Protokoll der Sitzung vom 29.06.2022

Allerdings bestehen hier erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Diese ergeben sich insbesondere aus dem Gleichheitsgrundsatz gemäß Artikel 3 des Grundgesetzes. Danach ist wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Grenzen bei der Ausgestaltung der Einkommen- und Körperschaftsteuer gesetzt. Es gilt der Grundsatz der Steuergerechtigkeit, wonach die Steuerbelastung sich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten hat. Hier geht es vor allem um den Grundsatz der horizontalen Steuergerechtigkeit, das heißt gleiche Besteuerung bei gleicher Leistungsfähigkeit.

Bei der Bestimmung des Steuersatzes hat der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum. Bei einer unterschiedlichen Besteuerung von Einkünften, die grundsätzlich gleichgeordnet sind, muss es aber für eine ungleiche Besteuerung eine sachliche und nachvollziehbare Begründung geben, und die gibt es eben nicht. Hier wird damit argumentiert, dass Übergewinne einen WindfallProfit, also einen leistungslosen Zuwachs, darstellen. Das liefert aber keinen Rechtfertigungsgrund im Sinne eines Lenkungs-, Vereinfachungs- und Missbrauchsvermeidungszwecks, denn es kann bei realistischer Einschätzung des Marktverhaltens nicht davon ausgegangen werden, dass die zusätzliche Besteuerung zu einer Verhaltensänderung der Unternehmen führen würde. Die für die Besteuerung maßgebliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist völlig unabhängig davon, woraus sich ein Gewinn ergibt, oder anders formuliert, für das Ertragsteuerrecht spielt eine moralische Bewertung, woher die Mittel kommen, überhaupt keine Rolle.

Zudem greift die Diskussion, die sich allein an der nicht vollständigen und nicht einmal bewiesenen Weitergabe des Tankrabatts entzündet, viel zu kurz, denn ein Übergewinn ginge ja weit über diesen Bereich hinaus. Eine Übergewinnsteuer kann auch nicht als eigene branchenspezifische Steuer für bestimmte Umsätze eingeführt werden, denn dann käme konzeptionell nur eine Verbrauchsteuer in Betracht. Diese ist aber als indirekte Steuer auf eine Überwälzung auf den Verbraucher angelegt, und genau das soll ja hier nicht erreicht werden.

Abgesehen von diesen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gäbe es eine Reihe weiterer Einwände, die zeigen, dass es sich hier um ein undurchdachtes und

nur scheinbar gerechtes Projekt handelt. Eine höhere Steuerbelastung würde die Preise weiter anheizen, denn die Unternehmen würden die höheren Steuern eher auf die Verbraucher abwälzen, als auf erzielbare Preise und Gewinne zu verzichten.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Jan-Phillip Tadsen, AfD: Genauso ist es.)

Zudem würde für multinationale Unternehmen ein Anreiz geschaffen, die knappen Waren dort abzusetzen, wo keine Übergewinne abgeschöpft werden. Mit anderen Worten, das, was erreicht werden soll, wird nicht erreicht. Stattdessen wird die Inflation weiter angetrieben. Die Diskussion über eine Übergewinnsteuer ist eine Diskussion über neue steuerliche Belastungen. Sie führt, da niemand weiß, wie eine Übergewinnsteuer konkret aussehen soll – Steuersätze 20, 30, 60, das ging mal bis 90 Prozent –, also wer da auch noch davon betroffen sein könnte und wie hoch der Steuersatz sein soll, zu Unsicherheit und ist damit Gift für den Investitionsstandort Deutschland.

Völlig ungelöst ist die Frage, wie der Übergewinn als ein Mehr gegenüber dem Normalgewinn festgestellt werden soll, denn allein ein Vergleich mit dem vorherigen Gewinn wird dem Anliegen nicht gerecht, denn wir haben die besondere Situation, dass wir durch Corona und den Krieg gewissermaßen in einem sich überlagernden Dauerkrisenmodus leben.

Das letztlich nicht lösbare Kernproblem besteht indessen darin, dass nicht alle Übergewinne einem höheren Tarif unterworfen werden sollen. Vielmehr soll eine Differenzierung zwischen guten und schlechten Gewinnen gemacht werden, und das ist mit einer nachvollziehbaren Begründung rechtssicher nicht darzustellen. Sollen riskante, aber besonders erfolgreiche Investitionen zunichtegemacht werden, indem die Erfolge wieder wegbesteuert werden? Was ist mit den Gewinnen des Onlinehandels, der mit schneller Marktanpassung, damit aber zugleich in Ausnutzung der Corona-Pandemie beziehungsweise der Corona-Maßnahmen – fast möchte ich sagen Sanktionen – enorme Gewinne gemacht hat? Was ist mit den Impfstoffherstellern, die mit Millionen gefördert, danach Milliardengewinne als Übergewinne eingefahren haben und nicht einmal die Fördergelder zurückzahlen müssen? Was ist mit dem Übergewinn aus dem Handel mit Masken und anderen medizinischen Stoffen? Was ist mit den Übergewinnen aus der Migrationskrise? Gab es da nicht Abgeordnete, die mit leer stehenden Mietshäusern kräftig abkassiert haben?

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Eine Übergewinnsteuer würde ich hier persönlich als wohltuend empfinden, aber das kann eben nicht der Maßstab sein. Was ist mit der Rüstungsindustrie, die erhebliche Übergewinne erwarten kann? Wenn die Debatte anhält, wird sie diese vorsorglich einpreisen, 30 bis 60 Prozent und mehr.

Die Beispiele machen eines klar: Niemand kann zuverlässig definieren, welche Übergewinne gleichsam als unmoralisch anzusehen und deshalb zusätzlich zu besteuern sind. Und noch eines: Wenn kriegs- oder krisenbedingte Gewinne stärker zu besteuern sind, müssen da nicht auch kriegsbedingte Verluste steuermindernd berücksichtigt werden?

Meine Damen und Herren, ich bleibe dabei, die Übergewinnsteuer ist ein untaugliches Objekt und ein populistisches Ablenkungsmanöver von den eigentlichen Ursachen der Krise. Sie gehört ganz schnell in die Ablage. Im Übrigen gilt ein Rückwirkungsverbot, sodass also für alle Veranlagungszeiträume, die abgeschlossen sind, ohnehin nichts mehr repariert werden kann, also nur praktisch für die Zukunft, und das kann man alles dann vernünftig einpreisen.

Zum Schluss noch ein Wort zur Entlastung der Bürger. Ja, die Entlastung tut not, nur, dafür braucht es eine nachhaltige Politik und keine, die Pflästerchen verteilt für Wunden, die sie vorher geschlagen hat, und erst recht bedarf es dazu keiner Steuererhöhungen. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Vielen Dank, Herr Förster! Zu Ihrem Wortbeitrag liegt mir ein Antrag auf Kurzintervention durch Herrn Koplin vor.

Bitte, Herr Koplin!

Frau Präsidentin!

Herr Förster, Ihre Rede war aus meiner Sicht eine Mischung aus seriöser Darstellung von Rechtsgrundlagen und ideologischer Verächtlichmachung der Übergewinnsteuer. Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages einmal im März und einmal im Mai Ausarbeitungen vorgelegt hat, im März zu Möglichkeiten der Einführung einer Übergewinnsteuer und im Mai noch mal eine Ausarbeitung über die Anwendung der Übergewinnsteuer in Italien gegenüber Energiekonzernen.

(Zuruf von René Domke, FDP)

Aus erstgenanntem Dokument geht hervor, dass es zwei Möglichkeiten gibt, auch wegen der Übergewinne, die sich möglicherweise aus Innovationen ergeben. Um die auszuschließen, vergleicht man einen Mix aus Investitionen und Gewinnen einer Vorperiode mit Investitionen und Gewinnen der Krisenperiode und kommt dann zum Übergewinn, wofür wir uns aussprechen. Es ist möglich, wenn man es politisch will. Sie wollen es nicht. Ihre Logik war, jegliche Steuererhöhung, auch die des Übergewinns, wird dann so eingepreist.

(René Domke, FDP: Ja.)

Nach der Logik würde ein völliges Flachlegen von Steuern und eine Herabsetzung auf null Prozent ja wohl die beste sein, und das macht den Sozialstaat, das macht die öffentliche Hand sozusagen handlungsunfähig,

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

und ich frage mich, ob Sie das wirklich wollen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Förster, möchten Sie auf die Kurzintervention erwidern?

Ja, gerne.

Sie haben natürlich völlig recht mit der sozialen Situation, die wir haben, das habe Ursachen. Und dieses Gutachten kenne ich auch. Wenn Sie es genau gelesen haben, dann gibt es, das ist richtig, zwei Methoden, vielleicht auch noch mehr, aber sie sind besonders schwierig in der Anwendung, weil ja wir auch diese Überlappung hier haben.

Und das Kernproblem ist – auch das steht dort drin, das war ja zu Pandemiezeiten erstellt worden, dieses Gutachten, und nicht jetzt nach dem Ukraine-Krieg, wenn Sie das genau gelesen haben, dann sehen Sie, und da zeigen sich auch schon nach diesem Gutachten die Schwierigkeiten, also abgesehen von der Errechnung des Übergewinns, das ist natürlich bei uns besonders schwierig wegen der sich überlappenden Krisen –, das Kernproblem, das ergibt sich auch aus dem Gutachten, ist, dass es für eine Besteuerung derselben Art von Einkünften, für eine unterschiedliche Besteuerung, dort sachliche, nachvollziehbare Gründe geben muss. Das ist das Kernproblem. Den Steuersatz kann man beliebig erhöhen, insgesamt, aber Sie haben hier eine Steuer, also Sie haben Einkünfte nach dem Ertragsteuerrecht, die im Grunde rechtlich gleich gelagert sind, Einkünfte, egal, wo die jetzt im Grunde herkommen, die müssen sie gleich besteuern. Sie kommen also nicht drum herum zu werten, was sind gute und was sind schlechte. Und das steht alles im Gutachten drin, und da steht nicht drin, dass das, so, wie Sie sich das vorstellen, dass das machbar ist.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ganz im Gegenteil, dort wird nur auf diese Schwierigkeit hingewiesen.

Und Sie sind dem Problem doch völlig ausgewichen. Sie haben doch nur sozial rumgeredet. Das kommt bei den Leuten gut an. Da haben wir dasselbe Herz für das, was hier geschieht bei den Leuten. Und ich muss auch nicht auf meine Kindheit hinweisen, wie es nach dem Kriege war.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD)

Das kann ich auch empfehlen. Aber dazu, wie die Übergewinnsteuer umgesetzt werden könnte, dazu haben Sie kein Wort verloren. Nachvollziehbare Gründe, die bewerten, was gute und schlechte Einkünfte sind, wird es nicht geben. Und die anderen Länder haben nicht so ein Verfassungsgericht wie hier. Das scheitert dort, da mache ich mit Ihnen jede Wette.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU Herr Peters.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sie haben jetzt, Herr Kollege Koplin, das erste Mal in der Kurzintervention tatsächlich zum Thema, zu dem von Ihnen angemeldeten Thema, konkret gesprochen.

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

In Ihrer Einbringung zur Aktuellen Stunde haben Sie nach meiner, nach unserer Wahrnehmung hier Ihr linkspopulis

tisches Repertoire abgespult in einer Art und Weise, die wir eigentlich nur aufs Schärfste zurückweisen müssen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und FDP)

Es hätte nur noch gefehlt – also ich kann da mal einfach nur die Begrifflichkeiten, die ich da jetzt mitgeschrieben habe, da war dann von „Partys feiernden Konzernen“ die Rede, natürlich die Rüstungsindustrie mit reingebracht –,

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Für die Sie ein großes Herz haben.)

es fehlte nur noch, dass Sie wirklich hier von „Bonzen“ gesprochen hätten. Das hat nur noch gefehlt, meine Damen und Herren,

(Michael Noetzel, DIE LINKE: Hat er aber nicht.)

dann wäre Ihre Parteitagsrede hier vollendet gewesen. Aber Sie haben,

(Michael Noetzel, DIE LINKE: Und die Maskendeals haben gefehlt.)