Protokoll der Sitzung vom 17.10.2019

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Sprich, Sie machen ganz bewusst eine Forderung auf, von der Sie nur zu gut wissen, zumindest die Fachleute bei Ihnen, dass sie in Kürze sowieso umgesetzt wird, und das einzig und allein mit dem Ziel, ein bestimmtes Bild von Menschen mit ausländischen Wurzeln in den Köpfen der Menschen zu verankern.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Ansonsten kann ich mir wirklich nicht erklären, was diese Forderung, was dieser Antrag hier zu suchen hat.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Ob wir besondere Auffälligkeiten mit ausländischen Messerstechern haben, um das mal mit dem allgemeinen Duktus einiger Ihrer Parteifreunde zu formulieren, wissen wir schlicht nicht. Genau deshalb und um hier, wie Sie

schreiben, Transparenz zu schaffen, wurde die Einführung der Erfassung von Straftaten unter Verwendung des Tatmittels Messer in der PKS ja überhaupt beschlossen, wobei ich bislang davon ausgehe – auch das habe ich häufig wiederholt –, dass die meisten Messerattacken im Land und in Deutschland nach wie vor mit Messern aus dem Alltag durchgeführt werden, sprich aus der Küche.

Derzeit arbeiten die Länder an der weiteren Umsetzung, allen voran an den technischen Voraussetzungen für diese Erfassung.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Ein Brotmesser, ja, genau.

Ziffer 1 Ihres Antrags ist also schon mal überflüssig, da es umgesetzt wird.

Ziffer 2: Hier fordern Sie eine statistische Sonderauswertung „Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“ nach Vorbild des BKA und eine halbjährliche Veröffentlichung. Auch das, nebenbei bemerkt, ein Thema der Beantwortung mehrerer Kleiner Anfragen, die Sie an die Landesregierung gestellt haben.

Zunächst einmal, was haben wir schon. Wir alle wollen ein weitgehend überschaubares, möglichst verzerrungsfreies Bild der Straftaten, die in unserem Land passieren. Das ist für die Polizei von Bedeutung, für die Politik, die darauf basierende Einschätzungen trifft und notfalls auch gesetzgeberisch tätig wird, und nicht zuletzt für die Bürgerinnen und Bürger, die zu Recht wissen wollen, was bei ihnen vor der Haustür und im eigenen Land los ist. Hier hat sich mit der PKS eine geeignete Statistik seit Langem etabliert, auch mit Blick auf die Kriminalität von Zuwanderern und gegen Zuwanderer.

Natürlich wissen wir, dass die PKS auch ihre Grenzen hat. Die Erstellung der PKS ist ein Bund-Länder-Projekt und hat deshalb auf die IT-Infrastruktur der Länder Rücksicht zu nehmen. Deshalb muss bei allem Verständnis für die Forderung nach einem möglichst detaillierten Bild der Kriminalität in unserem Land gleichzeitig auch immer geschaut werden, ob und wie das technisch umzusetzen ist und vor allem auch, wie viele tatsächlichen Erkenntnisse am Ende auch wie viel Arbeitsaufwand gegenüberstehen, denn jede Minute mehr für die Erstellung einer weiteren Kriminalstatistik bedeutet im Umkehrschluss auch eine Minute weniger für die Bekämpfung von Cyberkriminalität, Kinderpornografie oder Mord. Für den Bereich der Kriminalität durch Zuwanderer haben wir vor einiger Zeit diese Abwägung zugunsten einer genaueren Darstellung dieses Phänomens entschieden. Strecken wir Leuten eine helfende Hand entgegen, müssen wir von Ihnen auch erwarten dürfen, dass sie sich an Recht und Gesetz halten.

Der jährliche Bericht zur PKS Mecklenburg-Vorpommern enthält seitdem umfangreiche Informationen zur Kriminalität, die durch Zuwanderer begangen wird. Fallzahlen, bezogen auf Straftatenhauptgruppen und Straftatengruppen, sowie Aussagen zur Tatverdächtigenentwicklung und zur Alters- und Geschlechtsstruktur der tatverdächtigen Zuwanderer werden seitdem ebenfalls veröffentlicht, ebenso wie die Fallentwicklung in den kreisfreien Städten und in den jeweiligen Landkreisen. Das Gleiche in Grün gilt für Straftaten gegen Ausländer. Insoweit schaffen wir hier bereits in einem erheblichen Umfang ein Höchstmaß

an Transparenz, sodass sich hier sicherlich niemand beschweren kann, wir stünden dem Problem der durch Zuwanderung begangenen Kriminalität auch nur ansatzweise ahnungslos gegenüber.

Das BKA wiederum, auf das die AfD ihren Antrag in Ziffer 2 abstellt, wird seiner Funktion als Zentralstelle gerecht, indem es aufgeschlüsselt nach unterschiedlichen Kriterien noch ein gesondertes Lagebild im Zusammenhang von Zuwanderung auf der Basis von Daten aller Bundesländer erstellt. Angesichts von bundesweit um die 160.000 tatverdächtigen Zuwanderern macht das selbstverständlich auch Sinn, aber in MecklenburgVorpommern muss man sich bei 2.870 tatverdächtigen Zuwanderern im Jahr 2018 schon ernsthaft die Frage stellen, mit wie viel Aufwand wir einen relativ kleinen Phänomenbereich abdecken wollen. Diese Zahl liegt noch einmal deutlich unter dem, was sich nach dem Königsteiner Schlüssel vermuten lässt. Und bezogen auf das Land M-V allein sprechen wir hier von einem Anteil von lediglich 6,8 Prozent an den Gesamttatverdächtigen aus dem Jahr 2018.

Braucht es denn allen Ernstes noch eine weitere Statistik für unser Bundesland? Man kann nicht ernsthaft behaupten, dass der Bereich der Ausländerkriminalität bei uns im Land statistisch unterbeleuchtet wäre. Zusätzlich gibt es seitens des BKA das beschriebene Extralagebild.

Falls Ihr Antrag deshalb darauf hinausläuft, auch noch die Täter-Opfer-Beziehung im Einzelnen abzubilden, wie das im Lagebild bereits gesagt wird, dann frage ich Sie: Wo wollen Sie in der Landespolizei stattdessen Stunden kürzen, um auch noch diese Arbeit zu leisten? Und vor allem, bringt diese Erkenntnis die Kriminalitätsbekämpfung in Mecklenburg-Vorpommern auch nur einen Schritt weiter? Ich kann Ihnen versichern, an der Prioritätenliste der Polizei stehen neue Statistiken ganz am Ende. Und auch die Bürgerinnen und Bürger in MecklenburgVorpommern sind über den jährlichen Bericht der PKS und die dazu folgende Medienberichterstattung informiert, wie groß die Probleme von Ausländern, die straffällig werden, wirklich sind – nicht basierend auf irgendeinem Bauchgefühl, genährt durch reißerische Überschriften, sondern basierend auf Fakten, was mich zur Ziffer 3 Ihres Antrages bringt, der priorisierten Rückführung auf Grundlage der bereits angesprochen statistischen Erhebungen.

Und da muss ich noch einmal auf das zurückkommen, was ich eingangs gesagt habe. Was haben Sie eigentlich für ein Verständnis von diesem Rechtsstaat, wenn Sie ernsthaft meinen, wir würden nicht alle Anstrengungen unternehmen, um jeden, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, in sein Heimatland abzuschieben? Als ob im BAMF, in den Ausländerbehörden, bei der Polizei überall Leute säßen, die bei vollziehbar Ausreisepflichtigen Recht und Gesetz in den Wind schlagen, nur, weil die betroffene Person gerade kein Mörder oder eben kein Straftäter ist. Noch einmal: Jeder, der vollziehbar ausreisepflichtig ist und nicht freiwillig dieses Land verlässt, muss abgeschoben werden, und das unabhängig davon, ob er ein Straftäter ist oder nicht. Abschiebungen sind bei Vorliegen aller Voraussetzungen durch die zuständigen Behörden anzuordnen und durchzuführen. In dieser Frage besteht keinerlei Ermessen.

Natürlich scheitert das in der Praxis auch immer wieder an Gründen, die uns allen und den Mitgliedern aus dem

Innenausschuss insbesondere hinlänglich bekannt sind. Aber das hat nichts mit der Fragestellung zu tun, ob und wie viel Straftaten diejenigen begangen haben, sondern oft mit der Passersatzbeschaffung und der Kooperationsbereitschaft der aufnehmenden Staaten. Auch das haben wir schon relativ häufig erörtert. Das alles schließt nicht aus, dass wir selbstverständlich auch im Blick haben, wenn bei einem Gefährder oder einer relevanten Person ein besonderes Interesse für noch intensivere und schnellere Abschiebungsbemühungen besteht. Unterm Strich ist aber jeder Ausländer, der keinen Aufenthaltstitel besitzt, ausreisepflichtig, und dementsprechend handeln die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung und der Sicherheitsbehörden.

Meine Damen und Herren, was bleibt von diesem Antrag? In der Sache bringt er uns nicht weiter. Außerdem ist er in großen Teilen obsolet, vor allem aber schürt er Angst und Misstrauen und erweist uns im Angesicht des aktuellen gesellschaftlichen Klimas einen Bärendienst. Fakt ist, es wird nichts verschwiegen, was mit Kriminalität im Kontext von Zuwanderung zu tun hat. Der Rechtsstaat ist auch nicht auf dem einen oder anderen Auge blind, und es gibt sicherlich auch kein Erkenntnisproblem, was Straftaten angeht, die durch Zuwanderer begangen werden. Dieser Antrag hilft niemandem weiter, außer denen, die weiter Futter für ihren Hass und für ihr Vorurteil brauchen. Deswegen sollte der Antrag abgelehnt werden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut!)

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister.

Der Minister hat die angemeldete Redezeit um zwei Minuten und zwanzig Sekunden überschritten.

Ich rufe auf für die Fraktion DIE LINKE den Abgeordneten Herrn Ritter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich in weiten Teilen den klaren Worten des Innenministers anschließen, was die Zielstellung des vorliegenden AfD-Antrags angeht. Er beweist in der Tat wieder einmal die Scheinheiligkeit der politischen Herangehensweise dieser Fraktion.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Der Kollege Förster fordert einen offenen Umgang mit Fakten, und dann werden in dem Antrag mehr Transparenz in der Kriminalitätsstatistik, die Einführung neuer statistischer Werte gefordert, aber dort, wo es eine Kriminalitätsstatistik gibt, nämlich in der politisch motivierten Kriminalität, da werden diese Fakten ausgeblendet, da braucht man solche Fakten nicht, da ist das Verwenden von verfassungsfeindlichen Symbolen ein „dahingeschmiertes Hakenkreuz“.

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

Und wenn Sie fordern, dass kriminell Gewordene abgeschoben gehören, dann frage ich mich, was wollen Sie denn eigentlich mit Leonis Vater machen.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Sie springen also viel zu kurz, und deswegen hätte ich mir schon gewünscht,

(Dr. Ralph Weber, AfD: Haben Sie schon mal ins Grundgesetz geguckt?)

deswegen hätte ich mir schon gewünscht, meine Herren von der AfD,

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

wenn Sie ein solches Thema als hochsensibel begreifen, dass Sie hier und heute etwas anderes erzählt hätten. Ich hätte mir zum Beispiel gewünscht, dass sich der Kollege Förster öffentlich entschuldig und nicht eine Entschuldigung vom Innenminister abverlangt, und zwar, dass er sich entschuldigt für seine medialen Ausfälle, wonach der gewaltsame Tod der 79-jährigen Rentnerin in Güstrow durch die Abschiebehaft in MecklenburgVorpommern zu vermeiden gewesen wäre. Abschiebehaft war in diesem Fall rechtlich nicht möglich. Dazu hat der Innenminister umfänglich ausgeführt im Innenausschuss.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Aber das wussten auch die Herren der AfD vorher schon, nur interessieren sie diese Fakten nicht.

(Horst Förster, AfD: Das ist ja nicht richtig, was Sie sagen.)

So viel zum offenen Umgang mit Fakten. Und deshalb hat Ihnen der Innenminister damals völlig zu Recht vorgeworfen, und auch heute, dass Sie aus diesem schweren Verbrechen lediglich politisches Kapital schlagen wollen. Und einen solchen Weg gehen wir nicht mit, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Da bin ich auf morgen gespannt. – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn der Kollege Kramer hier von „Messereinwanderung“ fabuliert, wonach Abschiebungen Leben retten, dann ist das alles, aber kein sensibler Umgang mit dem Thema Kriminalität. Und zur statistischen Erfassung von Messerattacken ist in diesem Landtag alles Nötige gesagt. Der Innenminister hat es eben noch einmal wiederholt hier im Plenum, im Innenausschuss oder in Antworten auf Kleine Anfragen. Hier muss die AfD niemanden auffordern, auch den Innenminister nicht auffordern zum Handeln.

Sie sollten aber ehrlich bleiben. Wenn Herr Kollege Kramer an dieser Stelle für die AfD-Fraktion feststellt, ich zitiere, „,Masseneinwanderung heißt auch Messereinwanderungʻ. Abschiebungen retten Leben“, dann ist das erstens seine Position, die ich nicht einmal im Ansatz teile, sondern verurteile, und dann ist das zweitens eine derart drastische Position, die Herr Kramer hoffentlich wasserdicht belegen kann. Neue statistische Erhebungen braucht es dann allerdings nicht, wenn das Ergebnis bereits feststeht beim Kollegen Kramer.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich erspare es uns an dieser Stelle, über Nutzen und Grenzen polizeili

cher Kriminalstatistiken auszuführen. Aber eins geht nach meiner Auffassung gar nicht, nämlich die Kriminalstatistik als Instrument von Asyl- und Migrationspolitik zu missbrauchen. Das ist strikt abzulehnen. Das lässt sich dann auch nicht mehr als Transparenzoffensive kaschieren. Den Dreiklang „Messer – ausländischer Täter – Ausreise“ kann man politisch verkaufen, und auch nur dann, wenn man bereit ist, auf Fakten komplett zu verzichten und nicht mit diesen Fakten offen umzugehen.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Das sind doch Fakten.)

Und bei der AfD ist genau das der Fall. Der Kollege fragt die Landesregierung nach der Anzahl und Nationalität beziehungsweise Staatsangehörigkeit von Mehrfachtätern in Mecklenburg-Vorpommern seit 2014. Die Antworten sind eindeutig: Die mit sehr großem Abstand erfasste Gruppe von Mehrfachtätern und -täterinnen hat die deutsche Staatsbürgerschaft. Fakten! Offener Umgang mit Fakten!