Protokoll der Sitzung vom 13.11.2019

Zum Ersten: Die neuen Bundesländer weisen den höchsten Prozentsatz weiblicher Ärzte aus, Sachsen-Anhalt zum Beispiel mit 63,7 Prozent, Mecklenburg-Vorpommern mit 56,1 Prozent. Die westlichen Bundesländer liegen mehrheitlich unter 50 Prozent, um 40 bis 45 Prozent. Bisher gilt als allgemeine Erfahrung, dass die Frauen stärker auf eine Beruf-Familien-Balance Wert legen. Dies hat Auswirkungen auf die Arbeitszeitgestaltung.

Zum Zweiten: Die Arztdichte für alle berufstätigen Ärzte, diesmal alle Ärzte, beträgt zum Beispiel in Brandenburg 185,8 Ärzte pro 100.000 Einwohner, in Deutschland durchschnittlich 211 Ärzte pro 100.000 Einwohner, und das Land mit dem Maximum, also mit der besten Versorgung, ist Hamburg mit 295,7 Ärzten pro 100.000 Einwohnern. Die Arztdichte zwischen den Bundesländern differiert also relativ stark. Brandenburg ist das Land mit der schlechtesten Versorgung, 185,8, Hamburg mit der besten, 295,7. Dies trifft aber auch auf die Regionen in den Bundesländern zu.

Betrachten wir direkt mal die Hausarztdichte in Mecklenburg-Vorpommern. In M-V weisen die Kreise Ludwigslust-Parchim mit 63,1 Hausärzten pro 100.000 Einwohnern und der Landkreis Rostock mit 64,6 die geringste Arztdichte auf. Der Durchschnitt von MecklenburgVorpommern liegt bei 72,9 Hausärzten pro 100.000 Einwohnern. Die größte Hausarztdichte weisen VorpommernGreifswald mit 79,7, Nordwest-Mecklenburg mit 74,9, MSE mit 73,5 und Vorpommern-Rügen mit 72,9 auf und natürlich die Städte Schwerin und Rostock.

Unter dem Eindruck dieser Zahlen fragt man sich, was sind eigentlich die Ursachen dafür, dass der Versorgungsgrad der letzten Jahrzehnte und vor der Jahrtausendwende nicht mehr durch die stetig größer werdende Ärzteschaft aufrechterhalten werden kann in unserem Bundesland. Spricht man mit Ärzten, dann werden folgende Erklärungen angeboten:

Erstens. Wandel des Berufsbildes mit Auswirkungen auf Arbeitszeitgestaltung.

Zweitens. Ein relevanter Anteil an Ärzten ist nicht am Patienten tätig, sondern in Verwaltung, bei Versicherungen oder ähnlichen patientenfernen Tätigkeiten.

Drittens. Die Tätigkeit der Ärzte in den Praxen ist durch zu viele bürokratische Aktivitäten belastet, was zu Ineffizienz führt.

Viertens. Zu viele unnötige Praxiskontakte der Patienten, insbesondere durch – aber nicht nur – ältere Patienten, und die Überalterung der ländlichen Bevölkerung an sich.

Fünftens. Junge, unerfahrene Ärzte scheuen die eigenverantwortliche Niederlassung. Sie bevorzugen zunächst eine Anstellung und die Arbeit in der Gruppe.

Und jetzt komme ich zum Gesetzentwurf: Bevor wir die Ausbildungszahl der Ärzte weiter erhöhen, sollte man die systemimmanenten Schwächen aufdecken und auf intelligente Weise abstellen. Wichtig wäre es zu überlegen, wie man die heterogene Ärztedichte abstellen kann. Wenn es nicht daran liegt, dass zu wenig Ärzte ausgebildet werden, dann ist es möglicherweise die fehlende Attraktivität der unterversorgten Regionen, die die Arztniederlassung erschwert. Diese Unattraktivität zeigt sich in der Regel in folgenden Punkten:

Erstens. Unzureichende oder gar fehlende Infrastruktur mit Auswirkungen auf die eventuelle Berufsausübung des Ehepartners und mit Auswirkungen auf die Schulausbildung der Kinder, deshalb kommt dem noch zu diskutierenden FAG eine hohe Bedeutung zu.

Zweitens. Ich nenne es fehlende Heimatverbindung der Absolventen. Das heißt, eine emotionale Bindung von Absolventen, also Arztabsolventen, an eine Heimatregion, eine ländliche Region, könnte die Versorgungsengpässe helfen abzubauen. Es hat sich offenbar noch nicht überall herumgesprochen, dass die Lebensqualität für Familien mit Kindern in kleineren Städten und in ländlichen Regionen mit guter Anbindung an Mittelzentren oftmals höher sein kann als in den Ballungszentren.

In diesem Zusammenhang halte ich deshalb diesen Gesetzentwurf der Regierung für einen Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sind auch die Risiken, die ich bereits angesprochen hatte, wie zum Beispiel, dass wir wieder eine neue Quote haben oder dass auch die Absolventen mit den schlechteren Abiturdurchschnitten eventuell beim Studium scheitern oder dass diese Absolventen eventuell als Ärzte zweiter Klasse angesehen werden, diese Risiken bestehen und die sind zu diskutieren. Die Details der Ausgestaltung des Gesetzes werden wir in den Ausschüssen debattieren müssen.

Allerdings, Herr Minister, der Gesetzentwurf kommt reichlich spät.

(Minister Harry Glawe: Was?!)

2013 wurde auf die drohende Misere hingewiesen,

(Minister Harry Glawe: Sie haben doch gerade gesagt, wie gut wir sind.)

wir haben nun 2019.

(Minister Harry Glawe: Eigentlich haben Sie doch genau das Gegenteil behauptet.)

Dieses Gesetz kann seine Wirkung erst mit der Immatrikulation im nächsten Jahr entfalten. Dann können Sie

32 Studienplätze der Medizin nach diesem Gesetz vergeben. Herr Minister, Sie wissen, wie lange die Ausbildung eines Mediziners dauert,

(Minister Harry Glawe: Ja.)

im besten Fall zwölf Semester, das heißt sechs Jahre, plus weitere fünf Jahre bis zum Facharzt für Allgemeinmedizin.

(Minister Harry Glawe: Ja.)

Ihr Gesetz zeigt also frühestens eine Wirkung ab dem Jahr 2031.

(Minister Harry Glawe: Genau das, was Sie gesagt haben, tritt dann ein.)

Herr Minister, was ist in der Zeit bis 2031?

(Minister Harry Glawe: Ich komme noch mal zu Ihnen.)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Aus formalen Gründen und wegen des Protokolls möchte ich feststellen, dass ich natürlich mit dem Aufruf von Herrn Dr. Jess die Aussprache eröffnet habe.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich habe mich schon gewundert.)

Wir hatten uns im Ältestenrat darauf verständigt, eine Aussprache mit 55 Minuten vorzusehen. Und da ich dazu keinen Widerspruch höre, ist das so beschlossen.

Ich weise an dieser Stelle noch mal darauf hin, dass es von der Regierungsbank keine Kommentare geben darf.

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Es ist doch kaum jemand da, der kommentieren kann.)

Und ich rufe jetzt auf für die Fraktion der SPD den Abgeordneten Herrn Barlen.

(Minister Harry Glawe: Danke für den Schutz! – Zurufe von Ministerin Stefanie Drese und Julian Barlen, SPD – Minister Harry Glawe: Ich weiß nicht, wer gemeint ist. Ich nicht!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag für die ärztliche, insbesondere für die hausärztliche Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern. Mit dem Landarztgesetz Mecklenburg-Vorpommern gehen wir bei der Gewinnung von zusätzlichen, von engagierten, von lokal verankerten Hausärztinnen und Hausärzten in der Fläche als Land in die Vorhand und wir schaffen dadurch auch mehr Chancen für Landeskinder, Landeskinder, die Medizin studieren wollen, die motiviert sind, die für die Patientinnen und Patienten in ihrer Heimat, gerade für die älteren Menschen im ländlichen Raum, da sein wollen. Hierfür die Voraussetzungen zu schaffen, ist für uns als Landespolitik eine wichtige,

(Torsten Renz, CDU: Eine Herzensangelegenheit!)

eine drängende Aufgabe, und gerade angesichts des demografischen Wandels, der eine regional sehr unterschiedliche Dichte an Bevölkerung zur Folge hat, der zu einem Fluss an Versorgungsbedarf gerade bei den Hochbetagten führt und der natürlich auch die Gewinnung von Nachwuchs und von Fachkräften erschwert.

Trotz all dieser Herausforderungen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, trotz dieser Herausforderungen haben die Patientinnen und Patienten in unserem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern einen Anspruch auf flächendeckenden Zugang zu einer guten medizinischen und pflegerischen Versorgung. Daher sind wir – Hand in Hand mit allen an der Versorgung Beteiligten – wirklich gut beraten, alles zu unternehmen, um mehr Fachkräfte für diese Aufgabe zu gewinnen und die Rahmenbedingungen vor Ort möglichst gut zu gestalten.

Hierfür wäre neben dem heute vorliegenden Landarztgesetz zu nennen generell eine integrierte, regionale, sektorenübergreifende Versorgungsplanung, also die Zusammenarbeit zwischen ambulanten und stationären Versorgern. Eine solche Versorgungsstruktur muss aktiv gestaltet werden. Weiterhin ist zu nennen das eingeführte Stipendienprogramm für Medizinstudierende in Mecklenburg-Vorpommern, zu nennen ist die bundesweit bei uns im Land frühzeitige Einführung von Lehrstühlen für Allgemeinmedizin, zu nennen ist die Rückkehrprämie für Ärztinnen und Ärzte und zu nennen ist ganz grundsätzlich natürlich auch eine Anpassung und eine Schärfung der Versorgungsplanung für den Bedarf in der ambulanten Versorgung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aber auch mit all diesen Maßnahmen, die wir bereits ergriffen haben, stellt gerade die Nachbesetzung von Landarztpraxen die Kassenärztliche Vereinigung vor immer mehr Herausforderungen. Im Augenblick sind rund 1.200 Hausärztinnen und Hausärzte im Dienst, und mehr als ein Drittel dieser Frauen und Männer wird in den nächsten 6 bis 15 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand gehen. In etwa der Hälfte der Bedarfsplanungsbereiche kann es in der Folge zu einer Unterversorgung kommen.

Zahlreiche der oben genannten Maßnahmen haben inzwischen erfreulicherweise bereits dazu geführt, dass immer mehr Absolventinnen und Absolventen der Weiterbildung zur Fachärztin beziehungsweise zum Facharzt der Allgemeinmedizin zu verzeichnen sind. Das bedeutet aber nicht, dass sich diese zusätzlichen Absolventinnen und Absolventen dann auch automatisch im ländlichen Raum niederlassen. Mit dem Landarztgesetz, das wir heute hier in den Landtag einbringen, setzen wir genau an dieser Stelle an, um frühzeitig diejenigen potenziellen Medizinstudierenden, naturgemäß insbesondere die Landeskinder, mittel- bis langfristig für eine Tätigkeit als Hausärztin oder als Hausarzt zu gewinnen, und zwar genau solche, die auch eine spätere Tätigkeit im ländlichen Raum anstreben.

Meine Damen und Herren, das wird gelingen, wenn schon bei der Auswahl und Zulassung zum Studium der Blick geweitet wird und mehr engagierte, motivierte junge Frauen und Männer die Chance auf ein Medizinstudium bekommen. Hierfür müssen zusätzlich zu der Abiturnote weitere Kriterien zum Zuge kommen. Die fachliche und

die persönliche Eignung und zudem die Bereitschaft für die Arbeit als Hausärztin oder Hausarzt auf dem Lande sind in diesem Auswahlverfahren zu bewerten. Nach diesen Kriterien werden zunächst 32 Plätze pro Jahr zur Verfügung stehen. Das werden unter Berücksichtigung der Zeit des Studiums und auch der Weiterbildung, die ja bereits verpflichtende Phasen auch der Praxis in einer Hausarztpraxis enthält, rund 230 Landärztinnen und Landärzte alleine in der oben genannten Zeitspanne der Verrentungen sein. Diesen angehenden Landärztinnen und Landärzten ermöglichen wir per Vorabquote ein Studium der Humanmedizin unter der Maßgabe einer späteren Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung in unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten ländlichen Regionen in unserem Land MecklenburgVorpommern, mindestens zehn Jahre lang, hoffentlich, hoffentlich aber ein glückliches und erfülltes Berufsleben lang.

Meine Damen und Herren, ich freue mich in diesem Zusammenhang sehr darüber, dass auch der Hausärzteverband Mecklenburg-Vorpommern sich bereits gemeldet hat und in einer ersten Stellungnahme Unterstützung für den Gesetzentwurf signalisiert hat. Als weiterer Baustein der Förderung der hausärztlichen Versorgung, insbesondere im ländlichen Raum unseres Bundeslandes, wird das Landarztgesetz begrüßt. Im Detail werden wir in der Anhörung im Gesundheitsausschuss gemeinsam beraten können. Den Hausärzteverband haben wir neben beispielsweise den Krankenkassen, der Kassenärztlichen Vereinigung oder auch der Gesundheitsforschung selbstredend als Sachverständige eingeladen und freuen uns über die Bereitschaft, hier im Landtag und dann natürlich auch im Weiteren bei der Umsetzung des Gesetzes aktiv mitzuarbeiten.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, bitte ich Sie um Zustimmung zum Gesetzentwurf und die Überweisung in die Fachausschüsse. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hausärztin oder Hausarzt zu sein, ist eine wunderbare Tätigkeit, zum einen, weil das Betätigungsfeld fachlich gesehen sehr breit ist, aber vor allen Dingen auch wegen der emotionalen Bindung. Die ist wechselseitig. Diejenigen, die zum Hausarzt gehen, vertrauen in besonderer Weise, haben dann auch den Wunsch, über medizinische Belange hinaus über soziale Fragen, Dinge des Alltags zu reden, und die Ärztinnen und Ärzte nehmen sich dieser Sorgen und Nöte der Menschen an.