Protokoll der Sitzung vom 13.03.2002

Meine Redezeit ist abgelaufen. Ich hoffe, mir wird noch etwas Zeit zugestanden. Ich hätte noch einiges anzufügen. Das Thema ist so komplex.

Reden Sie noch ein bisschen weiter.

(Beifall bei den GRÜNEN - Frau Pa- welski [CDU]: Ist sie nicht nett, unse- re Präsidentin?)

Das Thema ist so komplex, das kann man nicht in fünf Minuten abarbeiten. - Danke schön.

Das Land besitzt keinerlei Erkenntnisse über Angebote der Kinder- und Jugendhilfe. Warum nicht? Sollen die Jugendhilfeträger komplett alleine gelassen werden? Ich hoffe, dass der hochgelobte Kinder- und Jugendplan mehr Licht in diesen Schattenbereich und auch die dringend notwendigen Finanzmittel bringt.

Zum Stellenwert der U-Untersuchungen: Basismaterial ist da, um Fördermaßnahmen mit mittelund langfristigen Gesundheitszielen zu initiieren. Doch das Basismaterial liegt seit langem vor. Es wird einfach nicht genutzt. Und das Kultusministerium möchte die Schuleingangsuntersuchungen am liebsten ganz abschaffen. Hier wird eine Rolle rückwärts gemacht, und Sie merken es anscheinend nicht mal.

Es besteht doch ein eindeutiger Zusammenhang und damit Handlungsbedarf zwischen der Teilnahme an den gesetzlich im Kinderfrüherkennungsprogramm verankerten U-Untersuchungen und der Feststellung nicht abgeklärter bzw. unzureichend behandelter Befunde im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen. Das ist so. Nehmen Sie das doch einmal zur Kenntnis! Reagieren Sie, und lassen Sie das nicht so durchgehen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Insbesondere die gut strukturierte Gesundheitsberichterstattung könnte die Basis für eine inhaltlich zielgerichtete Arbeit in den Kommunen sein. Die Antwort zeigt auch insoweit Problemzonen auf:

Suchtabhängigkeiten sind weit verbreitet, der Vormarsch von Allergien ist erschreckend. Aber das MFAS weiß anscheinend nicht, dass es Zusammenhänge zwischen Umweltbelastung und Allergien gibt und dass es darüber längst Untersuchungen gibt. Die wiederum tauchen in der Antwort überhaupt nicht auf. Sie wurden eben im Vortrag der Ministerin ansatzweise skizziert. Da hat die hausinterne Abstimmung auch nicht funktioniert.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU - Frau Schliepack [CDU]: Wie- der einmal!)

Am erschreckendsten aber ist die negative Korrelation bei den U-Untersuchungen von Kindern ausländischer Mitbürger. Die Gesundheit von Migrantenkindern ist schlechter als die der restlichen Bevölkerung.

(Glocke der Präsidentin)

Kommunikationsprobleme und kulturelle Hemmnisse führen zur Nichtbehandlung von Krankheiten. Von präventiven Maßnahmen sind Migrantenkinder gänzlich ausgeschlossen. Und die Initiative in Hannover ist da eindeutig zu wenig. Wir brauchen gesetzliche Änderungen. Prävention gilt auch für Migrantenkinder. Auf die Frage, welche Maßnahme zur Verbesserung des Gesundheitsstatus von Kindern mit welchem Erfolg ergriffen wurde, erhalten wir nämlich ziemlich wenige Antworten. Die Aufzählung der Projekte reicht mir nicht aus. Die konnte ich schon der anderen Antwort entnehmen.

Frau Janssen-Kucz, kommen Sie bitte jetzt zum Schluss.

Noch kurz zu den Arbeitskreisen. Es gibt viele vernetzte Arbeitskreise, die bisher fast nur auf Landesebene funktionieren, weil es die Landesvereinigung „Gesundheit“ gibt. Die anderen Arbeitskreise funktionieren nicht.

Vor Ort ist es mit der Kooperation schwierig. Wir brauchen dringend ein neues Gesetz für den öffentlichen Gesundheitsdienst, in dem Gesundheitskonferenzen als Instrument der Zusammenarbeit

verordnet werden. Wir haben dazu einen Antrag vorgelegt.

Wir könnten dazu sicherlich noch einiges sagen. Vor uns liegt noch sehr viel Arbeit. Die Antworten sind unbefriedigend, und auch der Gesundheitsbericht zeigt gravierende Lücken. In Niedersachsen gibt es nicht nur in den Schulen ein selektives System, sondern auch im Gesundheitswesen, vor allem in Bezug auf Kinder und Jugendliche. Wir sollten alles daran setzen, diese Hemmnisse in der Gesamtentwicklung der Kinder und Jugendlichen abzubauen. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da die Landesregierung ihre Redezeit nahezu verdoppelt hat, was bei der Komplexität des Themas auch kein Wunder ist, habe ich auch die Kollegin Janssen-Kucz länger reden lassen. - Für die Fraktion der CDU spricht die Kollegin Frau Jahns.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben nun schon ziemlich ausführlich über die Große Anfrage der SPD zur Gesundheit von Kindern in Niedersachsen gesprochen. Dennoch möchte auch ich noch eine kurze Bemerkung anfügen.

Wir haben eben schon gehört, dass der Zeitpunkt der Vorstellung des Gesundheitsberichtes ziemlich merkwürdig gesetzt war. Frau Dr. Trauernicht, ich möchte natürlich auch darauf hinweisen, dass der Jugendgesundheitsbericht, vier Tage bevor Ihre Anfrage der SPD-Fraktion hier im Landtag behandelt wird, veröffentlicht bzw. vorgestellt worden ist. Das ist schon merkwürdig.

Mir ist gestern der Jugendgesundheitsbericht vorgelegt worden. Es ist festzustellen, dass die Fragen aus der Anfrage der SPD-Fraktion fast annähernd wortwörtlich mit den Antworten aus dem Bericht übereinstimmen.

(Oh! bei der CDU - Frau Schliepack [CDU]: Das ist wirklich schlimm!)

Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Frau Ministerin, ich kann es mir nicht verkneifen: Im Vorwort Ihres Gesundheitsberichts steht der folgende Satz, den ich wörtlich vorlese:

„Der vorliegende Spezialbericht ‚Niedersächsischer Kinder- und Jugendgesundheitsbericht‘ widmet sich besonders der Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen.“

Womit soll sich ein Jugendgesundheitsbericht denn sonst beschäftigen?

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Antwort der Landesregierung umfasst mehr als 100 Seiten. Ich hatte eigentlich vor, mich ganz besonders bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu bedanken, die diese Antwort bearbeitet haben. Aber mittlerweile muss ich fragen: Wem sollen wir denn hier eigentlich danken? Sollen wir unseren Dank nicht lieber der Arbeitsgruppe, die vom Sozialministerium eingerichtet wurde und diesen Bericht erstellt hat, aussprechen? Denn sie hat noch einen viel ausführlicheren Bericht vorgelegt, der alle Schwerpunkte umfasst, die in der Antwort der Landesregierung stehen. Nichtsdestotrotz sollten wir anerkennen, dass uns mittlerweile eine derartige Datenerfassung vorliegt. Daraus sollten wir unsere Schlüsse ziehen.

Wenn diese Datenerhebung auch immer noch nicht ausreichend ist, so bietet sie doch für uns alle eine Grundlage zur Diskussion über die Problematik im Gesundheitsbereich, gerade im Hinblick auf Kinder und Jugendliche. Dazu werden wir Ärzte, Eltern, Kommunen, Lehrer, Erzieher sowie alle anderen Institutionen heranziehen, die sich mit Kindern und Jugendlichen beschäftigen.

Die Landesregierung hat uns mitgeteilt, dass auf Bundesebene eine Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen erarbeitet wird - darauf hat Frau Ministerin Dr. Trauernicht vorhin ja auch hingewiesen -, die im Jahre 2006 ausgewertet werden soll. Ich finde es schade, dass diese Auswertung erst im Jahr 2006 vorgenommen wird und im Lande Niedersachsen von 2002 bis 2006 keine weiteren Schlüsse gezogen werden können, weil man glaubt, dass diese Studie auf Niedersachsen umzusetzen ist, dass es also keine gravierenden Unterschiede zu der Problematik in Niedersachsen geben wird. Es ist schade, dass man die Zeit verstreichen lässt. Ich meine, dass wir trotzdem schon

Handlungsmöglichkeiten haben, um regionalspezifisch tätig zu werden.

Für uns ist der wichtigste Bereich - um die Kindergesundheit ins Bewusstsein der Menschen zu bringen - bereits die Mutterschaftsvorsorgeuntersuchung.

(Beifall bei der CDU)

Es wäre interessant zu erfahren, wie sich die Entwicklung dort in den vergangenen Jahren dargestellt hat. Es sind in der Antwort zwar einige Zahlen und Daten enthalten, aber für uns wäre es wichtig zu erfahren, wie viele Mütter dieses Angebot tatsächlich in Anspruch nehmen. Wir haben erfahren, dass es immer noch einige werdende Mütter gibt, die noch nicht zur Vorsorgeuntersuchung gehen. Auch Migrantinnen nutzen dieses Angebot vielfach nicht. Gerade in dem Bereich brauchen wir noch erweiterte Zahlen.

(Beifall bei der CDU)

Der zweite Schritt ist für uns das NeugeborenenScreening. Wir haben schon einiges darüber gehört. Bereits vor Jahren haben wir gefordert, landesweit Neugeborenenhörtests einzuführen. Hierdurch kann man mit einer frühestmöglichen Behandlung beginnen und den Kindern mit Hörschädigungen annähernd ein gleichberechtigtes Leben ermöglichen.

(Groth [SPD]: Können Sie sagen, wo Sie das gefordert haben?)

Die Leistungen, die Niedersachsen für Kinder und Jugendliche mit Hörschädigungen in den Landesbildungszentren bietet, sind im Vergleich zu anderen Bundesländern schon jetzt blamabel. Wir haben darüber gerade vor einigen Wochen diskutiert. Die beabsichtigten Veränderungen bei der Früherziehung, schulischer Bildung und in Schülerinternaten werden die Situation für Kinder und Jugendliche mit Hörschädigungen in Niedersachsen verschlechtern. Das ist peinlich für Niedersachsen. Dies hat nun scheinbar auch die Landesregierung erkannt, denn aus der Antwort geht hervor, dass das Modellprojekt in Hannover erfolgreich ist und man an eine generelle landesweite Einführung denkt.

(Glocke der Präsidenten)

Auch Frau Ministerin Dr. Trauernicht hat vorhin darauf hingewiesen. Wir sind gespannt, wann diese Möglichkeit umgesetzt wird. Ganz besonders freu

en wir uns darüber, dass unsere Anregung jetzt angenommen wird und dass Sie sich für eine flächendeckende Einführung des First-Screenings in den Kinderrichtlinien einsetzen werden.

(Beifall bei der CDU)

Frau Jahns, kommen Sie bitte zum Schluss!

Beim Neugeborenen-Screening, das bereits jetzt in Niedersachsen durchgeführt wird, erkennen wir an, dass Niedersachsen hier einmal positiv auffällt. Denn es werden umfangreichere Krankheitsbilder attestiert, wie z. B. angeborene Schilddrüsenunterfunktion, Phosphatmangel, Glukose 6, Lues und andere seltene Störungen. Dadurch ist die Möglichkeit gegeben, vielen Kindern bereits im Kleinkindalter durch eine richtige gezielte Behandlung, durch Diät, Ernährungskontrolle oder Medikamenteneinnahme zu helfen und so spätere geistige Beeinträchtigungen zu vermeiden.

(Beifall bei der CDU)

Negativ ist aber, dass es keine Kontrolle oder Datenerfassung darüber gibt, inwieweit die Vorsorgeuntersuchungsergebnisse nachverfolgt werden bzw. ob die erforderliche Nachsorge erfolgt.

(Frau Pawelski [CDU]: So ist es!)