Ich wiederhole noch einmal: Wir stimmen heute nicht darüber ab, dass oder ob morgen 1.000 Menschen zu uns kommen oder 500. Wir stimmen heute darüber ab, ob und wie unser Land Menschen aufnimmt oder aufnehmen kann. Ein Landesaufnahmeprogramm zu erarbeiten mit vielen Beteiligten, ist der Anfang für einen Konsens, den wir hier treffen müssen und können, wie viele Menschen unter welchen Voraussetzungen. Sie können Ihre Brillen sogar dabei aufbehalten und diese mit einfließen lassen. Wir alle können mit der Erarbeitung eines Landesaufnahmeprogramms beweisen, dass wir uns Gedanken machen, dass wir zuhören und dass wir Verantwortung übernehmen. Die Erarbeitung eines Aufnahmeprogramms, um nicht mehr und um nicht weniger geht es heute. Geben Sie Ihrem Herzen einen Ruck für die Menschenrechte! Ich beantrage jetzt schon einmal die namentliche Abstimmung.
Das Innenministerium hat hier richtig erläutert, es gab mal ein Landesaufnahmeprogramm für Syrien. Warum soll es denn jetzt kein neues geben? Warum können wir kein neues erarbeiten, weil die Situation nicht weniger schlimm ist als damals? Wir finden, die Situation ist viel schlimmer als 2013. Gemeinsamens europäisches Asylsystem, seit Jahren, seit Jahren warten Menschen auf ein gemeinsames europäisches Asylsystem. Seit Jahren widersetzen sich Länder, einfach gemeinsam mit uns an einem Asylsystem zu arbeiten. Jahrelang Elendslager und jahrelang Not. Paragraf 23, ja, dann holen Sie sich doch das Einvernehmen! Um nicht mehr und nicht weniger geht es. Es kann ja nicht daran hindern, ein Programm schon mal zu erarbeiten, oder? Man kann schon einmal daran arbeiten und sich dann das Einvernehmen holen.
Und, werte AfD, unkontrollierte und ungesteuerte Zuwanderung, tja, so ein Landesaufnahmeprogramm ist ja
irgendeine Form von Kontrolle und Steuerung. Man kann übrigens zeitgleich Fluchtursachen bekämpfen und ankommenden Menschen helfen. Niemanden zurücklassen, meint nämlich genau das: niemanden zurücklassen, nirgendwo!
Wer sich in der Flüchtlingshilfe engagiert, der engagiert sich auch in Nachhaltigkeitsgremien. Wer sich in der Flüchtlingshilfe engagiert, der engagiert sich auch immer gegen Waffenhandel. Wer sich in der Flüchtlingshilfe engagiert, der steht auch auf der Straße gegen Kinderarbeit, der kauft keine Sachen, die in Bangladesch oder Indien hergestellt sind.
Wer sich für Flüchtlingshilfe engagiert, engagiert sich auch gegen Folter. Wer sich für Flüchtlinge engagiert, der engagiert sich auch gegen die moderne Sklaverei. Viele vor Ort in den Herkunftsländern, viele hier, denn das geht zeitgleich.
Frau Tegtmeier, Sie standen heute Morgen bei der Mahnwache. Daher kenne ich Ihre Antwort, weil die haben Sie dort erläutert.
Und die CDU, ja, ich sagte ganz am Anfang, wir haben bewusst keine inhaltlichen Vorgaben gemacht, weil diese durch uns gemeinsam in einer Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft da draußen, mit den betroffenen Menschen, mit MIGRANET, die Menschen, die schon hier sind,
die Ihnen genau sagen können, wie sind sie gekommen, was habe ich erlebt, was muss sich zu Hause ändern, was muss sich hier ändern. Können wir ein Programm erarbeiten?
Ich ende mit den Worten Norbert Blüms: „Die Zyniker, die aus der Flüchtlingsmisere politisches Kapital schlagen wollen, müßte man zwingen, in die Augen halb verhungerter Kinder zu sehen.“ Und: „Den Stammtischbrüdern sollte man erst erlauben, die nächste Maß zu bestellen, nachdem sie zuvor eine kalte Nacht in einem Flüchtlingslager im Zelt verbracht haben.“ Ich empfehle Lesbos. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Ralph Weber, AfD: Und das sind keine Gewaltfantasien?)
Frau Larisch, in der Bundesrepublik Deutschland sind in den letzten Jahren rund 100 Milliarden Euro für die Migration ausgegeben oder für die Folgen der Migration, wie auch immer man das nennen will, ausgegeben worden.
Syrien hat einen Staatshaushalt von 14 Milliarden Euro, Äthiopien von 11 Milliarden Euro. Wenn man das mal ins Verhältnis setzt, dann müsste allen doch auch ebenso klarwerden, was man mit diesem ganzen Geld, das wir hier für eine relativ, im Vergleich, überschaubare Zahl von Menschen ausgegeben haben, mit ungewissem Ergebnis obendrein, was man mit diesem ganzen Geld, mit diesen 100 Milliarden Euro machen könnte, hätte machen können in diesen Ländern dort vor Ort. Also ist es doch besser, wir nehmen dieses Geld, bringen es dort hin und schaffen dort nachhaltig bessere Verhältnisse, bekämpfen die Fluchtursachen, als dass wir immer mehr Menschen hier nach Deutschland und Europa einwandern lassen, wo sie Geld kosten, das dort in diesen anderen Regierungen viel sinnvoller angelegt wäre und nachhaltiger.
Wie Sie sich erinnern, bringen wir auch mehrfach Anträge ein, die Fluchtursachen zu bekämpfen, wo wir da sagen, wie viel Geld Deutschland dafür ausgibt, Kinderarbeit zu fördern, Kriege zu fördern, …
… Bodenschätze abzubauen, die uns überhaupt nicht gehören, unsere Tomaten irgendwohin zu schicken, wo sie nichts bringen, Nestlé zu unterstützen. Milliarden um Milliarden geben wir dafür aus, um andere Kontinente auszubeuten. Und ich finde, wir haben eine Verantwortung den Menschen gegenüber. Warum lehnen Sie dann eigentlich auch unsere Anträge ab zur Bekämpfung der Fluchtursachen?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will nur ganz kurz ein Wort zu Griechenland sagen, wo Frau Tegtmeier meinte, Griechenland sei kein Ruhmesblatt. Griechenland ist ein armes Land und niemand hält uns davon ab, dort vor Ort zu helfen. Wer wirklich verantwortlich ist und wie die Situation dort aussieht, dazu will ich einen kurzen Abschnitt vorlesen aus einem Bericht über die Situation dort:
„Für Schutzsuchende war Griechenland auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle im Jahr 2015 das Tor nach Europa. Tausende brachten die Schleuser Tag für Tag vor der türkischen Küste in Schlauchbooten zu den Ägäisinseln. Über die Balkanländer zogen die Geflüchteten nach Norden. Weil die Balkanroute seit dreieinhalb Jahren dicht ist, sitzen nun geschätzt 85.000 Geflüchtete in Griechenland fest – neben Kriegsflüchtlingen auch Wirtschaftsmigranten aus asiatischen und afrikanischen Ländern. Das vermeintliche Tor nach Europa ist für sie zur Endstation geworden. Dennoch reißt der Strom aus
der Türkei nicht ab. In jüngster Zeit steigen die Zahlen wieder. Während im März 1.904 irreguläre Migranten über die Ägäis und die türkisch-griechische Landgrenze kamen, waren es im Juni bereits 3.122.“
So, wie dem auch sei, ich denke, Frau Tegtmeier, Sie haben erkannt, wo die wahre Ursache liegt und für wen es kein Ruhmesblatt ist. Das sind nämlich wir und die Merkelʼsche Politik, die 2015 dazu geführt hat, dass hier ein Magnet entsteht für diese Flüchtlingsbewegung. Und wenn Sie mal weiter recherchieren, was denn passiert, wenn die in Griechenland oder sonst wo angekommen sind, die meisten Migranten: Endziel ist aus Gründen, die wir alle kennen, Endziel ist ganz überwiegend Deutschland. Also wenn Sie die Verantwortung suchen, dann fahren Sie nach Berlin und stellen der Kanzlerin die entsprechenden Fragen!
Manchmal empört mich das, was Sie da so vortragen, Herr Förster. Also Griechenland, Italien, die Inseln, die da sind, jetzt nennen Sie wieder die Balkanroute.
Das ist überhaupt gar kein Grund, warum die Situation da gerade so ist – Hören Sie mir doch bitte erst mal zu! –, denn es gibt das menschenunwürdige europäische Asylsystem Dublin. Es fing an mit Dublin I, Dublin II und Dublin III. Deutschland hat sich mit diesem Gesetz ganz schön freigekauft und Griechenland und Italien und auch die ärmeren osteuropäischen Länder ganz schön alleinegelassen.
Viel zu spät haben wir nämlich angefangen zu helfen. Man kann den Ländern nicht einfach Geld zuschieben und sagen, nun kümmere dich mal, wenn dort keine Ressourcen sind. Wir sind eines der reichsten europäischen Länder. Ja, wir haben das auch tatsächlich selber erarbeitet, natürlich, das will ich überhaupt nicht negieren. Aber,
aber, aber, wir haben es auch erarbeitet auf Kosten der ganzen Welt, denn dieses Land hat keine Bodenschätze. Dieses Land hat ja nicht mal Baumwollfelder, Herr Professor Weber. Was meinen Sie, woher kommt denn die Baumwolle für Ihre hübschen Hemden? Meinen Sie, die kommt aus Deutschland? Das wächst hier nicht.
und darum haben wir eine Verantwortung. Hätten wir früher eingegriffen und hätten gesagt, ja, 2013 haben wir doch gesehen, was auf uns zukommt, als wir in den Nahen Osten geguckt haben.