Protokoll der Sitzung vom 21.06.2019

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, um die Sicherheitspolitik im Allgemeinen und die Landespolizei im Besonderen steht es in Mecklenburg-Vorpommern derzeit nicht zum Besten. Damit meine ich nicht allein den Umstand, dass seit geraumer Zeit ein Skandal den nächsten ablöst und zu erheblichen öffentlichen Reaktionen in regionalen und überregionalen Medien führt. Das allein wäre schon schlimm genug für das Ansehen unseres Landes. Allein die Schlagzeile „Brauner Behördensumpf im Norden“ hätte Anlass für eine Regierungserklärung sein müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ob unberechtigte Beschaffung von Daten minderjähriger Mädchen durch Beamte der Landespolizei oder das konzeptionelle Bereitstellen von Wasserwerfern auf dem „Fusion“Gelände in Lärz, ob ein posierender Polizeibeamter unter einem Hitlerbild oder die Versetzung eines wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilten Polizeibeamten als Dozent an die Fachhochschule in Güstrow, ob Bestechlichkeit von LKA-Beamten, Waffenrazzien und Festnahmen bei Eliteeinheiten der Landespolizei und sogenannte Todeslisten

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

oder rechte Prepper-Netzwerke – Mecklenburg-Vorpom- mern hat ein Problem, nicht erst seit der letzten Woche. Es geht um Kontrollverlust, es geht um Vertrauensverlust, es geht um handfeste Befürchtungen, dass sich seit Jahren in einzelnen Teilen der Landespolizei ein Staat im Staat entwickeln konnte.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Es geht um Hysterie und Aufbauschen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht nicht um Hysterie, wie Professor Weber meint.

Vor diesem Hintergrund gefragt, ob er seinen Laden noch im Griff habe, antwortet der Innenminister tapfer: „Jawohl.“ Das mag sein, das wäre zu wünschen, aber Zweifel lassen sich so eben nicht ausräumen. Aufklären der Vorgänge würde nämlich bedeuten, die Vorgänge öffentlich und aktiv aufzuklären. Stattdessen wird mit Verweis auf laufende Ermittlungen bestenfalls reagiert, abgewiegelt und totgeschwiegen. Es wird relativiert, geschwiegen oder geleugnet. Und im Anschluss sind wir dann alle gemeinsam überrascht und tief betroffen. Es steht zu befürchten, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass in Mecklenburg-Vorpommern aus dem NSU-Skandal die falschesten aller Konsequenzen gezogen wurden.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Das ist richtig.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Titel der Aussprache umfasst drei Themen: Aufklären, Vertrauen

wiederherstellen, Konsequenzen ziehen. Lassen Sie mich aber zunächst in ein anderes Land, auf einen anderen Vorfall blicken. DIE LINKE im Hessischen Landtag hat den Verfassungsschutz bereits im Jahr 2015

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

um Informationen über den mutmaßlichen Rechtsextremisten Stephan E., den Verdächtigen im Mordfall Lübcke, gebeten und keine Antworten erhalten, keine Antworten. Das erinnert sehr an die Vorgänge hierzulande. Ob NSU, „Combat 18“, „Oldschool Society“, „Hannibal“ „Nordkreuz“-Prepper, Vorgänge im Reservistenverband, Todeslisten Ja oder Nein, man erhält keine Antworten. Erst wenn die Wahrheit nicht mehr zu verheimlichen ist, gibt es Informationen tröpfchenweise und oft nicht der Realität entsprechend.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich zu den besorgniserregenden Vorgängen und Beamte des SEK komme, möchte ich an Vorgänge erinnern, die aufgrund der Dimension der Skandale um SEK-Beamte schon fast in Vergessenheit geraten sind.

In seinem Jahresbericht – veröffentlicht am 22.05. dieses Jahres – informierte der Landesbeauftragte für den Datenschutz über drei Datenschutzmissbrauchsfälle durch Beamte der Landespolizei. In zwei Fällen nutzten die Beamten die ihnen zur Verfügung stehenden Daten, um Kontakt mit minderjährigen Mädchen aufzunehmen. In einem dritten Fall unternimmt der Beamte den Versuch, ein Strafverfahren gegen seinen Sohn zu verhindern. Der Bericht und die aufgedeckten Fälle zeigen, der Landesdatenschützer nimmt seine neue Rolle, ihm durch die europäische Datenschutzverordnung übertragen, ernst. Das gefällt hierzulande nicht jedem.

(Marc Reinhardt, CDU: Das stimmt.)

So wurde bei der Debatte um die Vorgänge in zwei Fällen moralisch höchst verwerflich und mit dem Ehrenkodex eines Polizeibeamten nicht vereinbar versucht, dem Landesdatenschützer die Schuld über mangelnde Informationen in die Schuhe zu schieben. Man habe, so das Innenministerium, erst aus dem Jahresbericht von den Vorfällen erfahren und somit nicht eher reagieren können. Das aber stimmt in mindestens einem Fall nicht, denn mit Schreiben vom 31.05.2018, also ein Jahr vor Veröffentlichung des Jahresberichtes, wandte sich das Innenministerium selbst an den Landesbeauftragten mit der Bitte, wegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit nach dem Datenschutzgesetz der Sache nachzugehen.

Wer mit solchen Vorfällen so umgeht, der wird weder seiner Führungsverantwortung noch der Umsetzung der europäischen Datenschutz-Grundverordnung gerecht.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Beides ist nicht hinnehmbar und verlangt nach weiterer Aufklärung und Konsequenzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Vorgänge um die SEK-Beamten, die Durchsuchung und Festnahme in der vergangenen Woche zeigen, dass das Problem um das rechte Netzwerk „Nordkreuz“ wesentlich größer ist als bisher angenommen. Die Vorgänge zeigen zudem, dass diese Causa bislang und nach wie vor von den verantwortlichen Stellen systematisch verharmlost wurde

und wird, und das bundesweit, wie wir jüngst in der ZDFReportage sehen konnten. Das bisherige Narrativ, welches vom Innenministerium und maßgeblich von den Betroffenen selbst gesponnen wurde, dass sich die Gruppe „Nordkreuz“ mit dem erhöhten Flüchtlingsaufkommen 2015 zusammenfand und sich spontan radikalisierte, ist nicht haltbar, denn wie wir jetzt wissen, wurde bereits ab dem Frühjahr 2012 Munition aus dem LKA entwendet und diesem Kreis zugeführt.

Man muss sich also fragen: Handelt es sich wirklich „nur“ um Prepper, die sich auf einen Krisenfall vorbereiten, oder was war oder was ist deren wirkliche Mission? Man muss sich die Frage stellen, ab wann die zuständigen Behörden von diesen Vorgängen Kenntnis erhielten und was sie mit diesen Kenntnissen angefangen haben. Man muss sich die Frage stellen und beantworten, ob möglicherweise mehr Beamte in den Skandal eingebunden sind. Und man muss sich die Frage stellen, warum der Generalbundesanwalt handelt, wie er handelt, und er vielleicht, auch um Ermittlungserfolge nicht zu behindern, die zuständigen Landesbehörden nicht oder nur wenig einbezieht. Man muss sich aber auch die Frage stellen, warum es unzählige gemeinsame Abwehrzentren gegen Terror, gegen rechts und gegen sonst etwas gibt. Hauen Sie sich da gegenseitig die Taschen voll? Ich weiß es nicht. Aber darum geht es hier weniger. Hier stehen wir in Landesverantwortung und hier müssen wir das Agieren der Landesbehörden hinterfragen, um Vertrauen wiederherzustellen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bereits im August 2017 wurden die Wohnungen des Grabower Polizisten Haik J. und des nun wieder betroffenen Marco G. aus Banzkow durchsucht. Beide werden von den Bundesbehörden als gefestigt rechtsextremistisch eingestuft. Gegen Haik J. führt der GBA derzeit ein Ermittlungsverfahren wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Nun also drei weitere SEK-Beamte, die sich am Munitionsdiebstahl beteiligt haben sollen und diese dann dem vierten Beschuldigten überlassen haben.

Der Landesvorstand des Bundes Deutscher Kriminalbeamter fragt in seiner Stellungnahme zu Recht besorgt, welcher Skandal denn nun folgt. Statt Antworten aus dem zuständigen Innenministerium gibt es wieder nur Verharmlosungen.

Dieser Vierte, mutmaßlich Marco G., soll, wie es in der Pressemitteilung des Innenministeriums am 12. Juni heißt, Kontakte zur Prepper-Szene haben. Marco G. ist wohl eher die Spinne im „Nordkreuz“-Netz, die sämtliche Fäden zieht. Er soll Geld der „Nordkreuz“-Mitglieder eingesammelt haben, um sogenannte Safehäuser auszustatten. Er richtete Chatgruppen ein, war deren Administrator, koordinierte die Aktivitäten, sammelte Munition und Waffen. Kontakte zur Prepper-Szene?!

Darüber hinaus soll er allerdings Kontakt gehabt haben, Kontakt zum KSK-Soldaten André S., Stichwort „Hannibal“. Die drei übrigen SEK-Beamten haben völlig losgelöst vom rechten Netzwerk Munition entwendet und diese Marco G. überlassen, ohne wissen zu wollen, was er damit vorhat? Das ist wenig glaubwürdig. Dies dürfte, nein, das müsste auch den zuständigen Behörden im Land nicht verborgen geblieben sein, und wenn doch, dann muss man sich ernsthaft die Frage stellen, was man da den ganzen Tag so treibt. Hier muss eine Menge aufgeklärt werden. Auch das Innenministerium muss sich

diese Fragen stellen und beantworten, anstatt auf Verfehlungen von Einzelpersonen abzustellen oder sich hinter dem GBA zu verstecken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das gilt auch für die Frage nach den sogenannten Todeslisten. Knapp zwei Jahre geistert die Existenz von solchen Listen in der Öffentlichkeit herum.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Im Übrigen hat der GBA selbst in einer Pressemitteilung vom 28. August 2017 die Begrifflichkeit „Todeslisten“ ins Spiel gebracht. In Erinnerung an Vorgänge im Zusammenhang mit dem rechten Terrornetzwerk NSU und den dort aufgefundenen Listen, auf denen auch ich unter anderem stand, gehen bei mir bei dem Stichwort „Todeslisten“ alle Alarmglocken an,

(Thomas Krüger, SPD: Zu Recht.)

im Innenministerium offenbar nicht. Noch auf der Sitzung des Innenausschusses am 10. Januar dieses Jahres stellte das Innenministerium fest, dass über vermeintliche Listen öffentlich viel gesagt, vor allem behauptet worden sei, und man jetzt froh sei, ein paar Dinge geraderücken zu können. Man sprach von einer Materialsammlung über 27 Personen, bei denen keine Systematik erkennbar wäre und dem Charakter von Todes- oder Feindeslisten nicht entsprächen.

Auf meine Nachfrage hin wurde mitgeteilt, dass es überhaupt keine Definition für Todeslisten gebe und die Ermittler des LKA und BKA über große Erfahrungen verfügten und diese aufgrund ihrer Erfahrungen nicht von der Absicht, also der Erstellung einer Todesliste ausgingen.

Nun, offenbar haben sich diese Erfahrenen getäuscht oder sie haben uns getäuscht, denn seit wenigen Tagen haben 29 Betroffene Vorladungen vom BKA erhalten. Zumindest bei den 29 wäre eine Entschuldigung fällig, dass man sie über zwei Jahre lang im Dunkeln gelassen hat.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Doch damit ist es nicht getan. Die Informationspolitik des Innenministeriums ist eine Katastrophe und hat einen nachhaltigen Vertrauensverlust in die Sicherheitsbehörden des Landes zur Folge. Die Kontrollmechanismen innerhalb des Innenministeriums haben versagt. Schlussfolgerungen, außer dass man eine externe Kontrolle wolle, sind nicht bekannt. Von Konsequenzen ist nicht die Rede.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mich treibt gegenwärtig noch eine ganz andere ernsthafte Sorge um: Rational betrachtet fehlt es der Sicherheitspolitik in Mecklenburg-Vorpommern gegenwärtig an der notwendigen parlamentarischen Basis. Aus Sicht der Oppositionsfraktionen habe ich meinen Unmut an schleppender oder gar verschleppter Aufklärung und Unterrichtung kontinuierlich zum Ausdruck gebracht, letztendlich mit wenig Erfolg. Nunmehr sind aus der Großen Koalition allerdings Signale zu hören, die nicht für großes Vertrauen in die gegenwärtige Sicherheitspolitik sprechen.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende möchte die Polizeistrukturen prüfen lassen, aber nicht von Kräften der hiesigen Landespolizei. Vertrauen sieht anders aus!

(Zuruf von Ann Christin von Allwörden, CDU)

Für den SPD-Fraktionsvorsitzenden Krüger brodelt da schon etwas lange im Hintergrund und er habe ein mulmiges Gefühl.

Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn aus den Reihen der SPD-Fraktion dann von Schattenstrukturen berichtet wird, die bekannt waren, aber geduldet wurden in den Reihen der Landespolizei, dann ist das kein SEKSkandal mehr. Geheime Munitions- und Waffendepots in den Händen aktiver und ehemaliger Elitepolizisten sind eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und eine handfeste Gefahr für unsere Verfassung und Rechtsordnung.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Und an dieser Stelle erfährt der Innenausschuss dann, dass diese Riesenmengen an Munitionsfunden erst einmal sortiert und zugeordnet werden müssten.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Unfassbar!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so klärt man nicht auf! So stellt man kein Vertrauen her! So mogelt man sich um Konsequenzen herum!

Sehr geehrter Herr Innenminister, wenn es Ihnen nicht gelingt, im SEK, im LKA oder in Ihrer Polizeiabteilung unverzüglich für Verhältnisse zu sorgen, die Aufklärung befördern, Vertrauen wiederherstellen oder Konsequenzen ermöglichen, dann sollten Sie selbst Konsequenzen ziehen! Sie stehen hier in der Verantwortung! Sorgen Sie für rückhaltlose Aufklärung, um Vertrauen wiederherzustellen! Wenn Sie dazu nicht willens oder in der Lage sind, machen Sie den Weg dafür frei!

(Sebastian Ehlers, CDU: Darum geht es also.)

Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter.