Protokoll der Sitzung vom 13.03.2002

(Beifall bei der CDU - Biel [SPD]: Was Sie kritisieren, das machen Sie gerade!)

Jetzt zeige ich Ihnen noch eine andere Realität, damit unsere nicht ganz abstrakt bleibt: Meine Damen und Herren, ich habe eine Vorlage aus dem Kreditausschuss der Kreissparkasse Hannover vorliegen.

(Zurufe: Vorsicht!)

- Diese darf ich vorlesen, diese hat nämlich jeder bekommen. Sie ist öffentlich. - Hier wird deutlich gemacht, wie sich die Insolvenzen im Arbeitsamtsbezirk Hannover entwickelt haben. 1999 gab es 635 Insolvenzen. Im Jahr 2000 gab es 741, also plus 16,7 %. Im Jahr 2001 gab es 934, noch einmal plus 26,1 %.

(Zuruf von der SPD: Wie viele Neue- rungen gibt es denn?)

Jetzt werde ich noch deutlicher. Bei den 934 Anträgen sind die Verfahren aber in nur 222 Fällen überhaupt eröffnet worden. Verehrter Herr Kollege, wer solche Zahlen auf den Tisch bekommt,

kann solche Reden, wie Sie sie hier gehalten haben, eigentlich nicht halten!

(Beifall bei der CDU und Zurufe von der SPD)

Ich möchte es damit gut sein lassen und Ihnen noch ein Zitat vortragen. Deshalb möchte ich auch darum bitten, dass wir versuchen, die Maßstäbe abzugleichen. Im Jahr 1988 - vor 14 Jahren - gab es 2,5 Millionen Arbeitslose. Zitat Gerhard Schröder:

„Das ist die schaurige Bilanz einer Politik, die den Reichen gegeben, den Armen genommen und die Arbeitslosen sich selbst überlassen hat.“

Was ist denn das heute bei 4,3 Millionen, wenn das damals bei 2,5 Millionen schon so war?

(Starker Beifall bei der CDU - Mein- hold [SPD] meldet sich zu einer Zwi- schenfrage)

- Nein, ich habe keine Zeit mehr. Tut mir leid.

Meine Damen und Herren, ich habe mich in Anlehnung an die Diskussion im Oktober letzten Jahres zu Wort gemeldet, als es um MAN ging. Beschwert habe ich mich darüber, dass Frau Dr. Knorre auf mich den Eindruck gemacht hatte - ich sage es jetzt ganz vorsichtig; ich habe die Rede einige Male nachgelesen -, dass Sie nur ökonomisch argumentiert, aber die Menschen dabei nicht erwähnt.

Sie können uns alles Mögliche unterstellen. Nehmen Sie uns aber bitte eines ab: Der menschliche Gesichtspunkt macht mir im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit arg zu schaffen. Das liegt auch, wie ich gerne zugebe, an dem gemeinsamen Agieren und am Kennenlernen von Menschen damals in Lemwerder bei der DASA. Ich glaube, das werden Sie mir abnehmen. Deshalb habe ich immer große Probleme, wenn wir so akademisch über Arbeitslosigkeit reden und so ökonomisiert versuchen, die Dinge an den Mann zu bringen, ohne dabei zu bedenken, welche Ängste und Sorgen die Menschen bewegen. Das sage ich auch ganz unabhängig davon, wer wo regiert. Das interessiert mich nicht. Denn was passiert dabei, meine Damen und Herren? - Wir höhlen durch die Art und Weise, in der wir insbesondere über solche Fragen diskutieren, die Verantwortung der Unternehmen für die Menschen aus. Wir haben eine soziale

Marktwirtschaft, in der die Unternehmen nicht nur für die Bilanzen, sondern auch für die Menschen verantwortlich sind. Darum geht es mir.

(Beifall bei der CDU)

Frau Knorre, von dieser gesellschaftspolitischen Verantwortung möchte ich gern reden.

Sie haben gemeint, Sie müssten der rechten Seite dieses Hauses Nachhilfeunterricht in Sachen Strukturwandel erteilen. Ich habe es noch einmal genau nachgelesen. Deshalb möchte ich Ihnen dazu doch noch ein paar Sätze sagen. Hier im Hause ist einmal über die Frage diskutiert worden, ob Niedersachsen verkabelt werden soll oder nicht. Sie werden sicherlich zugeben, dass dies eine existenziell wichtige Frage war; denn die Verkabelung Niedersachsens war Voraussetzung für jeden technisch-wissenschaft-lichen Fortschritt in unserem Land.

(Schurreit [SPD]: Schlage doch nicht die Schlacht von vorgestern! Sage doch mal was zu heute!)

Seinerzeit aber hat die SPD-Fraktion gesagt: Nein, Niedersachsen darf nicht verkabelt werden. Ich lese Ihnen jetzt einmal vor, was der Kollege Kirschner damals gesagt hat.

(Widerspruch bei der SPD)

Er hat damals gesagt - auch wenn Ihnen das unangenehm ist -:

„Neben der Innovation werden damit Arbeitsplätze vernichtet. Zu einem solchen Fortschritt, meine Damen und Herren, sagen wir Nein.“

Nun stellen Sie sich einmal vor, wir hätten die Verkabelung in Niedersachsen damals nicht mit unserer Mehrheit durchgesetzt. Was Sie damals gewollt haben, war Steinzeitökonomie. Sie müssen uns doch jetzt nichts über Strukturwandel erzählen. Darüber können höchstens wir Ihnen etwas erzählen.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Ich sage Ihnen noch etwas zum Strukturwandel. Dreimal dürfen Sie raten, warum die ILA aus Hannover nach Berlin gegangen ist. - Nicht wegen der CDU, sondern wegen der Jusos und wegen Ger

hard Schröder, der da demonstriert hat. Deshalb ist die ILA weggegangen.

(Beifall bei der CDU)

Eine letzte Bemerkung. Sie haben neulich gesagt - ich habe es mir aufgeschrieben -, Verkehrspolitik sei die beste Wirtschaftsförderung. Wohl wahr! Verkehrspolitik ist die beste Wirtschaftsförderung. Ich möchte Ihnen empfehlen, die schöne Broschüre der Landesregierung „Niedersachsen geht vor“ aus dem Jahr 1992 noch einmal nachzulesen. Darin steht der schöne Satz: Wir haben zum Bundesverkehrswegeplan keine neuen Straßen angemeldet. So sieht das aus.

(Beifall bei der CDU)

Letzter Satz, Frau Knorre. Geben Sie Nachhilfeunterricht, wem Sie wollen. Die rechte Seite dieses Hauses hat ihn von Ihnen nicht nötig.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der CDU)

Frau Ministerin Knorre antwortet sofort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es schon erstaunlich, dass es ausreicht, aus vergilbten Broschüren vorzulesen,

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU)

um die CDU-Fraktion in einen Freudentaumel zu stürzen.

(Beifall bei der SPD)

Ich kann Ihnen versprechen: Dieses Spiel wird die Landesregierung nicht mitmachen. Wir richten den Blick nicht zurück in die Jahre, die Sie uns hier vorhalten wollen, sondern wir richten den Blick nach vorne. Wir haben die Rezepte für die Zukunft. Darauf kommt es an.

(Beifall bei der SPD)

Zum Thema Aktualität und Zukunft gehört auch, dass Sie, wenn Sie über die Pleitewelle in Deutschland sprechen, bitte auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich heute bestätigt hat, was ich gestern schon gesagt habe: Den Rekord bei den

Pleiten hält im Ländervergleich Bayern mit plus 28 %, nicht aber Niedersachsen.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

- Doch, das können Sie heute nachlesen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte nur noch eine Anmerkung machen. Ursprünglich wollte ich eigentlich nicht reden. Das Folgende sage ich ganz bewusst an die CDU-Fraktion.

(Lindhorst [CDU]: Nennen Sie doch einmal die absoluten Zahlen! - Möll- ring [CDU]: Nennen Sie die absoluten Zahlen! - Lindhorst [CDU]: Von zwei auf vier sind 100 %!)

Herr Gansäuer hat eben gesagt, dass wir gemeinsam daran interessiert seien, Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen. Vor diesem Hintergrund finde ich es perfide, dass sich Ihr Fraktionsvorsitzender eben hier hingestellt und gesagt hat, es gebe in Niedersachsen Insolvenzen. Gar keine Frage. Er hat ferner aber gesagt, die Landesregierung kümmere sich nicht darum.

(Möllring [CDU]: Das stimmt doch auch!)

Das ist schlicht und ergreifend falsch. Sie wissen das auch.

(Beifall bei der SPD)