Protokoll der Sitzung vom 30.01.2020

sodass von daher dies hier doch gar nicht das neue Strafgesetzbuch, wenn das geändert wurde, gar nicht die Grundlage war des Urteils.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Sie haben sich zu dem neuen geäußert. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Wenn Richter sich politisch äußern wollen, müssen sie es machen,

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Aber es ist hier irrelevant, sage ich mal, für eine richterliche Entscheidung,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Nee, das ist nicht irrelevant.)

da natürlich immer das Strafgesetz gilt, das zurzeit der Tat geltendes Recht war. Das sollten Sie eigentlich wissen als Juristin.

Aber auch inhaltlich – da will ich jetzt gar nicht drum herumreden – ist der Antrag abzulehnen. Der argumentiert ausschließlich damit, dass die Rechte der Frau gestärkt werden sollen. Der Antrag verkennt, dass Paragraf 219a das Ziel hat, das ungeborene Leben zu schützen, und ich muss schon sagen, es ist sehr befremdlich, dass die Antragstellerin, die Fraktion DIE LINKE, dieses Recht mit keinem einzigen Wort im Antrag erwähnt hat.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Dr. Ralph Weber, AfD)

Und warum – weil das Ziel eines Gesetzes ist nun mal das Wichtigste –, warum gibt es ein Gesetz? Warum gibt es diese Norm? Mit dieser Norm soll verhindert werden, dass der Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit als etwas Normales dargestellt wird. Und das ist auch richtig so. Ein Schwangerschaftsabbruch ist nicht gleichzusetzen mit einer beliebigen medizinischen Behandlung, denn er bedeutet nicht weniger als die Beendigung menschlichen Lebens.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Und Sie glauben, die Frauen machen sich darüber keine Gedanken, oder was?!)

Es ist wichtig klarzustellen,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

es ist wichtig klarzustellen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ungeheuerlich!)

worum es in den Rechtsnormen zum Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich geht, denn es handelt sich um ein ausgeglichenes Gesamtsystem.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wären Sie mal lieber bei der AfD geblieben.)

Auf der einen Seite wird die Entscheidungsfreiheit von Schwangeren beachtet, wir haben eine Fristenlösung sowie eine medizinisch-soziale und eine kriminologische Indikation, in deren Rahmen ein Schwangerschaftsabbruch nicht strafbar ist, sei es, weil der Tatbestand nicht erfüllt ist oder die Rechtswidrigkeit nicht gegeben ist, aber auf der anderen Seite wird der Bedeutung des menschlichen Lebens Rechnung getragen. Und hierzu zählt die Pflicht – das hatten Sie ja in Ihrer Begründung jetzt wenigstens noch erwähnt –, sich beraten zu lassen. Aber dazu kommt noch eine mindestens dreitägige Überlegungsphase zwischen der Beratung und dem Abbruch, und dazu kommt eben auch das Werbeverbot nach Paragraf 219a Strafgesetzbuch. Und dieses austarierte System muss erhalten bleiben, und das gilt eben auch aus verfassungsrechtlicher Sicht.

Auch das ungeborene Leben steht unter dem Schutz unserer Verfassung. Folgerichtig ist der Schwangerschaftsabbruch in der Systematik des Strafgesetzbuches im Abschnitt „Straftaten gegen das Leben“ geregelt, und für das Bundesverfassungsgericht ist Paragraf 219a Strafgesetzbuch ein notwendiger Bestandteil der gesamten Regeln der Paragrafen 218 fortfolgende Strafgesetzbuch. Ich hatte den Gesamtzusammenhang eingangs ja bereits dargestellt. Und diese Regeln sind nur dann verfassungsgemäß – und das hätten Sie ohne Weiteres herausfinden können, wenn Sie die Entscheidung des Verfassungsgerichtes gelesen hätten –, wenn neben dem Recht der Schwangeren auch ein Schutzkonzept für das ungeborene Leben besteht. Auch nach dem Verfassungsgericht darf eine Abtreibung nicht als alltäglicher Vorgang dargestellt werden. Und das genau findet seinen Ausdruck unter anderem in dem Werbeverbot.

Im Ergebnis sollte also der im Bundestag gefundene Kompromiss Bestand haben und Rechtsfrieden einkehren. Und da möchte ich noch ausdrücklich auch die Antragsteller hier ansprechen: Auch, wenn sie nicht erfolgreich waren – nicht Sie selbst als Fraktion, aber Ihre Kollegen im Bundestag –, sollten Sie jetzt doch die Entscheidung, die hier demokratisch im Bundestag, der Kompromiss, der zustande gekommen ist, respektieren. Mit der Neuregelung dürfen eben Ärzte nunmehr darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Das Werbeverbot bleibt. Damit werden einerseits die Informationsmöglichkeiten gestärkt und andererseits verbleibt die Neuregelung im gesamten Schutzkonzept für das ungeborene Leben. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Christel Weißig, fraktionslos)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter.

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD Frau Tegtmeier.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zum Glück brauche ich mich an der juristischen Wortklauberei hier ja nicht zu beteiligen, als Nichtjuristin steht mir das ja auch nicht wirklich zu. Ich kann nur sagen, zum Glück, weil allein die Auslegung, ob es sich hier um ein Werbeverbot oder ein Verbot der Weitergabe an Informationen handelt, da kann man ja trefflich drüber streiten.

Wir haben vor einem Jahr dieses Thema hier umfangreich aufgearbeitet, und das Thema Abtreibung ist immer ein heikles Thema gewesen. Nicht nur hier im Hohen Haus, sondern ich schätze, auch innerhalb der einzelnen Fraktionen ist niemals ein ganz einheitliches Bild abzulegen, was das angeht. Und es ist immer ein sehr emotionales Thema. Und ich selber habe mich sehr umfassend im Netz, also vor einem Jahr, diesem Thema genähert und versucht, auch alle Facetten abzubilden. Deswegen werde ich heute da auch nicht noch mal drauf eingehen. Das haben die anderen Sprecherinnen beziehungsweise Sprecher der Fraktionen ja auch zu dem Punkt schon mal getan.

Es ist auf Bundesebene ein Kompromiss herausgekommen, und ein Kompromiss ist eigentlich immer dadurch geprägt, dass niemand ganz zufrieden ist, aber jeder sagen kann, wir haben ein bisschen was erreicht. Ich

muss Ihnen sagen, viele Frauenverbände und auch viele Frauen in der SPD sind von diesem Kompromiss sehr enttäuscht und hätten wesentlich mehr erwartet. Es ist nichts Neues, dass wir hier zwischen den Koalitionären, was die Position einer Bundesratsinitiative in Bezug auf den Paragrafen 219a angeht, keine einhellige Meinung haben und aus diesem Grund auch schon die Unterstützung einer solchen Initiative vor einem Jahr abgelehnt haben. Das werden wir an diesem Punkt wieder tun, weil wir auch dieses Mal selbstverständlich keine einheitliche Meinung haben.

Sie haben Herrn Dr. Manthei eben gehört, der allerdings sehr anders argumentiert hat, als vor einem Jahr das Frau Friemann-Jennert getan hat, die das aus anderen Aspekten beleuchtete, aber ist zu demselben Ergebnis gekommen. Ich kann das noch mal wiederholen: Viele von uns sind ebenfalls enttäuscht, diese Initiative, den Antrag werden wir trotz alledem nicht unterstützen. – Vielen Dank.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Hallo, klatschen! – Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Frau Tegtmeier.

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Das Wort hat jetzt noch einmal für die Fraktion DIE LINKE Herr Ritter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion über die Zulässigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen ist schon Jahrhunderte alt. Religiöse und ethische Vorstellungen stehen dabei im Widerspruch. Einerseits geht es um das Selbstbestimmungsrecht der Frau und andererseits um das Lebensrecht des menschlichen Embryos. Die Folgen daraus sind – das haben wir auch hier in der Debatte wieder deutlich gespürt – unterschiedliche ethische und juristische Herangehensweisen. Das reicht von weitgehender Entscheidungsfreiheit für die Frau bis hin zu strikten Verboten inklusive harter Strafen.

Immerhin, Frau Ministerin hätte sich gern mehr gewünscht nach der Debatte im vergangenen Jahr. Wir sind aber hier im Parlament nicht bei „Wünsch dir was“, und deshalb habe ich schon im letzten Jahr bezweifelt, dass die Argumentation von Frau Ministerin und auch von der SPD-Fraktion, das wird in Berlin schon geregelt, in unserem Sinne eine Brücke war, über die man nicht gehen konnte.

(Martina Tegtmeier, SPD: So hat sie bestimmt nicht argumentiert, Herr Ritter.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Kollegin Jacqueline Bernhardt hat bereits dargelegt, dass es sich um ein höchst widersprüchliches Gesetz handelt. Das erkennt man, wenn man nicht voreingenommen an die Sache rangeht wie Herr Professor Weber.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen ganz deutlich, wenn dieses Gesetz uns Männer betreffen würde, wenn dieses Gesetz uns Männer betreffen würde,

wäre es längst geändert und der entsprechende Paragraf wäre längst abgeschafft.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Elisabeth Aßmann, SPD: Das glaube ich auch.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das in Paragraf 219a Strafgesetzbuch verankerte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche bedeutet bis heute nicht nur Rechtsunsicherheit, sondern auch einen drastischen Einschnitt in die Selbstbestimmung der Frau und ihre Entscheidung über ihren Körper. Und das ist unsere Position in dieser Frage. Es ist eine Entscheidung, es ist ein Selbstbestimmungsrecht der Frau, es ist ihre Entscheidung über ihren Körper.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Was ist mit dem Leben?)

Die Abwägung …

Ich sagte doch, das ist unsere Position, Herr Fernandes. Wenn Sie eine andere Position haben, können Sie die hier gern darlegen.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Mich interessiert aber trotzdem Ihre Position zu dem ungeborenen Leben.)

Ich sage es noch mal: Unsere Position ist, das ist die Entscheidung der Frau, es ist ihre Entscheidung über ihren Körper.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Also wie so einen Pickel einfach wegschneiden?!)

Die Abwägung einer schwangeren Frau über eine so wichtige Entscheidung ist auf Grundlage nach bestem Wissen und Gewissen mit der bisherigen Regelung ausgeschlossen, denn Wissen wird untergraben und das Gewissen soll einseitig getriggert werden. Das sind mittelalterliche Methoden. Diese Methoden sind genauso alt wie die Diskussionen über den Schwangerschaftsabbruch.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Und es geht – ich habe das bei der letzten Debatte auch schon gesagt –, es geht hier nicht um eine Werbung und damit auch nicht um ein Werbeverbot, es geht hier um Informationen und ein Informationsverbot. Nennen wir es also beim Namen! Dieses Informationsverbot – es ist ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und eine unverhältnismäßige und zu unterbindende Einflussnahme auf höchst individuelle Lebensentscheidungen. Hier von einem Werbeverbot zu sprechen, ist an Absurdität nicht zu überbieten. Die Begrifflichkeit negiert die Ernsthaftigkeit der Situation und konterkariert jedes öffentliche Bemühen von Menschen, in fachlicher und medizinischer Kompetenz Gesundheit zu schützen und mündige Entscheidungen auf Grundlage von Fakten zu ermöglichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Werbung heißt, Anreize zu schaffen, damit sich Konsumentinnen und Konsumenten für ein bestimmtes Produkt oder Angebot entscheiden. Die Palette der Marketinginstrumente ist breit, eine sachliche Information auf einer Webseite zu Methoden der Abtreibung gehört jedoch nicht ansatzweise unter die