sobald eine formale Stilllegung erfolgt ist, ist im Hinblick auf eine Reaktivierung dieser Strecken der Bestandsschutz für die Sicherheitstechnik hinfällig und sie müsste gegebenenfalls komplett erneuert werden.

Die Diskussionen der Vergangenheit über die angeblich mehr als 2,5 Millionen Euro an Regionalisierungsmitteln, die für den SPNV bestimmt waren und vom Land zurück

gehalten werden, möchte ich hier jetzt an dieser Stelle nicht weiter vertiefen.

(Thomas Krüger, SPD: Das wird Herr Pegel schon erklären!)

Und um semantischen Debatten zur Auslegung der Abkürzung ÖPNV in unserem Antrag vorzubeugen, erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, dass unser Antragspunkt 2 exakt auf den Paragrafen 2 Absatz 4 des ÖPNVGesetzes abzielt, in dem es heißt – und hier zitiere ich mit Erlaubnis des Präsidiums –: „Der ÖPNV ist unter Einbeziehung aller Verkehrsmittel als ganzheitliches System zu einem integrierten Bedienungsangebot mit aufeinander abgestimmten Fahrplänen und Tarifen zu entwickeln. Konkurrierende Streckenführungen auf der Straße parallel zur Schiene sind zu vermeiden. Sichere und leichte Übergänge vom Individualverkehr auf den ÖPNV sind anzustreben.“ Zitatende.

Ich finde, besser kann man unseren Antrag kaum zusammenfassen. Nehmen Sie sich als Landesregierung dieses Stückchen Gesetz als Handlungsauftrag im Sinne unseres Antrags, um der Schiene hier wieder ihren gebührenden Platz zu sichern, als klima-, umwelt- und sozialverträgliches Verkehrsmittel, und den Rufbus dort zu stärken, wo er nicht in Konkurrenz zur Schiene steht. Nur wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und ich denke, in Anbetracht der Debatte, die wir hier heute schon geführt haben um die Freitagsdemonstrationen, auch der Bereich „öffentlicher Personennahverkehr“ muss komplett neu gedacht werden, und ich denke, wir sollten diese Chance nicht verspielen. In diesem Sinne bitte ich um Ihre Zustimmung für den Erhalt dieser Strecke und unseren Antrag.

Dem Antrag der LINKEN, der parallel läuft, stehen wir sehr offen gegenüber. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Damit nicht der eine oder andere Abgeordnete in Versuchung kommt, begrüße ich für alle Abgeordneten des Landtages Vertreter der Bürgerinitiative „ProSchiene“, die jetzt dieser Debatte lauschen. Herzlich willkommen!

Jetzt rufe ich auf Frau Dr. Schwenke von der Fraktion DIE LINKE zur Begründung des Antrages der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist gut, dass die Dringlichkeit bestätigt wurde und wir vielleicht – die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt – heute übereinkommen, die angekündigte Einleitung des Stilllegungsverfahrens von Bahninfrastruktur auf den Strecken Parchim–Malchow sowie Plau am See–Güstrow im allerletzten Moment doch noch abzuwenden.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Ich hoffe insbesondere auf ein Einlenken der SPD, den ländlichen Raum nicht abzuschreiben. Heute ist Gelegenheit, statt vollmundiger Ankündigungen einen konkreten Beitrag dafür zu leisten,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

dass Menschen sich im ländlichen Raum nicht abgehängt und von der Politik vergessen und verlassen fühlen.

Bei der Freitagsabendaktion „Rote Laterne“ in Lübz hielt auch mein sehr geschätzter Kollege Waldmüller eine flammende Fürsprache. Und es geht, das muss ich heute nicht wieder lang und breit betonen, längst nicht mehr nur um den Erhalt dieser Bahnstrecken, es geht um die Entwicklung einer ganzen Region. Vertreter der SPD oder auch der neue Landrat waren nicht da. Das spricht leider für sich, aber es kann ja auch sein, dass sie wirklich nicht konnten.

(Torsten Renz, CDU: Haben Sie sich denn erkundigt? Haben Sie sich erkundigt?)

Nein, deshalb habe ich das so vage formuliert, Herr Renz.

(Torsten Renz, CDU: Sie stellen das einfach mal so in den Raum?)

Ja, natürlich! Das kann ich doch, oder?

(Torsten Renz, CDU: Bitte schön!)

Also dann wäre es auf jeden Fall jetzt Zeit, dass sich der neue Landrat zu dem bekennt, was er vor seiner Wahl versprochen hat, nämlich, sich dafür einzusetzen, dass die Südbahn wieder fährt. Ich habe vollstes Verständnis dafür, das RegioInfra die Reißleine zieht, notgedrungen ziehen muss, weil die Grundfinanzierung fehlt. Das Land war bisher nicht bereit, wenigstens einen Trassensicherungsvertrag abzuschließen. Und werden die Strecken nicht mit dem SPNV, also dem Schienenpersonennahverkehr, bedient, entfallen Einnahmen durch Trassennutzungsentgelte, auch Schienenmaut genannt.

Die Kosten für die Instandhaltung der Gleisanlagen, der Signaltechnik und der Bahnüberwege, also zur Aufrechterhaltung der Funktionstüchtigkeit, bleiben. Diese sind durch Gelegenheitsverkehr nicht aufzufangen. Es reicht einfach nicht, dass ab und zu ein Güterzug fährt, obwohl es auch hier eine positive Entwicklung gab. Oder auch der super organisierte Saisonverkehr, der auch vom Landkreis Ludwigslust–Parchim unterstützt wird, kann die Kosten nicht auffangen. Insofern ist es für mich völlig unverständlich, wie der Chef der landeseigenen Verkehrsgesellschaft Herr Lindemann sich im Interview am Freitagabend völlig überrascht von der Ankündigung von RegioInfra zeigen konnte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die beiden hier in Rede stehenden Bahnstrecken gehörten einst der DB Netz AG. Als das Südbahnteilstück Parchim–Malchow noch vom SPNV bedient wurde, kassierte die DB Tochter sehr hohe Trassenentgelte. Von 2003 bis 2011 wurden zusätzliche Regionalfaktoren fällig, um angeblich nicht wirtschaftliche Strecken weiter betreiben zu können. Mit diesen Zuschlägen für weniger stark befahrene Strecken sollte deren Instandhaltung finanziert werden. Das Geld ist allerdings von der DB Netz AG nicht in die maroden Strecken investiert worden.

Um die Größenordnung aufzuzeigen, allein in Mecklenburg-Vorpommern sanken die Trassennutzungsentgelte im Jahr 2012, dem ersten Jahr nach Abschaffung der Regionalfaktoren, um 3,7 Millionen Euro. Das ist in etwa die Summe, die jährlich der Vertragssumme für die Strecke Parchim–Malchow entsprach und vom Land aufzubringen war. Da die DB Netz AG zwar kassierte, aber nicht investierte, musste die Strecke heruntergesetzt werden. Anschlüsse passten nicht mehr, das Bahnfahren wurde unattraktiver und die Fahrgäste bliebe reihenweise weg.

Schließlich waren dies und dazu die damals ungeklärte Höhe der Regionalisierungsmittel für die Landesregierung Gründe genug, das Teilstück Parchim–Malchow mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2014 nicht wieder zu bestellen. Auf der Bahnstrecke Meyenburg– Plau am See–Güstrow wurde bereits im Jahr 2000 der Personenverkehr eingestellt. Für besondere Höhepunkte wurde und wird auch zwischen Plau und Karow beziehungsweise Plau und Güstrow Saisonverkehr sichergestellt.

Vor dem Hintergrund des Agierens der DB Netz AG mit den Trassenentgelten bekommt ein Stilllegungsverfahren ein ganz besonderes Geschmäckle. Für ein Stilllegungsverfahren kommt Paragraf 11 Allgemeines Eisenbahngesetz in Anwendung. Das Eisenbahninfrastrukturunternehmen hat die dauernde Einstellung des Betriebes einer Strecke bei der zuständigen Aufsichtsbehörde zu beantragen. Dabei ist darzulegen, dass ihm der Betrieb der Infrastruktureinrichtung durch Verkauf oder Verpachtung nicht mehr zugemutet werden kann. Diese Regelung wurde im Zuge der Bahnreform eingeführt. Die Deutsche Bundesbahn wurde nur noch nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben bewertet. Und so nutzte die DB Netz AG die Gelegenheit, aus seiner Sicht unrentable Strecken Dritten zur Übernahme anzubieten und im Falle des Scheiterns einer solchen Übernahme die Strecke stillzulegen.

Insgesamt wurden in Mecklenburg-Vorpommern 19 Strecken mit 297 Kilometer Länge stillgelegt und auf diesem Weg erwarb die RegioInfra Bahninfrastruktur in Mecklenburg-Vorpommern und in Brandenburg. Das Pegelʼsche Ministerium bleibt gelassen ob der Ankündigung zur Einleitung eines Stilllegungsverfahrens. Es sei abzuwarten, ob die Bundesbehörde überhaupt anerkenne, dass der RegioInfra ein weiteres Aufrechterhalten nicht möglich sei. Das empfinde ich als ziemlich zynisch.

Auch eine weitere Reaktion aus dem Pegelʼschen Haus halte ich für unangemessen und ebenso zynisch. Ich zitiere: „Sofern Sie deutlich weniger als 20 Personen im Durchschnitt mit Bussen befördern anstatt mit dieselgetriebenen Bahnen, ist bei dermaßen geringen Nutzerzahlen der ökologische ‚Fußabdruck‘ des Busses sogar besser als jener der Dieselbahn.“ Zitatende. Ich glaube, das ist angesichts der Geschichte dieser Bahn nicht angemessen. Statt die Bahn einzubinden und gemeinsam mit Bus und Rufbus ein innovatives Verkehrskonzept umzusetzen, gibt es nichts als Abwehrreaktionen.

Herr Minister, die Entscheidung zur Abbestellung war aus unserer Sicht und nicht nur aus meiner falsch. Sehen Sie das ein und stellen Sie sicher, dass die Bahn wieder fährt! Clemens Russell von der Bürgerinitiative „ProSchiene“ sagte am vergangenen Freitagabend in

Lübz, dass sie weitermachen wird, bis die Bahn wieder fährt. Das unterstützen wir. Die Linksfraktion kämpft seit 2013, seit Bekanntwerden der Pläne der Landesregierung, das Teilstück Parchim–Malchow nicht weiter bestellen zu wollen, mit etlichen parlamentarischen Initiativen für die Südbahn.

Den ersten Landtagsantrag dazu brachten wir im September 2013 mit dem Titel „Die Mecklenburger Südbahn muss erhalten bleiben“ ein. Dieser Antragstitel ist nach wie vor aktuell. Auch wir geben nicht auf. Die einzige Verbindung von Ost nach West im Süden des Landes muss erhalten und wieder befahren werden.

(Beifall Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Seit über 130 Jahren fährt die Südbahn. Für das Teilstück der Südbahn Malchow–Waren lief Ende 2017 der Vertrag aus. Lange Zeit war unsicher, ob die Strecke weiter bedient wird. Schließlich rang sich das Land durch, verhandelte mit dem Kreis und gab schließlich die Verantwortung für zehn Jahre an den Landkreis Mecklenburgische Seenplatte ab. Aktuell unterstützt das Land mit jährlich 650.000 Euro und stellt Investitionszuschüsse für die Bahninfrastruktur in Höhe von 2 Millionen Euro zur Verfügung.

Da fragt sich doch jeder vernünftige Mensch, warum nicht mindestens eine solche Lösung auch für den Abschnitt Parchim–Malchow möglich ist. Politisches Ziel ist es für uns jedoch weiterhin, eine durchgehende Südbahn in Landesverantwortung zu schaffen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Eine Ausschreibung durch das Land für die Strecke Parchim bis Waren mit Anbindung Plau oder gar Güstrow würde eine attraktive Bahnverbindung wieder in Landesverantwortung sichern. Dafür sollten aus unserer Sicht umgehend die Vorbereitungen getroffen werden, also EU-Ankündigungen zu Bahnausschreibungen.

Bundesweit stößt die Hortung von rund einer Viertelmilliarde Euro im Sondervermögen „Schienenpersonennahverkehr“ auf Unverständnis. Etwa 1 Million pro Jahr Landesunterstützung wäre nötig, um die Bahn wieder fahren zu lassen zwischen Parchim und Malchow mit Anbindung von Plau am See. Das muss drin sein.

Besinnen Sie sich, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben gestern über Sektorkopplung gesprochen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wollen auch Sie die Verkehrswende, Autos von der Straße, mehr in den öffentlichen Verkehr. Sie haben heute die Gelegenheit, das konkret zu machen. Stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der AfD und DIE LINKE)

Zwischen den Fraktionen ist vereinbart worden, eine verbundene Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat für die Landesregierung der Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung Herr Pegel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat diskutieren wir das nicht das erste Mal und vermutlich auch nicht das letzte Mal. Ich werbe trotzdem dafür, dass Sie irgendwann sagen, wie Sie Dinge bezahlen. Das gilt dann in beide Oppositionsrichtungen.

Ich kann mich an die Wünsche zur Südbahn wiederholt erinnern, ich kann mich an den kostenfreien ÖPNV, entweder für alle oder zumindest für alle Auszubildenden und Schüler, erinnern. Ich erinnere mich an zahlreiche Wünsche HVV-Aufnahme, VBB-Aufnahme, also Verkehrsverbindung Berlin-Brandenburg und im Hamburger Beritt. Die Liste ließe sich nach meiner Erinnerung fortsetzen mit deutlich intensiveren Takten, ich glaube, Spätverbindungen waren es zwischendurch. Am Ende des Tages sind die Wünsche alle nachvollziehbar, aber sie müssen bezahlt werden und die Regionalisierungsmittel sind bemessen, auch wenn Sie immer wieder gerne auf den von mir wiederholt erläuterten derzeitigen Rücklagen herumreiten, die uns einfach nur in den 20erJahren sichern werden, wenigstens das jetzige Fahrplanangebot im Nahverkehr, im Schienenpersonennahverkehr, aufrechtzuerhalten.

Wir haben eine Neuverteilung der Regionalisierungsmittel. Die führt dazu, dass wir vom Kuchen weniger abbekommen als in der Vergangenheit, und zwar mit einer Kurve, die jedes Jahr bis 2031 ein bisschen abnimmt. Unsere Kurve, die wir früher bekommen haben, wenn Sie die einfach fortschreiben, schneidet die diese neue Kurve nach den heutigen Regelungen in 2022. Wir bekommen also ab 2022 weniger, als wir nach früherem Recht bekamen, und dann laufen die Kurven wunderbar auseinander, und das Geld, das wir zurzeit zurücklegen, ist der Versuch, die entstehende Lücke in den Jahren 2022 bis 2031 wenigstens zu decken, um das heutige Angebot über den gesamten Zeitraum von 15 Jahren der Geltung dieses Regionalisierungsgesetzes zu erhalten.