Protokoll der Sitzung vom 08.03.2017

Die Bürger …

Ich habe blaue Augen, genau,

(Zuruf aus dem Plenum: Ja, dann sind Sie blauäugig.)

aber nicht blauäugig, nein.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Blaue Augen heißt nicht blauäugig.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Die Redezeit läuft weg, Herr Kramer.)

Die Bürger unseres Landes haben dies offensichtlich registriert und reagieren mit einem augenscheinlichen Vertrauensverlust in die Gewährleistung der Sicherheit durch den Staat, der Träger des Gewaltmonopols sein sollte.

768 sogenannte kleine Waffenscheine wurden 2016 im Landkreis Nordwestmecklenburg vergeben. Das sind 312 mehr als im Jahr davor. Im Landkreis VorpommernRügen waren es 2016 449, im Vergleich zu 2015, da waren es nur 39. Die Ausgabe dieser kleinen Waffenscheine hat sich also vervielfacht. Die Bürger unseres Landes bewaffnen sich selbst, um sich vor Angriffen zu schützen. Das sollte und darf auf keinen Fall sein. Doch woran liegt das?

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Rückblickend auf das von mir bereits Erwähnte muss eine starke Verunsicherung unserer Bürger festgestellt werden, die durch mehr Präsenz unserer Polizei aufgehoben werden kann, Herr Ritter.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Eine defensive Personalpolitik dieser Landesregierung in Bezug auf unsere Landespolizei ist kein Mittel, um die Verletzung subjektiver Schutzbedürfnisse effektiv zu heilen. Nur wenn der Staat seine Entschlossenheit und Stärke öffentlich zur Schau stellen kann, wird eine Beruhigung der Bevölkerung dauerhaft erreichbar sein.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Deshalb – und ich wiederhole meine Forderung – schaffen Sie die 555 versprochenen Stellen! Unsere Unterstützung haben Sie.

Lassen Sie mich noch einmal eine Brücke zur hervorragenden und souveränen Arbeit unserer Beamten schlagen. Beinahe wöchentlich hören und lesen wir von verbalen und tätlichen Angriffen auf meine Kollegen und Rettungskräfte im Allgemeinen in unserem Land,

(Tilo Gundlack, SPD: Und Kolleginnen.)

die zunehmend Opfer von Gewalt werden. Im letzten Jahr stieg die Zahl der Angriffe in Mecklenburg-Vor

pommern um 28 Prozent. Allein im Kreis VorpommernGreifswald wurden 121 Fälle von Gewalt gegen Polizisten registriert. Teile der Bevölkerung sehen Gewalt gegen Polizeibeamte mittlerweile zunehmend als legitimes Mittel des Protestes. Aber dies ist ja gerade in linken Kreisen kein unübliches Mittel zum Zweck, wenn ich an die jüngste Frankfurter AStA-Zeitung denke, in der klargestellt wird, dass „Polizist*innen und besonders deren Struktur“ selbstverständlich „tagtäglich legitimen Anlass“ bieten, „sie zu beleidigen“. Für unsere Beamten entsteht eine spezielle psychische Belastung, die aus der Entfremdung zur staatlichen Institution erwächst. Die von Ihnen angesprochene gesellschaftliche Akzeptanz und den Respekt für die Arbeit unserer Polizei und alle weiteren Rettungskräfte, so, wie es der Innenminister unlängst formulierte, können Sie gerne wieder stärken, indem Sie die personelle Einsatzfähigkeit erhöhen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, handeln Sie jetzt, wenn Sie den letzten Rest Ihrer Glaubwürdigkeit behalten wollen!

(Torsten Renz, CDU: Na, nun nicht übertreiben!)

Geben Sie unseren Bürgern das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates zurück! Entlasten Sie unsere Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen! Und sorgen Sie dafür,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na, sehen Sie, geht doch!)

dass das Sicherheitsgefühl unserer Landsleute zurückkehrt! Die AfD-Fraktion wird dem Antrag zustimmen und ich bitte um namentliche Abstimmung. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Jochen Schulte, SPD: Die AfD stimmt ihrem eigenen Antrag zu?!)

Ja, das darf ja wohl mal erwähnt werden.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Zunächst hat in Vertretung des Innenministers der Finanzminister Herr Brodkorb ums Wort gebeten.

(Heiterkeit bei Jochen Schulte, SPD: Wollt ihr die Ministerien nicht gleich ganz zusammenlegen?)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was ein erkrankter oder verhinderter Minister am meisten fürchtet, ist, wenn die Vertretung die Rede beiseitelegt

(Jochen Schulte, SPD: Und frei redet.)

und eine eigene Rede hält. Mit Ihrem Einverständnis würde ich das gerne tun, und, Herr Kramer, Sie sind der Anlass dafür. Wenn ich Ihre Rede richtig verstanden habe, dann zeichnen Sie ein großes Horror- und Schreckensszenario über den Zustand der Sicherheit in diesem Lande und die Polizei im Besonderen, indem Sie vor

allem Bezug nehmen auf exorbitant klingende Zahlen von Überstunden. Das Problem bei so exorbitant großen Zahlen ist natürlich immer, worauf sie sich beziehen. Also im Verhältnis zu Russland

(Heiterkeit bei Manfred Dachner, SPD: China.)

oder China sind das jetzt zum Beispiel kleine Zahlen. Insofern ist die Frage: Worauf beziehen die sich eigentlich?

Wenn Sie wissen, dass wir etwa 5.800 Polizeibeamte haben, die im Jahr rund 1.700 Arbeitsstunden leisten, was insgesamt etwa 10 Millionen macht, und Sie sich dann hier hinstellen und sagen, wir haben etwas über 200.000 Überstunden, also leicht mehr als zwei Prozent, und deswegen liegt dieses Land sicherheitspolitisch darnieder, auch die Polizisten können nicht mehr gehen, das ist alles absolut am Ende, dann erscheint dieses Bild ja sozusagen nur dadurch, dass Sie verschweigen, dass es nur etwa zwei Prozent sind. Und zwei Prozent – sagen wir von mir aus drei Prozent – von rund 6.000 Polizisten wären etwas weniger als 200 Polizisten, die man zusätzlich ins System bringen müsste, um diese Überstunden vollständig zu kompensieren.

(Nikolaus Kramer, AfD: 169.)

Es ist aber etwas weniger als 200.

Jetzt beginnt das Problem, Herr Kramer, aus mehreren Gründen. Zunächst einmal, glaube ich, darf ich im Namen des Innenministers die Behauptung zurückweisen, die CDU hätte 555 neue Polizisten versprochen. Das hat sie nicht getan. Das ist einfach falsch, was Sie da behaupten. Sie hat versprochen, sich dafür einzusetzen, dass es 555 Polizisten gibt. Das ist was anderes, es ist was ganz anderes.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Sie können, wenn Sie ein solches Wahlziel haben und nicht die absolute Mehrheit bekommen, in einer Demokratie nichts anderes tun, als sich mit Ihrem Koalitionspartner an einen Tisch zu setzen und über einen fairen Kompromiss zu diskutieren. Insofern hat die CDU ein politisches Ziel formuliert, nämlich 555 neue Polizisten, und ist diesem Ziel aus meiner Sicht sehr nahegekommen.

Ich darf daran erinnern, dass wir nicht 5.800 Polizisten haben, sondern dass die Landesregierung bereits in der letzten Koalition 100 Polizisten auf den Weg gebracht hat. Das sind schon mal die ersten von den 169, die Sie eben beziffert haben. Dann gab es Koalitionsverhandlungen und wir haben uns darauf geeinigt, dass es noch mal 150 Polizisten zusätzlich gibt. Da sind wir schon mal deutlich über den 169 Stellen, deren Fehlen aus Ihrer Sicht zur Funktionsunfähigkeit der gesamten Polizei und zum Niedergang dieses Landes geführt hätte oder führt. Das ist politisch durch Beschlusslage schon beseitigt.

Worauf Sie aber nicht hinweisen, ist, dass es ein Polizeigutachten gibt, in dem darauf verwiesen wird, dass die Polizei von Mecklenburg-Vorpommern im Verhältnis zu anderen Ländern durchaus gut ausgestattet ist, dass es aber manchmal Personal vielleicht nicht an der Stelle gibt, wo es wünschenswert wäre. Die Gutachter sagen selbst, es wäre wünschenswert, mehr Polizei in der Flä

che zu haben, denn an der Polizei in der Fläche entscheiden sich am Ende auch das Sicherheitsgefühl und die Sicherheitslage für die Bürgerinnen und Bürger.

Das zu ändern, darauf haben sich die Koalitionäre verständigt. Denn wir haben besprochen, dass es nicht nur die 100 Stellen gibt, die es schon kurz vorher gab, dass es nicht nur 150 Stellen obendrauf gibt, sondern dass schrittweise weitere 150 Stellen im System so umgeschichtet werden, dass sie als Polizisten in der Fläche wirksam werden, zum Beispiel in Zukunft auch wieder in einer – ich hoffe, ich sage das richtig – Einsatzeinheit der Bereitschaftspolizei in Anklam. Auch das hat die Koalition beschlossen, an dem Punkt nachzusteuern und im Osten des Landes Polizeistrukturen wieder stärker aufzubauen.

Insofern werden wir am Ende, wenn Sie das mal zusammenrechnen, Herr Kramer, in dieser Legislatur objektiv 400 Kolleginnen und Kollegen mehr in der Fläche haben. Das ist die Vereinbarung: 400. Die CDU hat gesagt, sie strebt an, in der Regierung 555 durchzusetzen. Ich halte das für einen ziemlich hohen Grad an Zielerfüllung in einer Demokratie, wenn man auf Kompromisse angewiesen ist und darauf, dass man Dinge gemeinsam auf den Weg bringt.

Insofern, Herr Kramer, darf ich sagen, dass diese Koalition aus meiner Sicht erstens die Sicherheitsbedürfnisse der Bevölkerung weiterhin ernst nimmt, dass sie zweitens besonderen Herausforderungen, die sich in der Gegenwart ergeben, auch durch einen Aufbau im Bereich des Personals Rechnung trägt und drittens dafür Sorge tragen wird, dass diese Kolleginnen und Kollegen durch verbesserte und zeitgemäße Ausrüstung versorgt sein werden. Und, das darf ich Ihnen sagen, hinter diesen Entscheidungen stehen in tiefster Überzeugung sowohl der Innenminister als auch der Finanzminister und die gesamte Koalition. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Manfred Dachner für die Fraktion der SPD.

(Der Abgeordnete Manfred Dachner spricht bei abgeschaltetem Mikrofon. – Peter Ritter, DIE LINKE: Mikro!)