Protokoll der Sitzung vom 13.03.2002

Jetzt spricht der Kollege Schurreit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Pawelski, die zwölf Jahre, in denen wir Verantwortung für dieses Land getragen haben, waren gute Jahre und sollen es auch bleiben.

(Zustimmung bei der SPD - Zurufe bei der CDU)

Ich werde Ihnen erklären, dass mit unserem Antrag „Dienstleistungswirtschaft in Niedersachsen: Chance für Wachstum und Beschäftigung“ auf dem richtigen Wege sind. Ich wäre Ihnen herzlich dankbar, wenn sie ihm am Ende zustimmen würden, weil Sie dann endlich einen Lösungsansatz bekommen.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: 10 % Arbeitslosigkeit - auf dem richtigen Weg? Eine Zumutung ist das!)

Es ist sicherlich allen bekannt, dass sich unsere Gesellschaft in den letzten Jahren zu einer Dienstleistungsgesellschaft umstrukturiert hat. In den letzten 50 Jahren hat sich die Anzahl der im Dienstleistungsbereich Beschäftigten von 33 auf heute 64 % verdoppelt. In Niedersachsen erzielen die dienstleistenden Wirtschaftsbereiche 67 % der Bruttowertschöpfung. 80 % aller Unternehmensneugründungen finden im Bereich der Dienstleistungen statt. Es ist auch festzustellen, dass zwei Drittel aller Erwerbstätigen in Niedersachsen in diesem Dienstleistungsbereich arbeiten. Das sind weit mehr als in der klassischen Industrie.

Hier entstehen neue Arbeitsplätze. Mit einer Steigerungsrate von beinahe 10 % von 1995 bis 2001 belegen wir hier den Spitzenplatz in der Bundesrepublik. Im gleichen Zeitraum hat das produzierende Gewerbe 5 % verloren. Anders ausgedrückt: In den Jahren von 1991 bis 1999, also zuzeiten unserer Regierungsverantwortung, sind in Niedersachsen 269 000 neue Arbeitsplätze - vorrangig im Dienstleistungsbereich - geschaffen worden. Da

durch haben wir die Arbeitsplatzverluste im produzierenden Gewerbe mehr als ausgeglichen. Der Strukturwandel ist in Niedersachen auf einem erfolgreichen Weg.

Lassen Sie mich noch einmal an die Frage anknüpfen, in welcher Weise wir verpflichtet sind, für Altlasten einzustehen. Wir fordern die Landesregierung auf, dass sie diese Politik durch gezielte Initiativen wie die Optimierung der Förderinstrumente fortführt. Ich weise bei dieser Gelegenheit darauf hin, dass Niedersachsen zuzeiten der Albrecht-Regierung insgesamt 8,5 Milliarden DM zugeflossen sind - das ist uns heute Morgen bestätigt worden -, die damals nicht zur Strukturverbesserung der traditionell auf Eisenproduktion, Schiffbau und Landwirtschaft gestützten niedersächsischen Wirtschaft eingesetzt, sondern rein konsumtiv zum Stopfen der Haushaltslöcher verwendet worden sind.

(Dr. Stratmann [CDU]: Aber damals wurde mehr investiert als heute!)

Es sind keine Strukturveränderungen und keine Verbesserungen vorgenommen worden, es ist alles beim Alten geblieben, ohne eine Vision zur Erneuerung des Landes. Das ist Ihre Politik gewesen, für die Sie zu Recht abgewählt worden sind.

Erst mit der Übernahme der politischen Verantwortung durch die Sozialdemokraten im Jahre 1990 hat das Land umgesteuert, indem wir vor allem den Mittelstand gefördert haben. Unser Mittelstandskonzept ist leitbildgerecht in allen Ländern kopiert worden. Eine stabile Wirtschaftsstruktur haben wir erarbeitet. Wir sind heute krisenunabhängiger.

(Lachen bei der CDU)

Mit den Zahlen zur Steigerung der Erwerbstätigenquote, die ich dargestellt habe, belegen wir einen oberen Platz im Konzert der Länder. Mit der aktuellen Schwerpunktsetzung auf den Dienstleistungssektor stehen wir an der Spitze derjenigen, die Arbeitsplätze neuer Prägung schaffen. Frau Dr. Knorre hat ihr eigenes Ministerium in ein Dienstleistungsministerium umgestaltet, wobei der Schwerpunkt Dienstleistungswirtschaft in der Umsteuerung Früchte tragen wird. Dafür möchte ich ihr herzlich danken.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU-Fraktion, wie gehen Sie dieses Thema an? Am 7. März haben Sie eine Initiative Projekt Nordwind, eine Vorwärtsstrategie für Niedersachsen, auf den Markt geworfen und meinen, damit den Stein der Weisen gefunden zu haben. Der Antrag erscheint mir fast wie eine Kopie der vom Land bisher durchgeführten Maßnahmen. Ich möchte Ihnen das beweisen:.

Erstens. Sie sagen, dass vor allem die Zusammenarbeit zwischen Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium ausgebaut werden muss. Das machen wir schon lange, indem wir Gründerzentren an den Universitäten ausgebaut haben, damit Neugründer - Absolventen der Universitäten - zukunftsorientierte und selbständige Arbeitsplätze schaffen.

Zweitens. Sie fordern eine besondere Leistung der Gesellschaft für Biotechnologie: Unsere Organisation BioRegioN ist eine Erfolgsstory sondergleichen.

Drittens. Sie organisieren den Fahrzeugbau in unserer Region neu. Auch das ist keine Erfindung von Ihnen, sondern wir haben in Niedersachsen schon lange eine Logistikinitiative durchgeführt.

Viertens. Es war unser Antrag, auf der EXPO alle Initiativen der Kulturwirtschaft zusammenzubündeln. Das wird in Ihrem Antrag dargestellt.

Was Sie fordern, haben wir schon lange gemacht. Das möchte ich Ihnen deutlich machen. Ich weiß ja nicht, wann uns der Antrag hier erreicht.

Unsere Programme werden in Ihrem Antrag sozusagen als Bonsai-Programme dargestellt. Damit zeigen Sie mir die Ernsthaftigkeit Ihrer wirtschaftspolitischen Initiativen: Sie zeigen mir wieder aufs Neue, dass Sie in der Wirtschaftspolitik absolut keine Kompetenz haben.

Mit unserem Entschließungsantrag unterstützen wir unsere Wirtschaftsministerin weiterhin, den Weg einer Schwerpunktsetzung in der Neuschaffung von Arbeitsplätzen im Dienstleistungsbereich zu beschreiten. Wir bedanken uns und unterstützen Sie. Das sollten Sie auch tun, weil dort die Zukunft der Schaffung von Arbeitsplätzen liegt, und nicht - wie von Ihnen angestrebt - nur den Ist-Zustand kritisieren, der sich aber entscheidend gebessert hat. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat Herr Kollege Gansäuer das Wort, für bis zu zehneinhalb Minuten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bekanntermaßen stellt sich jeder hier vorne so dar, wie er meint, sich darstellen zu müssen. Unter diesem Gesichtspunkt, Herr Kollege Schwarz, muss ich Ihnen ein Kompliment machen: Ich habe in diesem Hause in den vielen Jahren noch keine Rede von Ihnen gehört, in der Sie nicht wild und ruchlos um sich gebissen haben. Ich gratuliere, dass Ihnen das heute auch wieder gelungen ist. Wirklich perfekt!

(Beifall bei der CDU)

Wer so verkniffen und verbissen Politik macht, der kann eigentlich gar keine Freude mehr am Leben haben.

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der SPD)

Wenn Sie zum Lachen in den Kohlenkeller gehen müssen, ist das Ihr Problem. Die Darstellung, dass die anderen grundsätzlich die Bösen und man selbst der Gute ist, ist doch sehr simpel.

(Zuruf von der SPD: Das habe ich bei Ihren Reden gemerkt!)

- Ich bemühe mich darum, auch einmal selbstkritisch zu sein. - Abgesehen davon, dass Ihre Rede schlicht falsch war - ich sehe jetzt gerade Herrn Hagenah an -, weise ich darauf hin, dass die Region Hannover seit Oktober letzten Jahres von Rot-Grün regiert wird. Davor gab es zwar einen SPD-Landrat, aber es gab im Kreistag eine CDU/FDP-Unabhängige Mehrheit. Deshalb vielen Dank, das Kompliment gilt der Mehrheit im Kreistag.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie schon darüber reden, sollten Sie sich vorher vorsichtshalber darüber informieren. Sie hätten Herrn Arndt anrufen können, dann hätte er Ihnen das sicherlich gern mitgeteilt.

Ich finde es ziemlich öde, meine Damen und Herren, wenn man prinzipiell so tut, als sei der andere daran interessiert, die Arbeitslosigkeit nach oben zu treiben. Es ist geradezu absurd, dass wir uns als

Demokraten auf einem solchen Niveau unterhalten. Ich unterstelle der SPD, dass sie die Arbeitslosigkeit genauso beseitigen will wie wir.

(Zuruf von der SPD: Wir haben ja ei- nen vernünftigen Vorschlag ge- macht!)

Es gibt allerdings Instrumente, die ich für falsch halte. Es gibt aber auch Instrumente, die ich für richtig halte. Auf diesem Niveau würde ich mich gerne mit Ihnen unterhalten. Aber Sie dürfen uns nicht prinzipiell unterstellen, dass wir die Bösen sind und Spaß daran hätten, die Arbeitslosigkeit nach oben zu treiben.

(Beifall bei der CDU - Schurreit [SPD]: Dann sagen Sie Ja zu unserem Entschließungsantrag!)

Ich unterstelle jedem Landkreis - egal, von wem er regiert wird -, dass sich die verantwortlichen Politiker - und so kennen wir uns doch auch - einschließlich des Verwaltungspersonals darum bemühen, Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Dass der Landkreis Osnabrück auf diesem Gebiet besonders frühzeitig gute Erfolge hatte, hat Ihr Ministerpräsident in Osnabrück bestätigt. Lassen wir es doch dabei, und freuen uns über jeden Landkreis, der das auch erreicht. So einfach ist das!

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD - Unruhe - Glocke des Präsiden- ten)

Herr Schwarz - entschuldigen Sie, wenn ich Sie falsch verstanden habe -, Sie haben es so dargestellt, als hätten wir zu unserer Zeit eine Freude daran gehabt, 90 000 jugendliche Arbeitslose zu haben. Die hatten wir ganz bestimmt nicht. Sie können alle Debatten nachlesen. Ich war damals dafür zuständig. Wir haben zusammen mit der DAG Millionen und Abermillionen für das Ausbildungsplatzprogramm Niedersachsen ausgegeben.

(Beifall bei der CDU)

Das war in Deutschland beispielhaft. Sie können immer noch sagen, dass das zu wenig war. Das ist in Ordnung. Aber unterstellen Sie uns doch bitte nicht solche üblen Dinge, die Sie hier zum Besten gegeben haben.

(Zuruf von der SPD: Das gilt aber für beide Seiten!)

Natürlich müssen wir uns auch über Arbeitslosigkeit streiten. Das kann man auch einmal polemisch machen. Ich möchte Ihnen aber noch ein Beispiel nennen. Die Arbeitslosen- und Beschäftigtenzahlen aus dem Jahr 1992, einem Jahr, in dem wirklich historisch unbestritten hunderte von Betrieben aus der alten DDR aus von uns gemeinsam nicht zu verantwortenden Gründen kaputtgegangen sind, können Sie doch nicht mit der Situation von heute vergleichen.

(Beifall bei der CDU)

Ich weiß selber, wie schnell es geht, dass man in der Politik den Mund einmal zu voll nimmt. Das ist mir sicherlich auch schon passiert und wird vielleicht auch wieder passieren.

(Frau Goede [SPD]: Nein, sagen Sie bloß!)

Ich würde nie bestreiten, dass das in der Hitze des Gefechts einmal passiert. Aber, verehrter Kollege, das war die Realität des Jahres 1997: Schröder will Arbeitslosenzahlen halbieren. Dies ist jedoch die Realität von heute - das stand vor wenigen Wochen in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung -: „Pleitewelle rollt über Deutschland“.

(Beifall bei der CDU - Biel [SPD]: Was Sie kritisieren, das machen Sie gerade!)