Protokoll der Sitzung vom 23.05.2019

Aber, noch mal, nicht alle vollziehbar Ausreisepflichtigen sind auch Fälle, die zu inhaftieren sind. Genau. Denn eine Haft erfordert mehr. Da brauchen Sie einmal die vollziehbare Ausreisepflicht, Sie brauchen einen Haftgrund, also Sie brauchen ein Gericht, das sozusagen einen Haftbefehl dann gegen den Abzuschiebenden erlässt, und das sind mit Sicherheit viel weniger als die Ausreisepflichtigen. Ich selbst war als Richter Anfang der 2000er mit Abschiebehaft auch beschäftigt. Also das war, zu der Zeit wurde noch relativ viel angeordnet.

Das heißt, wir haben ein Vollzugsdefizit bei Abschiebungen, das hat Herr Caffier ja richtig dargestellt, aber dies beruht nicht darauf, dass es zu wenig Abschiebehaftplätze gibt, weil wir andere Gründe haben für das Scheitern der Abschiebung. Ein Mangel an Abschiebehaftplätzen – und darüber reden wir nur, über die Haftplätze – liegt erst dann vor, wenn ein gerichtlicher Abschiebehaftbefehl nicht vollstreckt werden kann, weil es keinen freien Platz in einer Abschiebehaftanstalt gibt. Das bedeutet also, die Ausländerbehörde stellt einen Antrag beim Gericht, das Gericht erlässt einen Abschiebehaftbefehl, die Polizei will den vollstrecken, steht dann vor der JVA – ich sage es mal ein bisschen vereinfacht –, vor der Abschiebehaftanstalt, und die Haftanstalt sagt: Nö, wir sind voll, wir können hier keinen mehr aufnehmen. Ich sage es jetzt mal ein bisschen vereinfacht, plastisch. Dann hätten wir tatsächlich die Situation, dass wir einen Mangel an Abschiebehaftplätzen haben. Das ist, wie gesagt, nicht der Fall.

Die Abschiebungen scheitern aber aus anderen Gründen, nicht, weil die Haft nicht vollstreckt werden konnte. Das hatte ja eben meine Kleine Anfrage ergeben. Ich hatte ja gefragt: Woran scheitern die Abschiebungen? Und da war eben kein Fall dabei, wo gesagt wurde, ja, wir haben keinen Haftplatz gefunden und der Abzuschiebende musste wieder freigelassen werden. Damit haben wir derzeit – jedenfalls für Mecklenburg-Vorpommern, ich kann es bundesweit nicht beurteilen – keine Notlage im Sinne der Europäischen Rückführungsrichtlinie und die Abschiebehaft muss auch weiterhin, jedenfalls für unser Land, in Abschiebehafteinrichtungen vollstreckt werden. Ich möchte aber auch klar sagen, wenn wir die Notlage hätten, sind wir natürlich auch selbstverständlich dafür, dass hier vorübergehend auch eine Justizvollzugsanstalt genutzt werden kann. Das ist organisatorisch möglich, da das zu trennen.

Und vielleicht auch noch mal als Anmerkung, Frau Larisch, weil Sie sagten, es sind keine Straftäter. Selbstverständ

lich sind es keine Straftäter. Aber ich sage mal, diese Haftanordnung, die haben wir auch in anderen Fällen am Gericht. Also es gibt auch Beugehaft zum Beispiel. Oder ich war auch Bußgeldrichter, da wird auch Haft angeordnet, wenn Sie Bußgelder nicht bezahlen. Erzwingungshaft habe ich bestimmt viele tausend Male …

(Karen Larisch, DIE LINKE: Nee, nee, alles gut.)

Ich will damit nur sagen, also diese Haftanstalten werden natürlich auch für andere Dinge genutzt. Aber das nur am Rande. Ich wollte nur begründen, warum wir diesen Antrag ablehnen.

Und abschließend noch die Hinweise auch auf handwerkliche Mängel. Wenn man den Antrag wörtlich nimmt, steht drin, die Landesregierung soll sich dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, Zitat, „anschließen“, und der Antragsteller hat die Landesregierung aufgefordert, die im Gesetzentwurf „enthaltenen Möglichkeiten konsequent in Mecklenburg-Vorpommern umzusetzen“. Also erst mal weiß ich nicht, wie Landesregierungen sich Gesetzentwürfen der Bundesregierung anschließen sollen, das ist mir nicht klar, und auch die Möglichkeiten des Gesetzes können natürlich nicht umgesetzt werden, sondern da müssen wir schon, wie Herr Caffier zutreffend gesagt hat, noch das Gesetzgebungsverfahren abwarten, und erst dann können wir sagen, das kann umgesetzt werden.

Und im Übrigen, der Gesetzentwurf enthält ja viel. Es geht ja nicht nur um die Abschiebehaftanstalten, es gibt alle möglichen Dinge und dazu hat sich der Antrag auch nicht verhalten, welche, Zitat, „Möglichkeiten“, Zitatende, hier gemeint sind. Von daher ist der Antrag an sich auch zu unkonkret und zu unklar, sodass man ihm allein schon aus handwerklichen Gründen nicht folgen kann. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion Freie Wähler/BMV)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Reinhardt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wir werden den Antrag der AfD-Fraktion ablehnen. Der Innenminister und auch viele Vorredner haben dazu schon sehr umfangreich ausgeführt. Wir wissen, es sind alle, so, wie es der Innenminister gesagt hat, nicht zufrieden, wie das Umsetzen der Abschiebungen am Ende auch wirksam vollzogen wird, und wollen da besser werden. Herr Manthei hat es richtig gesagt, Abschiebehaftplätze sind da ein Problem, aber ein eher kleineres Problem in der ganzen Sache.

Wir sind in Glückstadt dabei, mit Schleswig-Holstein und Hamburg eine eigene Abschiebehafteinrichtung aufzubauen, und wir sind auch an der Seite unseres Innenministers, so würde ich sagen, wenn es darum geht, das Trennungsgebot aufzuheben und vorübergehend bis 2022 auch in normalen Vollzugsanstalten Abschiebehaft zu ermöglichen. Dazu ist die Diskussion im Bundestag und im Bundesrat im vollen Gange. Es gibt unterschiedliche Meinungen, auch das haben wir gehört, zwischen Innenpolitikern und auch zwischen Justizpolitikern. Unsere Landesregierung hat sich da geeinigt und ist dabei auf einem guten Weg. Wir sollten die Gesetzgebung im Bund deshalb abwarten.

Bei dem Antrag kann ich jetzt nicht erkennen, wie er uns da weiterhilft, und deshalb ist es richtig, dass wir ihn heute mit großer Mehrheit ablehnen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat noch einmal für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Förster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Zunächst zur Bezeichnung des Rückkehrgesetzes, da hat Frau Larisch ja eine interessante Variante geboten oder abgesetzt. Damit trifft sie eigentlich einen Kern der Optik der Gesetze. Wir hatten ja kürzlich zunächst das Starke-Familien-Gesetz, dann das Gute-KiTa-Gesetz, jetzt das Geordnete-Rückkehr-Gesetz. Ich sehe es so, dass das so eine gewisse Tendenz zur politischen Infantilisierung ist.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und ganz neu ist in der Gesetzgebung, dass so eine Bonitätsbezeichnung in die Überschrift kommt. Ich meine, Frau Larisch hat mir dazu einen Anlass gegeben, man sollte, der Gesetzgeber sollte schleunigst wieder auf die Ebene einer herkömmlichen sachlichen Gesetzessprache zurückkehren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das vorweg.

Wenn ich...

Ach so, die Absicht unseres Antrages, ja. Natürlich kann man spitzfindig jetzt, wie auch Dr. Manthei das getan hat, feststellen, dass dieses oder jenes jetzt konkret noch nicht so weit ist und fehlt, aber im Grunde ist unser Anliegen doch ganz einfach. Es ist doch ganz offenkundig, dass in dem Gesetzgebungsverfahren der Bundesrat beteiligt ist, dass das Land eine Stellungnahme abgeben muss – die liegt ja so weit auch vor –, und es ist ganz offensichtlich und auch hier noch mal angesprochen worden seitens des Ministers, wenn ich richtig zugehört habe, dass das Justizministerium und das Innenministerium sich da nicht ganz einig sind. Und unsere Absicht ist es, in aller Redlichkeit als Opposition auf diese wunde Stelle hinzuweisen und unseren Beitrag da zu leisten, dass die richtige Auffassung, die unseres Erachtens von unserem Innenminister vertreten wird, auch in der Landesregierung das Maßgebliche ist.

Interessant ist, wenn ich jetzt da noch einige Punkte herausgreife, dass meine Darstellung – da eben der Satz fiel: „Das sind keine Straftäter“ –, dass derjenige, der die Ausreise verweigert, fortwährend eine Straftat begeht,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

da habe ich bisher keinen Satz dagegen gehört. Und ich muss zugeben, vor der Vorbereitung dieser Rede war ich auch so davon ausgegangen, dass man sich ja eigentlich, wenn man nicht ausreist, nicht strafbar macht, wenn man einfach so hierbleibt. Das ist nicht der Fall oder ich muss mich mächtig geirrt haben. Nach allem, was ich

also recherchiert habe, gelten die Regeln nach dem Aufenthaltsgesetz, die Strafbestimmungen, auch völlig eindeutig für Flüchtlinge. Und es gibt lediglich aufgrund der Rückkehrrichtlinie eine Straffreistellung,

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

also einen persönlichen Strafausschließungsgrund.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Der gilt aber nur, Herr Dachner, unter bestimmten Voraussetzungen, und da ist es höchst fraglich, ob die vorliegen.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Sie liegen jedenfalls dann nicht vor, wenn das Verfahren abgeschlossen ist.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Bei Frau Larisch, will ich noch mal da zurückkommen – Frau Larisch, jetzt nehmen Sie es mir nicht übel, kenne ich ja sonst ganz anders bei diesem Thema –, sie hat ja auf ihrer Linie konsequent und in aller Ruhe und Sachlichkeit ihre Meinung vertreten, die wir natürlich so nicht sehen. Ich will nur ein paar Worte dazu sagen. Das ist ja an sich logisch und konsequent, wenn man die Auffassung vertritt, Artikel 1 des Grundgesetzes „die Würde des Menschen“ legen wir so aus, dass es also allein darauf ankommt, dass ein Mensch hier ist und wie es dem geht, und da muss ich letztlich auch dafür sorgen,

(Karen Larisch, DIE LINKE: Weil er Mensch ist!)

dass es dem hier gut geht und so weiter. Das führt aber im Ergebnis – das, denke ich, sehen Sie auch genauso –, das führt dazu, das weder eine Begrenzung nach oben stattfindet. Sie kippen damit sämtliche Vorschriften, die in allen geordneten Staaten bestehen, wie Einreise und Ausreise oder den Aufenthalt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Wenn einer hier ist, bleibt er hier, wenn es dafür Bedürfnisse gibt. Das hat mit Artikel 1 Grundgesetz nichts mehr zu tun.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Artikel 1 Grundgesetz ist nämlich entgegen verschiedentlich vertretener Auffassungen kein Grundrecht in dem Sinne, aus dem man Rechte herleiten kann. Artikel 1 ist der Überbegriff für alles, sozusagen die Quelle der weiteren Grundrechte, schafft aber insbesondere kein Recht auf Einreise.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und das kann man auch nicht mit dem Zauberwort „weltoffene Gesellschaft“ zurechtbiegen. Das muss einem eigentlich klar sein, dass Artikel 1 nicht so pervertiert werden kann, dass jeder beliebig von diesem Erdball hierherkommen kann und dann bei uns eine Rundumversorgung auch noch bekommt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Karen Larisch, DIE LINKE)

Also nochmals, ich wiederhole mich und würde da gerne Widerspruch erfahren, ich bleibe dabei und es ist auch so, dass derjenige, der illegal sich aufhält hier, sich strafbar macht. Diese Strafbefreiung hat den Sinn und den Zweck nach dieser Rückkehrrichtlinie, dass derjenige, der hierherkommt und vielleicht zu Recht Asyl begehrt oder Schutz sucht, dass der nicht Angst haben muss, gleich eingesperrt oder bestraft zu werden. Das ist der Sinn. Die Vertragschließenden haben vereinbart, diese Menschen wegen illegaler Einreise und illegalen Aufenthalts nicht zu bestrafen zunächst mal, wenn sie, das hatte ich vorgelesen – so grob, ich habe es jetzt nicht parat hier –, wenn sie unmittelbar aus einem Land kommen, wo die Fluchtgründe da waren. Daran scheitert es in der Regel schon, wenn sie aus einem uns umgebenden sicheren Staat der EU oder aus einem anderen sicheren Drittstaat kommen.

Nach aller herkömmlichen Auslegung an dieser Stelle ist diese Privilegierung jedenfalls dann obsolet, wenn das Verfahren abgeschlossen ist, rechtskräftig abgeschlossen ist, und der Betreffende vollziehbar ausreisepflichtig ist.

(Beifall Dr. Gunter Jess, AfD)

Da muss man kein Jurist sein, um das einsehen zu müssen. Das ist eben so!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Dann war noch eine Kleinigkeit, die auch von Frau Larisch angegriffen wurde, dass ab 2022, sagten Sie, dann nach der neuen Bestimmung des 62a ohnehin einige ins Gefängnis kommen sollen. Da haben Sie recht. Diese vorübergehende Aussetzung des Trennungsgebotes ist nämlich in der Weise geschehen, dass man die Bestimmung des 62a Absatz 1 schlicht gestrichen hat für zwei Jahre bis zum 1. Juli 2022. Ab dem 1. Juli 2022 tritt die alte Bestimmung wieder in Kraft, mit einem Zusatz am Ende: „Besteht die Ausreisepflicht aufgrund oder infolge einer strafrechtlichen Verurteilung“, also eine ganz andere Schublade, „kann die Abschiebungshaft in sonstigen Haftanstalten vollzogen werden.“ Also das Trennungsgebot wird dann für einen bestimmten Personenkreis, der aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung in Abschiebehaft ist, insofern aufgeboben.