Protokoll der Sitzung vom 21.06.2019

Es gibt auch eine Menge Kritik. Ich möchte es mal vorab so zusammenfassen: Sie zeigen auf eine klaffende Wunde und kommen dann mit so einem kleinen Pflaster, das Sie zudem teilweise auf die falsche Stelle kleben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Insofern: Ansatz richtig, also Intention richtig, aber die Mittel, die Sie vorschlagen, sind oftmals verfehlt. Die finden sich bei Ihnen unter Punkt III. Da fordern Sie zunächst mal die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene für eine zügige Umsetzung der ASMK-Beschlüsse einzusetzen. Da ist Ihnen das wiederfahren, was wir alle so oft hören, das Lieblingsspiel der Regierungsseite, die ziehen die Karte „Machen wir doch längst.“ Ja, Sie planen, Sie machen, aber Sie setzen nicht um. Das sind immer Planungen, die wir meistens entgegengesetzt bekommen, zu wenig Taten.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Insofern ist das schon richtig, dass man die Umsetzung dieser ASMK-Beschlüsse fordert, aber auf Bundesebene. Sie haben doch auch eine Bundestagsfraktion, dann bringen Sie es doch im Bundestag ein!

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Kommen Sie vielleicht auch mal zur AfD-Fraktion, da rennen Sie offene Türen damit ein!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und ab und zu sollte Opposition sich auch als solche verstehen und unabhängig von ideologischen Problemen sachbezogen zusammenarbeiten – ein Mangel, den wir auch hier im Landtag immer wieder zu beklagen haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Jens-Holger Schneider, AfD: So ist es.)

Wichtig an dem, was Sie unter Ihrer Ziffer III.1 schreiben, ist, dass wir eine eigenständige Kindergrundsicherung brauchen, allerdings bleiben Sie die Antwort darauf schuldig, wie soll so was aussehen. Sie können ja den Kindern kein Geld in die Hand drücken. Zwischen 0 und 7 Jahren sind Kinder eben geschäftsunfähig und zwischen 7 und Vollendung des 18. Lebensjahres beschränkt geschäftsfähig, unterfallen damit der Vermögenssorge der Eltern. Das heißt: Wie soll das aussehen, diese eigenständige Kindergrundsicherung?

Ich komme noch mal auf den zurückliegenden Wahlkampf, Kommunal- und Europawahlen zurück. Da bin ich auch wieder auf Plakate der Linksfraktion oder in dem Fall der Partei DIE LINKE gestoßen: „Kein Kind sollte ohne Frühstück in die Schule gehen.“ Richtig, kein Kind sollte ohne Frühstück in die Schule gehen, und jedes Kind sollte mindestens einmal am Tag eine warme Mahlzeit bekommen. Dafür reicht aber das, was wir haben, aus. Und wenn Kinder ohne Frühstück in die Schule müssen oder von den Eltern keine warme Mahlzeit präsentiert bekommen, dann ist das gerade kein Problem der Kindergrundsicherung.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das ist ein Problem, das in den Familien, an den Eltern liegt, und das ist dann eine Frage fürs Jugendamt und nicht für die Kindergrundsicherung.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Immer nur abschieben das Thema.)

Insofern Problem ja, aber Kindergrundsicherung verhindert das nicht. Was richtig ist, und das hatten Sie, Frau Bernhardt, ja auch gesagt, die Regelsätze für Kinder vor allem von null bis drei Jahren – aber das setzt sich auch bei den anderen Regelsätzen für ältere Kinder fort –, die bei Hartz IV zugrunde gelegt werden, sind ein Witz.

(Jens-Holger Schneider, AfD: Ja.)

Da brauchen wir gar nicht lange drüber zu reden. Die werden den wirklichen Bedürfnissen in keiner Form gerecht.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und wir sollten alle mal darüber nachdenken, dass wir – jedenfalls für die Kinder, die selbst für sich nichts weiter erreichen können – bei diesen Regelsätzen, eine deutliche Erhöhung herbeiführen, denn das betrifft die ärmsten Familien, die am ehesten sozial gezwungen sind, dann auch die Kinder in Mitleidenschaft zu ziehen. Und insofern wäre es hier am allerwichtigsten – Sie sagen immer, Hartz IV abschaffen und Sanktionen abschaffen, an den Sanktionen können die Betroffenen oft selber was ändern, indem sie sich eben so verhalten, dass keine Sanktionen anfallen, Hartz IV insgesamt abschaffen, ich hatte schon mehrfach in den Beiträgen gesagt, es gibt viele Mängel, aber nicht das ganze System ist falsch –, aber das System der Kindersicherung in Hartz IV ist grundlegend falsch, viel zu niedrig.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Und da könnten wir gezielt anpacken, aber auf Bundesebene eben, weil das keine landesspezifische Problematik ist, um da Gutes zu tun.

Dann kommen Sie mit der Tatsache, dass das nicht auf staatliche Transferleistungen angerechnet werden soll. Das ist problematisch. Was dahinter steht, ist klar. Sie wollen, wie gesagt, dass die Kinder selbst eine gewisse Absicherung erhalten, aber die erhalten sie immer nur über die Eltern, und insofern ist das Ausschließen von staatlicher Anrechnung auf staatliche Transferleistungen, wenn die denn ordnungsgemäß hoch wären, aus Sicht von Familien mit Kindern, kein Lösungsschritt, im Gegenteil, das führt eher dazu, dass Kindergrundsicherung oder Leistungen für Kinder fehlgesteuert ausgelöst werden. Deswegen ist das mit den fehlenden Anrechnungen auf staatliche Transferleistungen, wenn die denn richtig bemessen sind, unseres Erachtens ein falscher Weg.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

In Ziffer 2 – da müssen wir Ihnen wieder zustimmen – sagen Sie, dass das Land prüfen soll, wie Familienleistungen aus einer Hand niederschwellig und unbürokratisch an Familien ausgereicht werden können. Frau Minister hat ja schon gesagt, wir haben über 150 kinderbezogene, familienbezogene Einzelleistungen, die teilweise an völlig unterschiedlichen Stellen beantragt werden müssen. Diesen Flickenteppich sollte man berei

nigen. Insofern wäre eine einheitliche Leistung sehr sinnvoll.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Und auch der Punkt „Ausgereicht“, also antragslos, wenn ein entsprechender, ja, wenn entsprechende Kinder nachgewiesen sind, ist wichtig, denn viel zu viele Antragsberechtigte machen von ihrem Recht keinen Gebrauch, teilweise aus Scheu, Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, teilweise häufiger aus Unkenntnis. Ich muss sagen, ich bin in der Materie eigentlich gut beheimatet, aber ich könnte jetzt auf Anhieb auch bei Weitem nicht alle 150 Einzelleistungen aufzählen, die denn für Familien mit Kindern zur Verfügung stehen. Umso weniger kann das der Normalbürger – insofern viel Unkenntnis. Und deswegen fehlen da Anträge. Da muss was getan werden. Deswegen sehr richtig: einfach ausreichen und keine diffizile Antragstellung. Und viele stellen den Antrag auch nicht, weil sie Angst vor eben dieser Bürokratie haben, weil sie gar nicht wissen, wo sie was beantragen. Die haben zwar mal von solchen Leistungen gehört, insofern ja, ohne Antrag eine einheitliche Familienleistung ausreichen, wie gesagt, unter Beibehaltung der Anrechnung auf hinreichende staatliche Transferlösungen.

Dann fordern Sie unter Ziffer 3 die Kinderkarte. Das wäre vielleicht ein Weg zu umgehen, was ich eben als Problem aufgezeigt habe, dass nämlich die elterliche Vermögenssorge genau bei den Kindern … Sie haben gesagt, na ja, kommen Sie mir nicht damit, dass viele Eltern wegen Alkohol, Spielsucht oder anderer Punkte die Gelder für sich verwenden und nicht an die Kinder weiterreichen. Die gibt es eben doch, und genau da wäre vielleicht die Kinderkarte ein Weg, das ein Stück weit zu umgehen. Aber Sie selbst hatten zuvor vom Bürokratiemonster gesprochen, 150 Einzelleistungen. Die Kinderkarte so, wie Sie sich das vorstellen, wäre ein weiteres Bürokratiemonster. Insofern sollte man sich da was Besseres einfallen lassen. Ich muss Ihnen aber zugestehen, so was Ähnliches hatten wir mal bei der Frau von der Leyen, bevor sie dann unsere Bundeswehr zugrunde gerichtet hat, mit der Familienkarte schon mal versucht, die überhaupt nicht entsprechend angekommen ist, weil viel zu bürokratisch. Ich befürchte, das wäre mit der Kinderkarte genau das Gleiche – insofern große Skepsis.

Und dann fehlt mir entweder ein Punkt IV oder 4: Finanzierung. Kein Wort von Ihnen dazu. Wie wollen Sie das denn, was Sie jetzt fordern, finanzieren?

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Doch, das habe ich gesagt.)

Die GRÜNEN haben im Bundestag – Sie hatten es erwähnt – einen Antrag eingebracht für diese einheitliche Kindergrundsicherung. Die Forderung ist nicht neu. Sie hatten selber gesagt, dieses Sozialbündnis, dass es seit zehn Jahren gibt und das fordert, hat es auch schon durchgerechnet. Wenn wir das mal zum Maßstab nehmen, dann würden auf unser Land runtergebrochen pro Jahr etwa 250 Millionen Euro fällig für die Leistungen, die dem zugrunde liegen, das heißt, die Rücklagen, die unser Finanzminister, der aktuelle und vor allem sein Vorgänger, immer vehement verteidigt haben – ich glaube auch ein Stück weit zu Recht –, wären in einem Jahr aufgebraucht, nur, um das zu finanzieren, was Sie hier fordern.

Und jetzt komme ich zu dem Punkt „große Wunde und kleines Pflaster“. Das, was Sie ansprechen, ist völlig berechtigt, aber das liegt daran, dass wir überhaupt keine familien- und kinderfreundliche Grundpolitik haben.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Das muss man von klein auf umkrempeln. Wir müssen auch finanziell darlegen, dass es sich nicht auch noch finanziell nicht lohnt, Kinder zu haben. Wer heute Kinder hat, der wird einmal dadurch finanziell belastet, dass die Kinder eben Geld kosten. Gut. Er wird zum Zweiten damit belastet, wenn er sich ordnungsgemäß um seine Kinder kümmern will, dann reduziert man eventuell seine Erwerbstätigkeit im Kleinkindalter und kriegt dann zwar im ersten Jahr dieses Erziehungsgeld, das jedenfalls nicht dem Erwerbseinkommen entspricht, und danach wird man ganz im Regen stehen gelassen. Da sollten wir Regelungen finden, die das finanziell ausgleichen, damit Eltern, die das wollen, sich auch ordnungsgemäß um das Großwerden und das Erziehen ihrer Kinder kümmern können. Dann müssten wir mit Steuerfreibeträgen arbeiten, …

Herr Professor Weber, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass ihre Redezeit um ist.

… mit Steuerfreibeträgen arbeiten und außerdem einen Familiensoli schaffen, der auch die Kinderlosen entsprechend zu Kosten heranzieht. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU Frau Friemann-Jennert.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere liebe Kollegen von der LINKEN! Sie werden es sich denken, auch wir sehen Ihren Antrag kritisch. Halten wir zu Beginn fest, der gemeinsame Konsens unserer Fraktionen liegt wohl darin, Kinderarmut so effektiv wie möglich zu bekämpfen, nur die Wege, die wir beschreiten wollen, sind verschieden. Und die Wahrnehmung und Problemlösungsvorschläge unterscheiden sich auch in der Sprache, die wir verwenden.

Widmen wir uns also nun dem Antrag. Fangen wir mit dem Titel an: „Aufbau-Ost – Kinderland M-V braucht Kindergrundsicherung“ – für mich ist nicht die Kindergrundsicherung das Reizwort, wie Sie sich denken können. Man kann ja diskutieren über die Idee der Kindergrundsicherung und in welcher Form diese möglich ist, ob nun unabhängig vom sozioökonomischen Status der Eltern oder nicht. Das haben wir ja in der Vergangenheit auch schon getan. Aber kommen wir zurück zu Ihrem „Aufbau Ost“: 30 Jahre nach der Wiedervereinigung versuchen Sie hier, den Menschen im Land zu erzählen, mit sozialpolitischen Wohltaten wäre für uns hier ein Fortschritt zu erzielen.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Wäre auch.)

Mit der Begrifflichkeit „Aufbau Ost“ im Zusammenhang mit sozialpolitischen Maßnahmen sollten wir doch besonders sparsam umgehen. 40 Jahre kreiste die Abrissbirne sozialistischer Träume von einem Staat der Umverteilung, bis kaum etwas davon übrig blieb. Das hat dann

zu den bekannten Verwerfungen geführt, mit denen wir bis heute zu kämpfen haben.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Sehr richtig! – Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

Wir können nicht einfach sagen, ja, tolle Idee, viel hilft viel.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Wenn Sie keine Argumente mehr haben, kommen Sie immer mit der DDR-Keule.)

Dem schließen wir uns als CDU-Fraktion bekanntlich ausdrücklich nicht an.

Wir haben schon eine der höchsten Abgabenlasten weltweit. Überdehnen wir die ökonomische Leistungsfähigkeit nicht,

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

damit wir uns auch in Zukunft einen guten Sozialstaat leisten können! Und das stimmt, ein Finanzierungsangebot, ein Vorschlag Ihrerseits fehlt.