(Peter Ritter, DIE LINKE: Also sind die anderen doch unnormal. Besser kann man es doch gar nicht bestätigen!)
(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Intersexuelle Person mit Hund?! – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)
(Minister Harry Glawe: Sechs Minuten haben Sie noch hier. – Jens-Holger Schneider, AfD: Sieben hat er. – Minister Harry Glawe: Sieben noch. – Zurufe von Karen Larisch, DIE LINKE, und Peter Ritter, DIE LINKE)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mal versuchen, ganz versöhnlich anzufangen,
denn ich bin sicher, dass wir, wenn irgendeine neutrale Gestalt in unsere Haushalte, unsere Wohnungen, unser Privatleben blicken würde, dass wir weithin gleichermaßen kulturell in diesem Lande geprägt leben würden. Wir gehen also, weil wir ja weithin alle gottlos geworden sind, nicht wie früher, als ich noch Kind war, in der katholischen Ecke lebte, sonntags in die Kirche, wir würden relativ normal leben.
Und ich bin mir sicher, wir würden auch relativ dieselbe Sprache sprechen, nicht nur im Allgemeinen Deutsch, sondern wir würden auch sagen, ich muss noch mal zum Friseur, ich muss noch zu Kollegen gehen oder sonst was. Wir würden ziemlich gleich uns verhalten.
Deshalb glaube ich auch, dass wir hier – teils vielleicht bewusst – aneinander vorbeireden, aber vor allem, und
das ist mein Kernvorwurf, die meisten Redner, wenn Sie uns hier angegriffen haben, mit unglaublichen Unterstellungen gearbeitet haben.
Und, Frau Drese, ich muss ganz ehrlich sagen, Frau Drese, Frau Ministerin Drese, bei Ihnen halte ich das als einer Ministerin geradezu für unwürdig, in welcher Weise Sie uns hier angemacht und mit Ihren Unterstellungen gearbeitet haben.
Frau Tegtmeier, auch Sie, ich könnte Ihnen, also das wäre sogar spannend, ich könnte Ihnen Geschichten erzählen, weil ich ja noch unter dem alten Scheidungsrecht meinen Dienst angefangen habe, was es da für Situationen gab. Und nicht alles, was früher war, ist besser, das kann man da gerade darauf abstellen. Also das alte Scheidungsrecht war spannend, spannend auch, als man unter dem geltenden Recht noch versucht hat, irgendwie vernünftige Wege zu finden, durch Vergleich und was weiß ich. Das waren sehr spannende Zeiten.
Natürlich hat sich vieles gebessert, insbesondere auch, was die Rolle der Männer anbelangt. Wir mit unserem unsäglich altertümlichen Rollenverhalten – wissen Sie, ich würde ja jeden Wettbewerb auch mit Ihnen bestehen, wer mehr in seinem Leben gewindelt, Kinder ins Bett gebracht und Nächte durchgemacht hat mit den Kindern.
Meine Tochter, meine erste Tochter, wurde 1967 geboren. Das war damals noch nicht unbedingt so üblich, aber ich sage noch mal, ich bin sicher, mehr als die meisten hier in diesem Raum gewindelt, Kinder ins Bett gebracht und schreiende Kinder beruhigt und mit Kindern mich beschäftigt zu haben. Also es ist wirklich eine unsägliche Unterstellung.
Und insbesondere, wie kommen Sie, wie kann man eigentlich auf die Idee kommen als Frau, wenn ich mich da reinversetze, dass meine Gleichberechtigung, meine Selbstachtung, meine Wahrnehmung, wie die Umwelt mich wahrnimmt, davon abhängt, wie ich jetzt spreche, ob ich jetzt von der Sprachübung, die sich in tausend Jahren entwickelt hat, Abstand nehme und eine neue Sprachregelung erfinde. Das ist doch erbärmlich, eine solche Sicht der Dinge!
Sie haben die Rollengesellschaft angesprochen. Ja, die Rollen haben sich verändert, in ganz natürlichen Prozessen. Wenn ich zurückblicke, natürlich hat sich da vieles verändert, vieles zum Guten, aber Sie vergessen ganz, dass ganz andere Faktoren maßgeblich sind. Als ich anfing, Familie zu gründen, war es noch Sitte teilweise, dass man jedenfalls als Ehemann in der Lage sein musste, die Familie zu ernähren. Das war nicht das verklemmte Bild, dass die Frau am Herd sein musste. Nein, komischerweise musste man und verdiente damals auch so viel, dass man als Alleinverdiener damit zurechtkam.
Überlegen Sie mal, welche Zwänge entstanden sind durch das – mehr durch die materielle, wirtschaftliche
Situation – den Frauen aufgezwungene, von daher aufgezwungene Rollenverständnis, dass heute praktisch in einer Familie beide arbeiten müssen und dass insofern dann das gleichzeitige Kindergroßziehen wesentlich erschwert ist, nämlich faktisch in vielen, vielen Familien, dass die Frauen unter dieser Doppelbelastung erheblich leiden.
Und wie kommen Sie eigentlich auf die Idee, dass irgendwer von uns – oder ich nehme jetzt mich heraus – die Vorstellung hat, dass Frauen irgendwo nicht dieselbe Bildung haben sollen? Ja, meinen Sie denn, ich wäre jemals auf die Idee gekommen, dass Töchter nicht die gleichen Möglichkeiten haben sollen? Das ist doch absurd!
zur Sprache oder erst noch zu Ihrem Rollenverständnis. Sie greifen, zu Recht vielleicht, natürlich ein Rollenverständnis an, dass die Frau, dass man ihr aufzwingt, am Herd zu sein mit ihren Kindern. Das ist doch völlig überholt, will keiner. Aber haben Sie mal darüber nachgedacht, wie sehr Sie dieses andere Rollenverständnis der Gesellschaft aufzwingen? Das hat mein Kollege Weber ja angesprochen. Die Frau, die tatsächlich drei, vier Kinder erzieht und damit so ausgelastet ist wie eine berufsmäßige Erzieherin und dann zu Hause bleibt, die wird von Ihnen missachtet.
Das sagen Sie ganz klipp und klar, diese Rolle missachten Sie. Dieser Frau sprechen Sie die Würde ab, das unterstelle ich jetzt mal. So agieren Sie hier jedenfalls. Sie reden von einem neuen Rollenverständnis, was auch in der Gesellschaft jetzt üblich ist – die meisten akzeptieren das auch, es ist auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit –, aber wer davon abweicht, wird missachtet. Das ist das Problem.
So, dann sprechen Sie davon, keine Bevormundung. Das ist vollkommen richtig. Aber wie gehen Sie denn mit der Sprache um? Woher nehmen Sie sich das Recht, eine in Jahrhunderten und Jahrtausenden gewachsene Sprache von oben her zu verändern und in der Gesellschaft und in den Schulen, in den Medien – das ist ja eine konzertierte Aktion bei allen, die das Sagen haben – zu kommandieren oder vorzugeben, wie man zu sprechen hat, dass man zum Beispiel jetzt nicht von den „Bürgern des Landes“ spricht, dass man jetzt also diese ständigen Doppelbezeichnungen vornimmt oder, und das ist ja noch viel schlimmer, …
... diese Neutralisierung vornimmt. Wissen Sie, was das bedeutet? Von Staats wegen – so was gibt es nur in Diktaturen –, von Staats wegen nehmen Sie eine Neutralisierung der Sprache vor, weil Sie die gewachsene Sprache nicht verwenden wollen.
Das heißt also dann, es gibt da nicht mehr „Radfahrer“ auf dem Schild, auch nicht „Radfahrerinnen und Radfahrer“, sondern „Radfahrende“. Das gibt es tatsächlich irgendwo. Es gibt dann nicht mehr „Zuschauer“, „Zuschauer und Zuschauerinnen“, sondern „Zuschauende“. Es gibt dann „Sehende“, es gibt dann „Studierende“. Es gibt demnächst „Kinderkriegende“.