Es sind die Parolen dieser Scharfmacher, die Extremisten in den sozialen Netzwerken, auf Gaming-Plattformen und in Messengerdiensten teilen, Diensten, von denen bestimmte selbsternannte Bürgerrechtsparteien immer wieder fordern, sie müssten verschlüsselt und für den Staat unzugänglich sein. Es ist deshalb im Deutschland des Jahres 2019 möglich, dass sich Menschen politisch radikalisieren, wir diese Radikalisierung mit den Messlatten, die wir heute haben, aber nicht ansatzweise wahrnehmen können. Extremisten bewegen sich heute in gänzlich anderen Strukturen, als sie für die Sicherheitsbehörden häufig ermittelbar sind.
Manch einer sollte deshalb auch über seine Grundhaltung gegenüber staatlichen Ermittlungsbefugnissen noch einmal komplett von vorne nachdenken, und das meine ich gar nicht als süffisanten Vorwurf, sondern ich meine es als Appell, dass alle demokratischen Kräfte gemeinsam in sich gehen sollten und überlegen, wer der Feind des Rechtsstaats und der Demokratie ist. Es muss endlich in unsere Köpfe rein, Feind ist nicht der Staat selbst, der seine Bürgerinnen und Bürger und alle Menschen auf seinem Staatsgebiet nach allen Mitteln des rechtlich Möglichen zu beschützen versucht, sondern es sind politische Extremisten und insbesondere zurzeit Rechtsextremisten, die keine Gelegenheit auslassen, diesen Staat zu verteufeln und Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit zu säen, um dann entsprechend ihrer Strategie an einem unbestimmten Tag X gewalttätig zu werden. Und es sind eben diejenigen, die dafür den ideologischen Nährboden bereiten.
Und in Richtung AfD kann ich deshalb einfach nicht anders, als Ihnen klar ins Gesicht zu sagen: Ja, dazu gehören auch Leute aus Ihrer Partei. Dabei frage ich mich manchmal, wer in Ihrer Partei eigentlich die größere Bedrohung darstellt. Sind es Leute wie Roland Ulbrich, der nach dem Anschlag auf Twitter gefragt hat: „Was ist
schlimmer, eine beschädigte Synagogentür oder zwei getötete Deutsche?“, oder sind es diejenigen, die eigentlich halbwegs vernünftig sind, sich aber nicht gegen die Höckes und Ulbrichs so abgrenzen und ihnen damit als Feigenblatt für eine angeblich bürgerliche Politik dienen?
Natürlich sind Sie jetzt bemüht, durch Anträge landauf, landab Aktionismus gegen Extremismus jeglicher Art vorzugaukeln und den Anschlag in Halle alternativ als Tat eines Spinners oder eines Antisemiten abzutun. Mit Antisemitismus hätte Ihre Partei ja schließlich überhaupt nichts am Hut. Da frage ich mich schon, wie Ihr Kollege Brandner – ausgerechnet Vorsitzender des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag – nach dem Anschlag von Halle auf die Idee kommt, einen Twitter-Post zu teilen, in dem zu lesen war, dass Politiker vor Synagogen „rumlungern“. Würde Ihre Partei auch nur ansatzweise davon überzeugt sein, dass Deutschland eine besondere Verantwortung gegenüber Juden und jüdischem Leben in unserem Land hat, würde ein solch prominenter Vertreter Ihrer Partei nie im Leben darauf kommen, so etwas Geschmackloses von sich zu geben,
in Anspielung unter anderem auch auf den Besuch der Kanzlerin in der neuen Synagoge in Berlin. So viel zum Thema, die anderen können immer nur „von Bernd Höcke reden“. Aber wenn man beim Zählen all der angeblichen Einzelfälle in Ihrer Partei irgendwann nicht mehr hinterherkommt, sollten Sie sich vielleicht schon fragen, ob Sie ein grundsätzliches Problem in den eigenen Reihen haben, meine Damen und Herren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bereits in der Landtagsdebatte zum Antrag der Regierungskoalition „Demokratie stärken – engagierte Menschen schützen“ habe ich im Einzelnen dargestellt, was der Staat, was die Sicherheitsbehörden unternehmen, um die Repräsentanten unserer Demokratie, wie ehrenamtliche Bürgermeister, Politiker und Bürgerrechtsinitiativen, zu schützen. Dabei bin ich auch auf Pläne eingegangen, das BKA strukturell und personell aufzustocken. Dazu zählt eine Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet, ein neues Risikobewertungssystem für gewaltbereite Rechtsextremisten und auch die Aufstockung des Personals. Wir brauchen aber auch echte Eingriffsbefugnisse, die auf der Höhe der Zeit sind. Ich hatte das Thema Messengerdienste schon angesprochen. Sie haben es ja gehört, wir werden uns heute in Berlin, heute Nachmittag, am zeitigen Mittag, darüber auch austauschen, gemeinsam mit den Kollegen und mit dem BMI.
Für den Bereich Verfassungsschutz brauchen wir dringend die Quellen-TKÜ. Mir erschließt es sich überhaupt nicht, warum ausgerechnet der für Extremismus zuständige Verfassungsschutz über weniger Befugnisse zur Onlinedurchsuchung und zur Überwachung von Schlüsseln der Kommunikation verfügen soll als die Länderpolizeien.
Außerdem sollte man die Diskussion führen, ob die maximale Speicherfrist von Daten zu Personen in nachrichtendienstlichen Informationssystemen angehoben werden muss, und auch Maßnahmen wie die Regelabfrage beim Verfassungsschutz bei Einstellungen im öffentlichen Dienst, Vereinsverbote oder Maßnahmen gegen Kampfsportfestivals oder Rechtsrockfestivals gehören
sicherlich dazu, worüber dringend sich auszutauschen und Festlegungen zu treffen sind, und zwar im Länderkontext gemeinsam.
Aber dann müssen wir uns auch ehrlich machen und für etwas eintreten, was bislang bei dem einen oder anderen nicht auf sonderlich viel Gegenliebe gestoßen ist – ich schließe mich und meine Partei in der einen oder anderen Frage dabei ausdrücklich auch nicht aus –, nämlich, Analysekapazitäten und Fähigkeiten wie Prognosekompetenz, die operative Internetbearbeitung, die operative Auswertung im Bundesamt für Verfassungsschutz zu stärken und analog dazu auch die Verfassungsschutzämter in den Ländern entsprechend auszustatten und auszurüsten mit der notwendigen Technik und der notwendigen personellen Infrastruktur, denn nur so werden wir Extremisten habhaft, bevor sie aus Hass und Worten Taten folgen lassen.
Wir sind hier im Bereich der Gefahrenabwehr, die wir anders im 21. Jahrhundert nicht mehr werden bewerkstelligen werden. Deshalb an dieser Stelle auch mein Appell und meine Bitte an die Fraktionen, der SOGNovelle in den entsprechenden Beratungen in den nächsten Monaten zuzustimmen, denn es sind notwendige Mittel, die wir benötigen, um gegen solche Extremisten vorgehen zu können.
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie uns gemeinsam diejenigen stärken, die Extremismus bekämpfen und die das Grundgesetz und unsere Gesetze wahren und verteidigen. Lassen Sie uns uns gemeinsam denjenigen in den Weg stellen, die diese Demokratie, die diesen Rechtsstaat ablehnen. Dafür wird es mitunter auch notwendig sein, über den eigenen Schatten zu springen, aber es geht um unsere Werte, es geht um unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, es geht um unser Land. Das dürfen wir uns von niemandem nehmen lassen. Und die Worte in Deutschland „Nie wieder!“ sollten uns immer Auftrag sein. – Vielen Dank.
Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, begrüße ich auf der Besuchertribüne den Helferkreis Schwerin-ParchimLudwigslust. Herzlich willkommen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Liebe Zuhörer! Der Anschlag von Halle hat eine neue Dimension. Zwei Menschen, die dem Täter zufällig über den Weg liefen, wurden ohne jegliches Motiv ermordet. Das allein ist ganz fürchterlich und unfassbar. Die besondere Bedeutung dieses Anschlags ergibt sich aber aus dem, was dem Täter nicht gelang. Es sind die Menschen, die mit dem Leben davonkamen, oder anders formuliert, an denen der Täter ein Massaker verüben wollte. Es ist der versuchte Mord an etwa 50 jüdischen Mitbürgern. Und der Täter ist nach allem, was bisher bekannt wurde, ein aus Judenhass handelnder Rechtsextremist, der sich ersichtlich von einem früheren Anschlag hat inspirieren lassen. Es ist schwer, eine noch passendere Formulierung als „Entsetzen“ und „abscheuliche Tat“ zu finden.
Ja, dieses Entsetzen stützt sich im Besonderen darauf, dass das eigentliche Ziel des Täters ein Massaker an Juden war. Der Holocaust und die daraus erwachsene Schuld und Verantwortung haben unserem Volk eine kaum vernarbte Wunde geschlagen, die zu einer blutenden Wunde aufgebrochen wäre, wenn es ein Massaker gegeben hätte. Wir können nur Gott oder wem auch immer danken, dass es dazu nicht gekommen ist.
Ich bin mir sicher, dass sich unser Land bis auf einen ganz kleinen unverbesserlichen Teil der Bevölkerung einig ist in der Ablehnung dieses antisemitisch geprägten Anschlags.
Wie ist auf den Anschlag zu reagieren? Zunächst ist es wichtig, dass die Verurteilung des Verbrechens einhellig durch alle gesellschaftlich relevanten Kräfte erfolgt. Der Schutz der jüdischen Mitbürger und deren Einrichtungen ist unser aller Anliegen. Und wo Sicherheitsmaßnahmen verbessert werden müssen, hat das zügig zu geschehen. Aber damit ist das Problem nicht gelöst. Antisemitismus und Extremismus, egal von welcher Seite, ob rechts oder links oder islamistisch motiviert, sind mit den Mitteln des Rechtsstaats zu bekämpfen. Allerdings wäre es naiv zu glauben, dass sich der Antisemitismus gänzlich ausrotten ließe, weder in Deutschland noch in einem anderen Land.
Die Reaktionen der Altparteien und eines Teils der Medien auf den Anschlag von Halle kann im Wesentlichen so zusammengefasst werden, dass auf die wachsende Gefahr des Rechtsextremismus hingewiesen und die AfD als geistiger Brandstifter ausgemacht wurde. Die AfD sollte ersichtlich in das Bewusstsein der Bevölkerung als eine Partei implantiert werden, in der der Rechtsextremismus und der Antisemitismus beheimatet sind und aus deren Schoß letztlich die Brut rassistischer Mörder wie im Fall von Halle erwächst.
Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass es in meiner Partei eine Gruppierung „Juden in der AfD“ gibt. Das ist keine mit einer Kippa kostümierte Truppe, das sind leibhaftige jüdische Mitbürger, die in der AfD ihre politische Heimat haben.
Sie, die antragstellenden Parteien, und ein Teil der Medien haben das Verbrechen von Halle instrumentalisiert und als Zündstoff benutzt, um eine beispiellose Hetze gegen die AfD loszutreten.
Sie haben es dabei so übertrieben, dass sich Widerspruch auch bei den Medien regt, die der AfD keinesfalls nahestehen. Ich zitiere aus einem Kommentar des NDR Info, Zitatanfang: „... während ansonsten gerne gewarnt wird vor der ‚Instrumentalisierung‘ eines ‚Einzelfalls‘, ist man dieses Mal mit Generalverdacht und Ausdeuten der ‚geistigen Brandstifter‘ schnell dabei. Gemeint ist, natür
lich, der politische Gegner: die AfD.... Wenn in Limburg ein ‚Allah‘-rufender Mann einen Lkw stiehlt und damit acht Menschen rammt, sprechen Politiker von einem verwirrten Einzeltäter. Ein Syrer, der die Absperrung einer Synagoge überwindet und ‚Allahu Akbar‘ ruft, während er ein Messer zieht, wird einen Tag später freigelassen.... Und als Kuwait Airways sich weigerte, jüdische Passagiere zu befördern, kam hierzulande niemand auf die Idee, der Airline die Lande- und Startgenehmigung zu verweigern.... Auch ‚geistige Brandstifter‘, die mit antisemitischen Parolen durch Berlin ziehen, wie Palästinenser und Islamisten..., kennen unsere Politiker nicht, ebenso wenig den importierten Antisemitismus vieler muslimischer Migranten“,
Die Antragsteller haben im Leitsatz ihres Antrags die Tat als einen „Angriff auf unsere freie und vielfältige Gesellschaft“ bewertet und fordern, Demokratie, Toleranz und Freiheit zu verteidigen. Ich werfe Ihnen vor, dass Sie auch hier eine Instrumentalisierung des Anschlags vornehmen, denn die Begriffe von Vielfalt und Toleranz sind auf dem Hintergrund der Migrationskrise zu politischen Kampfbegriffen geworden und stehen für etwas anderes als das, was im allgemeinen Sprachgebrauch darunter zu verstehen ist. Sie fordern nämlich damit etwas ein, was auf den Punkt gebracht Ihrem Ideal einer multikulturellen – beziehungsweise in der politischen Kindersprache „bunten“ – Republik entspricht. Und dies überhöhen Sie auf dem Hintergrund des Anschlags mit einem moralischen Anspruch, was allerdings ein großer Teil des Volkes, der treu zu unserem Rechtsstaat steht, Ihnen so nicht zu geben bereit ist. Mit anderen Worten,
wer Ihrer Vorstellung von Vielfalt – Ihrer Vorstellung von Vielfalt und Toleranz – nicht folgt, wird als Feind von Demokratie und Freiheit und Wegbereiter des Rechtsterrorismus geächtet. Und das ist Spaltung der Gesellschaft.
Ihr Leitsatz liegt auch deshalb neben der Sache, weil es bei den in Deutschland lebenden Juden eben nicht um zu integrierende Neubürger geht, für deren Bleibe Sie mit Ihrer Propaganda von Vielfalt und Toleranz werben. Die in Deutschland lebenden Juden – und das sage ich für meine Partei mit voller Überzeugung – gehören zu uns, zu unserem Land und sind Teil unseres Volkes.
Das Verbrechen von Halle erfordert als Reaktion etwas anderes als die üblichen Bekenntnisse. Was wir brauchen, ist die Durchsetzung des Rechtsstaats und die konsequente Anwendung der geltenden Gesetze. Das ist das Gebot der Stunde und daran mangelt es. Es ist unübersehbar, dass sich Teile der Gesellschaft radikali
siert haben. Der Journalist Mathias Döpfner von der „Welt“ benennt dazu mehrere Hauptursachen, unter anderem, Zitatanfang, eine „rechtsstaatlich sehr zweifelhafte Flüchtlingspolitik“, „eine politische Elite, die die Realitäten verdrängt oder ihnen entrückt“ – Einschub von mir, die Debatte gestern war ein Lehrstück dazu –, sowie „eine mediale Elite, die Dinge zu oft eher beschwört und beschreibt, wie sie sein sollten, als zu beschreiben, wie die Lage ist“, Zitatende.
Der Anschlag von Halle hat nach dem Mord an Lübcke ein ganz neues Problem zutage gefördert. Wir haben es mit Tätern zu tun, die in einer speziellen Subkultur leben, die vereinzelt und isoliert im Netz chatten, die sich nur digital kennen, sich radikalisieren und Verbrechen verabreden. Der Innenminister hat das hier eben zutreffend ausgeführt. Es liegt auf der Hand, dass es für die Sicherheitsbehörden unglaublich schwer ist, diese Form des Terrorismus zu identifizieren. Und deshalb – auch da folge ich dem Innenminister – ist es richtig und notwendig, über weitere Befugnisse des Staates nachzudenken, um diese Aspekte frühzeitig ausleuchten zu können.
Zugleich ist es offensichtlich, dass diese Formen der Radikalisierung näher erforscht werden müssen, um die Maßnahmen zu einer Früherkennung zu verbessern, denn die Sicherheitsbehörden sind nicht der Alleinlöser des Problems. Das Problem wächst in der Gesellschaft. Sie wieder ins Lot zu bringen, ist eine Aufgabe für uns alle. Dies müsste damit beginnen, die politische Kultur in unserem Land zu verändern, den politischen Diskurs zu versachlichen, das Schubladendenken abzuschaffen, Probleme tabufrei zu benennen, Feindbilder abzubauen und insbesondere das Gemeinsame dem Trennenden voranzustellen.
Bei allen in dieser Debatte zutage getretenen Differenzen gilt es doch festzustellen, dass der Landtag geschlossen die Gewalttat von Halle verurteilt. Für meine Partei füge ich hinzu, dass wir in der Bewertung des Terrorismus keinen Unterschied machen, ob er links oder rechts motiviert ist. Hier war es offensichtlich eine Tat des Rechtsterrorismus. Es wäre gut, wenn sich alle anderen Fraktionen gleichermaßen klar zum Terrorismus positionieren und jede Form der Gewalt, egal, ob gegen Personen oder Sachen, ablehnen würden.
Ich bin mir darüber aber insbesondere nach der Rede des Herrn Krüger nicht sicher. Herr Krüger, Sie haben hier, was ich schon eben gerügt habe, auch für diesen Landtag eine beispiellose Verallgemeinerung und Hetze betrieben. Sie haben sich als Spalter des Landtags einen Namen gemacht.
(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Heiterkeit bei Thomas Krüger, SPD, und Peter Ritter, DIE LINKE)
nämlich das „Denkmal der Schande“. Und immer wieder muss gesagt werden, egal, ob ich die Zitate gut finde oder nicht,