Protokoll der Sitzung vom 09.03.2017

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Nahm die Bundesregierung vor der Abgeltungssteuer noch 13,6 Milliarden Euro ein, waren es ein Jahr später, 2009, als die Abgeltungssteuer schon wirkte, nur noch 12,4 Milliarden, 2010 nur noch 8,7 Milliarden und 2014 sogar nur noch 7,8 Milliarden Euro, also fast die Hälfte. Steuerhinterziehung und Steuerflucht konnten mit dieser Steuer nicht eingedämmt werden und die öffentliche Hand profitierte auch nicht von der guten Entwicklung an den Aktienmärkten, ganz im Gegenteil.

Meine Damen und Herren, mit der Abschaffung der Abgeltungssteuer ist die eine oder andere Frage sicher noch zu klären, etwa der Freibetrag. Dieser beträgt derzeit 801 Euro, für ein Ehepaar liegt dieser bei 1.602 Euro. Erst wenn dieser überschritten wird, werden Steuern fällig. Bei der derzeitigen Zinslage bedeutet dieser Freibetrag, dass man schon etwa 160.000 Euro auf der hohen Kante haben müsste, um überhaupt Steuern zahlen zu müssen.

(Torsten Renz, CDU: Dann machen wir am besten gar nichts, wenn das nichts hilft.)

Ob das noch unter „Kleinsparer“ fällt, darüber kann man sicherlich streiten. Also, wie hoch der Freibetrag ausfallen sollte, muss nach einer Grundsatzentscheidung diskutiert und entschieden werden.

(Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Die Bundesratsinitiative will, dass Kapitalerträge genauso besteuert werden wie Einkommen aus Arbeit, also nach dem persönlichen Einkommenssteuersatz. Es darf künftig zu keiner Privilegierung von Superreichen kommen. Darauf wird nach einer hoffentlich erfolgreichen Grundsatzentscheidung zu achten sein.

Das Verfahren im Bundesrat läuft. Der Antrag des Landes Brandenburg wurde federführend in den Finanzausschuss und mitberatend in den Wirtschaftsausschuss des Bundesrates überwiesen. Das Finanzministerium des Landes Brandenburg ließ verlautbaren, dass die Bundesratsinitiative die erste Hürde genommen hat.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Der Finanzausschuss des Bundesrates stimmte dem Vorschlag mit der Mehrheit von elf Ländern zu. Auch der Wirtschaftsausschuss gab die Empfehlung zuzustimmen. Finanzminister Brodkorb ließ die Öffentlichkeit wissen, auch Mecklenburg-Vorpommern habe dem Vorschlag im Finanzausschuss zugestimmt. Vom Wirtschaftsministerium wissen wir es leider nicht. Auf unsere Anfrage im Ministerium erhielten wir keine Auskunft. In diesem Fall hat das Finanzministerium mit offenen Karten gespielt. Allerdings glaube ich, dass die Medien nur deshalb informiert wurden, damit wir unseren Antrag zurückziehen.

(Torsten Renz, CDU: Nee, nee! Sie wollen, dass die SPD Farbe bekennt!)

Aber vielleicht ist das ja nur eine kühne Behauptung von mir.

(Vincent Kokert, CDU: Fake News!)

Ich gehe davon aus, dass die SPD unseren Antrag heute voll und ganz unterstützen kann. Durch eine Zustimmung des Landtages zu unserem Antrag geben wir hier das richtige Signal für die morgige Entscheidung.

(Torsten Renz, CDU: Rückenwind, ne?!)

Allerdings ist uns noch nicht klar, wie die CDU zur Abschaffung der Abgeltungssteuer steht.

(Tilo Gundlack, SPD: Die eiern noch ein bisschen rum.)

Bundesfinanzminister Schäuble zumindest ist kein Freund dieser Steuer, das wissen Sie sicherlich. Er hat sich schon mehrfach gegen die Abgeltungssteuer ausgesprochen.

(Torsten Renz, CDU: Zurzeit Einzelmeinung.)

Allerdings schiebt er die Umsetzung vor sich her.

(Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Vom Grundsatz her kann sich also auch die CDU zu unserem Antrag bekennen. Wir werden daher genau hinhören, ob der Finanzminister auch für seine CDUMinisterkollegen und für seinen Koalitionspartner hier heute sprechen kann.

(Torsten Renz, CDU: Nein, in diesem Fall leider nicht.)

Uns ist schon bewusst, dass die Entscheidung im Finanzausschuss und Wirtschaftsausschuss des Bundesrates noch lange nicht bedeutet, dass auch im Plenum die Abstimmung 11 : 5 ausfallen wird. Auch so etwas soll es schon gegeben haben. Da hat sich der größere Koalitionspartner nicht an die Absprachen mit dem kleineren Partner gehalten. Wie auch immer, wir erwarten, dass die Landesregierung die Initiative zur Abschaffung der Abgeltungssteuer unterstützt. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Mathias Brodkorb.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wie Sie eben feststellen durften, ist auch der Linkspartei nicht entgangen, dass ich mich vor Kurzem öffentlich für die Abschaffung der Abgeltungssteuer ausgesprochen habe, und das war kein Ausrutscher und auch kein Lippenbekenntnis.

(Torsten Renz, CDU: Tiefste Überzeugung.)

Im Finanzausschuss des Bundesrates hat die Mehrheit – und zwar die deutliche Mehrheit – der Finanzministerinnen und Finanzminister den Antrag aus Brandenburg unterstützt. Der erste Schritt in der politischen Diskussion ist aus meiner Sicht damit gemacht.

Die Mehrheit der Finanzminister will die Abgeltungssteuer wieder abschaffen, weil sie es für ungerecht hält, dass Vermögende unter Umständen weniger abführen müssen als Personen, die das gleiche Einkommen aus Lohn und Gehalt beziehen. Nun könnte man natürlich fragen, und das ist teilweise schon getan worden: Warum wurde die Abgeltungssteuer überhaupt einmal eingeführt? Ich denke, es gab damals Gründe, die dafürsprachen.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Ihnen dürfte der berühmte Satz von Peer Steinbrück noch in Erinnerung sein, ich darf mit der Genehmigung der Präsidentin zitieren: „Besser 25 Prozent von X als 42 Prozent von nix.“

(Andreas Butzki, SPD: Mathematisch stimmt das.)

Das Ziel der Einführung war damals, durch diesen niedrigeren Steuersatz einen Anreiz zu schaffen, sein Geld nicht in Steueroasen zu verschieben. Dieser Anreiz ist heute aus meiner Sicht nicht mehr nötig. Die Finanzverwaltungen des Bundes und der Länder haben in den vergangenen Jahren viele Steuerschlupflöcher geschlossen, den Informationsaustausch ausgeweitet und den Verfolgungsdruck auf Steuerhinterzieher erhöht. Die Grundlage für diese Privilegierung von Kapitaleinkünften ist damit meines Erachtens weggefallen.

Mit der Abschaffung der Abgeltungssteuer soll wieder der individuelle Steuersatz fällig werden, also der Satz, der auf das Arbeitseinkommen fällig wird. Ich unterstütze diese Position nicht deshalb, weil ich mir von einer Steuergesetzänderung höhere Einnahmen erwarte, ich rechne vielmehr damit, dass sich diese kaum verändern dürften. Wir unterstützen diese Initiative deshalb, weil es eine Frage von Steuergerechtigkeit ist.

(Thomas Krüger, SPD: Genau! Genauso ist es. – Zuruf von Jeannine Rösler, DIE LINKE)

Die Sozialdemokraten, sehr geehrte Frau Rösler.

Warum zahlen viele der hart arbeitenden Menschen bei uns im Land mehr Steuern auf ihr Einkommen als diejenigen, die ihr Geld für sich arbeiten lassen? Ich kann Ihnen diese Frage jedenfalls nicht plausibel beantworten. Daher freue ich mich, dass das Land Brandenburg die Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht hat.

Nun ist es allerdings so, dass wir uns in einer Koalition befinden und dass die SPD nicht allein entscheidet, wie das Land Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat abstimmen wird. Der Bundesfinanzminister hat angedeutet, dass er zunächst die Erfahrungen aus dem internationalen Datenaustausch abwarten will. Dieser ist Ende vergangenen Jahres beschlossen worden. Eine totale Verweigerungshaltung hört sich meines Erachtens anders an, sehr geehrte Frau Abgeordnete Rösler. Für den Moment bedeutet es aber auch, dass wir uns im Bundesrat enthalten werden, da die Union offenbar noch etwas Bedenkzeit braucht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, wenn also der vorliegende Antrag heute abgelehnt werden sollte, bedeutet das noch lange nicht, dass das Thema damit vom Tisch ist. Es ist der Beginn einer Debatte, an deren Ende die Abschaffung dieses Privilegs stehen könnte. Bis dahin sollten alle Parteien die Möglichkeiten nutzen, um für ihre Position zu werben. Meine Haltung zur Abgeltungssteuer ist hierbei eindeutig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der LINKEN, ich darf daher offiziell das Abstimmungsverhalten der SPD zu diesem Antrag bekanntgeben: Alle Abgeordneten der SPD-Fraktion werden im Herzen bei diesem Antrag mit Ja stimmen

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

und, wenn die Präsidentin zur Abstimmung aufruft, bei Nein die Hand heben. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Zurufe von Dr. Ralph Weber, AfD, Vincent Kokert, CDU, und Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ich richtig unterrichtet bin, werden wir an diesem Punkt die Debatte unterbrechen, um den Tagesordnungspunkt 17, die Eidesleistung der Mitglieder und des stellvertretenden Mitglieds des Landesverfassungsgerichts, durchzuführen.

Da wir momentan hierfür noch kein Mikrofon im Saal haben, unterbreche ich die Sitzung für zwei Minuten.

Unterbrechung: 11.03 Uhr

__________

Wiederbeginn: 11.04 Uhr