Protokoll der Sitzung vom 13.11.2019

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hausärztin oder Hausarzt zu sein, ist eine wunderbare Tätigkeit, zum einen, weil das Betätigungsfeld fachlich gesehen sehr breit ist, aber vor allen Dingen auch wegen der emotionalen Bindung. Die ist wechselseitig. Diejenigen, die zum Hausarzt gehen, vertrauen in besonderer Weise, haben dann auch den Wunsch, über medizinische Belange hinaus über soziale Fragen, Dinge des Alltags zu reden, und die Ärztinnen und Ärzte nehmen sich dieser Sorgen und Nöte der Menschen an.

Und ich habe gerade dieser Tage mit einer Hausärztin gesprochen im ländlichen Raum, die sagte, also die Bindung ist so stark, dass sie de facto gedanklich ihre Patientinnen und Patienten, um die sie sich besonders sorgt, auch mit in den Urlaub nimmt – gedanklich! –, vorher mit benachbarten Ärztinnen und Ärzten spricht, um abzusichern, dass die Versorgung nahtlos weitergeht. Das ist wunderbar zu erfahren und macht deutlich, wie wichtig es ist, dass wohnortnah und verlässlich wir auch die ambulante medizinische Versorgung haben.

Dem widmet sich dieses Gesetz. Es ist aus unserer Sicht ein sehr vernünftiger Ansatz, und sowohl Herr Minister als auch in der gewohnten Weise kenntnis- und faktenreich haben Herr Barlen und Herr Dr. Jess hier argumentiert. Die Frage ist in der Tat, wie steht es denn um die medizinische Versorgungslage mit Blick auf die Hausärztinnen und Hausärzte, und die ist, wie beschrieben wurde, sehr unterschiedlich, Mecklenburg-Vorpommern, Stadt und Land. Und auch, wenn Herr Dr. Jess vorhin davon sprach, dass die Zahl der Ärztinnen und Ärzte vergleichsweise, bezogen auf die Einwohnerinnen und Einwohner, auch in Nordwest-Mecklenburg, auch in der Mecklenburgischen Seenplatte sehr günstig sich darstellt, sind das Durchschnittswerte. Für die Mecklenburgische Seenplatte hat im Auftrag des Kreistages vor wenigen Jahren die Hochschule Neubrandenburg die Situation mal analysiert und auch innerhalb des Kreises dann noch mal Unterschiede erkennbar gemacht, aufgezeigt, analysiert, dass auch hier zwischen den Städten und dem ländlichen Raum große Unterschiede bestehen, und insofern reagiert dieser Gesetzentwurf auf eine solche Situation.

Wir haben die Zahlen und Fakten, die in dem Gesetzentwurf auch zur Begründung genannt wurden, als gegeben hingenommen und haben uns damit auseinandergesetzt. Gefragt haben wir uns natürlich bei aller Wertschätzung für diesen Gesetzentwurf und für diesen Vorstoß, wie ein Vorredner ja schon sagte, warum hat es so lange gedauert.

(Minister Harry Glawe: Das hat doch nicht lange gedauert.)

Es hat …

Die Problemlage ist seit Jahr und Tag bekannt,

(Minister Harry Glawe: Ich bin erst drei Tage im Amt!)

und also...

Einen Moment, Herr Koplin!

Also ich denke, ich habe mich klar ausgedrückt, wenn ich gesagt habe, dass von der Regierungsbank keine Kommentare zu erfolgen haben. Wenn sich das noch mal wiederholt, muss ich die Sitzung unterbrechen und dann mit der Staatskanzlei beraten, wie wir weiter mit der Situation umgehen.

(Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Ich bitte doch jetzt wirklich, meine Hinweise hier ernst zu nehmen und zu berücksichtigen.

Jetzt können Sie fortfahren, Herr Koplin.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Heiterkeit bei Patrick Dahlemann, SPD: Harry, hier ist noch Platz!)

Danke, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren, ich bleibe dabei, dass das viel zu lange dauert. Die Problemlage ist also mindestens schon zehn Jahre bekannt. Auch die Vorgängerregierung, die die gleichen Regierungsfarben hat, wusste

um das herannahende Problem. Die demografische Entwicklung ist ja nicht nur in der Bevölkerung allgemein zu verzeichnen, sondern auch bei den Ärztinnen und Ärzten. Und dann auch, statt selber dann einen Vorstoß zu machen, schaut man nach Nordrhein-Westfalen, schreibt dort ab. Ehrlicherweise hat man das im Gesetzentwurf in der Begründung hier zumindest auch niedergeschrieben. Aber diese Geleitzugpolitik, dieses „Wir warten erst, was andere machen“, das ist so ein Mittelmaß. Wir müssen mit unseren Problemen, mit unseren Herausforderungen klarkommen und uns auch selbst in die Puschen begeben und nicht immer warten, bis andere immer schon irgendwie einem Trend folgend etwas gemacht haben. Das ist sehr ärgerlich, sehr geehrte Damen und Herren.

Die Tatsache, dass wir jetzt eine Quote einpflegen würden und eine Vorabvergabe dann organisieren, das ist alles gut und schön, enthebt uns aber nicht der Notwendigkeit, dass die Zahl der Studienplätze an dieser Stelle steigen muss. Wir haben, wenn ich zu Herrn Ehlers rübergucke, wir haben dieses Thema schon mehrfach hier besprochen und mehrfach darauf gedrängt, weil die Situation so ist, wie Herr Dr. Jess sie beschrieben hat, dass sehr viele, die die Ausbildung haben, die das Studium abgeschlossen haben, dann doch nicht in der Praxis tätig werden. Und das ist etwas, womit wir uns nicht zufriedengeben können.

Und nun noch etwas zu den Zahlen, weil ja mit diesem Gesetz verbunden ist, dass wir dann, wenn es gilt und wenn die Studentenzahlen feststehen und auch diejenigen, die über diesen Weg einen Studienplatz bekommen – 32 jeweils im Studienjahr –, und das mal in Betracht gezogen darauf, dass wir in den nächsten sechs Jahren hier noch keinen Nutzen ziehen können, reden wir also über die Jahre 2025 bis 2035. In diesen Jahren werden wir etwa 288 Absolventen über diesen Weg für einen Landarzt, für eine Landarztpraxis gewinnen können. Jetzt aber, das weist ja der Gesetzentwurf bereits aus, haben wir in der Vorschau eine Fehlzahl von 420, nein, keine Fehlzahl, das ist eine Zahl von 420 wieder zu besetzenden Praxen. Dann muss noch unterstellt werden, dass die Zahl derjenigen, die behandlungsbedürftig sind, und die Frequenz dieser Praxen erhöht sein wird, sodass wir an die 500 Landärztinnen und Landärzte benötigen in Mecklenburg-Vorpommern bis 2035, aber über diesen Weg nur auf 288 kommen, also gerade mal etwas über die Hälfte. Das zeigt uns auf, das wird also die Lösung allein nicht sein können.

Und wie es auch schon vorhin gesagt wurde, ist es notwendig, flankierend die Rahmenbedingungen zu verbessern. Zu der Verbesserung der Rahmenbedingungen gehört unter anderem, einige Sachen sind ja vorhin genannt worden, unter anderem gehören da Bereitschaftsdienste zu. Uns sagen Ärztinnen und Ärzte, die im ländlichen Raum praktizieren, dass es für sie äußerst belastend ist, in einem Quartal fünf bis sechs Bereitschaftsdienste durchzuführen an Wochenenden, zusätzlich, und in der Woche dann noch mal 12-Stunden-Dienste. Das machen sie alles, das ist gar keine Frage, aber diejenigen, die jetzt vor der Entscheidung stehen, gehe ich diesen Berufsweg, nehme ich das auf mich, vorhin ist es gesagt worden, bei den Lebensentwürfen, wie sie sich entwickelt haben, ist es an dieser Stelle ein großer Konflikt.

Und wir tun gut daran, wenn wir uns anschauen, wie ist es eigentlich mit der Bereitschaftspraxis, den Bereit

schaftsdiensten in Schleswig-Holstein und in Brandenburg. In Schleswig-Holstein zum Beispiel nimmt die Kassenärztliche Vereinigung noch mal Mittel in die Hand, um den Bereitschaftsdienst auf Freiwilligenbasis zu organisieren. Auch ein interessantes Modell, damit sollten wir uns auf alle Fälle beschäftigen.

Was die Strafe betrifft, die Herr Minister hier angesprochen hat, die 250.000 Euro Strafe, wenn jemand über den Weg dieser Quote sich ausbilden lässt, aber dann letztendlich nicht in einer Praxis im ländlichen Raum tätig wird, 250.000 Euro Strafe, da habe ich zunächst gedacht, na ja, das schreckt ab. Mir ist aber gesagt worden, das schreckt nur einige ab. Die jetzt eben im medizinischen Bereich tätig sind und aus einer geringer bezahlten Situation herauskommen, die könnten sagen, na ja, ob ich das dann wirklich als Strafe in Kauf nehmen möchte, das ist ein Problem für mich, aber einige, ist mir gesagt worden, zum Beispiel Söhne und Töchter von Radiologen, für die ist es durchaus möglich, dass die 250.000 Euro Strafe in Kauf nehmen. Für mich ein Aha-Effekt. Nun kann man das nicht endlos hochtreiben, aber es zeigt, aber auch diese Regelung ist nicht wasserdicht, sodass wir auf die Zahlen kommen, die wir von den...

(Torsten Renz, CDU: Ja, aber was schlagen Sie denn nun konkret vor, ohne jetzt mal ausweichend zu antworten?)

Was wir vorschlagen, hatte ich unter anderem gesagt,

(Torsten Renz, CDU: 400.000?)

einige Dinge sind genannt worden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das machen wir im Rahmen der Ausschussberatungen! – Zurufe von Vincent Kokert, CDU, und Torsten Renz, CDU)

Die Attraktivität der Tätigkeit zum Beispiel im Bereitschaftsdienst zu verbessern.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Was wir uns von der Anhörung im Übrigen erhoffen, das will ich ganz schnell noch sagen. Also wenn Sie sich den Gesetzentwurf und die Begründung und die finanziellen Auswirkungen durchlesen, ich bin über eine Sache gestolpert: Die Kassenärztliche Vereinigung hat den Sicherstellungsauftrag und die kriegt über diesen Gesetzentwurf jetzt noch mal einen Zuschlag von 130.000 Euro im Jahr, um das Gesetz umzusetzen, für das sie selbst eigentlich Verantwortung trägt, nämlich die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung im Land.

(Torsten Renz, CDU: Da legen Sie sich wahrscheinlich auch noch nicht fest.)

Wir schmeißen also mit der Wurst, mit dem Speck nach dem Schinken, Quatsch, mit der Wurst nach dem Schinken.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Ich weiß, na ja, insgesamt kostet ein Platz, ich habe das mal ausgerechnet, ein Platz, den wir über diese Vergabequote organisieren, weil wir etwa zahlen an die Kassenärztliche Vereinigung, an die Hochschulen und an die

Stiftung Hochschulzulassung, einen Platz zu organisieren, kostet aus dem Landeshaushalt knapp 8.000 Euro. Und das werden wir in der Anhörung mal hinterfragen, wie jemand, der einen Sicherstellungsauftrag hat, dann noch mal 130.000 obendrauf kriegt. Das ist eine interessante Frage. Davon gibt es viele. Wir sind sehr interessiert an der Anhörung und der Debatte dann in der Zweiten Lesung. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Ums Wort gebeten hat noch einmal der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Herr Glawe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will hier keine laute Rede halten, nur noch zwei, drei Dinge klarstellen, bevor ich einen Ordnungsruf kriege auf der Regierungsbank oder Auszeiten riskiere,

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Wenn wir Ordnungsrufe erteilen könnten für Minister, wäre das sehr hilfreich! – Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

muss, will und gehe ich gerne an dieses Mikrofon.

(Andreas Butzki, SPD: Das war eine Feststellung!)

Herr Jess, Sie haben ja in Ihrer Rede eigentlich die Landesregierung gelobt ohne Ende, und zwar deswegen: Sie haben gesagt, das Durchschnittsalter der Ärzte ist 53 Jahre und wir haben 11 Jahre, bis sozusagen die Ärztinnen und Ärzte, Hausärzte fertig sind nach einem Landarztgesetz. Völlig richtig. Und da die meisten Ärzte mit 63/64 in den Ruhestand treten, sind wir genau im Zeitstrahl.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Also wenn Sie das mal nicht in Ihrer Fraktion auch verantworten müssen, was Sie hier vorgetragen haben! Also eigentlich geben Sie uns zu 100 Prozent recht, dass wir genau zur rechten Zeit die richtigen Dinge tun.

Zweitens. Herr Koplin, Sie haben ja auch so angefangen, das Gesetz kommt viel zu spät. Natürlich kann man immer alles früher machen,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

nur dieses Gesetz ist in relativ kurzer Zeit zusammen mit Nordrhein-Westfalen erarbeitet worden. In NordrheinWestfalen ist es mittlerweile durch den Landtag durch. Wir sind sozusagen an der Schwelle und wir sind eines der ersten Länder in Deutschland, die gerade dieses Landarztgesetz auf den Weg gebracht haben. Das gehört auch zur Wahrheit dazu. Und wenn Sie das dann hochrechnen, wir haben ja nicht nur die Landarztquote und das Landarztgesetz eingeführt, wir haben die Förderung für PJler, die nach dem zehnten Semester dann ein Jahr Praktika machen in den jeweiligen Hausarztpraxen oder bei Fachärzten.

(Vizepräsidentin Dr. Mignon Schwenke übernimmt den Vorsitz.)

Da haben wir auch deutlich dafür gesorgt, dass die angehenden Mediziner, die vor der Fort- und Weiterbildung stehen, jetzt mittlerweile 1.000 Euro pro Monat an Zuschuss bekommen, sodass also auch in diesem Bereich das eine oder andere zu erwarten ist, dass auch angehende Ärzte, die vor der Fort- und Weiterbildung stehen, sich durchaus als Hausärzte oder als Pädiater dann auch eine Niederlassung in Mecklenburg-Vorpommern vorstellen können.

Des Weiteren will ich darauf hinweisen – das hat, glaube ich, auch mein Kollege von der SPD schon gesagt –, die Aus- und Weiterbildung, da sind mittlerweile 250 Ärzte in Aus- und Weiterbildung, so viel hatte MecklenburgVorpommern noch nie. Also das heißt, auch die Ärztekammer kommt immer mehr ihrer Verantwortung nach.