Protokoll der Sitzung vom 11.03.2020

Liebe Landsleute! Wertes Präsidium! Werte Kollegen und liebe Gäste! Ich möchte mal damit anfangen, dass ich meine Verwunderung zum Ausdruck bringe, Frau Tegtmeier, dass Sie sich darüber wundern, dass wir über ein zu verabschiedendes Gesetz hier im Landtagsplenum eine Aussprache haben.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Es war schon bei der Ersten Lesung einvernehmlich auf eine Aussprache verzichtet worden. Es wäre sehr merkwürdig, wenn wir ein Gesetz, das doch immerhin nicht ganz unerheblich in die Belange der Bürger eingreift, auch in Zweiter Lesung ohne Aussprache hier verabschieden würden.

(Martina Tegtmeier, SPD: Aber dass keine Änderungsanträge von Ihnen kamen.)

Und Ihre einleitenden Worte – völlig richtig –, Deutschland ist nach dem Recht der EU verpflichtet, alle zehn Jahre ein solches Zensusgesetz zu verabschieden. Da die letzte Volkszählung, wenn es das nur wäre, im Jahr 2011 stattgefunden hat, muss im Jahr 2021 erneut so was stattfinden, und dementsprechend brauchen wir ein landesrechtliches Ausführungsgesetz, soweit alles okay. Warum wir aber deswegen darüber nicht sprechen sollten, verwundert mich dann doch ein bisschen, denn ganz so unproblematisch ist das Ganze mit diesem Zensusgesetz dann doch nicht.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Martina Tegtmeier, SPD: Warum erst jetzt?)

Ich möchte mal aus der eben stattgefundenen Debatte zum Sicherheits- und Ordnungsgesetz – Polizeigesetz – Frau von Allwörden zitieren. Die hatte da gesagt: „Die Gefahr, dass der Staat Daten missbraucht, geht gegen null.“

Meine Damen und Herren, 1983 hat das Bundesverfassungsgericht das damals geplante Volkszählungsgesetz gekippt, für verfassungswidrig erklärt und eine Umkehr im Datenschutzrecht bewirkt. Das war die Geburtsstunde des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Und zwei Generationen oder mehrere, viele Generationen unserer Bevölkerung haben hautnah erlebt, wie real die Gefahr ist, dass der Staat seine Bürger ausforscht

(Peter Ritter, DIE LINKE: Deswegen haben Sie dem SOG zugestimmt. Das ist ja interessant!)

und diese Informationen gegen die eigenen Bürger verwendet. Insofern kann ich ein solches Statement, dass die Gefahr gegen null geht, auch bezogen auf unseren Staat heute nicht so ganz stehenlassen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Deswegen Ihre Zustimmung zum Sicherheits- und Ordnungsgesetz! Das ist überzeugend. – Martina Tegtmeier, SPD: Wie widersprüchlich ist das?!)

Und, Herr Kollege Ritter, Sie darf ich jetzt auch zitieren. Sie hatten auch in der vorherigen Debatte gesagt, „der Widerspruch zwischen der geringen Erforderlichkeit … und erheblichen Eingriffstiefe“, bezogen auf das Polizeigesetz, ist auffällig. Das gilt für dieses Zensus…,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Deswegen haben Sie dem Polizeigesetz auch zugestimmt.)

Zensusausführungsgesetz mindestens in gleicher Weise.

Die Erfahrungen der Vergangenheit haben uns jedenfalls aus der AfD vorsichtig gemacht, man kann von mir aus sagen übervorsichtig, aber wir möchten dem Staat nicht wahllos alle möglichen privaten und privatesten Daten unserer Bürger überantworten, ohne dass wir wenigstens hier über das zugrundeliegende Gesetz gesprochen haben, ganz abgesehen von den Kosten – 0,5 bis 1 Milliarde bundesweit. Der Bund übernimmt mindestens 300 Millionen davon, da bleibt eine gewisse Lücke, es ist also auch eine Kostenbelastung für das Land übrig. Darüber hat überhaupt nicht jemand gesprochen. Aber gut, wir sind ja durch das EU-Recht verpflichtet, ein solches Gesetz zu erlassen.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Dementsprechend muss das Land vielleicht auch Kosten tragen dazu. Ob die allerdings so hoch sein müssen, stelle ich erheblich infrage. Die Niederlande – auch ein Staat, der meines Wissens zu den EU-Staaten gehört, und die auch 2011 das letzte Volkszählungsgesetz hatten – machen überhaupt keine Bevölkerungsbefragung. Die erheben das allein aus ihren amtlichen Registern

(Jens-Holger Schneider, AfD: Bitte!)

und sparen damit ein Erhebliches an Geld ein. Und ob die Zahlen schlechter sind, ist bisher jedenfalls nicht plausibel dargestellt worden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Thomas Krüger, SPD: Aber Sie können es auch nicht belegen.)

Bei uns heißt es dagegen, dass „ergänzende“ – ich zitiere aus dem Begründungswortlaut zu diesem Gesetz – „ergänzende primärstatistische Befragungen der Bevölkerung“ stattfinden, und zwar insbesondere zu den Punkten der Haushaltsstichprobe. Die ergänzende primärstatistische Befragung der Bevölkerung, die also über die reinen Registerabfragen hinausgeht, betrifft immerhin zehn Prozent der Bevölkerung, die befragt werden, ist also nicht ganz unerheblich. Und die Zwangsmittel, die dazu vorgesehen sind – also nicht genug, dass die Leute kommen und die Fragen beantwortet werden müssen, sie müssen sie auch ins Haus lassen, und da sind Zwangsgelder vorgesehen, wenn man das nicht umsetzt –, sind auch kein ganz geringer Eingriff in die privaten Angelegenheiten unserer Bevölkerung.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Dass man darüber gar nicht sprechen möchte, ist dann schon ein bisschen verwunderlich.

(Martina Tegtmeier, SPD: Die meisten Befragungen sind auch online.)

Dann möchte ich daran erinnern, abgesehen davon, dass wir uns ja immer rühmen, dass wir ein hervorragendes Melderecht bei uns in der Bundesrepublik und auch in den Ländern haben,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

mit einer Vielzahl von Melderegistern – das weiß jeder, der umzieht, das weiß jeder, der sein Auto, ein neues Auto anschafft und so weiter, welche Lauferei wir haben, um melderechtlich auf dem Laufenden zu bleiben –, dass wir dann noch ergänzende primärstatistische Befragungen brauchen, muss man mir erst mal hinreichend erklären.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Es bleiben darüber hinaus erhebliche Defizite in diesem Gesetz, die ich nur mal kurz der Reihe nach ansprechen möchte.

(Martina Tegtmeier, SPD: Ach, deswegen wurde im Innenausschuss auch nicht dagegengestimmt.)

Das erste Defizit, das ich hier benennen möchte, ist die Frage, dass Daten erhoben werden, die zu diesen statistischen Zwecken völlig irrelevant sind. Beispielsweise der frühere Name, frühere Vorname, Geburtstag und Monat und so weiter stehen in keinem Bezug zu dem Zweck, dem das Gesetz dienen soll. Andererseits werden aber Fragen zur Religionszugehörigkeit nur mit Blick auf die anerkannten Religionsgemeinschaften gestellt, wobei es doch gerade wichtig wäre, vielleicht zu erfahren, welche weiteren Bevölkerungsgruppen aus den nicht anerkannten Religionsgemeinschaften sich hier bei uns aufhalten. Das ist das eine.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Zweites Defizit: Bei der Erhebung der Befragung in kleinen Gemeinden, Gemeinden unter 10.000, eigentlich sogar unter 1.000 Einwohnern, ist es ein Problem mit der Anonymisierung. Wenn nämlich nur zwei Leute befragt werden und aus der Datendichte, die erfragt wird, jeder kundige Bürger aus der Gemeinde erkennen kann, wer

da anonymisiert seine Daten abgegeben hat, dann stimmt was nicht mit dieser Anonymisierung. Also da hätte dringend nachgebessert werden müssen.

Und zum Dritten lässt das Gesetz auch eine Drittbefragung ausdrücklich zu, wenn der zu Befragende nicht anwesend ist, und insbesondere bei Befragung von Bewohnern von Gemeinschaftsunterkünften, also die zu uns Geflüchteten oder sonst zu uns Gekommenen, Obdachlose und wo weiter, wenn die nicht angetroffen werden, dann kommt eine Drittbefragung zum Zuge. Drittbefragungen setzen aber eine erheblich intensive Aufklärung und Belehrung derer, die dann Auskunft über Dritte geben, voraus. Das ist nicht hinreichend in diesem Zensusgesetz umgesetzt.

Ginge es wirklich nur um Volkszählungen, hätte wahrscheinlich wirklich niemand was dagegen, aber gerade die Haushaltsbefragungen, die ja aufdecken sollen, ob ein Haushalt normal, weniger als normal oder luxuriös ausgestattet ist und so weiter, gehen in eine individuelle Befragungstiefe, die wir nicht akzeptieren wollen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Meine Damen und Herren, eine ganze Menge Eingriffe ohne Not, meines Erachtens verstößt das gegen den Artikel 5 der Datenschutz-Grundverordnung, die einen besonders überprüften Umgang hinsichtlich der Erforderlichkeit der erhobenen Daten verlangt, also auch datenschutzrechtliche Probleme. Das alles ist in unseren Augen zu viel, zu viel jedenfalls, um überhaupt nicht darüber zu sprechen, aber auch zu viel, um diesem Gesetz zuzustimmen. Deswegen werden wir diesem Gesetz keine Zustimmung geben, sondern es ablehnen. – Danke schön!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Egbert Liskow.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von Frau Tegtmeier wurde ja schon verhältnismäßig konkret darauf eingegangen, warum wir dieses …

(Thomas Krüger, SPD: Nicht nur verhältnismäßig.)

Ja, also sie hat nicht alles,

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

nicht alles im Detail gesagt, aber hat die großen Züge und die Notwendigkeiten hier dargelegt und auch, auf welcher Grundlage, die ja von Herrn Professor Weber auch noch mal genannt worden ist, wir verpflichtet sind, hier unionsrechtlich entsprechend ein Landesgesetz durchzuführen, wofür wir das entsprechend nutzen müssen und auch wollen, und dafür sind mit diesem Gesetz Voraussetzungen geschaffen. Ich möchte da auch nicht noch mal alles wiederholen und will eigentlich nur noch mal sagen, dass wir als CDU-Fraktion diesem Zensusgesetz zustimmen, so, wie es hier vorgelegt worden ist, und dass wir zwar diese Bedenken nicht

sehen, die Sie da sehen, aber dass wir die natürlich zur Kenntnis nehmen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Ritter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ähnlich wie Frau Tegtmeier habe auch ich mich gewundert, dass wir hier eine Aussprache zu diesem Gesetzentwurf durchführen müssen, weil Ausführungsgesetze zu Bundesgesetzen in der Regel nicht die spannendsten Dinge hier im Landtag sind.