Protokoll der Sitzung vom 20.06.2019

Ich habe beide da liegen, können Sie reingucken.

Es gibt keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für diese Vorgehensweise. Und deswegen bleiben wir dabei, Ziffer I, dem stimmen wir zu, dem Feststellungsteil, mit diesem Änderungsantrag. Ziffer II mit den Unterpunkten lehnen wir ab. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat jetzt noch einmal für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Foerster.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die letzte Rede in einer Debatte obliegt, jedenfalls im Regelfall, dem Vertreter der einbringenden Fraktion und damit hat sie ja auch so etwas wie Feedbackcharakter. Während meiner Ausbildung habe ich mal gelernt, beim Feedback soll man immer mit den positiven Dingen beginnen, und das möchte ich dann auch gern tun.

Ich finde es erfreulich, dass die Koalitionsfraktionen sich mit dem Antrag derart auseinandergesetzt haben, dass sie ihn zur Abwechslung mal nicht in Bausch und Bogen ablehnen,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

sondern den vorliegenden Änderungsantrag formuliert haben.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Dieser umfasst für den Feststellungsteil zwei Aspekte, denen man folgen kann. Ja, Sie haben natürlich recht, wenn Sie die Schwierigkeiten der Sozialpartner, ihre Gewerkschaftsmitglieder und ihre Unternehmen zu organisieren, als Hemmnis bezeichnen. Ich hatte ja die entsprechenden Zahlen bereits in der Einbringung genannt. Und ja, sicher kann man auch unterstellen, dass sich in ländlichen und ganz besonders in strukturschwachen Gegenden die Tatsache, dass sich dort oft keine großen, mitunter ja nicht mal mittelständische Unternehmen finden, hemmend auf die Bestrebung, zu mehr Tarifbindung zu kommen, auswirkt. Wir wissen ja, der Kollege Waldmüller hat es gesagt, Letztere steigt mit der Größe der Unternehmen. So sind 72 Prozent der Betriebe mit 250 Beschäftigten und mehr tarifgebunden, und wir wissen auch, dass gerade kleine Unternehmen sich eher am Tarif orientieren. Bei Unternehmen mit 5 bis 9 Beschäftigten sind es 40 Prozent.

Insofern folgt Ihr Änderungsantrag einer gewissen Logik, die man durchaus mittragen kann, auch wenn ich hier

noch mal darauf hinweisen möchte, dass Tariforientierung und echte Tarifbindung natürlich zwei unterschiedliche Dinge sind, weil Tariforientierung eben keine kollektive Verbindlichkeit entfaltet und häufig auch nur Teilaspekte eines Tarifwerkes, zum Beispiel die Entlohnung, umfasst. Dennoch ist sie natürlich, wenn man das aus der persönlichen Perspektive des jeweiligen Beschäftigten wertet, besser als nichts.

Das war es dann aber auch schon mit dem positiven Feedback, denn man muss ja sagen, die Feststellung des Istzustandes und die Problembeschreibung allein verändern natürlich nichts. Und deshalb muss ich Ihnen nun leider doch noch einmal mehr den Spiegel vorhalten und auf die negativen Aspekte, auch der vorgebrachten Argumente in der Debatte, zu sprechen kommen.

In Richtung der CDU-Fraktion, des Kollegen Waldmüller möchte ich Folgendes sagen: Sie haben ja heute wie auch in der Vergangenheit immer dann, wenn wir über politisch gewollte Steuerungsmechanismen, beispielsweise den gesetzlichen oder auch den vergabespezifischen Mindestlohn, gesprochen haben, die Fahne der Tarifautonomie hochgehalten. Getreu den Vereinbarungen, die 1918 Verfassungsrang erreichten, sollen also Gewerkschaften und Arbeitgeber am besten alle im Arbeitsleben relevanten Fragen von Lohn bis Arbeitszeit alleine regeln und der Staat wäre Ihrer Meinung nach gut beraten, sich komplett rauszuhalten.

Das kann man natürlich so sehen, nur, Herr Waldmüller, sind Sie bei der Frage ein Stück weit unglaubwürdig. Und warum, will ich Ihnen auch gern erklären. Der Gesetzgeber räumt ja ausdrücklich die Möglichkeit ein, Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären. Und beantragen das also die für eine Branche zuständigen Tarifvertragsparteien und liegt eine solche Regelung, das haben Sie auch anklingen lassen, im öffentlichen Interesse, dann prüft das der sogenannte Tarifausschuss. Dort sitzen dann nicht Politiker, sondern ein Ministerialbeamter aus dem BMAS mit Vertretern der Gewerkschaften, der Arbeitgeberverbände zusammen und sie befinden darüber.

Früher hat das sehr gut funktioniert, heute dagegen, das zeigen die Zahlen ja, funktioniert es nicht mehr, denn es ist ja nicht nur so, dass die DGB-Gewerkschaften einen deutlichen Mitgliederschwund beklagen, das geht auch den Arbeitgeberverbänden so. Und genau deshalb bieten sie seit etwa 20 Jahren verstärkt die sogenannten OTMitgliedschaften an, was für „ohne Tarif“ steht, das sagte Professor Weber in seinen Ausführungen.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, bekanntlich ja auch früher Gewerkschaftsfunktionär, hat in seiner Rede im Bundesrat am 7. Juni 2019 darauf hingewiesen, was diese OT-Mitgliedschaft eigentlich faktisch bedeutet. Und das, Herr Waldmüller, möchte ich Ihnen auch mal mitteilen. Der Arbeitgeberverband muss faktisch seinen eigenen Verbandsmitgliedern garantieren, dass sie niemals durch Tarifvertrag belästigt werden. Nun machen sich also die für die jeweilige Branche zuständigen Tarifparteien auf den Weg, treffen Regelungen und verständigen sich gemeinsam zu einem Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit und dann entscheidet im Tarifausschuss wiederum ein allgemeiner Arbeitgeberverband darüber, der einen solch eklatanten Widerspruch in sich trägt, der auch Mitgliedsunternehmen organisiert, die explizit sagen, wir wollen gar nicht an Tarifverträge gebunden sein.

Entschuldigung, Herr Kollege Waldmüller, aber das ist doch paradox! Und dazu sagen Sie hier im Landtag jenseits Ihrer blumigen Reden zur Rolle und Bedeutung der Tarifautonomie nichts. Dazu habe ich jedenfalls noch nie etwas gehört.

Ihr Kollege Laumann aus NRW ist da schon deutlich weiter. Der hat nämlich längst begriffen, dass beim Thema Allgemeinverbindlichkeitserklärungen nicht die Frage eines Geschenkes an die Beschäftigten im Mittelpunkt steht, sondern dass es stattdessen darum geht, den negativen Wettbewerb über die Arbeitsbedingungen und Lohnkosten in einer Branche und somit die weitere Schädigung tariflicher Strukturen zu verhindern, denn die Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines Tarifvertrages hat doch eine wichtige stabilisierende Funktion. In einer sozialen Marktwirtschaft ist es gut, wenn der Wettbewerb eben nicht allein über die Frage geführt wird, wer den billigsten Arbeitnehmer findet, sondern eben auch über Fragen wie, wer ist glaubwürdig, wer liefert Qualität, wer ist zuverlässig. Das waren die Worte Ihres Kollegen Laumann aus NRW und dem habe ich eigentlich dann auch nichts hinzuzufügen.

An Herrn Schulte und die Kollegen der SPD gerichtet möchte ich sagen, schade, dass Sie Ihre Aussprache zurückgezogen haben. Das wäre immerhin die erste gewerkschaftspolitische Initiative Ihrer Fraktion in der laufenden Wahlperiode gewesen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Stattdessen haben Sie nun den schon erwähnten Änderungsantrag eingebracht. Warum, hat Herr Schulte erklärt, also die Motive hat er erklärt. Vielleicht wollten Sie sich aber auch die Peinlichkeit ersparen, hier darauf hingewiesen zu werden, dass Sie den Titel „Tarifautonomie und Mitbestimmung stärken – Gewerkschaften beim Einsatz für bessere Arbeitsbedingungen unterstützen“ aus Niedersachsen geklaut haben, wo SPD und CDU im November 2018 einen gleichlautenden Antrag in den Landtag eingebracht haben. Und für alle, die das gern noch mal nachvollziehen möchten, die Drucksachennummer lautet 18/2032.

In diesem Antrag wird nach einem Feststellungsteil, der ähnlich dem unsrigen die gemeinsame Verantwortung der Sozialpartner für die Wahrung des sozialen Friedens betont und die Bedeutung von Tarifverträgen herausstellt, vieles gefordert, was mir sehr bekannt vorkommt. Auf die Stärkung der Mitbestimmung von Betriebsräten, ihren Schutz vor Behinderung, bei Gründung eines Betriebsrates und bei der Ausübung der Betriebsratstätigkeit will ich hier und heute allerdings nicht weiter eingehen. Nur so viel: In Niedersachsen beschließen SPD und CDU derartige Forderungen, hier haben Sie in den letzten acht Jahren jeden Antrag der Linksfraktion zu diesem Themenkreis abgelehnt.

(Jochen Schulte, SPD: Ja, wenn Sie so weiterreden, wird sich das jetzt auch nicht ändern.)

Und das gleiche Schicksal droht heute also auch dem Teil unseres Antrages zur Stärkung der Tarifbindung, der konkrete Arbeitsaufträge auslösen würde.

(Torsten Renz, CDU: Richtig!)

Während nämlich die rot-schwarze Koalition in Niedersachsen die Vorbildwirkung öffentlicher Arbeitgeber in Sachen Tarifbindung und beispielsweise auch die höhere Gewichtung der Tarifbindung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge beschließt, heißt es hierzulande wieder einmal, still ruht der See.

(Jochen Schulte, SPD: Reden wir jetzt eigentlich über Ihren Antrag oder über den aus Niedersachsen?)

Weder die Notwendigkeit, die Steigerung der Tarifbindung, Kollege Schulte, in einem geeigneten Format mit den Sozialpartnern zu diskutieren,

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Glocke der Vizepräsidentin)

noch das Ansinnen, eine konkrete Strategie zu entwickeln, wird von SPD und CDU gesehen. Und selbst eine eigene tiefer gehende Bewertung der im Raum stehenden neuen Vorschläge in Sachen steuerlicher Privilegierung will man nicht noch mal vertiefend prüfen lassen. Das würde dann unseren Ministerialbeamten ja zusätzliche Arbeit bescheren. Die Vorschläge der steuerlichen Privilegierung von Mitgliedern einer Gewerkschaft und/oder von tarifgebundenen Unternehmen, die fußen doch aber auf einer konkreten Erkenntnis, nämlich der der herausgehobenen Bedeutung von Tarifverträgen als Standortfaktor und für die Wahrung des sozialen Friedens.

Aber statt selbst aktiv zu werden, warten wir nun also wieder auf die Weisheit der bundespolitischen Akteure. Der Bundesrat appelliert ja in der jüngsten Entschließung an die Bundesregierung, in einem ersten Schritt eine Strategie zur Stärkung der tariflichen Ordnung zu erarbeiten und dafür die Tarifregister des Bundes und der Länder sowie die Vorsitzenden der Tarifausschüsse der obersten Arbeitsbehörden einzubeziehen. Und dann will man ja in einem zweiten Schritt die Strategie gemeinsam mit den Sozialpartnern bewerten und dem Gesetzgeber Vorschläge zur Veränderung der Rahmenbedingungen vorlegen. Ein Aspekt dabei könnte auch das Thema Allgemeinverbindlichkeitserklärungen sein.

Da muss man sagen, inhaltlich geht das in die richtige Richtung, allerdings hat die Sache natürlich einen Haken. Erstens wissen Sie auch, die Bundesregierung entscheidet am Ende allein, ob sie das Anliegen der Länder überhaupt aufgreifen will. Und selbst wenn sie es tut, gibt es zweitens keine festen Fristen dafür. Insofern spricht sehr vieles dafür, dass wir erst mal unsere eigenen Hausaufgaben machen.

Und in diesem Zusammenhang bin ich dann auch gespannt, was wir demnächst aus der neuen Strategieabteilung der Staatskanzlei bezüglich des seit Jahren in diversen Koalitionsvereinbarungen fixierten Zieles der Steigerung der Tarifbindung hören werden. Ich hoffe, es sind bessere Nachrichten als von den Personalräten des damaligen Bundesministeriums und der Landesministerien, die die Ministerpräsidentin geführt hat beziehungsweise aktuell führt. Die haben sich ja jüngst über eine mangelnde Einbeziehung in Personalentscheidungen beschwert, und vielleicht fangen da die Probleme schon an.

Im Interesse der Mitarbeitervertretungen der Beschäftigten und natürlich im Interesse des Landes würde ich mir

wünschen, dass Frau Ministerpräsidentin ihren häufig anzutreffenden Reden auch mal wieder echte Taten folgen lassen würde,

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

denn wer Forderungen an andere stellt, der muss mit gutem Beispiel vorangehen, sonst macht er sich natürlich auch sehr schnell unglaubwürdig.

Ja, ich bin am Ende meiner Rede. Wie gesagt, wir werden den Änderungsantrag der Koalitionsfraktion übernehmen beziehungsweise ihm zustimmen. Und was die Punkte unter Ziffer II angeht, bitte ich um Einzelabstimmung. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Es wäre natürlich immer schön, wenn man solche Anträge stellt, dass man sie vielleicht am Anfang der Rede stellt, dann müssten wir diese Unterbrechung hier nicht einlegen. Da mir aber keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, schließe ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung.

Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, die Ziffern I und II des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/3711 einzeln abzustimmen, und zwischenzeitlich ist auch der Antrag eingegangen, die Nummern 1 bis 3 in Ziffer II einzeln abzustimmen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich rufe auf die Ziffer I des Antrages.

Hierzu lasse ich zunächst über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 7/3785 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 7/3785 bei Stimmenthaltung der Fraktion Freie Wähler/BMV, ansonsten Zustimmung angenommen.

Wer der Ziffer I des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/3711 mit den soeben beschlossenen Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist die Ziffer I des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/3711 mit den soeben beschlossenen Änderungen einstimmig angenommen.

Ich rufe auf in Ziffer II die Nummer 1. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist die Ziffer II.1 bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und Freie Wähler/BMV, ansonsten Ablehnung abgelehnt.

Ich rufe auf Ziffer II.2. Wer dieser Ziffer zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist die Ziffer II.2 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, ansonsten Ablehnung abgelehnt worden.

Ich rufe auf die Ziffer II.3.

(Unruhe auf der Regierungsbank)