Protokoll der Sitzung vom 11.06.2020

Eine Folgeschadenabwägung hat praktisch nicht stattgefunden, das ist der entscheidende Punkt.

(Torsten Renz, CDU: Das hat Ihr Fraktionsvorsitzender im April aber anders gesehen.)

Es gibt keinen Lebensschutz um jeden Preis. Vor dem Schutz des Lebens hat keinesfalls alles andere zurückzutreten.

Das wird am Beispiel des Abtreibungsrechts besonders deutlich.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Der Lebensschutz gilt nämlich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes auch für das ungeborene Leben. In der Abwägung mit dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren tritt der Lebensschutz hier aber weitgehend zurück.

(Torsten Renz, CDU: Haben Sie ihm die falsche Rede mitgegeben, oder was?!)

Er reduziert sich auf die grundsätzliche Rechtswidrigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs

(Nadine Julitz, SPD: Was? Was macht er?)

und einer auf den Erhalt des Lebens ausgerichteten verpflichtenden Schwangerschaftskonfliktberatung

(Torsten Renz, CDU: Sie sprechen zum falschen Tagesordnungspunkt! – Unruhe bei Nadine Julitz, SPD – Glocke der Vizepräsidentin)

sowie Straffreiheit des Abbruchs nur bis zur zwölften Woche. Nochmals, dies ist ein Beispiel dafür, dass es keinen absoluten Lebensschutz gibt.

(Torsten Renz, CDU: Das hat doch mit dem Antrag nichts zu tun!)

Ja, hören Sie mal zu, wenn Sie das nicht verstehen!

(Torsten Renz, CDU: Sie haben die falsche Rede genommen! Sie haben die falsche Rede! – Zuruf von Daniel Peters, CDU – Torsten Renz, CDU: Sie sprechen zum Thema Kita?!)

(Unruhe vonseiten der Fraktionen

der SPD und DIE LINKE –

Das ist die Rede für morgen! –

die Rede für morgen, die Sie da haben! –

Sie sprechen zum

Thema Schwangerschaftsabbrüche. –

Glocke der Vizepräsidentin)

Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, dass Sie sich zurückhalten! Ich verstehe die Rede des Abgeordneten so, dass er hinleiten will zu seinem Thema,

(allgemeine Unruhe)

Kita, also der steht auf der Tagesordnung.

Bitte, ich lasse Ihnen jetzt diesen Spielraum.

Also natürlich geht es um die Kita. Ich weiß gar nicht, was die Zwischenrede soll.

(Torsten Renz, CDU: Schwangerschaftsabbruch! – Heiterkeit bei Jens-Holger Schneider, AfD)

Bei der angeordneten Schließung der Kitas

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

und Schulen blieben die Grundrechte und Interessen der Kinder und Schüler sowie der arbeitenden Eltern auf der Strecke. Anstatt den Fokus darauf zu richten, die vulnerablen Gruppen, also vorwiegend alte Menschen mit Vorerkrankungen, vor einer Infektion zu schützen, wurde die Mehrheitsbevölkerung gewissermaßen in Schutzhaft genommen zum vermeintlichen Schutz vor sich selbst und vor allem zum Schutz der vulnerablen Gruppen.

(Torsten Renz, CDU: Und die älteren Menschen?)

Die überragenden Grundrechte der Kinder und Schüler auf Bildung und eine gesunde Entwicklung in Freiheit und Gemeinschaft mit anderen wurden dabei übergangen, um nicht zu sagen, mit Füßen getreten. Die Würde der Kinder wurde missachtet, indem man sie aus epidemiologischer Sicht als gefährliche Virenüberträger identifizierte, vor denen die viel kleinere Gruppe der Gefährdeten geschützt werden müsse. Das tatsächliche, bisher bekannte Infektionsgeschehen in der Altersgruppe null bis neun Jahre weicht nach den vorliegenden Zahlen nachhaltig positiv von dem Infektionsgeschehen in den übrigen Altersgruppen ab. So steht es in den Eckpunkten zum Stufenplan der Landesregierung. Und weiter, Kinder haben häufiger als Erwachsene einen milden oder asymptomatischen Verlauf.

Ja, die Pandemie bedroht nicht unsere Kinder. Gefährdet sind vorwiegend ältere Männer mit Vorerkrankungen. Und das ist ein Segen gegenüber dem, wenn es umgekehrt wäre. Und das hat nichts damit zu tun, dass das Leben alter Menschen nicht geachtet würde.

Welche Auswirkungen hat die Schließung der Kitas und Schulen auf die Kinder und deren Familien? Nun, muss ich das wirklich ausführen,

(Torsten Renz, CDU: Ja.)

was das Herausnehmen aus der Kita, der Wechsel der Gruppenzugehörigkeit, die Neueingewöhnungen – nach dem vorgeschriebenen Übergaberitual heißt das, ohne Eltern –, die Kontaktsperre zu anderen Kindern oder das vermiefte häusliche Umfeld bis zu häuslicher Gewalt in Problemhaushalten und vieles mehr für die Kinder bedeutet, wie es auf diese einwirkt und deren Seelen beschädigt? Und dies alles geschieht nicht um des Schutzes der Kinder willen, sondern um sie als Virenverbreiter auszuschalten.

Und wie sieht es bei den Schülern aus? Stellen Sie sich taub oder blind gegenüber der Realität, dass Kinder, vor

allem aus bildungsfernen Schichten, komplett abgehängt werden,

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU)

dass Versäumtes nicht nachzuholen ist, dass Lebensläufe einen nicht reparablen Knick erhalten? Glauben Sie im Ernst, man könnte den Präsenzunterricht, die lebendige Schüler-Lehrer-Beziehung,

(Torsten Renz, CDU: Dann sind Sie jetzt ja wieder beim Thema Schule.)

durch einen Digitalunterricht ersetzen? Und wie hat sich die Schließung der Kitas beziehungsweise der sogenannte „eingeschränkte Regelbetrieb“ auf die arbeitenden Eltern ausgewirkt? Auch das ist bekannt. Für viele war mit einem Schlag die Vereinbarkeit von Familie und Beruf beendet. Mütter wurden in alte Rollenmuster zurückversetzt, weil es anders nicht ging: Stress, Ungeduld, existenzielle Nöte, Depressionen, das alles waren die Folgen, die auch an den Kindern nicht spurlos vorbeigehen.

Das Übel besteht einfach darin, dass das Wohl der Kinder ganz offensichtlich bei dem von der Landesregierung verhängten Shutdown und den dazu ergangenen weiteren Maßnahmen nicht – jedenfalls nicht hinreichend – berücksichtigt wurde. Anstatt nunmehr wegen Corona die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz zu fordern, hätte man die für Kinder ebenso geltenden Menschen- und Grundrechte beachten und ernst nehmen müssen, Grundrechte, die im Zuge der Corona-Restriktionen auf das Gröbste beschnitten wurden.

Der eingeschränkte Regelbetrieb ist ein erster Rückzug auf dem eingeschlagenen Irrweg, mehr nicht. Was nutzen sechs Stunden Kita bei Eltern, die in Vollzeit arbeiten? Zudem sind die Regelungen, zum Beispiel zum Übergaberitual mit Abstandsgebot, realitätsfremd und nicht praktikabel.

Unser Antrag ist keinesfalls dadurch überholt, dass die Landesregierung voraussehbar in Bälde den geordneten Regelbetrieb wieder zulassen wird, denn es stellt sich jetzt bereits die Frage, wie reagiert werden soll, wenn die Infektionen wieder ansteigen oder es sogar im Herbst zu einer zweiten Welle kommt. Die Landesregierung hat bisher nicht erkennen lassen, dass sie ihre bisherige Strategie zu ändern bereit ist. Das heißt, sie scheint entschlossen zu sein, einen neuen Shutdown zu verhängen, wenn sie dies zur Eindämmung des Virus für erforderlich hält. Sie scheint nicht bereit zu sein, ihre bisherige Strategie überhaupt erst mal zu überprüfen und vor allem eine Folgeschadenabwägung vorzunehmen.

Kritiker, die nicht auf Linie sind, werden nicht ernst genommen. Der nicht genehme Bericht aus dem BMI wird als Wichtigtuerei abgetan, ohne dass man sich damit überhaupt inhaltlich auseinandersetzt. So ist zu befürchten, dass aus Gründen der Gesichtswahrung an dem eingeschlagenen Weg festgehalten und Kollateralschäden als unvermeidlich hingestellt werden. Dem werden wir uns widersetzen.

(Torsten Renz, CDU: So eine schwache Rede habe ich lange nicht gehört. – Heiterkeit bei Daniel Peters, CDU)

Meine Partei appelliert an die Landesregierung: Seien Sie einsichtig und stellen Sie für die Kitas sofort die Normalität wieder her! Mit jedem Tag, den Sie damit warten, fügen Sie dem Land weiteren Schaden zu. – Vielen Dank!