Protokoll der Sitzung vom 06.09.2019

Dann setzen Sie sich bitte hin, wenn das so ist.

Setzen Sie sich ruhig hin, bitte.

Ich wollte ganz einfach nur darauf abstellen, die Legalisierung heißt nicht Freigabe im Straßenverkehr. Das eine ist das Betäubungsmittelrecht, das andere ist das Straßenverkehrsrecht. Wir geben ja hier nicht ein Telefonbuch ab. Über alle Folgerungen, die sich dann ergeben, ist natürlich noch zu entscheiden. Aber hier geht es erst mal grundsätzlich darum, ob man so etwas will oder nicht. Dass es auch Konsequenzen hat für das Straßenverkehrsrecht und für die Beweisführung, von denen Sie gesprochen haben, ist selbstredend. Da widersprechen wir uns gar nicht. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Koplin.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Die Fraktion DIE LINKE hat gemäß Paragraf 91 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung zum Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/4020 eine namentliche Abstimmung beantragt.

Meine Damen und Herren, wir beginnen nun mit der Abstimmung.

(allgemeine Unruhe)

Ich bitte um etwas Ruhe.

Dazu werden Sie hier vom Präsidium namentlich aufgerufen und gebeten, vom Platz aus Ihre Stimme mit Ja, Nein oder Enthaltung abzugeben.

(allgemeine Unruhe)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind in der Abstimmung. Ich bitte doch, ein bisschen die Stimmen zu dämpfen. Danke schön.

Damit Ihr Votum korrekt erfasst werden kann, bitte ich Sie, sich nach Aufruf, wenn möglich, von Ihrem Platz zu erheben und Ihre Stimme laut und vernehmlich abzugeben. Darüber hinaus bitte ich alle im Saal Anwesenden, während des Abstimmungsvorganges von störenden Gesprächen Abstand zu nehmen.

Ich bitte nunmehr den Schriftführer, die Namen aufzurufen.

(Die namentliche Abstimmung wird durchgeführt.)

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat?

(Schriftführer Franz-Robert Liskow: Ach nee, es geht noch weiter, Entschuldigung! – Die namentliche Abstimmung wird fortgesetzt.)

Ist jetzt noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat?

(Der Abgeordnete Sebastian Ehlers wird nachträglich zur Stimmabgabe aufgerufen.)

Ich sehe keine weiteren Meldungen. Damit schließe ich die Abstimmung.

Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen, und unterbreche die Sitzung für zwei Minuten.

Unterbrechung: 12.20 Uhr

__________

Wiederbeginn: 12.23 Uhr

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich eröffne wieder die Sitzung. An der Abstimmung haben insgesamt 55 Abgeordnete teilgenommen. Mit Ja stimmten 10 Abgeordnete, mit Nein stimmten 45 Abgeordnete, es enthielt sich kein Abgeordneter. Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/4020 abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 36: Beratung des Antrages der Fraktion Freie Wähler/BMV – Abschaffung der Steuerfreiheit bei Veräußerungen von Anteilen an Kapitalgesellschaften durch Kapitalgesellschaften – Änderung Paragraf 8b Absatz 2 Satz 1 Körperschaftsteuergesetz, Drucksache 7/4021.

Antrag der Fraktion Freie Wähler/BMV Abschaffung der Steuerfreiheit bei Veräußerungen von Anteilen an Kapital- gesellschaften durch Kapitalgesellschaften – Änderung § 8b Absatz 2 Satz 1 Körperschaftsteuergesetz – Drucksache 7/4021 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Wildt.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Mitbürger! Sie haben es beim Titel des Antrages schon gemerkt: Es ist vielleicht ein komplizierter Name, aber ich bitte trotzdem um Ihre Aufmerksam

keit, denn es handelt sich hier um ein ganz wesentliches Thema mit erheblichen Auswirkungen auf die deutsche Volkswirtschaft und damit auch auf Mecklenburg-Vorpommern.

Zum Jahresende 1999 hat der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder zusammen mit seinem Koalitionspartner, den Grünen, beschlossen – und das wurde dann auch anschließend umgesetzt –, dass die Veräußerungen von Anteilen an Kapitalgesellschaften durch Kapitalgesellschaften steuerfrei sind.

Als Allererstes möchte ich mal die Kollegen der CDU bitten zu überlegen, warum die Union das wohl 50 Jahre lang nicht getan hat und auch noch nicht mal daran gedacht hat, das zu fordern.

(Egbert Liskow, CDU: Wir waren nicht so klug.)

Bitte?

(Egbert Liskow, CDU: Wir waren nicht so klug.)

Ja.

Und die SPD, die seitdem ja nun versucht hat, viele Reformen von damals wieder kritisch zu sehen und teilweise zu korrigieren – wir erinnern uns, die Hartz-IVReformen werden dauernd hinter sich gelassen und zurückgelassen –, hat bis jetzt noch keine Anstalten unternommen, um gerade an dieser Stelle einzugreifen und diese Steuerbefreiung, die damals beschlossen wurde, wieder zu korrigieren.

Was ist passiert im Anschluss? Es war in dem Moment möglich, stille Reserven bei Unternehmensbeteiligungen und bei Anteilspaketen an Unternehmen aufzudecken, zu realisieren, also indem man sie verkauft, und das Ganze eben steuerfrei. Das heißt, wir reden in keinster Weise von einer Substanzbesteuerung, sondern von einem Gewinn, der entsteht, wenn man Anteile verkauft. Normalerweise sind alle Gewinne steuerpflichtig und werden ganz normal der Steuerpflicht unterworfen, bei jedem Arbeitnehmer, aber auch bei jeder Kapitalgesellschaft, die Körperschaftsteuer bezahlen muss, nur dieser eine Sachverhalt wurde ausgeklammert. Und da fragt man sich natürlich schon, warum man das gemacht hat und welche Folgen am Ende damit verbunden sind.

Die Motivation war ganz eindeutig, dass man die sogenannte Deutschland AG aufbrechen wollte. Es sollte Leben in die deutsche Wirtschaft, Turbulenzen in die deutsche Wirtschaft eingepustet werden. Die Konzerne, die größeren Unternehmen sollten dazu veranlasst werden, Unternehmensbeteiligungen zu verkaufen. Diese Beteiligungen waren zum Teil Jahrzehnte alt und hatten enorme Wertzuwächse erzielt in der Zwischenzeit. Und diese stillen Reserven schlummerten sozusagen außerhalb der Bilanzen und konnten nicht realisiert werden.

Man vermutete oder befürchtete Verkrustungen in der deutschen Wirtschaft, die dazu führen, dass sie am Ende nicht mehr wettbewerbsfähig sind im Rahmen der Globalisierung. Insgeheim vermute ich aber, dass es da deutliche Stichwortgeber aus dem Bereich der Investmentbanken gab, die natürlich das große Geschäft sahen, deutsche Unternehmen auf den Markt zu bringen und zu

verkaufen. Und genau das passierte ja dann auch im Anschluss. Es wurden seitdem Hunderte, Tausende von Unternehmen in Deutschland verkauft.

Dieser Trend hält auch weiter an. Das führte zum Beispiel, wenn man sich nur mal die DAX-Unternehmen anschaut, also die größten 30 Konzerne der deutschen Wirtschaft, dazu, dass der Anteil von ausländischen Investoren angestiegen ist auf mittlerweile fast 85 Prozent. Nur noch 15 Prozent der Aktien der 30 größten Unternehmen werden von Deutschen gehalten, 54 Prozent aus den USA und Großbritannien, und dabei geht es nicht um Einzelpersonen wie Sie und mich, die jetzt da vielleicht eine Aktie kaufen oder fünf, sondern es geht dabei natürlich um die großen Fonds, Pensionsfonds, die in erheblichem Umfang investieren.

Im Ergebnis führt das dazu, dass Deutschland das Land der Lohnempfänger geworden ist, und die deutschen großen Konzerne die Renten der amerikanischen und englischen Rentner bezahlen, denn die Gewinne, die Dividenden der Konzerne fließen natürlich ab an die Eigentümer, und die Eigentümer sind eben Fonds außerhalb des Landes. Das ist im Grunde genommen nicht zu beanstanden. Jeder kann ja seine Aktien verkaufen oder seine Beteiligungen verkaufen. Aber warum, stelle ich noch mal die Frage, muss das steuerfrei sein? Warum muss man das also noch mutwillig anheizen und anfeuern, damit unbedingt diese Anteile veräußert werden?

Jetzt kann man sagen, hier in Mecklenburg-Vorpommern gibt es gar keinen DAX-Konzern, damit brauchen wir uns ja nicht zu beschäftigen. Dazu möchte ich zwei Dinge entgegnen:

Erstens. Rein sachlich gesehen ist es so, dass auch die kleinen und mittleren Unternehmen zunehmend verkauft werden. Zwischen 2005 und 2017 wurden jährlich etwa 1.100 Unternehmen – kleinere und mittlere Unternehmen – verkauft. Also wir haben einen enormen Anstieg auch bei den kleinen und mittleren Unternehmen nach dieser Reform der Ära Schröder. Das ist das eine.

Und das Zweite: Wir haben jetzt in den letzten Tagen häufig darüber gesprochen, dass auch der Osten vielleicht mehr Selbstbewusstsein haben müsste oder man mehr auf den Osten hören muss, alles solche Dinge hört man in den Medien. Ich empfehle einfach nur ganz normal, als ganz normaler Deutscher, als Gesamtdeutscher mitzumachen in den Diskussionen Deutschlands, ganz egal, ob man im Osten oder im Westen lebt. Es geht darum, das Land nach vorn zu bringen, und zwar das gesamte Land nach vorn zu bringen. Und da steht es uns gut an, entsprechendes Selbstbewusstsein zu entwickeln, um auch solche guten Vorschläge zu machen.

Und wie gesagt, Mecklenburg-Vorpommern ist zwar weniger betroffen als andere Bundesländer im direkten Ausmaß, aber indirekt sind wir natürlich auch betroffen. Zwei Drittel nur unserer Staatseinnahmen können wir hier im eigenen Land erringen. Ein Drittel fließt sozusagen über die Mechanismen aus anderen Bundesländern hierher. Und da ist es natürlich auch wichtig zu sehen, was in den anderen Bundesländern passiert.

Nun kann man noch sagen, dass sicherlich der Verkauf von Gesellschaften per se erst mal nichts Schlechtes sein muss, das gehört zum normalen Wirtschaftsleben dazu. Unternehmen entstehen, Unternehmen fusionie

ren, wachsen, expandieren und sie vergehen auch wieder, wenn sie keine Chance haben, am Markt zu bestehen. Das ist das ganz normale Leben im Wirtschaftskreislauf. Aber dieses enorme Ansteigen von Fusionen, dieses enorme Ansteigen von Veräußerungen von Gesellschaften hat natürlich volkswirtschaftlich weitere große Nachteile, denn die Erwerber von diesen Gesellschaften versprechen sich Vorteile, sonst würden sie diese Gesellschaften ja nicht kaufen. Sie werden also zusammengeführt. Das ist in der Regel immer mit Belegschaftsabbau verbunden. Gerade wenn es über die Grenzen geht, ist es mit dem Abfluss von Kompetenzen und Know-how verbunden. Das hat die deutsche Wirtschaft im Kern geschädigt, daran besteht heute überhaupt gar kein Zweifel mehr.

Deswegen bitte ich darum, diesen Antrag in den Finanzausschuss zu überweisen. Es reicht vollkommen, den Finanzausschuss zu nehmen und dort zu beraten, ob wir nicht einen Vorschlag machen können, wie man auf Bundesebene dieses Gesetz ändert. Und ich bitte darauf zu achten, dass es zwischen 0 und 100 noch ganz viele andere Ziffern gibt. Das heißt, wir müssen nicht die volle Besteuerung oder eine besonders hohe Besteuerung empfehlen, aber man sollte darüber nachdenken, ob es nicht eine angemessene Besteuerung von solchen Gewinnen geben kann, um eben genau diesen Ausverkauf der Wirtschaft mit dem damit verbundenen Arbeitsplatzabbau und Know-how-Abfluss zu verhindern oder zumindest – es geht ja gar nicht darum, es zu verhindern – etwas zu reduzieren.